Essen ist schon lange mehr als reine Nahrungsaufnahme. Es ist untrennbar mit unseren Emotionen verbunden. Der Keks wird dann zum Trostspender, die Schokolade zum Stressregulator. Von emotionalem Essen (EE) sprechen wir, wenn Sie Nahrung nicht aus natürlichem Hunger aufnehmen, sondern um Emotionen und Gefühle zu unterdrücken.
Was ist emotionales Essen?
Beim emotionalen Essverhalten sollen die Lebensmittel primär Gefühle regulieren und nicht das natürliche Hungergefühl stillen. Häufig wird emotionales Essen dabei mit einer „erhöhten Nahrungsaufnahme, um negative Emotionen zu bewältigen“ gleichgesetzt. Das Ziel von emotionalem Essen ist also, kurzfristig ein gutes Gefühl zu erzeugen und sich dadurch von negativen Gefühlen abzulenken. Emotionales Essen kann sowohl unbewusst als auch bewusst geschehen.
Es gibt nicht den einen Grund für emotionales Essen. Ziel ist jedoch immer, sich von negativen Gefühlen abzulenken, sie zu verdrängen oder sie mit anderen Gefühlen zu überlagern. Essen löst für einen Moment ein positives Gefühl aus.
Die Rolle von Hormonen
Insbesondere zuckerreiche Lebensmittel, die unseren Blutzuckerspiegel schnell in die Höhe schießen lassen, und fettreiche Speisen werden dann bevorzugt. Erklären lässt sich das über unsere Hormone: Wenn es uns nicht gut geht oder wir gestresst sind, sinken sowohl der Serotonin- als auch der Noradrenalinspiegel, während der Cortisolspiegel ansteigt. Das führt dazu, dass der Körper möglichst schnell mit Energie versorgt werden möchte.
Gut zu wissen: Schokolade kann tatsächlich bei Stress helfen, da unter anderem die Neurotransmitter Serotonin und Anandamid sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide, die Stress hemmen, enthalten sind. Aber Achtung: Herkömmliche Milchschokolade enthält hauptsächlich Zucker und Fett, aber wenige gesundheitsfördernde Stoffe. Wer von den positiven Vorteilen der Schokolade profitieren möchte, der sollte auf die dunkle Variante mit einem Kakaogehalt von mindestens 85 Prozent zurückgreifen.
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Die Verbindung zwischen Hunger und Emotionen
Alltägliches Hungergefühl kann mit negativer Emotionalität verbunden sein. Das fanden Forschende der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL) in einer Studie heraus, die kürzlich im renommierten Wissenschaftsmagazin PLOS ONE erschienen ist.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein höheres Maß an selbst identifizierten Hungergefühlen mit einem höheren Maß an Ärger, Reizbarkeit und Unlust verbunden war. Diese Ergebnisse blieben auch nach Berücksichtigung des Geschlechts, des Alters, des Body-Mass-Index, und des Ernährungsverhaltens der Teilnehmer_innen signifikant.
Die Amygdala, auch „Mandelkern“ bezeichnet, ist für die Verarbeitung von Emotionen zuständig und hilft uns, auf Gefahren zu reagieren. Zusätzlich spielt sie eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Emotionen und der Wiedererkennung von emotional relevanten Erfahrungen, indem sie Erinnerungen an vergangene Ereignisse speichert und mit aktuellen Reizen verknüpft.
Wie Emotionen den Appetit beeinflussen
Emotionen können den Appetit sowohl steigern als auch verringern und führen oft zu Essen zur Emotionsregulierung. Auch Erinnerungen und Erwartungen spielen eine Rolle: Bestimmte Gerüche oder Situationen wecken Appetit, weil sie positive Erfahrungen aus der Vergangenheit wachrufen. Riechorgan und Emotionszentrum sind direkt verknüpft, weshalb die Erinnerungsfunktion durch den Duft-Trigger stark ausgeprägt ist. Gleiches gilt in die andere Richtung - negative Erinnerungen können unseren Appetit auf ein Lebensmittel abschwächen.
Studien haben gezeigt, dass Langeweile ein sehr häufiger Grund zum Essen ist. Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen, die sich oft langweilen, generell mehr essen und nach oder während einer sinnlosen Aufgabe verstärkt zu weniger gesunden Snacks greifen.
