Sportarten gegen Depressionen: Eine umfassende Liste

Depressionen sind in Österreich weit verbreitet. Laut Zahlen der Medizinischen Universität Wien sind derzeit rund 12 Prozent aller Österreicher:innen an Depressionen oder depressiven Verstimmungen erkrankt. Zum Glück wird das Thema Depression immer häufiger aus der Tabu-Schublade hervorgeholt. Das hat zur Folge, dass die mentale Gesundheit immer besser untersucht wird - und auch immer mehr Lösungen gefunden werden, um die mentale Gesundheit zu verbessern.

Dass Sport nicht nur das körperliche, sondern auch das psychische Wohlbefinden verbessern kann, ist wissenschaftlich vielfach belegt. Eine großangelegte Studie deutet nun aber sogar darauf hin, dass Sport bei Depressionen eine ähnliche Wirkung wie Medikamente und Psychotherapie haben kann.

Die "State of Mind"-Studie von Asics

Der Laufsportbekleidungshersteller Asics hat sich im Rahmen einer “State of Mind”-Studie mit dem Thema mentale Gesundheit und Sport beschäftigt. Das Ergebnis: Der Gemütszustand sinkt weiter, das mentale Wohlbefinden liegt auf einer Skala von 100 nur noch bei 60.

Wenn wir unseren Körper bewegen, werden viele Körpersysteme aktiviert, die sich positiv auf unsere psychische Gesundheit auswirken. Regelmäßige Bewegung ist sogar nachweislich mit einem um etwa 15 Prozent geringeren Risiko verbunden, in Zukunft an Depressionen und Angstzuständen zu erkranken. Auch bei Menschen, die bereits an schlechter psychischer Gesundheit leiden, können Bewegung und Sport die Symptome über mehrere Wochen hinweg deutlich verbessern.

Sport und Bewegung zur Förderung der psychischen Gesundheit sind ein risikoarmer und lohnenswerter Ansatz zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens. Jedoch ist bei Menschen, die nicht für eine Veranstaltung oder ein Camp trainieren, Vorsicht geboten, denn man kann auch zu viel Sport betreiben (über 300 Minuten pro Woche gelten als kontraproduktiv). Außerdem ist es wichtig zu beachten, dass Bewegung und Sport zwar die psychische Gesundheit deutlich verbessern, allerdings nicht als “Krücke” dienen dürfen und wenn nötig, auch andere Arten von Hilfe für die psychische Gesundheit (z.B. Psychopharmaka und Psychotherapie) in Anspruch genommen werden sollten.

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Sport als Therapie: Was die Forschung sagt

Die Metaanalyse, die kürzlich im „British Journal of Sports Medicine“ veröffentlicht wurde, ergab nun aber, dass sich die Symptome von Depressionen alleine durch körperliche Aktivität verringern lassen. Das Forschungsteam um Ben Singh von der University of South Australia in Adelaide bezeichnet Sport und Bewegung in der Studie als eine der Hauptstützen in der Behandlung von Depressionen. 97 Übersichtsarbeiten, die 1.039 Studien mit insgesamt 128.119 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einschlossen, wurden für die Analyse herangezogen.

Die Ergebnisse der Studie könnten laut dem Forschungsteam weitreichende Auswirkungen haben: Wenn Sport und Bewegung ebenso wirksam wie Psychotherapie und Medikamente seien, könnten sie ebenso als Mittel erster Wahl für Menschen mit Depressionen und Angstzuständen eingesetzt werden, so die Studienautorinnen und -autoren.

Expertenmeinung

„Therapie mit Sport und Bewegung wird wahrscheinlich nur bei bestimmten Subtypen gut wirken - genauso wie es auch bei Medikamenten ist“, gibt Rupert Lanzenberger, Professor im Fachbereich Klinische Neurowissenschaften an der MedUni Wien, zu bedenken. Denn Depression sei eine sehr heterogene Erkrankung: „Es gibt verschiedene Subtypen oder - biologisch betrachtet - sogar unterschiedliche Erkrankungen. Auch der Schweregrad ist sehr unterschiedlich, und altersgruppenspezifische Typen spielen auch eine große Rolle.“

Bei vielen verschiedenen Formen von Depression sei Psychotherapie „wahrscheinlich ausreichend“, so Lanzenberger im Interview mit science.ORF.at. Klassische Antidepressiva wirken bei etwa einem Drittel der Fälle „ganz gut“. Oft brauche es aber eine Kombination der Therapien. Welche Therapie anzustreben sei, könne im Einzelfall nur der behandelnde Psychiater beurteilen. Abhängig von der Depressionsform beginne man aber normalerweise „nicht gleich mit den schwersten Geschützen“.

