Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, werden aber oft unterschätzt. Weltweit sind über 300 Millionen Menschen von Depressionen betroffen, Tendenz steigend. In Österreich leiden geschätzte 800.000 Menschen an einer Form von Depression. Jede vierte Frau aber "nur" jeder zehnte Mann ist einmal im Leben davon betroffen. 60 Prozent der Selbstmorde sind Experten zufolge auf Depressionen zurückzuführen.
Für Angehörige von Betroffenen ist es oft schwierig, die richtigen Worte zu finden. So mancher Ratschlag - und sei er auch noch so gut und aufheiternd gemeint - ist nicht hilfreich. Schlimmer noch: Er kann das Gegenteil bewirken. "Solche Aussagen entstehen häufig aus Hilflosigkeit, fehlendem Wissen oder Unbeholfenheit", weiß Verena Düttmann, Psychologische Psychotherapeutin bei der Online-Therapieplattform HelloBetter. Sie erklärt, was unpassende Kommentare bei Menschen mit Depression auslösen können.
Was man vermeiden sollte
Folgende Sätze gehören dazu:
- "Vielleicht solltest du einfach mal spazieren gehen."
- "Jeder hat mal einen schlechten Tag."
- "Mach doch etwas, das dir Spaß macht."
- "Du hast doch alles, was du brauchst."
- "Andere Menschen haben es nicht so gut wie du."
- "Hör doch auf mit dem Selbstmitleid!"
- "Anderen geht es doch viel schlechter."
- "Reiß dich doch zusammen."
- "Ich kenne das, ich bin auch oft so niedergeschlagen."
- "Sei doch einfach mal glücklich"
- "Lach doch mal"
- "Bleib optimistisch"
Mit Aussagen wie: „Bleiben Sie optimistisch“ könnte man meinen, dass sich nach wie vor bei der Enttabuisierung der psychischen Krankheit Depression nichts getan hat. Wahrnehmung und Verständnis Eberstaller macht klar: „Man sagt zu einem depressiven Menschen nicht ‚Sieh’s doch positiv‘, ‚Bleib optimistisch‘ oder ‚sei mal glücklich‘. Es zeigt der betroffenen Person nur, dass sie nicht richtig wahrgenommen und nicht verstanden wird. Dadurch kann das Ganze auch schlimmer werden. Solche Aussagen sollte man vermeiden.“
Depressionen mit einem lapidaren „sicher nicht“ abzutun, klingt so, als würde die Krankheit noch immer nicht verstanden oder ernst genommen werden.
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Wie man helfen kann
Die richtigen Worte zu finden kann schwierig sein, unpassende rutschen oft unüberlegt heraus. Eine allgemeingültige Anleitung, wie man mit Menschen mit Depression umgeht, gibt es nicht. Natürlich kann man seine Unterstützung anbieten, muss dabei aber auch Grenzen respektieren.
Am wichtigsten sei, das Thema möglichst direkt anzusprechen, rät die Expertin: "Je direkter, desto besser." Denn üblicherweise sprechen betroffene Kinder und Jugendliche das Problem nicht von selbst an bzw. können es möglicherweise gar nicht benennen. Allerdings trauen sich häufig ihnen nahestehende Menschen nicht, die Betroffenen anzusprechen, haben Angst, etwas Falsches zu sagen. "Aber genau dann bleiben die Kinder und Jugendlichen mit ihrer Problematik alleine. Depression ist die Abwesenheit der anderen, sagt man in Fachkreisen", erklärt Böge.
Am besten sollte man die Symptome, die man beobachtet in einem ruhigen Moment ansprechen, etwa mit: "Mir ist aufgefallen, du bist in letzter Zeit stiller und viel mehr in deinem Zimmer. Ich habe dich auch schon länger nicht mehr mit deinen Freundinnen gesehen." "Das Thema Schule würde ich erst einmal außen vor lassen, obwohl der Leistungsabfall in vielen Fällen sehr deutlich ist", sagt Böge. Wenn sich das Gegenüber im Gespräch öffnet, sollte man nicht sofort Lösungen für das Problem suchen, das können Jugendliche mit einer Depression in dem Moment meist gar nicht aufgreifen, und es verstärkt eher eine eigene Entwertung", betont Böge. Es gehe erst einmal darum anzubieten, dass man zuhört und einfach nur da ist.
