Viele Erkrankungen lassen sich anhand von Bluttests diagnostizieren, beispielsweise Infektionen oder Entzündungen. Aber ist es auch möglich, psychische Erkrankungen mittels Blut auf die Spur zu kommen?
Können Blutwerte psychologische Zustände verraten?
Der Kern der Aussagen ist jedoch, Blutwerte könnten Aufschluss über psychologische Zustände geben. Wir haben keine psychologische Erkrankung gefunden, die mit Hilfe von Bluttests diagnostiziert wird. Psychologische Erkrankungen werden anhand von Arztgespräch und psychologischen Tests diagnostiziert [1-9], meist muss eine Reihe von Beschwerden vorliegen. Psychische Krankheiten werden also nicht mit einem Bluttest diagnostiziert, sondern mit einem Test mit Bleistift und Papier (bzw. Computerfragebogen).
Damit das funktioniert, müssen die Tests anhand von Studien an vielen Menschen überprüft (validiert) werden. Auch sind die Tests teilweise kulturspezifisch, lassen sich also nicht so einfach von einer Region der Welt auf eine andere übertragen.
Ein ganzes Forschungsgebiet widmet sich dem Zusammenspiel von Psyche und Immun- und Hormonsystem - die Psychoneuroimmunologie. Stimmung, Stress und psychische Erkrankungen können sich also durchaus auf messbare Faktoren im Blut auswirken [12,13]. Das heißt aber noch nicht, dass umgekehrt Blutwerte uns psychische Erkrankungen zuverlässig verraten. Ein Beispiel: Wenn jemand sehr angespannt ist, steigt der Spiegel an Stresshormonen im Blut. Ein hoher Stresshormon-Blutspiegel kann aber viele Ursachen haben, eine eindeutige Diagnose ist nicht möglich.
Die Rolle von Serotonin
Mehrere Patienten wissen mittlerweile, dass man Serotonin im Blut messen kann und dass Serotonin, bei der Entstehung von Depressionen, eine Rolle spielen kann. Deswegen fragen sie sich, ob es einen Zusammenhang zwischen ihrem Serotonin-Wert im Blut und dem Schweregrad ihrer Depression gibt. Ist dies aber wirklich so? Vielen Menschen ist die, vor mittlerweile ca. 50 Jahren gestellte, „Serotonin-Hypothese“, bekannt. Frühere Annahmen, dass Depressionen nur auf einem Serotonin-Mangel beruhen, werden heutzutage als nicht richtig angesehen.
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Serotonin ist ein Hormon und Neurotransmitter. Weiters kann Serotonin die Blutgerinnung beeinflussen. Obwohl viele denken, dass Serotonin, sich hauptsächlich im Gehirn befindet, verhält es sich beim Menschen eigentlich anders. Tatsächlich befindet sich die größte Menge an Serotonin, nämlich 95%, im Magen-Darm-Trakt. Serotonin kann man im Serum bestimmen. Dies führt bei vielen Patienten zu der Annahme, dass man dadurch seine „Depression“ bemessen könnte.
Die Bestimmung des Serotonin-Wertes, wird medizinisch bei Verdacht auf einen Karzinoid-Tumor, angeordnet. Denn überschüssiges Serotonin, welches von den Thrombozyten nicht aufgenommen wurde, wird zu HIES metabolisiert und über die Niere ausgeschieden. Ein erhöhter Serotonin-Wert im Blut, wird als Hinweis auf einen Karzinoid-Tumor, gesehen. Karzinoide, sind Tumore des neuroendokrinen Systems. Diese können übermäßig Serotonin, sowie andere hormonartige Stoffe, produzieren, welche zum typischen Karzinoid-Syndrom, führen. Das häufigste und am ehesten auftretende Symptom, ist eine „Flush-Symptomatik“ (plötzliche rote bis violette, bis zu lila Verfärbung von Gesicht-, Hals, und manchmal des Oberkörper-Bereiches).
Ein niedriger Serotonin-Wert, habe jedoch derzeit klinisch keine Bedeutung. Außerdem kann man den Serotonin-Wert nicht zur Beurteilung des Schweregrades einer Depression nutzen. In der Forschung sucht man jedoch weiterhin nach möglichen Biomarkern, welche beim Vorliegen einer Depression vorkommen und zur Diagnostizierung einer Depression helfen können.
