Antidepressiva sind Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden. Einige Antidepressiva haben auch eine angstlösende Wirkung und werden daher bei Angst- oder Zwangsstörungen angewandt.
Rund 15 Prozent der Bevölkerung weltweit erkranken mindestens einmal im Leben an einer Depression. Depressive Menschen zeigen häufig auch körperliche Symptome, wie Schlafstörungen, und leiden unter kognitiven Auswirkungen wie Konzentrationsmangel und unter negativen Verhaltenssymptomen, dazu gehört eine verstärkte Gereiztheit. Sie schleppen sich oft allzu lange mit einer reduzierten Lebensqualität dahin und vermeiden trotzdem konsequent die Einnahme von Medikamenten, denn der Begriff Psychopharmaka ist für viele Menschen mit Angst verbunden.
Es gibt eine Vielzahl an wirksamen Antidepressiva, die Ihr Arzt verordnen kann. Sie helfen, indem sie den Abbau der Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin im Gehirn hemmen. Diese Botenstoffe sind notwendig um die Stimmung zu verbessern, den Körper oder Geist zu beruhigen, mehr Antrieb zu geben oder Ängste zu lösen.
Wie wirken Antidepressiva?
Grundlegend wirken sie, indem sie den Abbau der Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin im Gehirn hemmen. Diese Botenstoffe sind notwendig, um die Stimmung zu verbessern, den Körper oder Geist zu beruhigen, mehr Antrieb zu geben oder Ängste zu lösen.
Ein Wiener Forscherteam ist der Frage nachgegangen, ob diese Antidepressiva die Lern- und Aufnahmefähigkeit verbessern. Die Ergebnisse einer Doppelblind-Studie zeigen: SSRIs erhöhen die Neuroplastizität.
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Der Neurotransmitter Serotonin bestimmt mit, was im Gehirn im Laufe des Lebens gespeichert oder verändert werden soll. Verschiedene Tierversuche unterstützen die Theorie, dass SSRIs die Schwelle dafür absenken und so die Neuroplastizität erhöhen: „Im Prinzip kann jedes Gespräch die Mikrostruktur unseres Gehirns verändern, und Serotonin moduliert im Gehirn, wie stark dieses auf Umgebungsreize neuroplastisch reagiert.
Mittels Magnetresonanztomografie wurden die Mikrostruktur, die funktionelle und strukturelle Konnektivität sowie die Interaktion und Aktivität von Gehirnarealen gemessen, die bei Gedächtnisprozessen von besonderer Bedeutung sind, wie etwa der Hippocampus und die Insula.
Die Hypothese der Forschenden hat sich bestätigt: SSRIs bewirken, dass neue Zusammenhänge leichter gespeichert werden, wie die sichtbaren Veränderungen im Gehirn belegen. „Die Erhöhung der Neuroplastizität ist ein wesentlicher Wirkungsmechanismus von SSRIs“, betont Rupert Lanzenberger. Sie drehen das Gehirn sozusagen wieder auf Empfang für neue Verknüpfungen und erleichtern das Lösen von alten.
SSRIs wirken also nicht direkt akut auf die Stimmung, sondern verändern die Empfänglichkeit für Umlernprozesse und helfen so unter günstigen Bedingungen aus der Depression heraus.
Die genauen Ursachen von Depressionen sind noch nicht alle bekannt und vieles wird in der Wissenschaft noch kontroversiell diskutiert. Man weiß jedoch, dass zumindest einer der Gründe ein Mangel am Neurotransmitter Serotonin sein kann. Sie verhindern, dass das bereits ausgeschüttete Serotonin wieder in die Nervenzelle aufgenommen wird. Hierdurch kann der Neurotransmitter länger seine stimmungsaufhellende und angstlindernde Wirkung entfalten und damit den Menschen begleiten, seinen Alltag wieder zu bewältigen.
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Antidepressiva benötigen je nach Erkrankung einige Zeit um ihre Wirkung zu zeigen. Nach dem Beginn der Therapie dauert es meistens 10 bis 14 Tage bis eine Wirkung bemerkt wird. Eine beruhigende Wirkung kann früher vorhanden sein.
Klassifizierung von Antidepressiva
Antidepressiva werden anhand ihres Wirkprinzips eingeteilt:
- Klassische Antidepressiva: Sie hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin.
- Trizyklische Antidepressiva
- Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer (MRI): Amitriptylin
- Monoaminoxidase-Hemmer (MAO): Moclobemid
- Tetrazyklische Antidepressiva: Mianserin
- Neuere Antidepressiva: Sie hemmen hauptsächlich die Wiederaufnahme von Noradrenalin oder Serotonin.
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), z.B. Fluoxetin, Citalopram, oder Sertralin
- Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI), z.B. Venlafaxin und Duloxetin
- Duale Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI)
- Alpha-2-Antagonisten
Bewährte, getestete Medikamente sind als Generika verfügbar. Die bekanntesten und vom Hausarzt meistverordneten Wirkstoffe dieser Gruppe sind zum Beispiel Fluoxetin, Citalopram, oder Sertralin. Diese Wirkstoffe sind als Generika verfügbar, da ihr Patentschutz abgelaufen ist.
