Die Depression scheint im öffentlichen Diskurs längst angekommen zu sein. Viele prominente Menschen bekennen sich zum Krankheitsbild und erzählen ihre Geschichte. Für den Einzelnen bedeutet die Erkrankung jedoch noch immer ein großes Tabuthema. Vor allem fehlen oftmals handfestes Wissen zur Depression und die Antwort auf die Frage: Wo liegt die Grenze zwischen schlechten Tagen und einer depressiven Episode?
Wann spricht man von einer Depression?
Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) müssen für eine Depression mindestens zwei der drei Kernsymptome und mindestens zwei der sieben Zusatzsymptome über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen durchgehend bestehen. Sagen wir, Patienten würden zwei Tage lang all diese Symptome aufweisen, gelten sie trotzdem nicht als depressiv. Der Zeitraum ist entscheidend.
Kernsymptome:
- Gedrückte oder traurige Stimmung
- Antriebslosigkeit
- Freudlosigkeit
- Interesselosigkeit
Nebensymptome:
- Schlafstörungen
- Körperliche Beschwerden
- Unruhe
- Angst
- Konzentrationsstörungen
Die individuelle Diagnose
In erster Linie geht es darum, die Depression überhaupt erst einmal erkennen zu können. Das erweist sich oft als schwierig, da betroffene Menschen häufig nicht die typischen Hauptsymptome nennen, sondern über Zusatzsymptome, wie Schlafstörungen oder körperliche Beschwerden, klagen. Man stellt sich den depressiven Menschen weinend und tieftraurig vor, das ist jedoch nicht immer der Fall. So werden oftmals körperliche Beschwerden beim Internisten abgeklärt und die Depression wird erst viel später erkannt.
Das Verstehen der Erkrankung
Deshalb erstellen wir mit allen Patienten ein individuelles Störungsmodell und vermitteln ihnen ihr Krankheitsbild möglichst bildhaft und verständlich. Das beginnt bei der Unterscheidung zwischen der biochemischen Veranlagung zur Depression und endet beim Auslöser durch übermäßige psychosoziale Belastungsfaktoren, die ein Mensch durchlebt hat oder aktuell durchlebt. Für die Patienten ist es wichtig, zu verstehen, dass die Depression eine körperliche Erkrankung ist, die man sich nicht aussucht. Es handelt sich um eine chemische Veränderung im Gehirn - und diese hat viele Gesichter.
Formen der Depression:
- Leicht
- Mittelschwer
- Schwer
Die Kategorisierung ergibt sich aus der Anzahl an Haupt- und Nebensymptomen. Zudem zeigen sich Unterformen der Erkrankung: Agitierte Depression, gehemmte Depression, bipolare Störungen oder auch Sonderformen, wie z.B. SAD, die saisonbedingte Depression.
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Behandlungsmöglichkeiten
Das individuelle Behandlungskonzept kann sich aus psychotherapeutischer, medikamentöser oder der Kombination aus beidem zusammensetzen. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten bei einer Depression. Die wichtigsten sind eine Psychotherapie und / oder eine Behandlung mit Medikamenten. Daneben gibt es weitere Möglichkeiten wie Beratungsangebote, Selbsthilfegruppen, Psychoedukation, Onlineprogramme, Neurostimulation oder Bewegungstherapien.
Sogenannte Antidepressiva sind Medikamente gegen Depressionen, denen ein ähnliches Prinzip zugrunde liegt. Diese sollen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen die Konzentration von sogenannten Neurotransmittern im Gehirn, vor allem von Serotonin bzw. Noradrenalin oder Dopamin, erhöhen. Es dauert ungefähr 14 Tage, bis Antidepressiva wirken. Nach ungefähr drei bis vier Wochen rechnet man mit der vollen Wirkung. Dann bespricht die Ärztin oder der Arzt mit der betroffenen Person, ob die Symptome weniger geworden sind. Studien zeigen, dass Antidepressiva Beschwerden einer Depression lindern und Rückfälle verhindern können. Jedoch wirken sie nicht bei allen Betroffenen gleich gut. Ein Teil hat weiterhin Beschwerden.
Weitere Behandlungsmethoden:
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
- Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS)
- Bewegungstherapie und sporttherapeutische Maßnahmen
- Musiktherapie
- Lichttherapie
- Schlafentzugstherapie
Symptome im Detail
Depressive Menschen haben in der Regel folgende Hauptsymptome: Sie verspüren eine niedergedrückte Stimmung und innere Leere, verlieren ihre Interessen und fühlen sich antriebslos und müde. Typisch für die Erkrankung sind folgende drei Hauptsymptome:
- Niedergedrückte Stimmung: Die Betroffenen leiden sehr unter einer tiefen Niedergeschlagenheit. Die depressive Stimmung ist fast ununterbrochen vorhanden, stark ausgeprägt und hält mindestens zwei Wochen an.
