Ein inklusiver Kindergarten, der Kinder mit Autismus betreut, benötigt klare Strukturen und eine Umgebung mit reduzierten Sinnesreizen. Diese Anpassungen helfen den Kindern, sich im Gruppenleben zurechtzufinden und ihre individuelle Form der Freiheit auszuleben.
Klare Strukturen und Abläufe
Kinder im Autismus-Spektrum profitieren von klaren Abläufen und Strukturen im Tagesablauf. Diese Einschränkungen sind hilfreich, um sich im Gruppenleben besser zu orientieren. Mit einfachen Tagesplänen und Symbolen können sich die Kinder orientieren und vorwärtsbewegen. Symbole zeigen beispielsweise, wann Zeit zum Spielen ist. Die Kinder können auch mit einem Kärtchen anzeigen, dass sie zur Toilette müssen. Am WC erinnert ein Bildkärtchen daran, dass danach Händewaschen an der Reihe ist.
Erste Erfolge und Kommunikation
Erste Erfolge werden bei den Kindern sichtbar, wenn sie von sich aus auf die Betreuer zukommen, wenn sie etwas brauchen. Teile der Kommunikation laufen über Gegenstände, Symbole und Fotos. Moritz bringt Claudia ein Kärtchen, auf dem etwas zu essen abgebildet ist, um seinen Hunger auszudrücken. Für ihn ist das ein Erfolg. Diese Herangehensweise ist eine „andere Sichtweise auf die Kinder“, meint Claudia Narovnigg, Leiterin des Kindergartens für Dich und Mich und der Krabbelstube Nido der Diakonie in Linz.
„Das hat den Vorteil, dass sich auch Kinder aus anderen Gruppen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, schneller einleben.“
Reizreduzierte Umgebung
Ein Raum für diese Gruppe kann sehr reizreduziert gestaltet werden. Bereiche wie die Bauecke und die Puppenecke sind klar abgegrenzt, und Spielwaren werden in Boxen verstaut, die mit Symbolen gekennzeichnet sind. Ähnliche Verhaltensweisen erleichtern das Eingewöhnen in eine Gruppe. Nach einem halben Jahr findet sich Moritz in der Gruppe schon gut zurecht.
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Von einem Raum mit weniger Reizen profitieren in unserer Zeit der Reizüberflutung alle Kinder.
Um Kinder mit ASS vor einem „Overload“ zu schützen brauchen sie im Tagesablauf schon im Vorfeld häufiger Pausen als andere Kinder. Für diese sogenannten „Autismuspausen“ sollte ein reizarmer Raum zu Verfügung stehen. Bitte nicht warten bis das Kind total überlastet und schon in Rage ist.
Das TEACCH-Konzept
In der Autismus-Spektrum-Pilotprojektgruppe wird nach „TEACCH“, einem pädagogisch-therapeutischen Ansatz gearbeitet. „Treatment and Education of Autistic and other Communication handicapped Children“ bedeutet „Behandlung und pädagogische Förderung autistischer und in ähnlicher Weise kommunikationsbeeinträchtigter Kinder“.
Pionierarbeit und Inklusion
„Ziel dieses Pilotprojekts ist, als Diakonie Anlaufstelle zum Thema Autismus für andere Kindergärten zu sein“, meint Claudia Narovnigg. Die Kinder sollen im Idealfall fit für ein Miteinander in einer Integrationsgruppe des Kindergartens werden. „Im Garten haben sie sich schon beim Spielen kennen gelernt“, erzählt sie. Geplant ist, im Laufe des Jahres 2022 eine Integrationsgruppe als Erweiterung des Pilotprojekts für junge Autistinnen und Autisten zu öffnen. Der Übergang in die Integrationsgruppe mit elf gesunden Kindern sei für die Pädagoginnen, für die elf Kinder und für die vier Kinder mit Autismus eine Herausforderung.
Die Kinder sollen im Idealfall fit für ein Miteinander in einer Integrationsgruppe des Kindergartens werden.