Wirkung von Antidepressiva
Antidepressiva können Folgendes bewirken:
- Stimmung: hellen Stimmungen auf
- Beruhigung: bessern entweder körperliche und/oder geistige Unruhe
- Antrieb: wirken aktivierend
- Angstgefühle: lösen Angstzustände
Die Wirkung eines Antidepressivums entfaltet sich über mehrere Wochen. Eine beruhigende Wirkung wird sich schnell bemerkbar machen, die stimmungsaufhellende und angstlösende Wirkung setzt meist innerhalb von zirka 10 Tagen bis 2 Wochen ein.
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Nebenwirkungen von Antidepressiva
Folgende Nebenwirkungen können - meist zu Beginn der Therapie - auftreten, diese Beschwerden nehmen aber mit Fortschreiten der Behandlung deutlich ab:
- Durchfall, Verstopfung, Übelkeit
- Müdigkeit
- Gewichtszunahme
- Unruhe
- Schweißausbrüche
Wirkstoffe in Antidepressiva, die heutzutage eingesetzt werden, machen nicht abhängig. Dennoch sollten sie nicht abrupt, sondern langsam abgesetzt werden. Antidepressiva sollten nicht abrupt, sondern ausschleichend abgesetzt werden, da sonst unerwünschte Wirkungen auftreten können, die man auch als Absetzungserscheinungen oder Absetzungssymptome bezeichnen kann. Zu solchen Anzeichen zählen z.B. Kopfschmerzen und Kribbeln am ganzen Körper. Diese können mehrere Wochen bis Monate anhalten.
Um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen sind regelmäßige Kontrollen der Blutwerte nötig. Ärzte kontrollieren dabei die Menge der Blutzellen und die Nieren- und Leberfunktion, sowie Kalium- und Magnesiumwerte durch Blutentnahmen. Zusätzlich ist es wichtig, die Herzfunktion zu überprüfen. Einige Antidepressiva verursachen Herzrhythmusstörungen. Ein Elektrokardiogramm (EKG) zeichnet den Herzrhythmus auf und kontrolliert diesen.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Je nach Art liegen unterschiedliche Wechselwirkungen vor.
- MAO-Hemmer (z.B. Moclobemid, Selegilin), können zu einem s.g. Serotoninsyndrom führen.
- Sympathomimetika (z.B.
- Blutdrucksenkende Mittel (z.B.
- Wirkstoffe, die zu EKG-Veränderungen führen (z.B. anderen Antidepressiva (z.B. Amitriptylin, Fluoxetin, Paroxetin), Schmerzmittel (z.B. Tramadol, Methadon) und weitere Stoffe (z.B.
Achtung: Tyraminhaltige Lebensmitteln verstärken die unerwünschten Wirkungen der MAO-Hemmer.
Mao-Hemmer sollen nicht gleichzeitig verwendet werden.
- Betablocker (z.B.
- Blutverdünner oder entzündungshemmende Schmerzmittel (z.B. Ibuprofen, Diclofenac) erhöhen die Blutungsneigung.
- Digoxin zur Behandlung von Herzerkrankungen.
- Antibiotika (z.B. Clarithromycin), Mittel gegen Pilzinfektionen (z.B. Ketoconazol), virenhemmenden Präparate (z.B.
Behandlung von Angststörungen
Die Ursachen von Angststörungen sind vielfältig, so können genetische Faktoren, das Durchleben traumatischer Ereignisse (z. B. in der Kindheit), starker, langanhaltender Stress, psychische Veranlagung, körperliche Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Arrhythmien, Fieber, Hyperthyreose, Phäochromozytom, Hyperadrenokortizismus, Asthma, COPD) zu den triggernden Mechanismen gezählt werde.
Medikamentös stehen in der Therapie je nach Typ der Angststörung unterschiedliche Substanzgruppen zur Auswahl. Mittel der Wahl sind Wirkstoffe aus der Klassen der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, Escitalopram, Paroxetin und Sertralin sowie selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Venlafaxin und Duloxetin.
Bei bestehender Unverträglichkeit oder Wirkungslosigkeit können den Patient:innen Wirkstoffe aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva (TZA) verschrieben werden. Vertreter dieser Substanzklasse weisen als Nebenwirkung häufig Gewichtszunahme auf.
Das Antiepileptikum Pregabalin kann bei einer generalisierten Angststörung verordnet werden, wobei mit unerwünschten Effekten wie Schwindel oder Benommenheit zu rechnen ist. Weitere Arzneistoffe wie Buspiron, Moclobemid oder „off label“ Quetiapin können bei erfolglosen Therapien der bereits genannten Substanzen eingesetzt werden.
