Borderline Weinen: Ursachen und Hintergründe

Die Bezeichnung „Borderline“ bedeutet, dass man Symptome aus dem Grenzbereich von neurotischen und psychotischen Erkrankungen vorfindet. Das heißt, dass in spezifischen Situationen, in denen der Patient unter Druck steht, seine Denkmuster nicht mehr logisch und lösungsorientiert, sondern eher merkwürdig, manchmal bizarr bis zu wahnhaft und pseudohalluzinatorisch verändert sind. In Zeiten ohne Druck ist das Denken ganz normal.

Ursachen und Entstehung der Borderline-Störung

Verursacht wird die Borderline-Störung, die es gemäß eines Kontinuums in leichter bis schwerer Ausprägung gibt, einerseits durch frühe Erfahrungen von körperlicher oder sexueller Gewalt sowie als Folge von mangelnder Einfühlsamkeit der wichtigsten Bezugspersonen im Kindes- und Jugendalter. Andererseits ist auch ein starker genetischer Einfluss wissenschaftlich nachgewiesen worden.

Emotionale Instabilität als Kernsymptom

Patienten mit Borderline-Störung haben Probleme, ihre Gefühle zu regulieren. Negative Gefühle werden leicht ausgelöst und sind dann sehr heftig (Wutausbrüche). Es dauert lange, bis es zu einer Beruhigung kommt. Unter Stress werden Gefühle als überflutend und chaotisch wahrgenommen. Mehrmals täglich entwickeln sich unangenehme Spannungszustände. Diese werden durch verschiedene Verhaltensmuster (Suchtverhalten, Selbstverletzung etc.) zu bewältigen versucht. Probleme mit dem Selbstbild belasten die Patienten.

Schon in jungem Erwachsenenalter tritt die Symptomatik der Borderlinestörung auf. Es gibt gravierende Probleme in der Beziehungsgestaltung zu anderen Menschen. Die größte Sorge ist es, einsam zu sein und verlassen zu werden. Dementsprechend besteht ein großer Wunsch nach Nähe, aber gleichzeitig eine ebenso große Angst davor. Das heißt, dass es vor allem mit dem Partner, aber auch in anderen Beziehungen zu einem ständigen Wechsel zwischen Annäherung und Ablehnung kommt, was Beziehung inkonstant und konfliktreich macht. Nicht selten leiden die Patienten an Zuständen von veränderter Wahrnehmung von Raum und Zeit. Sie nehmen Menschen wechselweise ausschließlich in idealisierender oder abwertender Weise wahr (Schwarz-Weiß-Denken).

Therapeutische Ansätze und Behandlungsmöglichkeiten

Bei der psychotherapeutischen Begleitung von Klient*innen geht es um die Vermittlung von Strategien zu Selbstmanagement und Selbstregulation (d.h. für den Umgang mit Spannungszuständen, Stimmungsschwankungen und heftigen Emotionen). Hierzu gibt es spezifische Psychotherapietechniken, z.B. das sogenannte Skill-Training aus der DBT. Weiters steht die (oft sehr problematische) Gestaltung von Beziehungen im Fokus jeder Psychotherapie mit dem Ziel, gelingende Beziehungen zu ermöglichen. Letztlich wird genau dies auch versucht über die Reflexion und Erfahrung der stabilen therapeutischen Beziehung.

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Medikamentös kann man helfen, zusätzlich auftretende Beschwerden (Depressionen, Spannungszustände) zu lindern. Nach einem zwölf-wöchigen Reha Aufenthalt war die engmaschige Begleitung durch meinen Psychiater, einer Medikation und meiner Psychotherapeutin lebensrettend für mich. Isolation, Suizidgedanken, Körperwahrnehmungsstörungen, wie Selbstverletzung durch Ritzen, intensive körperliche Betätigung (zielloses Rennen, Auspowern) und Essverweigerung, sowie Verlust- und Existenzängste und meine Familie waren die schwierigsten Themen meiner Therapie. Durch die regelmäßige Wochenstruktur und Unterstützung (viele Gespräche) durch eine ambulante sozialpsychiatrische Einrichtung konnte ich mich langsam und mit kleinen „Schritten“ wieder selbst finden.

