Essstörungen erkennen: Anzeichen und Warnsignale

Essstörungen wie Magersucht, Essbrechsucht und Esssucht zählen zu den häufigsten psychosomatischen Erkrankungen. Sie treten vor allem bei jungen Frauen auf, aber zunehmend sind auch Männer betroffen. Die Grenze zwischen gesundem und krankhaftem Essverhalten ist oft fließend, was ein frühzeitiges Eingreifen erschwert.

Was sind Essstörungen?

Essstörungen sind komplexe, ernstzunehmende psychische Erkrankungen. Das Spektrum von Essstörungen ist sehr breit gefächert, so dass die Entstehung dieser chronischen, psychisch bedingten Erkrankung den Betroffenen selbst oder ihrem Umfeld unter Umständen erst nach und nach auffällt.

Zu den bekanntesten Formen von Essstörungen gehören:

  • Magersucht (Anorexie) mit anhaltendem Untergewicht
  • Ess-Brech-Sucht (Bulimie) mit regelmäßigen Essanfällen und anschließendem bewussten Erbrechen
  • Binge-Eating mit heimlichen unkontrollierbaren Fressattacken ohne Erbrechen

Betroffen sind alle Geschlechter, vornehmlich in der Altersgruppe ab circa zehn Jahren bis etwa 35 Jahren.

Formen von Essstörungen

Magersucht (Anorexia nervosa)

Betroffene vermeiden die Nahrungsaufnahme und hungern oder essen nurmehr 0-Kalorien-Lebensmittel bis hin zu „Füllstoffen“ wie Watte. Ziel ist es, jegliche Gewichtszunahme zu verhindern. Anorexie geht oft mit exzessivem Sporteln einher.

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Warnsignale für eine Magersucht können vielfältig sein. Besonders auffällig ist, dass sich Betroffene stark mit ihrem Gewicht auseinandersetzen. Das Reduzieren des eigenen Körpergewichts, was auch mit starken Gewichtsschwankungen einhergehen kann, wird durch rigide Ernährungsregeln, ständiges Kalorienzählen und eine eingeschränkte Nahrungsauswahl erreicht. Betroffene zeigen auch oft einen gesteigerten Bewegungsdrang und treiben exzessiv Sport.

Ess-Brech-Sucht (Bulimie)

Gekennzeichnet durch extreme Essanfälle, denen im Anschluss selbst herbeigeführtes Erbrechen folgt, um die zu sich genommenen Kalorien wieder loszuwerden und einer Gewichtszunahme entgegenzusteuern. Bulimie ist oft schwer zu erkennen, da das Gewicht der Betroffenen meist im Normbereich liegt.

Einige Warnsignale bei der Bulimie sind ähnlich zur Anorexie. Betroffene schränken oft ihre Nahrungsauswahl ein, haben eine krankhafte Angst davor, dick zu werden und kontrollieren dementsprechend ihr Gewicht fast täglich. Betroffene haben regelmäßige Essattacken, bei denen sie innerhalb kurzer Zeit unkontrolliert große Mengen an Nahrungsmitteln konsumieren.

Das Schwierige an der Bulimie ist, dass diese Essstörung sich gut verheimlichen lässt, da das Gewicht der Betroffenen um den Normalbereich schwankt und es, im Gegensatz zur Magersucht, nicht zur starken Abmagerung kommt.

Binge-Eating

Hierbei kommt es zu regelmäßigen Essattacken, oft mehrmals die Woche. Eine Binge Eating Störung umfasst Essattacken, bei denen innerhalb kürzester Zeit ein unkontrollierter Verzehr großer Mengen an Nahrung stattfindet. Aus Angst vor Übergewicht flüchten sich viele Betroffene - insbesondere junge Männer - exzessiv in den Sport und es kann sich eine sogenannte „Sport-Bulimie“ entwickeln.

Orthorexia nervosa

„Krankhaftes Gesundessen“ wird zu den Zwangsstörungen gezählt. Laut Definition haben die Betroffenen den Zwang, sich gesund zu ernähren. Es besteht eine große Furcht vor Chemikalien, Fett und Zusatzstoffen, sodass Orthorektiker ihre Lebensmittelauswahl stark einschränken und zwanghaft nur „sichere“ Nahrungsmittel verzehren. Im Gegensatz zu Anorexia und Bulimia nervosa steht hier statt der Quantität eher die Qualität einer Speise im Vordergrund.

