ADHS ist nicht heilbar, aber die Symptome können durch eine individuell angepasste Behandlung gelindert beziehungsweise stabilisiert werden.
Bausteine für eine erfolgreiche ADHS-Behandlung
Folgende Bausteine sind grundsätzlich für eine erfolgreiche ADHS-Behandlung wichtig:
- Aufklärung und Beratung der Eltern, des Kindes/Jugendlichen und des Erziehers beziehungsweise des Klassenlehrers
- Zusammenarbeit mit Erziehern und Lehrern (Kindergarten, Schule)
- Elterntraining, Miteinbeziehen der Familie (einschließlich Familientherapie), um die Symptomatik im familiären Umfeld zu vermindern
- Kognitive Verhaltenstherapie des Kindes/Jugendlichen (ab dem Schulalter): Impulsives und unorganisiertes Verhalten kontrollieren lernen und Selbstmanagement lernen (Umgang mit Problemverhalten)
Psychotherapie als zentraler Baustein
Nach heutigem Wissensstand lässt sich ADHS nicht heilen. Manchmal bilden sich die Beeinträchtigungen aber mit den Jahren teilweise zurück. Einige Betroffene entwickeln zudem Bewältigungsstrategien, mit denen sie Alltag und Beruf erfolgreich meistern.
Vor allem Schwierigkeiten mit der Arbeitsorganisation sowie der beruflichen und privaten Kommunikation sind gut verhaltenstherapeutisch behandelbar. Einzeln und in der Gruppe werden Verhaltensweisen eingeübt, die den Alltag mit den Kollegen, der Familie oder dem Partner erleichtern.
Selbstinstruktionstraining
Durch ein sogenanntes Selbstinduktionstraining lernen ADHS-Patienten, wie sie ihre Impulsivität besser kontrollieren können. In einer sprachlichen Selbstanweisung geben sich die Kinder ihre nächsten Handlungsschritte vor. Das Motto „Erst Handeln, dann Denken" wird so umgekehrt zu „Erst denken, dann Handeln“.
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Die Fähigkeit, sich selbst konkrete Anweisungen zu geben, stärkt die Selbstkontrolle und hilft, das eigene Verhalten zu überdenken.
Fünf Schritte zur Selbstinstruktion:
- Der Therapeut oder Erzieher spricht die "Selbstanweisungen" modellhaft vor und handelt auch entsprechend.
- Das Kind handelt nach den gerade gehörten Anweisungen des Lehrers (externe Verhaltenssteuerung).
- Das Kind lenkt sein Verhalten durch eigene Selbstanweisungen mit lautem Sprechen (offene Selbstinstruktion) .
- Das Kind flüstert die Selbstanweisung (ausgeblendete Selbstinstruktion).
- Das Kind soll lernen, sich durch das Einüben der verinnerlichten Selbstinstruktion selbst zu steuern (verdeckte Selbstinstruktion).
Verhaltenstherapie im Detail
Die Verhaltenstherapie umfasst die Zusammenarbeit mit den Kindern, deren Eltern und auch der Schule. Die Kinder lernen, ihren Alltag zu strukturieren und ihr Verhalten besser zu kontrollieren.
In vielen Fällen ist es sinnvoll, dass ein professioneller Helfer die Kinder einige Zeit auch in der Schule unterstützt. Auch das Üben in Modellsituationen kann hilfreich sein. Im Rahmen von Rollenspielen, zum Beispiel unter Gleichaltrigen, üben ADHS-Kinder in einer praxisnahen Situation ein Verhalten, das sie später auch zu Hause oder in der Schule anwenden können.
Erleben sie dabei Anerkennung, werden sie das neue Verhaltensmuster schnell in ihr Repertoire aufnehmen.