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Herausforderungen und Unterstützung
Gleichzeitig zeigen Erfahrungen, dass die Betreuung von Kindern im Autismus-Spektrum selbst für erfahrene Pädagoginnen eine Herausforderung darstellt. Sie seien nicht von vornherein Expertinnen für den Umgang mit Kindern mit den unterschiedlichsten Ausprägungen und Formen von Autismus. Die Arbeit im Pilotprojekt ist zeitintensiv für die Pädagog:innen. Dazu gehören die Vorbereitung des Raumes und der Gruppenstunden, das Beobachten und Dokumentieren der Fortschritte der Kinder, gemeinsames Reflektieren und Weiterentwickeln des Projekts.
„Es ist sinnvoll, dass es eine Fortbildung für alle Kindergartenpädagog:innen im Umgang mit Kindern im Autismus-Spektrum gibt“, meint Narovnigg. Eine Zusammenarbeit mit der Autistenhilfe Wien und mit dem Land Oberösterreich mache das möglich. „Unsere Gruppe soll eine Modellgruppe sein“, sagt sie: „Wir sehen uns als Multiplikatorinnen, die Pionierarbeit leisten und Platz für Praktikantinnen bieten.“
Die Rolle der Eltern
Eltern können einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie ihren Familienalltag so gut als möglich mindestens einige Monate zuvor an den Tagesrhythmus der Institution anpassen. Damit sind die Einschlaf- und Aufstehzeiten, die Jausen- und Essenszeiten, übliche Klozeiten und ähnliches gemeint. Das Essen einer gesunden Mahlzeit und das Benützen der Toilette in den Institutionen sollte schon vor Eintritt angebahnt werden. Das Verwenden von Strukturierungshilfen, die das Kind auch verstehen kann, kann ebenso schon zu Hause eingeführt werden. Gewöhnen Sie Ihr Kind so früh als möglich an eine Schulkleidung und Hauspatschen (Desensibilisierung). Üben Sie mit Ihrem Kind das Gehen an der Hand, auch wenn es im Familienalltag als nicht notwendig erscheint. Das Einüben der Alltagsroutinen (z.B. Hände waschen, Umziehen) sollte im Sinne der Methodengleichheit gut abgesprochen werden. Haben sie eine vertrauensvolle Basis zu den Betreuern aufgebaut, trauen Sie sich auch unangenehme Dinge anzusprechen. Holen Sie sich Hilfe!
Basis ist eine gute Beziehung zum Kind. Das Kind muss vertrauen können. Kinder mit ASS brauchen Vorhersehbarkeit, lieben gleichbleibende Abläufe und Rituale. Deshalb ist ein klar strukturiertes Umfeld und ein oft bis ins kleinste Detail geplanter Tagesablauf sehr hilfreich für das Kind. Rituale können dabei richtige Stresskiller sein.
Kinder mit ASS brauchen viel Lob und Motivation - viel mehr als andere Kinder. Vor allem brauchen sie die positive Rückmeldung, wenn sie etwas richtig gemacht haben. Kinder mit ASS sind hervorragende Regellerner. Kinder mit ASS wünschen und brauchen den sozialen Kontakt zu Gleichaltrigen, wissen aber meist nicht wie das gehen soll. Kinder mit ASS sind ehrliche Kinder.
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Wichtige Aspekte im Umgang
- Frühzeitige Diagnose und Förderung: Je früher mit der Förderung begonnen wird, desto besser können sich die Kinder entwickeln.
- Klare Kommunikation: Nonverbale Kommunikation mit Bildern kann Sicherheit geben.
- Individuelle Bedürfnisse: Rückzugsmöglichkeiten und das Akzeptieren von Besonderheiten sind wichtig.
- Professionelle Unterstützung: Fachkräfte und Therapeuten können wertvolle Hilfe leisten.
- Vertrauen und Akzeptanz: Kinder haben das Recht, so angenommen zu werden, wie sie sind.
Zusätzliche Hilfestellungen
Der Verein ChronischKrank® bietet Unterstützung in der Behördenkommunikation und vermittelt in vielen Angelegenheiten kostenlose Rechtsanwälte - zum Beispiel bei Pflegegeld-Klagen, der Ablehnung von Therapien durch Krankenkassen u.v.m. Bis zum 18. Lebensjahr. Eine digitale Landkarte ermöglicht die Suche nach Spielplätzen mit speziellen Eigenschaften in den Bezirken Neubau und Josefstadt! So können z.B. Angebote mit haptischen, optischen oder akustischen Erfahrungen gefunden werden.