Ich hatte wieder soziale Kontakte, konnte wieder mit anderen kommunizieren, konnte lachen und auch weinen. Die gute Vertrauensbasis zu meinen Betreuern und Betreuerinnen half mir sehr dabei. Während den letzten Jahren wurde mir bewusst, dass meine persönliche Entwicklung stark durch meine Biographie geprägt wurde. Ich habe in meiner Jugend bereits Versuche unternommen, mich zu verletzen. Emotionale Kälte und Eifersucht meiner Mutter und das Gefühl, als Kind nicht geliebt zu werden, Sprachlosigkeit in der Familie, heftige Streitereien, körperliche Gewalt sowie sexueller Missbrauch prägten mich in meiner Kindheit und Jugend. Liebe, Zuneigung und Anerkennung sind zu kurz gekommen. Es wurde mir immer wieder vermittelt, dass ich zu funktionieren habe. Ich durfte keine Emotionen zeigen. Im Gegensatz zu meinen Geschwistern konnte ich mich meinen Eltern gegenüber nicht auflehnen. Ich habe nie gelernt, auf meine Bedürfnisse und Gefühle zu achten und mich abzugrenzen.

„Schon mit 15 wurde ich immer schnell wütend und fing bei den kleinsten Dingen an zu weinen“, sagt eine Teilnehmerin der Andererseits Selbsthilfegruppe für Borderline-Betroffene. Und sie hatte Tage, an denen sie gar nichts fühlte. Eine weitere Betroffene hatte bereits mit vier Jahren ständig Angst davor, allein zu sein und flüchtete in eine Fantasiewelt. Ihre Wutausbrüche eskalierten in die Sachbeschädigung. „Trigger können bei Borderlinern Emotionen aus der Kindheit hervorrufen, bei denen man sich von der ganzen Welt verlassen fühlt und daraufhin neigt man dazu, alle Kontakte aus dem Handy zu löschen, oder seinen langjährigen Partner Hals über Kopf zu verlassen.“

Weitere Aspekte und Erkenntnisse

Angst vor dem Verlassenwerden. „Die Borderline-Persönlichkeitsstörung verbirgt sich häufig hinter anderen Störungen. Patienten kommen mit Symptomen wie Panikattacken, depressiven Episoden, Stimmungsschwankungen oder unkontrollierbaren Gefühlsausbrüchen“, sagt Diana Schaffer, Klinische und Gesundheitspsychologin in Klagenfurt. Meistens seien diese auf Traumata in der Kindheit zurückzuführen, es wurden damals kaum Grenzen gesetzt oder wenig Beachtung geschenkt. „Das macht eine tiefgreifende Angst vor dem Verlassenwerden, aber auch vor tieferen Beziehungen“, sagt Schaffer. Häufig hatten auch die Eltern von Borderlinern psychische Erkrankungen oder waren drogenabhängig.

Zwar leben Betroffene mit einem ständigen inneren Konflikt, doch funktionieren sie im Alltag recht gut, sind vielleicht sogar in Führungspositionen. Wenn Konflikte auftreten, bricht diese instabile Emotionalität schnell durch und verursacht Probleme für Mitarbeiter, erklärt der Wiener Psychotherapeut Thomas Platz. Patienten sind oft sehr empathisch und feinfühlig und leiden stark unter ihrer Krankheit, sagt Schaffer. Außerdem charakteristisch: ein schneller Wechsel von Emotionen. Diagnostiziert wird anhand von neun Kriterien - treffen fünf davon zu, so ist die Diagnose Borderline. Schaffer findet es wichtig, das Label Borderline nicht als unheilbar anzusehen.

Kognitive Skills, medikamentöse Behandlung, das richtige Umfeld und eine erfüllende Aufgabe können zur Heilung beitragen, sagt sie. Borderliner können durchaus sogenannte Objektkonsistenz entwickeln: „Man kann lernen, dass nahestehende Personen, auch wenn sie weggehen, im Herzen noch da sind und zurückkommen werden. Tritt das ein, würde die Borderline-Diagnose nicht mehr zutreffen“, sagt Schaffer.

