Warum Pendeln krank macht: Psychologische Ratschläge

„Wenn das so weitergeht, bekomme ich binnen fünf Jahren einen Schlaganfall“, blickt Eva S., die seit knapp zehn Jahren für ein Pharmaunternehmen arbeitet, in eine düstere Zukunft. Der Karrieresprung vor rund einem Jahr hat der 49-Jährigen außer einem Mehr an Verantwortung und Arbeit wenig gebracht. „Im Schnitt müsste ich täglich zwei Stunden länger arbeiten, um das, was ich zu tun habe, zu schaffen“, sagt sie. Das gesetzliche Pensionsalter bei guter Gesundheit zu erreichen, ist für sie unter diesen Umständen undenkbar.

Mit ihrer pessimistischen Einschätzung ist Frau S. längst nicht allein: Laut Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer befürchten immer mehr Menschen in Österreich, in ihrem Beruf nicht bis 60 bzw. 65 Jahren durchhalten zu können. Besonders negativ fällt die Prognose bei jenen aus, die viele Überstunden machen müssen. Bei einem Pensum von 50, 60 Stunden pro Woche glaubt bereits jeder zweite Unter-25-Jährige nicht, dass er bis 60, 65 so weitermachen kann. Noch pessimistischer sind die älteren Beschäftigten: 55 Prozent der Über-46-Jährigen befürchten inzwischen, dass sie es in ihrem Job nicht bis zur Pension schaffen können.

Der wachsende Druck im Arbeitsleben

Gleichzeitig wächst der Druck, immer länger zu arbeiten. Denn in Anbetracht der demografischen Entwicklungen - sinkende Geburtenzahlen, steigende Lebenserwartung - drohe dem Pensionssystem der Kollaps. Wie in anderen Ländern soll auch in Österreich das Pensionsantrittsalter in den nächsten Jahren sukzessive erhöht werden. Mit Maßnahmen wie dem „Pensionskonto“ etwa will man Anreize schaffen, länger im Berufsleben zu bleiben. Mit schärferen Zugangsregeln soll es zudem schwieriger werden, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

Entsprechend durchwachsen ist die Stimmung bei den Arbeitnehmern: „Jene, die wenige Jahre vor der Pension stehen, haben anders kalkuliert und sind jetzt frustriert“, weiß die Wiener Unternehmensberaterin, Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin Dr. Irene Kloimüller aus der Praxis ihrer Berater- und Coachingtätigkeit. Viele Beschäftigte zwischen 40 und 50 Jahren seien höchst verunsichert. Jüngere Arbeitnehmer hingegen stellen sich mehr oder weniger zähneknirschend auf ein längeres Arbeitsleben ein. Je besser sie qualifiziert sind, umso kritischer überprüfen sie den potenziellen Arbeitsplatz: Welche sozialen Angebote bietet der Betrieb? Habe ich Möglichkeiten zur Weiterbildung? Habe ich bei der Arbeitsgestaltung ein Wörtchen mitzureden?

Komplexität und Flexibilität in der Arbeitswelt

Es ist komplexer, dichter, schneller geworden in der Arbeitswelt - und das setze den Berufstätigen über die Jahre zu. Darüber hinaus wird ihnen heute ein Höchstmaß an Flexibilität abverlangt, sei es bei der Arbeitszeit oder bei der Beschäftigung selbst: „Früher hat man einen Beruf erlernt und diesen genauso bis ans Ende der beruflichen Laufbahn ausgeübt: Der Schuster hat Schuhe angefertigt, der Tischler Tische“, beschwört der Arbeitsmediziner und Präsident der Österreichischen Ärztekammer Dr. Artur Wechselberger die Vergangenheit. „Heutzutage übt man während seines Arbeitslebens oft verschiedene Berufe aus oder macht drastische Veränderungen innerhalb eines einzelnen Berufsbildes mit.“

Lesen Sie auch: Die Beziehungsmuster von Borderlinern und Untreue

Während es heute kaum noch möglich ist, innerhalb eines einzigen Jobs älter zu werden, lässt sich die alternde Gesellschaft auch in der Arbeitswelt nicht aufhalten. Noch nie zuvor waren so viele Berufstätige 50 Jahre und älter - und die Anzahl „reifer“ Arbeitnehmer steigt offenbar schneller als Politik und Wirtschaft wahrhaben wollen: „Hierzulande hat man viel zu spät damit begonnen, sich mit alternsgerechtem Arbeiten zu befassen“, kritisieren Experten wie Kloimüller.