Die Rolle von Dopamin
Dopamin ist ein Neurotransmitter im Gehirn, der für die Regulation von Bewegung, Motivation und Belohnung zuständig ist. Im Labor misst man Dopamin als Marker für bestimmte Erkrankungen. Ein erhöhter Dopaminwert tritt etwa bei Schizophrenie, Tumoren und Vergiftungen mit Medikamenten auf. Einen niedrigen Wert beobachtet man dagegen bei der Parkinson-Krankheit und Depressionen.
Dopamin wird in verschiedenen Hirnregionen gebildet. Dazu zählen vor allem:
- Substantia nigra: Teil des Mittelhirns, der an Bewegung und Belohnung beteiligt ist
- Area tegmentalis ventralis: weitere Region des Mittelhirns; spielt eine Schlüsselrolle im Belohnungssystem des Gehirns
- Striatum: Struktur im Vorderhirn, die zu motorischen und kognitiven Funktionen beiträgt.
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Dopamin im Gehirn spielt eine bedeutende Rolle bei verschiedenen Funktionen wie Stimmungsregulation, Motivation, Belohnungsgefühle und Bewegungskoordination. Wenn das Gehirn Dopamin ausschüttet, fühlen sich Menschen motivierter, empfinden Freude, und der Belohnungseffekt setzt ein. Sie fühlen sich möglicherweise auch wacher, konzentrierter und engagiert bei Aktivitäten. Übermäßig hohe Dopaminspiegel sind jedoch mit Impulsivität, risikoreichem Verhalten und Sucht verbunden.
Niedrige Dopaminspiegel hingegen können Müdigkeit, Apathie und Anhedonie (Unfähigkeit, Freude zu empfinden) auslösen. In extremen Fällen trägt ein Mangel möglicherweise sogar zur Entstehung verschiedener psychischer Erkrankungen wie Depressionen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei.
Dopaminwerte lassen sich im Blut (Plasma) und im Urin (24-Stunden-Sammelurin) bestimmen. Oft werden dabei auch andere Katecholamine wie Adrenalin gemessen. Bei Blut- und Urinuntersuchungen wird peripheres Dopamin gemessen. Diese Messwerte spiegeln nicht immer die zentralen Dopaminwerte oder die Aktivität von Dopamin im Gehirn genau wider!
Die Normwerte für Dopamin im Blut können je nach Labor und Messmethode leicht unterschiedlich ausfallen. Normalerweise aber beträgt die Dopamin-Konzentration im Blutplasma weniger als 85 ng/l (Nanogramm pro Liter). Die Normwerte für Dopamin im 24-Stunden-Sammelurin schwanken stark von Labor zu Labor, abhängig von der Messmethode. Im Einzelfall gelten immer die auf dem jeweiligen Laborbefund angegebenen Normwerte.
Dopamin ist kein Routine-Laborparameter. Seinen Spiegel messen Mediziner also nur aus bestimmten Anlässen - beispielsweise bei Verdacht auf eine Erkrankung, die mit veränderten Dopaminwerten verbunden ist (z.B. Phäochromozytom, Neuroblastom, Bluthochdruck). Außerdem nutzt man Dopamin manchmal zur Diagnose und Überwachung bestimmter Erkrankungen wie Parkinson. Die Messung hilft auch, die Wirksamkeit von Medikamenten zu bewerten, die sich auf die Dopaminspiegel auswirken.
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Studien und Forschung
2014 ging in Österreich eine Meldung durch die Medien, dass in absehbarer Zeit ein Bluttest für Depression entwickelt werden könnte. Basis dafür war eine Studie der Medizinischen Universität Wien [12], die eine Verbindung zwischen einem bestimmten Bluttest und Depression demonstrierte.
ForscherInnen der Medizinischen Universität Wien haben die Möglichkeit eines Bluttests zum Nachweis einer Depressionserkrankung nachgewiesen. Der Serotonintransporter (SERT) ist ein Protein der Zellmembran, das den Transport des Nervenbotenstoffs Serotonin (im Volksmund das „Glückshormon“) in die Zelle ermöglicht. Im Gehirn reguliert der Serotonintransporter neuronale Depressionsnetzwerke. Depressive Verstimmungen lassen sich neurochemisch häufig auf einen Mangel an Serotonin zurückführen. Deshalb dient der Serotonintransporter auch als Angriffspunkt für die wichtigsten Antidepressiva.