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Die Folgen von emotionalem Essen
Die wohl eindeutigste Gefahr von emotionalem Essen ist eine Überernährung, durch die Übergewicht entsteht. Übergewicht wiederum erhöht das Risiko für weitere gesundheitliche Probleme wie zum Beispiel Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine solche ungesunde Ernährung kann neben den bekannten gesundheitlichen Problemen auch zu Hautproblemen und Schlafstörungen führen.
Nicht selten kann dadurch ein gefährlicher Teufelskreis entstehen, denn auch Schlafmangel kann zu emotionalem Essen führen. Ebenso können sich beispielsweise Depressionen und emotionales Essen gegenseitig bedingen und verschlimmern. Übergewicht und ein der Kontrollverlust beim Essen und auch Depressionen können außerdem das Selbstwertgefühl verringert.
Emotionales Essen selbst ist nicht als Krankheit anerkannt. Es steht jedoch in Verbindung mit einer Reihe von Krankheiten.
Stress und Essverhalten
Stress hat einen klaren Einfluss auf das Essverhalten und kann sich unterschiedlich auf den Appetit auswirken. Während bei intensivem Stress der Appetit gedämpft sein kann und Essen weniger gut schmeckt, kann bei anhaltendem oder chronischem Stress die Motivation zu essen steigen. Da Cortisol Insulin hemmt und Energie eher als Fett gespeichert wird, steigert ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel die Lust auf Zucker und Fett.
Viele kennen dann den Drang, nach bestimmten Lebensmitteln zu greifen. Diese Zwischenmahlzeiten können oft rasch Glücksgefühle auslösen und innere Anspannung reduzieren.
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Auswirkungen von Stress auf den Körper
Chronischer Stress verstärkt also einerseits die Vorliebe für energiereiche Lebensmittel mit viel Zucker und Fett. In Stressphasen kann aber auch die Essgeschwindigkeit zunehmen oder die Bissen können größer werden. Beides kann wiederum die abdominale Fetteinlagerung fördern. Das subkutane Bauchfett hingegen findet sich direkt unter der Haut. Fett- und kohlenhydratreiche Lebensmittel aktivieren nämlich das Belohnungssystem im Gehirn.
Strategien zur Bewältigung von emotionalem Essen
Um bei negativen Gefühlen nicht zum Essen zu greifen, sollten Sie zunächst die Gründe für Ihr emotionales Essen ausfindig machen. Bevor Sie mit dem Essen beginnen, sollten Sie sich bewusstmachen, warum Sie essen.
Es gibt einige Strategien, mit denen Sie das Verlangen danach, negative Gefühle mit Essen zu unterdrücken, austricksen können:
- Essen bewusst wahrnehmen: Essen Sie nicht nebenbei, sondern immer bewusst.
- Lebensmittel nicht griffbereit haben.
- Strategien zum Ablenken: Überlegen Sie sich, was Ihnen helfen kann, damit Sie sich besser fühlen. Das kann zum Beispiel ein Spaziergang oder Sport sein. Auch andere Aufgaben oder Hobbys, die Ihnen Spaß machen und Sie ablenken, können helfen.
- Schlaf: Wer übermüdet ist und dadurch zu emotionalem Essen neigt, sollte auf ausreicheichend Schlaf achten.
Achtsames Essen
Gerade deshalb gewinnt achtsames Essen, eine Praxis aus der Achtsamkeitstradition, zunehmend an Bedeutung. Emotionsregulation ist ein zentraler Punkt beim achtsamen Essen. Es geht darum, Emotionen nicht zu unterdrücken, sondern sie bewusst wahrzunehmen und zu steuern, damit sie uns nicht überwältigen.
Sich beim Essen vollkommen auf die Nahrungsaufnahme zu konzentrieren, jeden Bissen bewusst wahrzunehmen, gründlich zu kauen und das Essen zu genießen kann eine wirksame Methode sein, um Essen zur Emotionsregulierung vorzubeugen. Ziel ist, unterscheiden zu können, ob es sich tatsächlich um körperlichen Hunger handelt oder vielmehr Emotionen wie Stress oder Langeweile dominieren.