Therapeutische Flexibilität und individuelle Stärken

Aufgrund der Komplexität der Krankheit muss auch die Therapie flexibel sein, so die Eperten. „Als Therapeut muss man darauf vorbereitet sein, mal vom Patienten geschätzt zu werden und am nächsten Tag ist man der größte Idiot“, sagt Platz. Das liege an der Schwarz-Weiß-Malerei, an Idealisierung und Verteufelung. „Da Borderliner meist schlechte Beziehungserfahrungen gemacht haben, ist es wichtig, in der Therapie eine stabile Beziehung aufzubauen“, sagt Schaffer. „Dann weiß der Patient, er hat jemanden, der ihn so nimmt, wie er ist.“ Außerdem ist das Setzen von Grenzen wichtig, weil Borderliner im Lauf ihres Lebens entweder zu wenige oder zu viele erfahren haben. Schaffer: „Sie müssen lernen, dass Grenzen nichts Schlechtes sind und mit ihnen umzugehen.“

Zudem können Atemtechniken, Meditation oder Sport helfen, übermannende Gefühle, die sonst in schädigendem Verhalten resultieren, mit anderen Skills zu ersetzen. „Es geht darum, früh genug zu erkennen: Wenn ich jetzt so weiter mache, kommt es zu einem Ausbruch, also biege ich lieber woanders ab.“ Ein riesiger Teil sei die Traumaarbeit, jedoch müsse man abschätzen, wie weit man hier gehen kann, um negative Erfahrungen zu neutralisieren. „Dann versteht auch der Körper: Damals war ich ausgeliefert und konnte nicht anders reagieren, heute bin ich in einer anderen Situation.“ Auch das Entdecken der persönlicher Stärken kann helfen: Wer bin ich, was kann ich?

Medikamentöse Unterstützung und Akzeptanz

Ein systemischer Therapeut bezieht die Familie und das Umfeld mit ein. Und Psychiater setzen mitunter, wenn vom Patienten gewünscht, auf Medikamente gegen Instabilität und Impulskontrollstörung. Diese entfernen Spannungsspitzen und ermöglichen innere Resistenz. „Ich erkläre meinen Patienten, dass sie nichts dafür können, wenn ihre Emotionalität viel rascher ist als ihre Vernunft“, sagt Platz. Emotionen entstehen in den Kerngebieten im Gehirn, diese Nervenzellen feuern bei Borderlinern viel schneller als die in der Hirnrinde lokalisierte Vernunft.

Bei der Art der Medikamente kommt es auch auf die Ausprägung der Störung an, erklärt Platz. Depressive erhalten Antidepressiva, wer unter Wutausbrüchen leidet, bei dem können Neuroleptika eingesetzt werden. Mit Angst Überflutete können kurzzeitig Benzodiazepine einnehmen. Wie bei der Therapie sollten auch Medikamente divers eingesetzt werden. Generell ist Aufklärung und Akzeptanz sehr wichtig, sagen beide Experten. So können Betroffene sich outen, einer Selbsthilfegruppe beitreten, Partner und Familie miteinbeziehen. „So tun sich sie und ihr Umfeld viel leichter“, sagt Platz. Prozesse laufen bei Borderlinern auf einer unbewussten Ebene ab, sie können nichts dafür, wie sie reagieren, betont Schaffer. Ihre Reaktionen sind reflexartig, ähnlich wie das Schließen der Augen, wenn etwas ihnen zu nahe kommt. „Diese Reflexe wurden bei Borderlinern aufgrund ihrer Geschichte gelernt und sind nicht böse gemeint.“ Durch eine Therapie und mithilfe des Umfelds kann eine hohe Lebensqualität erreicht werden.

Emotionale Intensität und Therapieerfolge

„Ich fühle alle Gefühle viel stärker als andere und meine Emotionen können von einem auf den anderen Moment umschlagen“, wie die heute 35-jährige Alex erzählt. Von der BPS betroffen sind etwa 1 bis 2 % der Bevölkerung jährlich; sie tritt in den meisten Fällen zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr auf. Neben extremen Stimmungsschwankungen sowie anhaltenden, heftigen und kaum kontrollierbaren Gefühlen deuten außerdem noch Symptome wie starke Selbstzweifel, Dissoziation, ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken sowie das Gefühl der inneren Leere auf eine Borderline-Persönlichkeitsstörung hin.

Vor allem „ist die Art und Weise, wie Betroffene sich selbst und andere betrachten, sehr instabil“, erklärt Moritz de Greck, Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt. Deswegen gestalten sich Partnerschaften oder familiäre bzw. freundschaftliche Beziehungen, bei denen eine Person an der BPS leidet, häufig sehr schwierig, da einerseits eine große Angst vor Nähe besteht, andererseits aber auch Angst vor Verlust und Einsamkeit. Dies mündet schließlich in extremen Versuchen der Anklammerung und gleichzeitig auch Zurückweisung. Das gefährlichste Kennzeichnen der Erkrankung sind Selbstverletzungen bis hin zu Suizid, dessen Versuch etwa von jeder*jedem 10. Betroffenen unternommen wird.