Elterntraining
Ein wichtiger Bestandteil der ADHS-Therapie ist das Elterntraining. Um ihre Sprösslinge besser zu unterstützen, lernen die Eltern einen konsequenten, aber liebevollen Erziehungsstil. Dazu gehören unter anderem:
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- klare Strukturen vorgeben, sich unmissverständlich ausdrücken
- eigenes Verhalten mit den Anweisungen in Übereinstimmung bringen
- Ablenkungen von einer gerade anstehenden Aufgabe vermeiden
- Rückmeldung geben, ob sie das Verhalten des Kindes positiv oder negativ finden
- erwünschtes Verhalten deutlich erkennbar belohnen
Viele Eltern suchen auch Hilfe bei Elterninitiativen. Der Austausch mit anderen hilft ihnen aus der Isolation und kann mögliche Schuldgefühle reduzieren. Oft schaffen Eltern von ADHS-Kindern es erst dank des Rückhalts durch die Gruppen, ihr hyperaktives Kind so zu akzeptieren, wie es ist.
Neurofeedback als alternative Therapie
Das Neurofeedback ist ein Verfahren auf verhaltenstherapeutischer Basis. Dabei lernt man, die eigenen Hirnaktivitäten positiv zu beeinflussen. Die Methode kann bei Kindern über sechs Jahren und Jugendlichen eingesetzt werden, wenn andere, wirkungsvollere Therapien dadurch nicht verzögert oder behindert werden.
Neurofeedback ist eine spezialisierte Form des Biofeedbacks, bei der die Gehirnaktivität per EEG-Sensor gemessen und visuell rückgemeldet wird. Ziel des Neurofeedback-Trainings ist es, bestimmte Gehirnwellen gezielt zu fördern oder zu hemmen, um die Selbstregulation des Gehirns zu verbessern.
Dafür werden EEG-Signale in verschiedene Frequenzbereiche zerlegt. Bei Menschen mit ADHS ist meist ein Ungleichgewicht in bestimmten Gehirnwellenmustern zu beobachten. Beispielsweise sind die Theta-Wellen, welche unter anderem mit Tagträumen und einem entspannten Wachzustand assoziiert sind, oft überaktiv, während die Beta-Wellen, welche bei Konzentration und fokussierter Aufmerksamkeit auftreten, eine verringerte Aktivität aufweisen können.
Beim Neurofeedback werden Elektroden auf die Kopfhaut eines Patienten geklebt, die seine Gehirnströme ablesen, sodass sie auf einem Monitor sichtbar werden. Diese Messung nennt sich auch Elektroenzephalografie (EEG). Durch Konzentration gelingt es dem Patienten, seine Gehirnaktivität auf einem bestimmten Level zu halten.
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Bei längerem Training lässt sich die erlernte Fähigkeit dann auch im Alltag, in der Schule oder im Beruf anwenden. Für viele Kinder und Jugendliche ist das Neurofeedback eine effektive Methode zur Konzentrationssteigerung.
Empfohlen werden in der Regel 20 bis 40 Sitzungen, idealerweise zwei- bis dreimal pro Woche. Nach neuesten Untersuchungen hält der Erfolg eines Neurofeedback-Trainings auch nach sechs Monaten unverändert an.
Weitere alternative Ansätze
Es gibt auch alternative Versuche zur Behandlung von ADHS. Sie können die schulmedizinische Therapie ergänzen.
Homöopathie
Eine der alternativen Heilmethoden, die bei ADHS Anwendung finden, ist die Homöopathie. Manche Betroffene beziehungsweise deren Eltern berichten von einer Verbesserung der ADHS-Symptome bei Einnahme von Homöopathika.
Die Auswahl an homöopathischen Mitteln, die hier in Betracht komen, ist groß. Abhängig von den Symptomen verwendet man Globuli auf Basis von Kalium phosphoricum (soll die Konzentrationsfähigkeit fördern.
Medikamente als Option bei Bedarf
Medikamente zur Behandlung von ADHS können bei stark ausgeprägten ADHS-Symptomen helfen, die sonst erhebliche Schwierigkeiten im Alltag verursachen. Sie wirken meist schnell und gut. Bei starken Verhaltensproblemen schaffen sie oft erst die Voraussetzung für eine Verhaltenstherapie.