Die Seele in Bedrängnis

Unterdessen gerät durch die steigenden Anforderungen des modernen Arbeitslebens vor allem die Seele in Bedrängnis: Aktuellen Daten zufolge gehen hierzulande heute dreimal so viele Menschen wegen psychischer Erkrankungen in den vorzeitigen Ruhestand wie noch vor 20 Jahren. Waren es 1995 elf Prozent, so nehmen heute bereits 32 Prozent wegen eines psychischen Leidens eine Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension in Anspruch, weiß man beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. „Körperliche Erkrankungen als Pensionsursache nehmen im Vergleich zu früher ab“, zitiert Univ. Prof. Dr. Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien, aus der Statistik. Er führt die Entwicklung auch auf einen offeneren Umgang mit den Leiden der Psyche zurück. „Im Gegensatz zu früher wird heute bei kaum jemandem, der wegen einer psychischen Erkrankung eingeschränkt arbeitsfähig oder arbeitsunfähig ist, eine körperliche Krankheit als Ursache angegeben.“

Hinzu kommt: Während die Anforderungen steigen, sinke laut Wechselberger die psychische Belastbarkeit. Und unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen fangen nicht wenige schon Mitte 40 damit an, die Tage bis zur Pension zu zählen. Dabei mache nicht die Arbeit an sich krank, lediglich die Art und Weise, wie das Arbeitsleben gestaltet ist, „kann die Entstehung verschiedener Krankheiten fördern“, so Wancata.

Dauerbrenner Überforderung

Der Dauerbrenner unter den Ursachen von Burn-out & Co: Überforderung. Auch die um sich greifende Arbeitsverdichtung wird zum zunehmenden Problem: Um Arbeitsplätze einzusparen, müssen von einem Beschäftigten mehr Aufgaben in derselben Arbeitszeit erledigt werden, da ist Erschöpfung programmiert. Ältere Berufstätige leiden zuweilen darunter, dass man ihnen quasi den natürlichen Vorgang des Alterns zum Vorwurf macht, etwa hinsichtlich ihrer veränderten Leistungsfähigkeit. „Schon, wenn ein Arbeitnehmer das Gefühl hat, dass man abschätzig über ihn denkt, reduziert das die psychische Belastbarkeit“, gibt Artur Wechselberger zu bedenken. Älteren Arbeitnehmern weniger zuzumuten, sei aber auch nicht die Lösung des Problems: „Schließlich könnte es sein, dass es nicht weniger, sondern neue Herausforderungen sind, die dieser Mitarbeiter braucht“, betont Irene Kloimüller.

Speziell im öffentlichen Bereich werde vielen die Arbeit irgendwann eintönig, es fehle an Entwicklungsmöglichkeiten, beobachtet die Unternehmensberaterin. „Ältere Arbeitnehmer sind außerdem oft mit dem Vorwurf konfrontiert, relativ teure Arbeitnehmer zu sein, die maximal die gleiche Leistung erbringen können wie ihre jüngeren, vergleichsweise günstigeren Kollegen“, so Artur Wechselberger. In bestimmten Branchen sorge eine große Einkommensschere zwischen Jung und Alt für erhebliche Spannungen, beobachtet Irene Kloimüller. „Da kommt es vor, dass ein 50-Jähriger beinahe doppelt soviel verdient wie ein 25-Jähriger.“ Mehr Gerechtigkeit zwischen den Generationen zu schaffen, sei ebenfalls ein wichtiger Bestandteil alternsgerechter Arbeitsplätze.

Lesen Sie auch: Das Erbe Wilhelm Reichs

Bei schweren körperlichen Tätigkeiten kommen weitere Kriterien zum Tragen: Da die physiologischen Prozesse verlangsamt sind, lässt naturgemäß die Leistungsfähigkeit Älterer nach. In der Praxis bedeutet dies auch, dass ältere Beschäftigte zum Teil wesentlich mehr leisten (müssen) als jüngere; Nachtarbeit z. B. ist für ältere Arbeitnehmer besonders anstrengend: „Bei einer Schicht von sechs Stunden ist der Energieaufwand eines 50-Jährigen um mehr als 50 Prozent höher als bei seinem 30-jährigen Kollegen“, erklärt Kloimüller.