Wie Sport den Stoffwechsel beeinflusst

Die Änderung des Lebensstils sei jedenfalls sicher „ein wesentlicher Punkt“, so Lanzenberger. Denn Sport und Bewegung in einem bestimmten Ausmaß verändern den Stoffwechsel - und dadurch sinke die Wahrscheinlichkeit für neuroinflammatorische Prozesse. Diese wiederum spielen bei einem bestimmten Subtyp der Depression eine wesentliche Rolle.

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„Diese Entzündungsfaktoren, die auch direkt im Gehirn ausgeschüttet werden, werden durch Sport teilweise in ihrer Wirksamkeit unterdrückt, verringert, unwahrscheinlicher gemacht.“ Und das könne therapeutisch eingesetzt werden, so der Klinische Neurowissenschaftler: „Bei jenen Subtypen der Depression, bei denen Neuroinflammation eine Rolle spielt, wird Sport wirken.“

Die besten Sportarten gegen Depressionen und Angstzustände

Laut der Metaanalyse aus Australien ist Sport an vier bis fünf Tagen in der Woche optimal. Eine höhere Intensität der Trainingseinheiten war mit einer stärkeren Verringerung der Symptome verbunden. Die Wirkung nahm allerdings mit zunehmender Dauer der einzelnen Einheiten ab. Das könnte daran liegen, dass es für Menschen einfacher ist, kürzere Aktivitäten beizubehalten, vermutet das Forschungsteam.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Alle Formen von Bewegung haben ihren Nutzen, allerdings zeigten sich je nach Sportart unterschiedliche Wirkweisen. So verringerte etwa Krafttraining die Symptome von Depressionen am stärksten, Trainingsformen wie Yoga und Pilates jene von Angstzuständen. Eine Erkenntnis, die medizinischem Fachpersonal dabei helfen könnte, die jeweils ideale Form der körperlichen Aktivität vorzuschlagen, so das Forschungsteam.

Grundsätzlich sind fast alle Sportarten hilfreich, um das innere Gleichgewicht wiederherzustellen. Eine britische Metastudie hat allerdings drei Sportarten erkannt, die besonders wirksam sind:

1. Yoga

„Ich empfehle Yoga für Menschen mit Depressionen und Angstgefühlen, da es leicht zugänglich ist“, so Jewell Singletary, zertifizierte Ersthelferin für psychische Gesundheit und ausgebildete Trainerin für traumasensibles Yoga. Eine Studie aus dem Jahr 2019, die im Journal of Alternative and Complementary Medicine veröffentlicht wurde, zeigt außerdem, dass Frauen, die acht Wochen lang Bikram Yoga (auch bekannt als Hot Yoga) praktizierten, eine Verbesserung ihrer Depressionssymptome feststellen konnten. Die Frauen, die am häufigsten am Yogatraining teilnahmen, berichteten von deutlich schwächeren Depressionssymptomen.

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Es gibt viele verschiedene Arten von Yoga, darunter Bikram Yoga, Hatha Yoga, Vinyasa Yoga und Yin Yoga, und auch Mischformen, zum Beispiel Goat Yoga (Yoga mit Ziegen) oder Paddleboard Yoga.

2. Laufen

Das Laufen hat unmittelbare und langfristige positive Auswirkungen auf die Stimmung. Aus einer Studie, die im November 2021 in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschien, geht hervor, dass bereits zehn Minuten Laufen mit moderater Intensität ausreichen, um die Stimmung zu verbessern. Gleichzeitig können längere oder intensive Läufe das Endocannabinoid-System, einen Teil des menschlichen Nervensystems, stimulieren. Der Körper erhält dann einen wahren Boost an neurochemischen Substanzen, die ein zutiefst entspannendes Glücksgefühl hervorrufen, so eine 2015 in Frontiers in Psychology veröffentlichte Studie.