Der Serotonintransporter kommt aber auch in großer Menge in zahlreichen anderen Organen wie dem Darm bzw. Blut vor. Studien der vergangenen Jahre wiesen nach, dass der Serotonintransporter im Blut genauso funktioniert wie im Hirn. Dort sorgt er an Blutplättchen für die notwendige Serotoninkonzentration im Blutplasma.
ForscherInnen der Medizinischen Universität Wien haben nun mittels funktioneller Magnetresonanztomographie des Gehirns und pharmakologischer Untersuchungen nachgewiesen, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Serotoninaufnahmegeschwindigkeit an Blutplättchen und der Funktion eines Depressionsnetzwerks im Gehirn besteht. Dieses Netzwerk wird „Default Mode Network (deutsch: Ruhezustandsnetzwerk)“ bezeichnet, weil es vor allem in Ruhe aktiv ist und Inhalte mit starkem Selbstbezug verarbeitet. Erkenntnisse der vergangenen Jahre konnten zudem zeigen, dass es während komplexer Denkaufgaben aktiv unterdrückt wird, was unabdingbar für eine ausreichende Konzentrationsleistung ist.
Die Studie wurde von Christian Scharinger und Ulrich Rabl unter der Leitung von Lukas Pezawas an der Abteilung für Biologische Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien, in Zusammenarbeit mit Gruppen des Sonderforschungsbereiches SFB-35 und anderen Institutionen der MedUni Wien sowie internationalen Kooperationspartnern (Technische Universität Dresden; Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim) durchgeführt.
Die Forscher um Redei haben ebenfalls schon vor zwei Jahren einen Bluttest vorgestellt, mit Hilfe dessen sie Jugendliche mit Depressionen von solchen ohne unterscheiden konnten. Dasselbe Set von Markern haben sie nun auf Erwachsene aller Altersgruppen im klinischen Kontext angewandt. Von den 64 Studienteilnehmern litten 32 an einer Depression, wie die Forscher anhand eines standardisierten Fragebogens vorab festgestellt hatten. Die Patienten erhielten zudem acht Wochen lang eine kognitive Verhaltenstherapie.
Im Blut der Depressiven und nicht Depressiven zeigten sich vor der Behandlung deutliche Unterschiede bei neun Biomarkern. Am Ende waren die Unterschiede nur noch bei drei davon messbar, und zwar dann, wenn die Therapie gewirkt hatte. Laut den Forschern macht das deutlich, dass bestimmte Anlagen eine Rolle spielen - sie bleiben auch dann bestehen, wenn die Patienten gesund sind. Zudem lieferte das Blutbild laut Studie auch Anhaltspunkte dafür, ob ein Betroffener auf eine Therapie ansprechen wird.
Diagnose und Behandlung von Depressionen
Für die Diagnose einer Depression berücksichtigen Ärztinnen oder Ärzte unter anderem den Schweregrad und die Dauer der Symptome. Die Ärztin oder der Arzt fragt nach Symptomen und wie lange sie bestehen. Sie oder er erkundigt sich zudem nach der Lebenssituation und möglichen Problemen bei der Alltagsbewältigung. Die Ärztin oder der Arzt schließt auch andere mögliche Erkrankungen aus bzw. Zudem ist es wesentlich, organische Ursachen für die Depression auszuschließen - z.B. durch ein Schädel-Hirn-Trauma. Es können auch Fragebögen zum Einsatz kommen, um die Stellung der Diagnose zu unterstützen.
Fachleute teilen Depressionen in drei Schweregrade ein:
- Leichte depressive Episode: Mindestens zwei oder drei der oben angegebenen Symptome sind vorhanden.
- Mittelgradige depressive Episode: Vier oder mehr der oben angegebenen Symptome sind vorhanden.
- Schwere depressive Episode: Darunter verstehen Fachleute eine depressive Episode mit mehreren oben angegebenen quälenden Symptomen. Der Verlust des Selbstwertgefühls und Gefühle von Wertlosigkeit sowie Schuld sind stark ausgeprägt. Suizidgedanken sowie Suizidhandlungen sind häufig.