Mehr Spielraum für Erholung und Flexibilität

Entsprechend sind ausreichende Erholung, aber auch Flexibilität im Sinne der Arbeitnehmer die wichtigsten Zutaten einer Arbeitswelt, in der man bis zur Pension - und länger - durchhalten kann. Darüber sind sich die Ärzte einig: „Wenn man es schafft, aus der Spirale der Überforderung auszusteigen und sich genügend Erholungsmöglichkeiten zu schaffen, muss Stress nicht zu Krankheit führen“, betont etwa Sozialpsychiater Johannes Wancata. Erholung sieht allerdings für jeden anders aus: „Für manche mag eine weitere Urlaubswoche im Jahr hilfreich sein“, sagt Wancata in Anspielung auf jüngste Diskussionen. „Anderen, die dadurch den Rest der Zeit umso mehr unter Druck stehen, hilft es hingegen viel mehr, ein-, zweimal öfter am Tag eine Pause einzulegen.“

Individuelle Wahlmöglichkeiten sind zielführender als pauschale Regelungen: „Je mehr Spielraum man hat, umso besser - vorausgesetzt, es wirkt sich nicht negativ auf die Pensionsansprüche aus“, ergänzt Irene Kloimüller. „Indem etwa die Pausenmöglichkeiten flexibler werden, schafft man wichtige Spielräume.“ Günstig sei auch die Möglichkeit, die Arbeitszeiten individuell zu regulieren. „Es fördert das gesunde Älterwerden, wenn man in jeder Lebensphase die Möglichkeit hat, auf die Balance von Arbeit und Freizeit zu achten“, so Kloimüller.

Die Abkürzung nutzen: Erfahrungswissen älterer Arbeitnehmer

„Die Jungen laufen schneller, die Alten kennen die Abkürzung“: Diese Redensart könnte die Marschroute für eine alternsgerechte Arbeitswelt vorgeben. „Es braucht Arbeitsplätze, an denen Menschen ihr ganzes Know-how und ihre jahrelang geschulte soziale Kompetenz einbringen können“, betont Wechselberger. „So wie jeder Arbeitsplatz dahingehend überprüft werden muss, ob er den Bedürfnissen einer schwangeren Mitarbeiterin entspricht, muss er auch auf seine Alterstauglichkeit hin überprüft werden.“

Was bei der Überprüfung der Arbeitsplätze besonders zu berücksichtigen ist: „Tätigkeiten, bei denen Tempo und Quantität wichtig sind, aber auch Jobs, die entweder körperlich oder psychisch einseitig belasten, werden mit dem Älterwerden schwieriger“, sagt Irene Kloimüller. Nacht- und Schichtdienste oder Zwölf-Stunden-Schichten etwa im Pflegebereich seien für ältere Beschäftigte nicht zumutbar. „Je kürzer die Dienstzeiten, umso alternsgerechter“, bringt es die Expertin auf den Punkt. Ältere Menschen haben obendrein eine andere Denkgeschwindigkeit, sie sehen oder hören schlechter - auch Faktoren wie diese sollten bei der Gestaltung alternsgerechter Arbeitsplätze berücksichtigt werden: Was braucht es, um einseitige Anforderungen oder körperliche Belastung zu reduzieren? Welche neuen Herausforderungen muss man schaffen, damit die Menschen bleiben können und wollen? Kann eine Tätigkeit in der bestehenden Form bis 65 Jahre - oder noch länger - ausgeführt werden?

Lesen Sie auch: Lösungsansätze für psychische Gesundheit

„Immer mehr Betriebe entwickeln Modelle, damit ältere Mitarbeiter bleiben und ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen dem Unternehmen nicht verloren gehen“, beobachtet Irene Kloimüller neue Bestrebungen. Ob sie noch rechtzeitig für Menschen wie Eva S. Derzeit geht man hierzulande im Durchschnitt mit 58 Jahren in Pension. Dies soll sich demnächst ändern: Der Wert könnte schon binnen fünf Jahren um ein, zwei Jahre steigen, schätzt die Unternehmensberaterin und Ärztin Dr. Irene Kloimüller.