Im Allgemeinen ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung jedoch schwer zu diagnostizieren, weil Betroffene häufig aufgrund von anderen, scheinbar vordergründigen Erkrankungen in Behandlung sind, so auch Alex, die sich ursprünglich aufgrund von Ängsten und Panik in Therapie begab - erfolglos. Im Generellen wird eine Testung vorgenommen, um die Erkrankung zu diagnostizieren.

Vor allem zwei therapeutische Verfahren haben sich dabei als äußerst erfolgreich in der Behandlung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung herausgestellt, nämlich zum einen die sogenannte dialektisch behaviorale Therapie und zum anderen die Schematherapie. Beide Methoden zielen darauf ab, die Krankheit als solche zu akzeptieren und Techniken zu erlernen, mit den überbordenden Gefühlen anders umzugehen und dabei vor allem selbstverletzendes Verhalten zu vermeiden. Zwar gestaltet sich die Therapie häufig als ein mehrjähriger Prozess, aber Bohus macht Mut: „Etwa 40 Prozent der Betroffenen werden wieder ganz gesund, weitere 40 Prozent können mit etwas Hilfe ein erfülltes Leben führen“, womit die Borderline-Persönlichkeitsstörung als schwerwiegende, aber gut behandelbare Krankheit eingestuft wird.

Und auch Alex hat mithilfe der Therapie einen angemessenen Umgang mit der Krankheit erlernt, benennt mittlerweile auch die positiven Aspekte der BPS: „Heute weiß ich, dass meine Erkrankung auch gute Seiten hat: Ich empfinde nicht nur negative Emotionen stärker, sondern erlebe auch Freude, Lebenslust und Begeisterungsfähigkeit noch ähnlich stark wie Kinder es tun“, denn sie habe gelernt, „dass ich mehr bin als meine Gedanken und Gefühle, dass ich sie kommen und gehen lassen kann, ohne mich mit ihnen zu identifizieren“.

Diagnostische Kriterien der Borderline-Störung

Gemäss den klinisch-diagnostischen Leitlinien aus Kap. V (F) der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation WHO ist im Bereich "Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen" der "Borderline-Typus" (F60.31) definiert, welcher zu den emotional instabilen, schweren Störungen der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens gezählt wird, die mehrere Bereiche der Persönlichkeit betreffen. Das die ICD-10 - Diagnose prägende Konzept stammt ursprünglich aus der psychoanalytischen Forschung und beschreibt eine eigene Störungsgruppe im Übergangsbereich zwischen Neurose und Psychose.

Gemäss der Kategorisierung des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-IV, Stand 1994) gehört Borderline zu den "dramatisch, emotional oder launenhaften" und damit zu den so genannten "emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen". Die betreffenden Personen neigen zu starken Stimmungsschwankungen (von quälender Angst und Verzweiflungsgefühlen bis hin zu zorniger Erregung), deren Intensität mitunter soweit gehen kann, dass Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen ausagiert werden. Von aussen werden Borderline-Patienten deshalb häufig als unberechenbar erlebt. Beim Vorausplanen haben sie Schwierigkeiten (phasenweise wird dies durch viel Planungsaktivität zu kompensieren versucht), und beim Ausbrechen intensiven Ärgers kann es fallweise zu explosivem, in Einzelfällen sogar gewalttätigem Verhalten kommen. Oft richten die Betroffenen ihre aggressiven Impulse aber jedoch gegen sich selbst statt gegen andere - Selbstverletzendes Verhalten (SVV) ist ein Symptom, das verhältnismäßig oft kombiniert mit einer Borderline-Störung auftritt.