In weniger ausgeprägten Fällen sollten ADHS-Kinder erst dann Medikamente erhalten, wenn eine verhaltenstherapeutische Behandlung nicht ausreicht.
Wichtig ist: Medikamente können ADHS nicht heilen, aber Symptome lindern. Dafür müssen sie regelmäßig eingenommen werden. Viele Betroffene nehmen die Medikamente über Jahre, manchmal auch bis ins Erwachsenenalter ein.
Mindestens einmal im Jahr sollte der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin den Verlauf der Störung überprüfen und feststellen, ob Wirkstoff und Dosis für den Betroffenen noch optimal sind. Haben sich die ADHS-Symptome über einen längeren Zeitraum deutlich gebessert, können die Medikamente möglicherweise abgesetzt werden (in ärztlicher Absprache).
ADHS-Medikamente sollten nicht auf eigene Faust abgesetzt werden!
Methylphenidat
Das am häufigsten eingesetzte Medikament zur Behandlung von ADHS ist Methylphenidat. Es ist vor allem unter den Handelsnamen Ritalin und Medikinet bekannt.
Der Wirkstoff ist kein Beruhigungsmittel, sondern ein sogenanntes Psychostimulans aus der Gruppe der Amphetamine. Als solches fördert er die Aktivität. Dies scheint zunächst widersprüchlich, da Kinder mit ADHS ohnehin hyperaktiv sind.
Sein Einsatz macht aber dennoch Sinn: Methylphenidat erhöht die Konzentration des Nervenbotenstoffs Dopamin im Gehirn. Dieser spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Bewegungen, ist aber auch wichtig für den psychischen Antrieb und die Konzentrationsfähigkeit.
Bei den meisten ADHS-Kindern mindert Methylphenidat auf diese Weise Unaufmerksamkeit und Ruhelosigkeit und verbessert ihre Konzentration. Manchen Kindern ermöglicht Methylphenidat überhaupt erst die Teilnahme am Unterricht und erleichtert erheblich die sozialen Kontakte.
Atomoxetin
Ein neuerer Wirkstoff zur Behandlung von ADHS ist Atomoxetin. Er wirkt tendenziell etwas weniger gut als Methylphenidat, bietet aber eine Alternative.
Atomoxetin steigert vor allem die Konzentration des Nervenbotenstoffes Noradrenalin im Gehirn, indem es dessen Abbau verlangsamt. Der Botenstoff bleibt so länger aktiv und verbessert so die Signalübertragung im Gehirn.
Anders als Methylphenidat fällt Atomoxetin nicht unter das Betäubungsmittel- beziehungsweise Suchtgiftgesetz. Es ist ab einem Alter von sechs Jahren für die Behandlung von ADHS zugelassen.
Weitere Medikamente
Wenn Methylphenidat und Atomoxetin nicht ausreichend wirken, können auch verschiedene Neuroleptika, Antidepressiva, Beruhigungsmittel und weitere Amphetamine sowie Fenetyllin und Pemolin verordnet werden.