Neben alternsgerechten Arbeitsplätzen brauche es auch „neue und innovative Modelle für den Pensionsübergang“, fordert Kloimüller. Derzeit ermöglicht etwa die Altersteilzeit einen gleitenden Übergang in die Pension, bei dem ältere Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit nach und nach reduzieren können ohne z. B. ihre Pensionsansprüche zu verlieren.

Psychisch krank in Österreich: Neue Studie

Psychische Erkrankungen nehmen weiterhin zu; davon bleibt auch die Arbeitswelt nicht verschont. „Was sind nun aber die Gründe dafür, dass manche Menschen mit einer psychischen Erkrankung nach einiger Zeit wieder problemlos ins Berufsleben zurückkehren können, während andere eine Pensionierung brauchen?“ So lautet eine der Fragen, der Sozialpsychiater Univ. Prof. Dr. Johannes Wancata im Rahmen seiner Studie „Leiden der österreichischen Seele“ nachgehen möchte. Damit führt der Mediziner die erste epidemiologische Studie punkto psychischer Erkrankungen in Österreich durch. Diesbezüglich gibt es bislang keine Daten - aktuelle Zahlen basieren lediglich auf Hochrechnungen.

Weitere Fragen, auf die man sich bis 2016 eine Antwort erhofft: Was sind hierzulande die häufigsten psychischen Leiden? Wie viele psychisch Kranke gibt es in Österreich? Wie werden diese versorgt? Bekommen sie die nötige Behandlung?

Psychosomatische Störungen

Psychosomatische Störungen sind alle Organschädigungen oder Störungen körperlicher Funktionsabläufe, die so stark durch psychosoziale oder psychologische Faktoren bedingt werden, dass organmedizinische Ursachen alleine nicht ausreichen, um diese Störungen zu erklären. Deshalb zählen psychosomatische Störungen auch zu den psychischen Erkrankungen, da es keine hinreichend somatischen Erklärungen gibt. Körper und Psyche sind keine Einbahnstraßen, sondern beide beeinflussen sich gegenseitig und zeigen Rückkoppelungsprozesse. Starke, intensive Schmerzen etwa lassen uns auch psychisch leiden, umgekehrt beeinträchtigen Depressionen, Ängste, langanhaltender Stress oder psychische Belastungen unseren Körper.

Die Psychosomatik belegt, dass wir etwa starke körperliche Schmerzen fühlen können, auch dann, wenn diese keine physiologischen Ursachen haben. Uns wird dann oft gesagt, dass dieser Schmerz nur Einbildung sei, was extrem kränkend und darüber hinaus falsch ist, weil wir ja den Schmerz tatsächlich fühlen. Dabei können diese somatoformen Störungen extrem belastend und schmerzhaft sein. Psychosomatische Störungen müssen allerdings chronisch, also langandauernd sein und die Lebensqualität massiv negativ beeinträchtigen, um als solche diagnostiziert zu werden.

In der Psychosomatik geht es auch darum, somatoforme Beschwerden in innere Konflikte zu übersetzen. Dabei stellt sich die Frage, welche individuellen und sozialen Konflikte durch die Symptome ausgedrückt werden. Verleugnung, aufgestaute Gefühle (etwa zurückgehaltene Wut und Aggression) und verdrängte Bedürfnisse, die nicht ausgelebt werden, saugen enorm viel Kraft und Lebensenergie und führen zu psychischen oder somatoformen Beschwerden, Symptomen und Erkrankungen.

Jedes Leben ist zyklisch und endlich, auch das menschliche. Wir werden und vergehen, wir sind gerne aktiv, brauchen aber auch Pausen, wir haben Lust und Lebensfreude, aber auch Unlust und Frust. Freude, Liebe, aber auch Not und Leiden sind gesunde Erfahrungen unserer Biographie. Psychisch und sozial gefährlich wird es dann, wenn wir diesen Zyklus unterbrechen und Ambivalenzen unterdrücken, verdrängen, abspalten, wenn also nur noch ein Pol (etwa Freude, Manie und Lust) einseitig gelebt werden darf und alles andere verdrängt werden muss.

