Wahnvorstellungen bei Depression: Ursachen und Behandlung

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Was ist eine Psychose?

Psychose ist ein Überbegriff für schwere psychische Störungen, die mit einem Realitätsverlust verbunden sind. Bei den Betroffenen kann es unter anderem zu Wahnvorstellungen oder Halluzinationen kommen. Häufig treten diese Symptome bei schizoaffektiven Störungen und Schizophrenie auf. Psychosen können verschiedene Funktionen wie das Denken, Fühlen und die Wahrnehmung betreffen. Menschen mit psychotischen Symptomen werden mittels Medikamente oder Psychotherapie behandelt.

Formen von Psychose

  • Organische Psychose (exogene Psychose)
  • Substanzinduzierte Psychose / Drogen-Psychose
  • Nicht-organische Psychose (endogene Psychose) wie Schizophrenie
  • Schizo-affektive Psychose
  • Paranoide Psychose (wahnhafte Störung)
  • Postpartale Psychose
  • Mischformen verschiedener Psychosen

Ursachen von Psychosen

Viele Ursachen sind nach wie vor Gegenstand der Forschung. Bei der Entstehung einer psychischen Erkrankung wirken biologische, psychologische und soziale Faktoren zusammen. Zum Beispiel ein mögliches Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn, genetische Veranlagung sowie Lebensumstände.

Körperliche Ursachen

Diverse organische Grunderkrankungen verändern mitunter die Hirnfunktionen und lösen eine organisch bedingte (exogene) Psychose aus. Dazu gehören etwa:

  • Demenz: Bei Demenzpatienten verändern sich Strukturen im Gehirn. Diese Veränderungen führen in einigen Fällen zu psychotischen Störungen. Besonders die Alzheimer-Demenz wird oft von Halluzinationen und Wahnsymptomen begleitet.
  • Epilepsie: Bei einem epileptischen Anfall entladen sich die Nervenzellen im Gehirn unkontrolliert. Manchmal treten Psychosen vorher und währenddessen auf. Am häufigsten zeigen sich psychotische Symptome jedoch unmittelbar nach einem epileptischen Anfall.
  • Multiple Sklerose: Bei dieser Erkrankung wird sukzessive die schützende Hülle von Nervenfasern (Myelinschicht) zerstört, was unter Umständen Hirnfunktionen beeinträchtigt. Psychotische Symptome sind eine mögliche Folge.
  • Auch Infektionen (etwa Gehirnentzündung = Enzephalitis oder Parasiteninfektionen), Stoffwechselstörungen sowie Verletzungen (wie ein Schädel-Hirn-Trauma) sind mögliche Ursprünge einer Psychose sowie Hirntumore.

Medikamente als Ursache

Manchmal lösen Medikamente vorübergehend psychotische Symptome wie starke Verwirrtheit oder Halluzinationen aus. Zu den häufigsten medikamentösen Psychose-Auslösern gehören Parkinson-Medikamente:Bei Morbus Parkinson sterben fortschreitend bestimmte Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem Mangel am Nervenbotenstoff Dopamin führt. Dieser löst die typischen Parkinsonsymptome aus wie verlangsamte Bewegungen, Muskelsteife (Rigor) und Zittern (Tremor).Parkinson-Medikamente steigern den Dopaminspiegel im Blut der Patienten. Ist der Dopamingehalt dann allerdings zu hoch, ist es möglich, dass psychische Probleme wie eine Psychose entstehen. Sehr alte Parkinson-Patienten sind davon besonders oft betroffen. Stress und Flüssigkeitsmangel verstärken die Symptome oft.

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Sehr selten beruht eine Psychose auf Kortison-Präparaten, die - hochdosiert - eine euphorisierende Wirkung haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch eine Psychose entsteht, ist jedoch sehr gering. Wenn überhaupt, treten die Symptome dann nur vorübergehend auf.