Bei der Einnahme von SSRI ist auf eine ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren, den Vitaminen B2, B3, B6, B12 sowie Folsäure zu achten. SNRI zeigen ebenfalls eine bessere Wirksamkeit in Kombination mit den genannten B-Vitaminen. Bei Gabe von TZA ist eine Supplementierung mit Coenzym Q10, Magnesium sowie den erwähnten B-Vitaminen empfehlenswert.
Phytotherapeutisch lohnt sich der Versuch einer Therapie von Angstzuständen mit Präparaten, die als Inhaltstoff Lavendelöl aufweisen.
Antidepressiva bei generalisierter Angststörung (GAD)
Antidepressiva übertreffen Placebos deutlich bei der Behandlung der generalisierten Angststörung (GAD). Eine Analyse von 37 randomisierten Studien mit über 12.000 Teilnehmenden zeigt eine signifikante Reduktion der Angstwerte und eine vergleichbare Akzeptanz im Vergleich zu Placebos.
Der aktuelle Cochrane-Review (1) untersuchte die Wirksamkeit von Antidepressiva bei GAD über den Placeboeffekt hinaus. Dafür wurden 37 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 12.226 Teilnehmenden analysiert. Sie erhielten entweder Antidepressiva oder Placebo.
Antidepressiva zeigten eine signifikante Reduktion der Angstwerte, gemessen mit der Hamilton Anxiety Rating Scale (HAM-A). Die Risk Ratio (RR) von 1,41 (95% Konfidenzintervall (CI) 1,29-1,55) verdeutlicht, dass die Wahrscheinlichkeit einer mindestens 50%igen Symptomreduktion in der Antidepressiva-Gruppe um 41% höher lag als in der Placebo-Gruppe. Die Number Needed to Treat (NNT), also die Anzahl der zu behandelnden Patienten, um bei einem von ihnen einen positiven Behandlungseffekt zu erzielen, lag bei 7 (95% CI 5 bis 9).
Die Akzeptanz der Behandlung, gemessen an der Abbruchrate, unterschied sich nicht signifikant zwischen Antidepressiva und Placebo (RR 1,03; 95% CI 0,93 bis 1,14). Allerdings brachen in der Antidepressiva-Gruppe weniger Teilnehmende aufgrund mangelnder Wirksamkeit ab (RR 0,41; 95% CI 0,33 bis 0,50; NNTB 27). Die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen war jedoch höher (RR 2,18; 95% CI 1,81 bis 2,61), was auf das bekannte Nebenwirkungsprofil hinweist.
Wichtige Hinweise
Wie lange die Therapie zu erfolgen hat, entscheidet der behandelnde Arzt. In der Regel dauert es mindestens 10 Tage, bis eine Wirkung spürbar ist. Bringt die Behandlung nach 6 Wochen keine Besserung, sollte erneut der Arzt aufgesucht werden. Um den Verlauf der medikamentösen Therapie zu kontrollieren, sind regelmäßige Arztbesuche notwendig. Ihr Arzt entscheidet, wann die Therapie beendet wird. Erste Anlaufstelle ist meist der Allgemeinmediziner.
Nicht jeder Betroffene spricht auf die Einnahme eines Antidepressivums an. Hier ist es wichtig, regelmäßig mit dem Arzt über den Erfolg oder Nicht-Erfolg der Therapie zu sprechen, um zeitgerecht auf ein anderes Präparat zu wechseln. Die Krankenkasse übernimmt in der Regel die Kosten für das Medikament, es ist nur eine Rezeptgebühr zu entrichten.
Bevor eine anxiolytische Behandlung begonnen wird, ist es unbedingt empfehlenswert, körperliche Erkrankungen wie Schilddrüsenfehlfunktionen, B-Vitamin-Mängel, Lebererkrankungen, Dysbalancen im Kalziumhaushalt, Virusinfektionen oder Entzugssymptome (z. B. Alkohol) ärztlich abklären zu lassen.
Zusätzlich zur medikamentösen Therapie kann z. B. auch Sport helfen, wieder mehr Ruhe und Gelassenheit zu erreichen.
Der Hausarzt fragt bei der Abklärung einer Depression auch nach Schilddrüsenerkrankungen, genauer nach der Schilddrüsenunterfunktion, denn diese kann auch Ursache einer Depression sein.
Vorurteile gegenüber Antidepressiva
Viele Menschen fürchten von Antidepressiva abhängig zu werden. Diese Furcht ist unbegründet. Antidepressiva machen nicht abhängig und es gibt keine Suchtentwicklung. Ein weiterer Grund für viele Patienten, die Einnahme von Antidepressiva zu verweigern, ist die Angst, dadurch ein „anderer Mensch“ zu werden.
Lassen Sie mal die Seele baumeln, indem Sie z.B. Entspannungsübungen können helfen.
Sprechen Sie über Ihre Ängste, Sie werden sehen, Sie sind nicht allein. Gespräche mit anderen können unterstützend wirken. Gehen Sie regelmäßig zu Ihren ärztlichen Kontrollen.
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