Grundsätzlich stellt es einen genialen Selbstschutz unserer Psyche dar, wenn diese unangenehme Gefühle, Wunden und Traumen abspalten und völlig verdrängen kann. Die innere Not und das Leiden werden dabei lange Zeit nicht bewusst. Allerdings verschwindet dieses verdrängte Leid nicht oder wird ungeschehen gemacht, sondern es kommt in Form von Symptomen, körperlichen und psychischen Beschwerden, über Verhaltensstörungen und Erkrankungen wieder zu uns zurück.

Was kann psychologische Beratung leisten?

Gemeinsam werden Ressourcen und Belastungen sowie bisherige Bewältigungsversuche stressreicher Situationen analysiert. Aus der Ohnmacht in die Selbstwirksamkeit. Der psychosomatische Ansatz unterstützt Menschen, aus der Hilflosigkeit in die Selbstwirksamkeit zu gelangen und Hilfe zur Selbsthilfe zu lernen. Die Betroffenen sind Spezialist*innen ihren eigenen Körper und Organismus betreffend und sollten in der Psychotherapie und Beratung immer aktiv prüfen, ob die Interventionen und Methoden für sie stimmen und richtig sind. Dabei ist eine Heilung der Beschwerden und Symptome nicht immer möglich, weshalb wir auch von Caring statt Curing sprechen können. Es geht um eine gute Selbstfürsorge und zärtliches Mitgefühl mit sich selbst, gerade weil die psychosomatischen Symptome und Schmerzen so quälend sind. Linderung ist zwar weniger als Heilung, aber sie ist zugleich auch viel und kann die Lebensqualität deutlich heben.

Stadtleben vs. Landleben

Ganz klar - das Leben in der Stadt bietet gegenüber dem Wohnen auf dem Land zahlreiche Vorteile. Immer wieder werden wir auf die vermeintliche Tatsache hingewiesen, dass das Stadtleben massiven Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden nimmt - und zwar negativen. Doch womit hängt dieser Umstand zusammen? Pulsierende Urbanität vs. Je nach persönlicher Vorliebe und individuellen Bedürfnissen hat sowohl die eine Seite wie auch die andere ein Für und Wider. „Der Einfluss der Städte auf die psychische Gesundheit ist ambivalent“1, so der Chefarzt der Fliedner Klinik Berlin und Psychiater Mazda Adli. Wesentlicher Faktor ist hier der allgemein höhere Stresspegel in der Stadt bzw. von städtischen Bewohner*innen. Dieser setzt sich dabei aus verschiedenen Einflussfaktoren zusammen, allen voran Lärm und Luftverschmutzung: Eine im Jahr 2019 durchgeführte Analyse mit Daten von 151 Millionen US-Amerikaner*innen ergab nämlich, dass schlechte Luft starke negative Wirkung auf die Psyche hat, sogar im Verdacht steht, bipolare Störungen zu begünstigen. Ein weiterer nachteiliger Aspekt im Großstadtgefüge ist die soziale Vereinsamung trotz dichter Population - „Sozialer Stress“4, wie Adli erklärt.

Wie Adli aber betont: „Das Stadtleben allein zerstört nicht unsere Psyche“7, denn neben den genannten Risiken, welche die Urbanität mit sich bringt, spielen genauso genetische Faktoren (beispielsweise Vorerkrankungen innerhalb der Familie) oder ökonomische sowie persönlichkeitsbedingte Aspekte eine Rolle.8 Und außerdem gibt es durchaus auch positive Einflüsse des Stadtlebens: So kommen beispielsweise all jene, die in der Stadt aufgewachsen sind, mit kultureller Diversität sowie der damit einhergehenden Komplexität schon früh in Berührung und entwickeln somit auch einen anderen und positiveren gesellschaftlichen Zugang.