Weitere Tipps
- Ursachen und Selbsterkenntnis: Ist mein Stresslevel höher als sonst? Beschäftigen mich berufliche oder schulische Probleme? Gibt es Konflikte in meiner Beziehung? Hier geht es darum, die Ursachen für Essen zur Emotionsregulierung zu erkennen.
- Akzeptanz: Die Anerkennung von Emotionen aller Art kann helfen, negative Gefühle in neutrale oder positive Bahnen zu lenken und sie nicht mit Essen zu kompensieren.
- Bewusstes Snacken: Zwischenmahlzeiten müssen nicht immer extrem süß oder salzig sein.
- Vorplanen: Weiß man, dass man eine stressige Phase vor sich hat, so kann man sich im Voraus auf das Essen in diesen Momenten vorbereiten. Dann muss nicht im Affekt auf fett- und zuckerhaltiges Essen zurückgegriffen werden.
- Biologischer Rhythmus: Entsprechend des eigenen biologischen Rhythmus kann man entscheiden, wann und wie oft am Tag man sich Zeit zum Essen nehmen möchte. Für die meisten Menschen sind das drei bis fünf Mahlzeiten. Sich Esspausen zu gönnen und Zeit fürs Essen zu nehmen ist ebenso wichtig - insbesondere dann, wenn der Alltag anstrengend ist.
- Notfallstrategien: Um in Momenten von emotionalem Stress nicht zu überreagieren, kann eine „Notfallstrategie“ entwickelt werden.
Professionelle Hilfe
Wenn Sie es nicht aus eigener Kraft schaffen, emotionales Essen zu stoppen und Sie unter den Folgen leiden, können Sie sich professionelle Hilfe suchen. Insbesondere, wenn sich die Muster über eine lange Zeit eingeprägt haben, kann es schwer werden, sie alleine wieder loszuwerden.
Sie sind sich nicht sicher an wen Sie sich wenden sollen? Eine psychosoziale Beratungsstelle oder eine psychotherapeutische Praxis kann mit Ihnen ein Beratungsgespräch durchführen und weitere Behandlungsmöglichkeiten besprechen. Alternativ kann auch Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin die erste Anlaufstelle sein.
Unterschied zwischen körperlichem und emotionalem Hunger
Um körperlichen von emotionalem Hunger unterscheiden zu können, ist es hilfreich zu wissen, was jeweils typische Anzeichen dafür sind. Körperlicher Hunger entwickelt sich allmählich und ist mit der letzten Mahlzeit verbunden, während emotionaler Hunger durch Faktoren wie Stress, Sorgen oder Müdigkeit ausgelöst wird.
Wenn Sie das nächste Mal bemerken, dass der Magen knurrt, Sie unkonzentriert werden bzw. sich kraftlos fühlen, kann es sein, dass Ihr Körper nach Energie (als Nahrung) ruft. Des Weiteren sind Gereiztheit, Schwindel sowie Müdigkeit ein typischer Hinweis auf körperlichen Hunger.
Anzeichen für emotionalen Hunger
Es gibt mehrere Anzeichen dafür, dass Sie möglicherweise zu emotionalem Essen neigen:
- Plötzliche, drängende Gelüste: Körperlicher Hunger entwickelt sich langsam im Laufe der Zeit. Nach dem Essen fühlt man sich eine Weile zufrieden, bis der Hunger wieder beginnt zu wachsen. Wenn man dann etwas isst, spürt man allmählich das Gefühl der Sättigung und man kann beobachten, wie man sich beim Essen zufriedener oder satter fühlt. Im Gegensatz dazu tritt emotionales Essen plötzlich auf und kann eine gewisse Dringlichkeit haben. Gedanken, die dann auftreten sind zum Beispiel: „Ich muss jetzt etwas essen. Gedanken dazu könnten sein „Ich will nicht einfach etwas essen, weil ich hungrig bin. Ich will Schokolade, und das ist das Einzige, was mich zufriedenstellen wird“.
- Übermäßiges Essen: Ein weiteres Kennzeichen für emotionales Essen ist übermäßiges Essen. Es kommt durchaus vor, dass Essen verwendet wird, um sich besser oder zufriedener zu fühlen. Doch egal, wie viel man isst, man erreicht dadurch nie wirklich dieses Gefühl. Trotzdem isst man weiter, solange bis man sich krank oder übermäßig voll fühlt und dann das Essen beendet.