Drogen als Ursache

LSD (Lysergsäurediäthylamid) löst mitunter eine Drogen-Psychose mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen aus ebenso wie Amphetamine wie etwa Ecstasy und ähnliche (LSD-Psychose oder Amphetamin-Psychose). Je nachdem, wie viel und welche Art der Droge konsumiert wurde, verschwinden die Symptome nach wenigen Stunden oder bleiben einige Tage bestehen.

Auch Kokain und Cannabis sind eventuell für eine drogeninduzierte Psychose verantwortlich - ebenso wie die legale Droge Alkohol. Dabei ist nicht immer klar, ob die Symptome bereits zuvor vorhanden waren oder erst durch den Drogenmissbrauch entstanden sind. Untersuchen zeigen beispielsweise, dass Cannabis-Konsumenten mit einer genetisch bedingten Anfälligkeit für Psychosen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, tatsächlich an einer solchen psychischen Störung zu erkranken (Cannabis-Psychose). Darüber hinaus haben Cannabis und andere Drogen das Potenzial, den Verlauf einer bereits bestehenden Psychose deutlich zu verschlimmern.

Endogene Psychose

Die bekannteste Form ist die Schizophrenie. Experten gehen davon aus, dass an ihrer Entstehung mehrere Faktoren beteiligt sind (etwa genetische Veranlagung, Stress, negative und/oder traumatische Erlebnisse, Veränderungen im Haushalt der Nervenbotenstoffe wie Dopamin und Serotonin).

Ebenfalls zu den endogenen Psychosen zählen affektive Psychosen. Das sind affektive Störungen (= psychische Störungen mit krankhaften Veränderungen der Stimmung: Manie, Depression, bipolare Störung) in Verbindung mit psychotischen Symptomen, die nicht die Kriterien einer Schizophrenie erfüllen.

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Andere Psychosen

Eine schizo-affektive Psychose äußert sich in episodischen Störungen, bei denen gleichzeitig oder nacheinander in der gleichen Krankheitsepisode Symptome einer Schizophrenie und einer affektiven Störung (wie Manie oder Depression) auftreten. Die Ursache dieser Form von Psychose wird ebenfalls in einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren (wie genetischer Veranlagung, sozialen Faktoren) gesehen.

Auch bei einer paranoiden Psychose wird ein Zusammenwirken von mehreren Faktoren wie Vererbung und Umwelteinflüssen als Ursache vermutet.

Eine postpartale Psychose (Wochenbettpsychose) tritt in den ersten Wochen nach der Geburt auf und dauert wenige Tage bis mehrere Monate an. Symptome sind etwa Erregung, Verwirrung, Stimmungsschwankungen, Euphorie, Depressionen, Halluzinationen, Wahnvorstellungen und eventuell Gewalttätigkeiten (daher ist konstante Überwachung sehr wichtig). Forscher vermuten, dass der extreme Schlafentzug der frisch gebackenen Mutter das Ausbrechen der Erkrankung begünstigt, neben wahrscheinlichen hormonellen und vielen weiteren Faktoren. Eine postpartale Psychose bedarf umgehend ärztlicher Behandlung, da der Realitätsverlust der Mutter sowohl diese selbst als auch das Kind potenziell gefährden.

Symptome von Wahnvorstellungen

Bei Wahn handelt es sich um eine Fehlbeurteilung der Realität. Häufig treten Wahnvorstellungen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Manie auf. Es gibt unterschiedliche Arten von Wahnthemen wie den Beziehungswahn oder Eifersuchtswahn. Die Übergänge zwischen normalen Vorstellungen und krankhaften Wahnvorstellungen sind meist fließend. Entscheidend ist die subjektive Gewissheit der Patient:in über die Wahninhalte.

Wahnvorstellungen beginnen mit einer Wahnstimmung, also dem unbestimmten Gefühl, dass irgendetwas vor sich geht. Nach und nach tritt die Wahngewissheit ein - einzelne Wahnerlebnisse (z. B. Auto, das vor der Tür steht; Mann, der einen seltsam angesehen hat) werden verknüpft, manchmal zu zusammenhängenden Wahnsystemen, in die auch andere Personen einbezogen werden.