Bestritten wird jedoch nicht, dass das Leben auf dem Land zahlreiche gesundheitliche Vorteile mit sich bringt und vor allem auf die Psyche besonders wohltuend wirkt, denn Studien konnten bereits belegen, dass alleine das Risiko, an Depressionen zu erkranken, bei Menschen vom Land um ca. Weil man sich der aber überwiegend positiven Einflüsse einer ländlichen bzw. natürlichen Umgebung auf Körper und Seele durchaus bewusst ist, plädieren Forscher*innen immer mehr für einen Ausbau der Grünanlagen in urbanen Gebieten, denn „jedes kleine städtische Grün ist gut für die Psyche“13, so Adli. Und dies hat auch mehrere Gründe, wie wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen: Grünflächen wirken der sozialen Isolation in der Großstadt entgegen, wie die an der Humboldt-Universität zu Berlin tätige Geografin Nadja Kabisch erklärt: „Grünflächen laden dazu ein, vor die Tür zu gehen, sich zu bewegen und sich zu treffen“14. Deswegen wird auch der Appell zunehmend lauter, bewusst Grünflächen in Ballungszentren zu schaffen, um den negativen Einflussfaktoren des Stadtlebens entgegenzuwirken.

Stressbewältigung beim Pendeln

  • Lesen lenkt ab und lässt die Zeit schneller vergehen.
  • Alternative Arbeitszeiten können Pendelzeiten reduzieren und Stress verringern.
  • Homeoffice und flexible Arbeitszeiten sind weitere Optionen zur Stressreduktion.

Umso länger man pendelt, desto weniger Zeit bleibt vom Tag. Alltägliche, aber wichtige Tätigkeiten wie Vorsorgeuntersuchungen bleiben dabei aus Zeitgründen oft auf der Strecke. Davor warnt der Arzt. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten können Pendelzeiten reduzieren und den Stress verringern. Nicht in jeder Firma ist das möglich, aber gerade bei Gleitzeit kann schon eine halbe Stunde früher oder später zu fahren einen großen Unterschied machen. Öffentliche Verkehrsmittel sind zu Randzeiten der Rushhour deutlich leerer, Staus plötzlich verschwunden. Wer die Rushhour meidet oder seine Arbeitszeit anpasst, spart nicht nur Zeit, sondern fördert auch das persönliche Wohlbefinden", so Häfner.

Das Gleichgewicht zwischen Ruhe und Bewegung

Von Überengagement bis hin zum Burnout. Der Menschen hält viel aus, doch irgendwann stößt er an seine Grenzen. So wie auch im Leistungssport irgendwann Schluss ist, sind unsere psychischen Kapazitäten ebenfalls limitiert. Wie die Natur Tag- , Nacht- und Jahreszeitenzyklus vorgesehen hat, müssen auch wir pendeln zwischen Ruhe und Bewegung. Gerät dieses Gleichgewicht langfristig aus der Balance, wird der Organismus krank und zwingt uns zur Ruhe. Ziel ist es, den Rhythmus zwischen Ruhe und Bewegung zu akzeptieren und ein gutes Maß in jeder Beziehung zu finden. Besonders engagierte und ehrgeizige Menschen nehmen viel in Kauf und haben hohe Ansprüche an sich. Ist nicht alles zu bewerkstelligen, was vorgenommen wurde und kann auch vermehrte Anstrengung nicht helfen, dann kommt die Enttäuschung und der Frust. Langandauernder sogenannter chronischer Stress schwächt das Immunsystem und macht uns krank. Diese Reaktion des Körpers ist ein sinnvoller, wenn auch unangenehmer Bewältigungsversuch um aus der Stressspirale auszubrechen. Psychische Folgen sind ein niedriger Selbstwert und das Gefühl der Unzulänglichkeit. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird klar, dass sich etwas ändern muss.

Sinnvoll ist es, schon früher die Reissleine zu ziehen, die eigene Situation unter die Lupe zu nehmen und sich eine Übersicht darüber zu verschaffen wie es um die eigenen Ressourcen und Belastungen bestellt ist. Wobei nicht immer drastische Veränderungen notwendig sein müssen. Denn schon der Aufbau von Ressourcen kann helfen Anforderungen besser begegnen zu können und Stress zu vermeiden. Auch das Überdenken der eigenen Bewertungssysteme kann stressreiche Situationen plötzlich in einem anderen Licht erscheinen lassen.

tags: #warum #pendeln #krank #macht #psychologische #ratschläge