Woran erkennt man eine krankhafte Essstörung?

Kleinere Unregelmäßigkeiten im Essverhalten stellen nicht zwingend eine Essstörung dar. Sie können auch eine Anpassung an eine vorübergehende Stressreaktion sein. So ändert sich das Essverhalten bei vielen Menschen in Belastungssituationen. In diesem Fall spricht man nicht von einer klassischen Essstörung. Anders sieht es hingegen aus, wenn das Thema Essen zum Zwang wird.

Oft fällt auf, dass sich die Betroffenen übermäßig mit dem Essen beschäftigen. Warnsignale sind häufiges Kalorien zählen und die Einteilung der Lebensmittel in "gut" und "schlecht". Die Betroffenen finden Ausreden, um nicht an gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen zu müssen oder wollen andere auffallend oft bekochen, ohne selbst zu essen. Wenn in kurzer Zeit große Nahrungsmengen aus dem Kühlschrank verschwinden, große Mengen an Süßigkeiten verzehrt oder Lebensmittel gehortet werden können das Hinweise auf eine Essbrech- oder Esssucht sein.

Dementsprechend könnte das Verschwinden großer Mengen Nahrung bzw. Anzeichen, die auf eine Essstörung schließen lassen sind nicht immer klar als solche erkennbar.

Folgende Anzeichen, die nicht immer zwingend gleichzeitig auftreten, können auf eine Essstörung hindeuten:

  • Veränderung des Essverhaltens: Übermäßiges Essen oder plötzliches völliges Desinteresse am Essen, übertriebenes Beschäftigen mit Nahrungsmitteln inkl. auffälliger Kontrolle darüber (z. B. Kalorienzählen) sowie über das Gewicht/die Figur und eine strenge, fast dogmatische Ernährung etc.
  • Körperliche Veränderungen: Auffällige Gewichtszu- oder -abnahme, Merkmale von Mangelernährung, verschlechtertes Haut- und/oder Haarbild, Tragen von weiter Kleidung, um Gewichtsveränderungen zu verbergen, ausgeprägter und gezielter Muskelaufbau etc.
  • Soziale und emotionale Verhaltensänderungen: Rückzug oder Isolation von sozialen Aktivitäten im „echten“ Leben, vornehmliches Aufhalten in virtuellen Welten (Internet, soziale Netzwerke), Probleme bei sozialen Anlässen, die mit Essen in Verbindung stehen, Angst vor dem Essen bzw. zwanghaftes Verhalten nach selbigem (z. B. sofort nach dem Essen verschwinden, um zu erbrechen), Stimmungsschwankungen bis hin zur Depression, Gereiztheit, plötzliche Ängste etc.
  • Körperliche Beschwerden: Herzstolpern, Schlafstörungen, Erschöpfung, Schwindel, Konzentrationsprobleme, Zyklusschwankungen, Magen-Darm-Probleme, Potenzstörungen etc.

Körperliche Folgen von Essstörungen

Bleiben Essstörungen unbehandelt, drohen körperlich und psychisch schwerwiegende Komplikationen. Mangelerscheinungen, Kreislaufprobleme, Osteoporose sowie Schäden an Herz (Herzrhythmusstörungen etc.), Leber und Niere (Niereninsuffizienz) gehören zu den Gesundheitsrisiken. Insbesondere bei Anorexie besteht die Gefahr eines tödlichen Ausgangs durch sprichwörtliches Verhungern.

Zusätzlich reagiert der Körper mit Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und Gedächtnislücken, da das Gehirn aufgrund fehlender Nährstoffe abbaut. Auch der Hormonhaushalt ist gestört. Bei Mädchen und Frauen bleibt der Monatszyklus aus, die Lust auf Sexualität ist gehemmt, Männer leiden unter Potenzstörungen. Das häufige Erbrechen bei Bulimie verursacht nicht nur Störungen des Salz- und Wasserhaushaltes im Körper, sondern schädigt dauerhaft die Zähne und die Speiseröhre. Zudem können große Mengen an Nahrung bei extremen Essanfällen zum Einreißen des Magens führen.