Bei einer schweren depressiven Episode können auch psychotische Beschwerden auftreten. Dazu zählen zum Beispiel Halluzinationen oder Wahnideen. Aber auch Bewegungsstörungen oder ein Stupor können vorhanden sein. Der Alltag ist stark beeinträchtigt.
Zur Behandlung einer Depression stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Zu wesentlichen Therapiemaßnahmen zählen vor allem Medikamente, meist sogenannte Antidepressiva, und Psychotherapie. In jedem Fall erfolgt eine Aufklärung über die Erkrankung. Die Fachwelt nennt das Psychoedukation. Bei der Behandlung einer Depression können auch Ergotherapie oder Musiktherapie zum Einsatz kommen.
Sogenannte Antidepressiva sind Medikamente gegen Depressionen, denen ein ähnliches Prinzip zugrunde liegt. Diese sollen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen die Konzentration von sogenannten Neurotransmittern im Gehirn, vor allem von Serotonin bzw. Noradrenalin oder Dopamin, erhöhen. Es dauert ungefähr 14 Tage, bis Antidepressiva wirken. Nach ungefähr drei bis vier Wochen rechnet man mit der vollen Wirkung. Dann bespricht die Ärztin oder der Arzt mit der betroffenen Person, ob die Symptome weniger geworden sind.
Bei der Behandlung einer Depression können auch andere Medikamente als Antidepressiva zum Einsatz kommen. Auch Benzodiazepine oder Antipsychotika können zur Anwendung kommen. Zum Beispiel zur Beruhigung oder bei einer Psychose im Rahmen einer Depression.
Es gibt unterschiedliche Methoden der Psychotherapie. Eine Psychotherapie kann einzeln, in der Gruppe oder auch als Paartherapie erfolgen.
Die Ärztin oder der Arzt klärt Sie über Möglichkeiten der Behandlung auf, falls die Therapie nicht gut anspricht bzw. wirkt. Fachleute sprechen in dem Zusammenhang von Therapieresistenz. Diese liegt vor, wenn mindestens zwei unterschiedliche Antidepressiva aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen nicht zum Therapieerfolg geführt haben.
Weitere Therapieansätze
Neben den genannten Therapieformen gibt es noch weitere Ansätze, die bei der Behandlung von Depressionen eingesetzt werden können:
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
- Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS)
- Bewegungstherapie und sporttherapeutische Maßnahmen
- Musiktherapie
- Lichttherapie
- Schlafentzugstherapie
Zudem können Selbsthilfegruppen u.a. durch gegenseitigen Austausch entlasten. Wenn die Patientin oder der Patient damit einverstanden ist, können Angehörige in die Behandlung eingebunden werden. Zum Beispiel klärt die Ärztin oder der Arzt diese über die Erkrankung auf.
Die Behandlung verläuft nicht immer nach einem bestimmten Schema. Es kann sein, dass die Ärztin oder der Arzt im Verlauf der Behandlung eine Anpassung der Maßnahmen vorschlägt.
Was kann ich selbst tun?
Auch ohne Behandlung kann eine Depression nach einiger Zeit wieder abklingen. Es kann schwer sein, sich zu überwinden, Hilfe zu suchen. Den Tag planen: Ein strukturierter Tagesablauf unterstützt im Alltag. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt bzw.
Auch für Angehörige kann es sehr schwer sein, wenn ein nahestehender Mensch an einer Depression erkrankt. Depressionen eines Elternteils können etwa Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern haben. Es kann z.B. zu einer verlangsamten Entwicklung, Verhaltensauffälligkeiten oder Problemen in der Schule kommen.
Zusammenfassung
Die Forschung arbeitet weiterhin daran, mögliche Biomarker für Depressionen zu identifizieren. Obwohl Bluttests derzeit nicht routinemäßig zur Diagnose von Depressionen eingesetzt werden, könnten sie in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die Bestimmung von Serotonin- und Dopaminwerten kann in bestimmten Fällen hilfreich sein, ist aber nicht ausreichend, um eine Depression zu diagnostizieren oder ihren Schweregrad zu beurteilen.
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