Wenn Jugendliche auf den Gesprächsversuch mit Abwehr reagiert, sollte man trotzdem dranbleiben, "vielleicht nicht unmittelbar, aber das Thema am nächsten Tag noch einmal aufbringen". Kleine Hinweise jeden Tag seien jedenfalls förderlicher, als Druck auszuüben. Denn Druck führe meist zu maximalem Rückzug oder gar zu Suizidalität. Das ist für Nahestehende oft eine besonders herausfordernde Situation. Sie leiden mit den Kindern mit und machen sich Vorwürfe. "Aber die Eltern sind nicht schuld", stellt die Expertin klar. "Natürlich schaut man sich in der Psychotherapie an, was in der Familie los war, um die Situation zu verstehen.
Wenn die Person die Hilfe nicht will, darf man das auch nicht persönlich nehmen und kann trotzdem zeigen, dass das Angebot weiterhin bestehen bleibt. Sollte der oder die Betroffene aber suizidale Gedanken äußern, kann jederzeit auch der Rettungsdienst unter der 112 gewählt werden.
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Hier sind einige Tipps für Angehörige:
- Aufmerksam sein: Hören Sie Ihrer:Ihrem Partner:in gut zu, wenn sie:er über ihre:seine Gefühle spricht. So können Sie Veränderungen rasch merken und Hilfe anbieten.
- Die Depression akzeptieren: Eine Depression ist eine Krankheit, die man ernst nehmen muss. Informieren Sie sich darüber. So können sie Ihre:n Partner:in besser verstehen.
- Keine Ratschläge geben: Bieten Sie ein offenes Ohr, eine innige Umarmung und Hilfe an. Das hilft ihrer:ihrem Partner:in am meisten.
- Schuldzuweisungen vermeiden: Niemand ist an der Depression schuld. Weder Ihr:e Partner:in noch Sie. Diskussionen darüber bringen nichts.
- Entscheidungen erleichtern: Während einer Depression fällt es einem schwer, etwas zu entscheiden. Sie können dabei unterstützen und zeigen, welche Optionen es gibt.
- Die:Den Partner:in nicht bevormunden: Bevormunden bewirkt nur Streit und Widerstand. Niemand möchte bevormundet werden, auch Sie nicht.
- Gefühle nicht unterdrücken: Es ist völlig natürlich, wenn Angehörige diese Gefühle haben: Wut, Zorn, Angst, Enttäuschung, Traurigkeit, Ärger oder Ohnmacht. Sie dürfen diese Gefühle auch zulassen und zeigen. Es belastet Sie und die Beziehung, wenn Sie Gefühle unterdrücken.
- Auf sich achten: Es ist schön, dass Sie Ihre:n Partner:in unterstützen und für sie:ihn da sind. Vergessen Sie aber nicht Ihre eigenen Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse. In einer Selbsthilfegruppe für Angehörige können Sie mit Menschen reden, denen es ähnlich geht. Dort finden Sie in schwierigen Zeiten immer Verständnis und Beistand. Unter www.hpe.at finden Sie Informationen zu Gruppen in Ihrer Nähe.
Auch für Bezugspersonen gibt es Unterstützung! Das Leben mit einem Menschen mit Depression kann belastend sein. Es ist wichtig, auf die eigene Gesundheit zu achten und sich Hilfe zu holen. Die wichtigste Anlaufstelle ist HPE - Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter. HPE bietet Informationsmaterialien, Beratung, Selbsthilfegruppen, Seminare und vieles mehr in ganz Österreich. Es kann sowohl der:dem Betroffenen als auch Ihnen selbst als Angehörige:r, Partner:in oder Freund:in sehr helfen, wenn auch Sie sich Unterstützung holen: www.hpe.at
Depression ist eine Krankheit, die man gut behandeln kann und keine Schwäche, die man verbergen muss. Nicht jede traurige Stimmung und jede niedergeschlagene Phase ist eine Depression. Eine Depression kann tödliche Folgen haben. Depressive Menschen brauchen Verständnis und Unterstützung von ihrem Umfeld. Es ist wichtig, dass sie über ihr Leid sprechen können.
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