Vergleich von Methylphenidat und Atomoxetin
| Substanz | Methylphenidat | Atomoxetin |
|---|---|---|
| Wirkungsweise | Wirkt auf den Dopamin-Stoffwechsel im Gehirn, erhöht Dopaminkonzentration | Beeinflusst Noradrenalin(NA)-Stoffwechsel, NA wird langsamer in die Zelle wiederaufgenommen und wirkt so länger |
| Wirksamkeit | Hilft in der Mehrheit der Fälle | Effektivität eher geringer als die von Methylphenidat, kann bei Patienten wirksam sein, die nicht auf Methylphenidat ansprechen |
| Wirkdauer | 1 bis 3 Gaben pro Tag, neuere Retardpräparate gewährleisten Wirkdauer von 6 bzw. 12 Stunden | Kontinuierliche Wirkung über den gesamten Tag |
| Erfahrung | Seit mehr als 50 Jahren | Seit den 2000er Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugelassen. Studienerfahrung seit 1998 |
| Nebenwirkungen | In der Anfangsphase für 2-3 Wochen:- Kopfschmerzen - Magenbeschwerden - verstärkte Reizbarkeit - Übelkeit und ErbrechenHäufig: - Appetitlosigkeit - Gewichtsabnahme - Benommenheit - Muskelzucken/Tics - Allergische HautreaktionenSelten: - Anstieg von Blutdruck und Puls - Seltene Berichte über ein Ansteigen der Leberwerte oder Leberentzündungen (Hepatitis) - Bremst das Längenwachstum und die Gewichtszunahme der Kinder | Vor allem in der Anfangsphase:- Kopfschmerzen - Mundtrockenheit (Erwachsene) - Bauchschmerzen - verminderter Appetit - Übelkeit und Erbrechen - Verstopfungen - Müdigkeit - StimmungsschwankungenHäufig:- verminderter Appetit - Gewichtsabnahme - leichter Anstieg von Blutdruck und PulsGelegentlich: - allergische ReaktionenSelten: - zusätzliche Verhaltensstörungen mit aggressiver Komponente - Sehr seltene Berichte über ein Ansteigen der Leberwerte, Gelbsucht oder Leberentzündungen (Hepatitis) - Bremst das Längenwachstum und die Gewichtszunahme der Kinder wohl nur vorübergehend |
| Spätfolgen | Keine erhöhte Rate von Spätfolgen, Befürchtungen wegen Parkinson-Erkrankung oder Hirnschäden nicht belegbar. | Spätfolgen noch nicht absehbar |
| Suchtgefahr | Richtig angewendet keine erhöhte Suchtgefahr; wird bei ADHS sogar reduziert (Verlaufsstudien). | Keine Suchtgefahr |
| Gegenanzeigen | - epileptische Anfallsleiden - Angst und Anspannung - erhöhter Augeninnendruck - Tourette-Syndrom - gleichzeitige Einnahme von Medikamenten aus der Arzneimittelgruppe der MAO-Hemmer zur Behandlung von Depressionen - Schilddrüsenüberfunktion - schwere Angina pectoris - Herzrhythmusstörungen - Schwerer Bluthochdruck - schwere Depressionen - Magersucht - Psychosen - Tic-Störungen - Medikamentenmissbrauch - Alkohol- oder Drogenmissbrauch - Schwangerschaft und Stillzeit - Prostatavergrößerung - kürzlich aufgetretener Schlaganfall- gleichzeitige Einnahme von Medikamenten aus der Arzneimittelgruppe der MAO-Hemmer zur Behandlung von Depressionen - erhöhter Augeninnendruck (Engwinkelglaukom) | - epileptische Anfallsleiden - Angst und Anspannung - erhöhter Augeninnendruck - Tourette-Syndrom - gleichzeitige Einnahme von Medikamenten aus der Arzneimittelgruppe der MAO-Hemmer zur Behandlung von Depressionen - Schilddrüsenüberfunktion - schwere Angina pectoris - Herzrhythmusstörungen - Schwerer Bluthochdruck - schwere Depressionen - Magersucht - Psychosen - Tic-Störungen - Medikamentenmissbrauch - Alkohol- oder Drogenmissbrauch - Schwangerschaft und Stillzeit - Prostatavergrößerung - kürzlich aufgetretener Schlaganfall- gleichzeitige Einnahme von Medikamenten aus der Arzneimittelgruppe der MAO-Hemmer zur Behandlung von Depressionen - erhöhter Augeninnendruck (Engwinkelglaukom) |
| Verordnung | Betäubungsmittel- / Suchtgift-Rezept, für Reisen ins Ausland Bestätigung des behandelnden Arztes erforderlich. | Normales Rezept |
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