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Arten des Wahns

Man unterscheidet folgende Wahnthemen:

Arten des Wahns Symptome Vorkommen
Beeinträchtigungswahn Ständige Benachteiligung und Ungerechtigkeiten werden wahrgenommen Besonders bei älteren Menschen (ab dem 6. / 7. Lebensjahrzehnt)
Beziehungswahn Erkrankte:r hat das Gefühl, alles um ihnherum geschieht seinetwegen und um ihm ein Zeichen zu geben; Gefühl, dass andere über einen spotten und lachen Häufigstes Thema bei wahnhafter Störung und oft bei beginnender Schizophrenie
Dermatozoenwahn Überzeugung, dass kleine Tierchen, Würmer oder Parasiten den Körper befallen haben, verbunden mit Halluzinationen des Spürsinns (Krabbeln auf oder unter der Haut) Vorwiegend bei älteren Frauen, öfters im Zusammenhang mit Demenz; tritt vor allem bei organisch psychischen Störungen auf
Doppelgängerwahn Erkrankte:r ist überzeugt, dass eine Bezugsperson eine Doppelgänger:in hat oder die eigene Person durch eine Doppelgänger:in verdrängt wird Kann unter anderem bei Schizophrenie, Demenz auftreten
Dysmorphophobie Wahnhafte Idee, dass man von anderen, aufgrund von tatsächlichen oder eingebildeten Missbildungen des Körpers, abschätzig beurteilt wird Gelegentlich bei beginnender Schizophrenie
Eifersuchtswahn Betroffene Person ist unkorrigierbar von der Untreue der Partner:in überzeugt Bei wahnhafter Störung, Alkoholismus, Schizophrenie; bei Männern häufiger als bei Frauen
Eigengeruchsparanoia Eingebildete Wahrnehmung eines unangenehmen eigenen Körpergeruchs Z. B. als Symptom von schizophrenen Störungen
Größenwahn Eigene Person, Fähigkeiten und Bedeutung werden maßlos überschätzt Bei Schizophrenie, Manie, organischen psychischen Störungen
Hypochondrischer Wahn Krankheitswahn; umfasst unter anderem Eigengeruchsparanoia, Dysmorphophobie, Dermatozoenwahn Unter anderem bei Schizophrenie, Demenz
Kleinheitswahn Gegenstück zum Größenwahn - Betroffene zweifeln ihre Fähigkeiten, manchmal sogar ihre Existenz an; Gefühl der Ohnmacht Unter anderem in Verbindung mit Depressionen
Liebeswahn Wahnhafte Idee, von einer bestimmten Person geliebt zu werden Oft bei wahnhafter Störung, bei Frauen häufiger als bei Männern
Querulantenwahn Wahnhafte Überzeugung, ständig Rechtskränkungen zu erleiden. Auslöser sind tatsächliche oder eingebildete Ungerechtigkeiten, Persönlichkeit meist starrsinnig und rechthaberisch (paranoide Persönlichkeitsstörung)
Schuldwahn Überzeugung, dass man schuld an einem Verbrechen oder einer sonstigen Verfehlung ist Unter anderem in Verbindung mit Depressionen
Verarmungswahn Wahnhafte Idee, vor dem finanziellen Ruin zu stehen Unter anderem in Verbindung mit Depressionen
Verfolgungswahn Erkrankte:r hat das Gefühl, bedroht und verfolgt zu werden bzw., dass ein Komplott (gegen ihn) geschmiedet wird Besonders häufig bei Schizophrenie

Behandlung von Wahnvorstellungen bei Depression

Die Behandlung eines Wahns kann mittels Psychotherapie oder Medikamenten erfolgen.