Aus den Forschungsergebnissen geht ferner hervor, dass die stimmungsaufhellende Wirkung umso besser ist, je regelmäßiger du läufst. Dranbleiben macht sich also bemerkbar. Laufen ist nicht so dein Ding? Dann bieten sich auch andere Sportarten und Ausdauertrainings wie Walking, Trail Running, Wandern, Rudern, Radfahren, Schwimmen oder auch Kickboxen an. Probier's einfach mal aus.

3. Krafttraining

Gewichtheben ist nicht nur förderlich für den Muskelaufbau, sondern kann auch deine mentale Gesundheit stärken. Gewichtheben wurde noch nicht so ausführlich erforscht wie Cardio-Training oder Yoga, aber die stimmungsaufhellenden Mechanismen könnten wohl ähnlich sein. In einer klinischen Studie aus The Journal of Consulting and Clinical Psychology wurde Gewichtheben sogar mit Laufen verglichen und festgestellt, dass beide die Symptome von Depressionen bei betroffenen Frauen gleichermaßen abschwächten.

Probier einfach verschiedene Arten des Krafttrainings aus, um das zu finden, das dir am meisten Spaß macht. Das Gute daran ist, dass du weder ständig Marathons laufen und auch nicht unter die extremen Bodybuilder:innen gehen musst, um die Vorteile von Sport und körperlicher Betätigung für die psychische Gesundheit zu erleben. Tatsächlich können laut einer Studie aus dem Fachblatt JAMA Psychiatry schon eine Stunde Walking oder 15 Minuten Laufen am Tag das Risiko einer schweren Depression um 26 % senken. Wenn du dich regelmäßig jeden Tag bewegst, kannst du möglicherweise sogar einen Rückfall verhindern, schreiben die Autor:innen weiter.

Weitere geeignete Sportarten

  • Sport in der Gruppe (z.B. gemeinsames Turnen im Park, Pilates, Tennis oder Yoga)
  • Nordic Walking
  • Wandern

Warum Sport gute Laune macht

Sport ist aus vielen Gründen ein Stimmungs-Booster und hilft, Angstzustände zu lindern. Einer der meistgenannten Vorteile von Sport ist, dass er die körpereigenen chemischen Substanzen für das Wohlbefinden - Endorphine, Serotonin, Dopamin und Noradrenalin - erhöht. Wenn der Körper von diesen Glückshormonen durchflutet wird, können Angst- und Stressgefühle deutlich reduziert werden.

Bewegung regt auch die Freisetzung des Wachstumsfaktors BDNF an (Brain-Derived Neurotrophic Factor, deutsch etwa: Vom Gehirn stammender neurotropher Faktor). Dabei handelt es sich um ein Protein, das eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung gesunder Gehirnverbindungen spielt, wie aus einer 2017 in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlichten Studie hervorgeht.

Natürlich sollte man auch die sozialen Aspekte des Sports und die damit einhergehenden positiven Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit nicht außer Acht lassen. "Sport kann Menschen einander näher bringen, ihnen mehr Selbstvertrauen bei sozialen Interaktionen geben und Angstgefühle in einer Vielzahl von Situationen verringern", so Spielberg.

Wichtige Hinweise

1. Sport ist etwas Individuelles

Die Wissenschaft mag die Vorteile einer bestimmten Sportart untermauern, doch letztendlich ist es von Mensch zu Mensch verschieden, welche Art der körperlichen Betätigung sich im individuellen Fall am besten eignet. Das hängt von deiner Persönlichkeit und deinen Bedürfnissen und Anforderungen ab. Wenn die Aktivität/Sportart, das Umfeld oder auch die Intensität nicht zu dir passen, kann ein Training sogar zu Frustration und Selbstzweifeln führen, fügt sie hinzu. Negative Gefühle wie diese können dann Depressionen und Angstzustände noch verstärken. Such dir also eine körperliche Betätigung aus, bei der du dich wohlfühlst. "Wenn du etwas gefunden hast, das dir Spaß macht, wirkt sich das in der Regel sofort positiv auf deine psychische Gesundheit aus", so Manly.