Symptome im Überblick

Wenn mindestens 5 der folgenden Kriterien auf eine Person zutreffen, besteht Verdacht auf Vorliegen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung:

  • instabile, aber auch intensive zwischenmenschliche Beziehungen (Wechsel zwischen extremer Überidealisierung und Entwertung)
  • Impulsivität in mindestens 2 potentiell selbstschädigenden Bereichen wie z.B. Verschwendung von Geld, Kleptomanie, Essstörungen, Sex, Substanzmissbrauch, Glücksspiel, leichtsinniges Fahren,..
  • Instabilität im Gefühlsbereich, z. B. ausgeprägte Stimmungsänderungen, überstarke emotionale Reaktionen, stark depressiven Phasen, Phasen starker Reizbarkeit oder Angst (mit Dauer von einigen Stunden bis wenigen Tagen)
  • übermässige, starke Wut oder Unfähigkeit, die Wut zu kontrollieren: häufige Wutausbrüche, körperliche Auseinandersetzungen u.dgl.
  • wiederholte Selbstmorddrohungen/-versuche oder Selbstverletzungen
  • Fehlen eines klaren Ichidentitätsgefühls mit Unsicherheit in Bereichen wie z.B. dem eigenen Selbstbild, Empfindungsstörungen, sexueller Orientierung, langfristigen Zielen, Art der Freunde und Partner, persönlichen Wertvorstellungen,..
  • chronische Gefühl von Leere oder Langeweile
  • verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vorgestelltes Alleinsein zu verhindern
  • vorübergehende, stressabhängige paranoide Phantasien oder schwere dissoziative Symptome

Nicht zuletzt ist es wichtig zu betonen, dass nur die wenigsten Betroffenen unter allen Symptomen leiden und diese zudem unterschiedliche Ausprägungen annehmen können. Vorsicht: Eine Diagnose setzt eine entsprechende Ausbildung, zu der auch klinische Erfahrung gehört, voraus. Die oben angeführten Kriterien sollen lediglich eine Übersicht über häufige Symptome von Borderline-Persönlichkeitsstörungen vermitteln. Im Verdachtsfall ist zur genauen Bestimmung der vorliegenden Störung unbedingt eine differentialdiagnostische Abgrenzung durch einen Psychiater, Psychologen oder erfahrenen Psychotherapeuten vorzunehmen - auch, um ggf. einer Verstärkung der Symptomatik möglichst frühzeitig entgegenwirken zu können.

Ursachen, Entstehung und Verlauf

Heute wird vor allem das multifaktoriale Modell von Zanaraini & Frankenberg herangezogen, um die Entstehung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen zu erklären. Demnach bedarf es dem kombinierten Auftreten bzw. Vorhandensein mehrerer Risikofaktoren, um BPS ausbrechen zu lassen. So ist diese Störung letztlich meist das Produkt einer komplexen Mischung von angeborenem Temperament, schwierigen und kaum verarbeitbaren Kindheitserfahrungen und relativ subtilen Formen neurologischer und/oder biochemischer Dysfunktionen (welche wiederum die Folge der o.e. Kindheitserfahrungen oder "angeborener" (genetisch vererbter) Anfälligkeit sein können). Im wesentlichen ist demnach also das Zusammenspiel von 3 Faktoren erforderlich, um eine Borderline-Störung ausbrechen zu lassen:

  • ein Umweltfaktor (im weitesten Sinne traumatische Kindheitserfahrungen)
  • ein konstitutioneller Faktor (z.B. familiäre Neigung zu psychi(atri)schen Störungen, neurologische Dysfunktionen, temperamentsbedingte Vulnerabilität
  • ein Triggering-Faktor (Auslöser) wie z.B. starker Stress (oder andere, u.U. auch zunächst undramatisch erscheinende Auslöser) oder ein Zusammenspiel von a) und b)

Das Erkrankungsrisiko wird in der Fachliteratur für Frauen größer als für Männer angegeben, wie die folgende Tabelle zeigt. Möglicherweise ist dies durch die zu vermutende Rolle von sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung hinsichtlich der Ausbildung der Störung zu erklären.

Merkmal Borderliner Gesamtpopulation
Anteil der Frauen 73,2 % 52,2 %
stürmische Ehebeziehungen 50 % 29,9 %
körperliche Behinderung 7,8 % 0,3 %
Arbeitsplatzprobleme 31,1 % 21,1 %
Alkoholprobleme 57,1 % 17,6 %
Drogenprobleme 48,1 % 22,2 %
sexuelle Probleme 30,7 % 4,3 %
antisoziales Verhalten 16,3 % 18,1 %

Quelle: Adelheid Kühn, "Borderline-Persönlichkeitsstörung", 05/2001

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