Fallbeispiel Jakub
Jakub erhielt die Diagnose Autismus im Alter von 19 Monaten. Seit 1,5 Jahren besucht er den heilpädagogischen „Kindergarten für dich und mich“ des Diakonie Zentrum Spattstraße. Seine Mutter Emira berichtet von einer Riesenveränderung: Jakub ist ausgeglichener, und vieles ist im Alltag unkomplizierter geworden.
Emira bindet in die nonverbale Kommunikation mit ihrem Sohn auch immer wieder Bilder ein. Wird die Wohnung verlassen und es steht beispielsweise eine Autofahrt an, dann bekommt Jakub vorher ein Bild mit einem Auto, damit er sich darauf einstellen kann, was als nächstes kommt. Geht die Mutter mit ihrem Sohn zum Spielen in den Hof, dann gibt es im Vorfeld das Foto vom Hof für Jakub. Und wenn sie die Tante besuchen, dann kommt ein Bild von Emiras Schwester zum Einsatz. Die Bilder geben Jakub Sicherheit, so kann er erkennen, was als nächstes auf ihn zukommt.
Wenn Jakub vom Kindergarten heim kommt, dann braucht er erst einmal eine Zeit lang, um sich in seinem Zimmer zurück zu ziehen. Im Kinderzimmer gibt es Möglichkeiten, sich auszutoben. Seinen Bewegungsdrang kann er auf seiner Kletterwand ausleben. Jakubs Lieblingsspielzeug sind Magnetzüge. Damit kann er sich lange Zeit beschäftigen.
Förderung und Entwicklung
Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung brauchen fixe Abläufe und Regeln, um sich zurechtzufinden. Durch die andere Wahrnehmung der Umwelt erscheint ihnen die Welt chaotisch und nur schwer vorhersehbar. Generell lernen Kinder leichter, wenn sie für positives Verhalten belohnt werden, anstatt dass sie für negatives Verhalten bestraft werden. Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung brauchen eventuell etwas länger als andere Kinder, wenn sie neue Dinge lernen. Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung haben Schwierigkeiten, die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen zu verstehen und einzuschätzen. Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung sehen die Welt mit anderen Augen und nehmen ihre Umwelt anders wahr.
Anzeichen und Diagnose
Typische erste Anzeichen einer ASS können innerhalb des ersten Lebensjahres noch nicht eindeutig genug festgestellt werden. Das Asperger-Syndrom wird im Allgemeinen erst deutlich nach dem Kleinkinderalter diagnostiziert. Ein möglichst früher Eingriff kann dabei helfen, das Ausmaß der Beeinträchtigungen, die mit Autismus verbunden sein können, zu reduzieren.
Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass autistische Kinder subtile soziale Hinweise - z.B. gar nicht bemerken. Gerade diese Hinweise wären hilfreich, um soziale Beziehungen und Interaktionen zu verstehen. Für solche Kinder bedeutet z. B. warten?" immer dasselbe. Unabhängig davon, ob der Sprecher Witze macht, eine wirkliche Frage stellt oder es sich um eine nachdrückliche Bitte handelt. Gesten, Gesichtsausdrücke und andere nonverbale Kommunikation einer Person zu interpretieren, können Kinder mit einer ASS nicht angemessen antworten.
Tabelle: Wichtige Aspekte im Umgang mit Autismus im Kindergarten
Aspekt | Beschreibung |
---|---|
Klare Strukturen | Feste Tagesabläufe und Regeln geben Sicherheit. |
Reizreduktion | Weniger Sinnesreize verhindern Überforderung. |
Kommunikation | Bilder und Symbole unterstützen das Verständnis. |
TEACCH-Konzept | Pädagogisch-therapeutischer Ansatz zur Förderung. |
Elternarbeit | Einbindung der Eltern in den Tagesrhythmus. |
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