- Innere Leere und Verlust von Interessen: Charakteristisch ist auch, dass Betroffene weder Freude noch andere Gefühle empfinden. Innerlich fühlen sie sich leer und gefühlstot. Das Interesse an sozialen Kontakten, Arbeit und Hobbys erlischt. Aufmunterungsversuche durch die Mitmenschen haben keinen Effekt. Positive Erlebnisse verbessern die Stimmung nicht.
- Antriebslosigkeit und Müdigkeit: Depressive Menschen sind nur schwer oder gar nicht in der Lage, alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Sie fühlen sich ständig geistig und körperlich erschöpft. Selbst das morgendliche Aufstehen wird zum Kraftakt, sodass manche das Bett gar nicht mehr verlassen wegen ihrer Depression. Müdigkeit wird zum Normalzustand.
Typisch für Depressionen sind zudem die folgenden Nebensymptome:
- Starke Selbstzweifel
- Schuldgefühle und Selbstvorwürfe
- Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen
- Extremes Schlafbedürfnis oder Schlafstörungen
- Starke Unruhe und innere Erregtheit
- Verlust des sexuellen Interesses
Depressionen bei Männern
Bei Männern werden Depressionen seltener diagnostiziert. Zum Teil liegt es daran, dass die Erkrankung sich bei Männern oft anders äußert als bei Frauen. Aggressionen, starke Reizbarkeit, eine geringe Impulskontrolle und wenig Stresstoleranz sind hier häufige Begleiterscheinungen. Viele betroffene Männer gehen zudem mehr Risiken ein als gewöhnlich, fahren beispielsweise viel zu schnell Auto. Oft konsumieren sie mehr Alkohol als sonst oder rauchen mehr. Sie machen ihren Mitmenschen Vorwürfe und sind unzufrieden mit sich und der Welt. Ein Grund dafür ist möglicherweise, dass sie sich aufgrund der depressiven Gefühle als schwach und unmännlich empfinden und ihre Gefühle daher anders ausleben.
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So kann sich eine Depression bei Männern zeigen:
- Unruhe und Unzufriedenheit
- Feindseligkeit
- Wutausbrüche, die überraschend und untypisch sind
- Vermehrtes Risiko-Verhalten wie: gefährliche Sportarten, schnelles Autofahren
- Flucht vor der Wirklichkeit wie: dauernd Fernsehen oder Hobbys, die viel Zeit brauchen
- Alkohol trinken, um sich zu betäuben und um nichts mehr zu empfinden
Verschiedene Arten von Depressionen
Es gibt verschiedene Formen der Depression. Sie unterscheiden sich unter anderem durch die Art und Häufigkeit der Symptome, die Ursache sowie durch persönlichkeitsspezifische Merkmale:
- Unipolare Depression: Hierbei treten typische Depressionssymptome wie Traurigkeit und Antriebslosigkeit über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten auf.
- Bipolare Depression: Bei einer bipolaren Depression oder bipolaren Störung wechseln sich depressive Episoden mit manischen Phasen ab.
- Dysthymie: Bei der Dysthymie sind die depressiven Symptome weniger stark ausgeprägt, aber über einen langen Zeitraum vorhanden.
- Winterdepression: Manche Menschen sind nur in der dunklen Jahreszeit depressiv, aber dafür jedes Jahr wieder.
- Altersdepression: Alt werden ist für viele Menschen ein Prozess, der vor allem Verluste mit sich bringt.
- Postnatale Depression: Bei manchen Frauen entsteht eine Depression nach der Geburt.
- Agitierte Depression: Eine agitierte Depression äußert sich in ängstlicher Getriebenheit.
- Atypische Depression: Im Unterschied zur klassischen Ausprägung einer Depression lässt sich die Stimmung bei der atypischen Depression durch positive Ereignisse verbessern.
Wann sollte man sich professionelle Hilfe holen?
Laut Mag. Holawe wird es Zeit, wenn „ich nicht mehr die Person bin, die ich einmal war, und ich darunter leide, dass ich vielleicht nicht mehr richtig lachen kann oder mir auffällt, dass ich die Welt nicht mehr als grundsätzlich als schönen Ort empfinde, obwohl ich das früher größtenteils getan habe“.
Hilfe suchen
Wenn Sie selbst an Suizid denken oder Suizidgedanken bei einem Angehörigen vermuten, suchen Sie unverzüglich Hilfe. Hoffnungslosigkeit und scheinbare Ausweglosigkeit sind Anzeichen der Depression, die sich mit der richtigen Unterstützung überwinden lassen. Erste Ansprechperson kann die Hausärztin oder der Hausarzt des Vertrauens sein.
Zusammenfassung
Depressionen haben viele Gesichter und betreffen Menschen jeden Alters und Geschlechts. Es handelt sich nicht einfach um „schlechte Laune“. Wenn sich Menschen plötzlich zurückziehen, fahrig oder unausgeschlafen wirken oder mehr Alkohol trinken als früher, kann eine schwerwiegende Krankheit dahinterstecken.
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