2. Sport ist kein Allheilmittel

Regelmäßige Bewegung kann dir einen kurzfristigen Stimmungs-Boost verschaffen und deine Symptome lindern. Die Ursachen für Depressionen und Angstgefühle, wie z. B. dysfunktionale Beziehungen, Drogenmissbrauch oder Panikstörungen, werden dadurch jedoch nicht beseitigt. Möglicherweise solltest du körperliche Bewegung mit Antidepressiva, kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) und/oder Methoden zur Stressbewältigung, beispielsweise Meditation, kombinieren. Lass dich eventuell von einer Psychologin/einem Psychologen oder einer ausgebildeten Verhaltensmedizinerin/einem ausgebildeten Verhaltensmediziner beraten, um den für dich geeigneten Behandlungsplan aufzustellen.

Motivation und Antriebshemmung

„Das Problem ist oft die Motivation“, sagt Lanzenberger. Verschiedene Formen der Depression seien mit Anhedonie verbunden, der Unfähigkeit, Freude und Lust zu empfinden. „Normalerweise und von den meisten Menschen kann Sport als belohnend erlebt werden, und dann macht man natürlich sehr gerne Sport. Wenn Belohnungsreize aber nicht mehr entsprechend wahrgenommen werden können, dann ist die Motivation, hinauszugehen und Sport zu betreiben, deutlich reduziert.“

Ein großes Problem sei zudem die Antriebshemmung: „Viele Patientinnen und Patienten können Sport- und Bewegungstherapie nicht so wirklich annehmen - vor allem, wenn sie wirklich antriebsarm sind. Das gilt nicht nur für Sport, sondern für alle Tätigkeiten, die man vielleicht machen sollte.“

Bei schweren Formen der Depression reiche daher sicher nicht der Tipp: „Machen Sie bitte Sport!“ Erst müsse eine Grundlage geschaffen werden, um die Antriebshemmung deutlich zu reduzieren. Gerade deshalb sei bei schweren Fällen eine Kombinationstherapie empfehlenswert, so der Psychiater: Psychotherapie, pharmakologische Therapie und zusätzlich andere Maßnahmen wie Sport und Veränderungen in der Ernährung. „Sport verändert die Verdauung, Sport verändert auch das Mikrobiom. Die Zusammenhänge sind sehr vielfältig.“

Gerade die Frage, ob Sport auch bei schweren Depressionen wirkt, hat sich als Schwachstelle der Metaanalyse herausgestellt. Diese Frage konnte das australische Forschungsteam nicht beantworten, denn die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der herangezogenen Studien litten unter leichten bis mittelschweren Depressionen. Patientinnen und Patienten mit schweren Depressionen fanden sich kaum - was auch auf die Motivation, an einer Studie teilzunehmen, zurückzuführen sein könnte.

Bewegung für Teenager

Dass Teenager besonders stark von einem sportlichen Lebensstil profitieren, belegt eine schwedische Studie. "Die Jahre der Pubertät sind eine kritische Periode in der Entwicklung, denn zu diesem Zeitpunkt entwickeln sich höhere Gehirnfunktionen, sowie die sozialen und emotionalen Fähigkeiten", sagt Studienautorin Maria Åberg von der Sahlgrenska Academy in Göteborg. Eine Untersuchung an einer Million junger Männer hat gezeigt, dass Fitness in diesem Alter das Risiko von Depressionen im Erwachsenenalter verringert.

Wie viel Sport ist nötig?

150 Minuten pro Woche sollen gesunde Erwachsene sich in moderater oder 75 Minuten mit hoher Intensität bewegen, empfiehlt die WHO. Daran kann man sich auch bei der Behandlung einer depressiven Störung oder von depressiven Symptomen orientieren, so die Autoren des im Magazin Praxis erschienenen Fachartikels «Freude durch Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen».

„Entscheidend ist, dass eine Sport- und Bewegungsform gefunden wird, bei der die Betroffenen Freude erleben und die sie mit Spaß und vor allem regelmäßig und langfristig umsetzen“, sagt Sportpsychologe Kleinert. Dabei können eine Gruppe und feste Zeiten helfen.

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