  • Medikamente: Bei der Behandlung einer Depression können auch andere Medikamente als Antidepressiva zum Einsatz kommen. Auch Benzodiazepine oder Antipsychotika können zur Anwendung kommen. Zum Beispiel zur Beruhigung oder bei einer Psychose im Rahmen einer Depression. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt klärt Sie über die Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie Nutzen und Risiko der Medikamente auf.
  • Psychotherapie: Es gibt unterschiedliche Methoden der Psychotherapie. Eine Psychotherapie kann einzeln, in der Gruppe oder auch als Paartherapie erfolgen.

Es ist wichtig, dass die Betroffen:e versucht, durch den Wahn vernachlässigte Aufgaben (z. B. die Ausbildung) wieder aufzugreifen und auch die sozialen Kontakte wieder stärker zu pflegen, wenn das durch den Wahn nicht möglich war.

Weitere Therapieansätze

  • Elektrokonvulsionstherapie (EKT): Bei der Elektrokonvulsionstherapie, kurz EKT oder auch Elektrokrampftherapie genannt, erfolgt in einer Kurznarkose eine Verabreichung von Stromimpulsen über Elektroden an der Kopfhaut. Dies führt zu einem Krampfanfall. Eine Therapieserie besteht aus ca. acht bis zwölf Einzelbehandlungen. Diese werden meist zwei- bis dreimal pro Woche durchgeführt. Die EKT kann für einige Wochen das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigen.
  • Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS): Bei der repetitiven Transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) wird eine Spule an die Kopfhaut angelegt. Diese erzeugt elektromagnetische Impulse, die wiederholt verabreicht werden. Dafür ist keine Betäubung bzw. Narkose notwendig. Ein Behandlungszyklus umfasst fünf Sitzungen pro Woche, die 20 bis 30 Minuten dauern. Die Behandlung erfolgt über drei bis sechs Wochen. In seltenen Fällen kann es zu einem Krampfanfall kommen.
  • Bewegungstherapie und sporttherapeutische Maßnahmen: Neben Bewegungstherapie hat sich vor allem Sport in der Gruppe als sporttherapeutische Maßnahme bewährt.
  • Musiktherapie: Bei der Musiktherapie kommen musikalische Mittel zum Einsatz.
  • Lichttherapie: Bei Depressionen, die einen Zusammenhang mit den Jahreszeiten zeigen, empfehlen Fachleute mitunter Lichttherapie. Diese hat das Ziel, den Spiegel der Hormone Serotonin und Melatonin zu regulieren. Am häufigsten kommt bei der Lichttherapie ein Licht von hoher Lichtstärke zum Einsatz. Fachleute raten zu einer Lichtstärke von ca. 10.000 Lux. Für die Lichttherapie gibt es zum Beispiel sogenannte Tageslichtlampen, aber auch etwa Lichtmasken oder Lichtbrillen. Die Häufigkeit und Dauer der Lichttherapie hängen vom jeweiligen Gerät ab. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt berät Sie, wie Sie zu einem hochwertigen Gerät kommen und was bei der Anwendung zu beachten ist.
  • Schlafentzugstherapie: Diese findet in einem Krankenhaus auf einer Station oder in einer spezialisierten Ambulanz statt. Dabei kommt es zu einem Schlafentzug über die ganze Nacht oder in der zweiten Nachthälfte.

Wichtige Hinweise

  • Hilfe suchen: Es kann schwer sein, sich zu überwinden, Hilfe zu suchen.
  • Den Tag planen: Ein strukturierter Tagesablauf unterstützt im Alltag. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt bzw.
  • Auch für Angehörige: Auch für Angehörige kann es sehr schwer sein, wenn ein nahestehender Mensch an einer Depression erkrankt. Depressionen eines Elternteils können etwa Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern haben. Es kann z.B. zu einer verlangsamten Entwicklung, Verhaltensauffälligkeiten oder Problemen in der Schule kommen.

Vergessen Sie nicht: Eine Depression kann behandelt werden und es gibt effektive Behandlungsmöglichkeiten.

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