Hungern führt häufig zu Nährstoffmangelerscheinungen. Eine Unterversorgung mit Eisen, Vitamin B1-, B2-, B6- und Folsäure verändert wiederum das Blutbild. Außerdem zeigen sich häufig ein niedriger Blutdruck mit Neigung zu Ohnmachtsanfällen, eine erniedrigte Herzfrequenz sowie eine gesenkte Körpertemperatur und ein tiefer Blutzuckerspiegel. Erbrechen und Abführmittelmissbrauch bringen den Elektrolythaushalt durcheinander. Betroffen sind vor allem die Mineralstoffe Kalium, Chlorid und Magnesium. Ein chronischer Kaliummangel kann zu Nierenfunktionsstörungen und Herzrhythmusstörungen führen. Der Säuregehalt des Erbrochenen macht Bulimie-Patienten anfälliger für Zahnschäden und -probleme.

Psychische Folgen von Essstörungen

Auf psychischer Ebene leiden Betroffene häufig unter anderem unter Depressionen, Zwangs- und Angststörungen oder auch unter Substanzmissbrauch/ Medikamentenabhängigkeit (z. B.

Was tun bei Verdacht auf eine Essstörung?

Besteht der Verdacht auf eine Essstörung, empfiehlt es sich, die/den Betroffene/n zunächst vertraulich darauf anzusprechen. Für Betroffene ist es oft verletzend, wenn sie nur mehr auf ihr Essverhalten und das Gewicht reduziert wird. Es ist daher wichtig, das persönliche Gespräch zu suchen und zu beschreiben, was Sie wahrnehmen. Bleiben Sie dabei in der Ich-Form: "Ich habe den Eindruck, es geht dir nicht gut...". Dadurch fühlt sich der Betroffene nicht gleich in die Enge getrieben und kann leichter auf Ihre Beobachtungen reagieren. Wenn Sie dennoch auf Ablehnung oder Trotz stoßen, vertagen Sie das Gespräch besser auf einen anderen Zeitpunkt.

In den meisten Fällen braucht es professionelle (psycho)therapeutische Unterstützung, um dem Teufelskreis einer Essstörung zu entkommen. Dies ist, je nach Schwere der Erkrankung, ambulant, tagesklinisch oder stationär möglich. Vorrangiges Ziel einer Therapie liegt darin, wieder „normal“ - also gesund und regelmäßig - essen zu lernen, die Nahrung bei sich zu behalten und dabei kein schlechtes Gewissen zu bekommen. Essen soll wieder als Genuss wahrgenommen werden können.

Der erste Schritt zur Heilung ist die Anerkennung der Krankheit für sich selbst. Damit verbunden auch das Zugeben, dass man krank ist und dringend Hilfe benötigt. Meist gelingt es den Betroffenen nicht von alleine diese Erkenntnis zu gewinnen.

Vom Zeitpunkt des Ausbruchs der Essstörung bis zur tatsächlichen Inanspruchnahme von professioneller Hilfe vergehen durchschnittlich 5 bis 6 Jahre. Der Heilungsprozess beschränkt sich nicht nur auf die "Wiederaufnahme eines gesunden Essverhaltens". Es geht viel mehr darum komplexe Verhaltensmuster und Erfahrungen aufzuarbeiten und zu korrigieren. Wege aus der Essstörung lassen sich nur gemeinsam in intensiver Zusammenarbeit mit Ärzten, Psychotherapeuten, Psychologen und durch Einbindung der Eltern finden.

Zunahme bei jungen Männern

Entgegen der weitverbreiteten Annahme, Essstörungen kämen vornehmlich bei Mädchen und Frauen vor, zeichnet sich in den vergangenen Jahren ein besorgniserregender Trend ab: Die Anzahl betroffener Buben und junger Männer steigt kontinuierlich. So landeten 2018 um ganze 60 Prozent mehr Burschen im Alter von 12 bis 17 Jahren wegen einer Essstörung im Spital als noch zehn Jahre zuvor. Auch bei erwachsenen Männern wird ein deutlicher Anstieg bemerkt. Begleitet wird die „männliche“ Essstörung oft von übermäßigen sportlichen Aktivitäten. Letzteres verschleiert die Erkrankung häufig zunächst. Besonders zu beobachten ist dies bei sehr körperbetonten Sportarten wie Krafttraining, Kampfsport, Turnen, Skispringen oder Ballett.

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