Depressionen gehören in den Industrieländern zu den häufigsten Erkrankungen und gehen mit großem persönlichem Leidensdruck für die Betroffenen und ihre Angehörigen sowie mit einem erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden aufgrund hoher Behandlungskosten einher. Sie sind in der Regel gut behandelbar; unbehandelt führt ein chronischer Verlauf in der Regel jedoch häufig (unter anderem durch suizidale Krisen) zu einem erhöhten Mortalitätsrisiko.
Vor 50 Jahren kam mit „Pong“ das erste kommerziell erfolgreiche Videospiel auf den Markt. Doch egal, ob es sich um ein simples Handyspiel für zwischendurch oder um ein aufwendig produziertes Blockbuster-Spiel handelt, dessen Herstellung 500 Millionen Dollar gekostet hat, digitale Spiele sind aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. 5,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher spielten im Jahr 2021 Computer-, Videospiele oder Mobile Games. Das entspricht rund 60 Prozent der Bevölkerung, wie aus einer Studie des Österreichischen Verbands für Unterhaltungssoftware (ÖVUS) hervorgeht.
Allerdings: Der Ruf der digitalen Spiele könnte diverser nicht sein. Auf der einen Seite gelten sie vielen als lieb gewonnenes Hobby, auf der anderen Seite bergen sie Suchtpotenzial. Auf der dritten Seite kommt die Wissenschaft ins Spiel - und mit ihr ein Weg, Personen mit Traumata und psychischen Erkrankungen Linderung zu verschaffen.
Die Rolle von Spielen in der Therapie
Spiele können auf verschiedene Weise in der Therapie eingesetzt werden, um unterschiedliche Ziele zu erreichen.
Brettspiele und Kartenspiele
Es gibt eine Vielzahl von Brett- und Kartenspielen, die speziell für die therapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entwickelt wurden. Diese Spiele können helfen, Emotionen zu erkennen, zu benennen und zu differenzieren, Konflikte zu lösen, soziale Kompetenzen zu verbessern und Ressourcen zu aktivieren.
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- Das-tut-mir-gut-Spiel: Ermöglicht Kindern und Jugendlichen aus psychosozial belasteten Familien, ihre Lebenssituation zu erkennen, zu reflektieren und zu bewältigen.
- Land-der-Gefühle-Spiel: Hilft jüngeren Kindern, Gefühle zu benennen und über Auslöser und Ausdrücke von Gefühlen zu sprechen.
- Mobben-Stoppen-Spiel: Vermittelt Wissen über Mobbing, dessen Wirkung und hilfreiches Schutzverhalten.
- Okay-und-Hey-Stopp!-Spiel: Unterstützt Kinder darin, Situationen zu reflektieren und Grenzen zu setzen.
- Reise zu den Mutmach-Inseln: Hilft Kindern und Jugendlichen, unerwartete Lebensereignisse und persönliche Herausforderungen zu beurteilen und entsprechend zu handeln.
Videospiele und E-Mental Health
Das Internet hat sich neben verschiedenen - auch klinisch relevanten - Risiken mittlerweile als ein wichtiges Instrument in Prävention, Selbsthilfe, Beratung und sogar Therapie psychischer Erkrankungen etabliert. Eine derartige Verwendung des Internets im Kontext psychischer und psychosomatischer Erkrankungen wird unter dem Begriff E‑Mental Health zusammengefasst.
Da evidenzbasierte Therapieverfahren wie Psychotherapie und Psychopharmaka nach wie vor nicht optimal von der Mehrzahl der depressiven Patient_innen in der Bevölkerung genutzt werden, wurden mittlerweile insbesondere für Depressionen und auch Angststörungen zahlreiche Online-Anwendungen zur Behandlung entwickelt und erfolgreich evaluiert.
2020 kamen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Oxford zu dem Ergebnis, dass bestimmte Videospiele das Wohlbefinden erhöhen und dadurch die psychische Gesundheit der Spielerinnen und Spieler verbessern können. Studienleiter Andrew Przybylski beschreibt dies folgendermaßen: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Videospiele nicht notwendigerweise schlecht für die Gesundheit sind. Tatsächlich kann Videospielen eine Aktivität sein, die sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt. Eine Regulierung von Videospielen könnte den Spielern diese Vorteile vorenthalten.“
Einige Beispiele für Videospiele, die in der Therapie eingesetzt werden können:
- EmoJump: Ein Jump-’n’-Run-Spiel, das die emotionale Kompetenz fördern soll und unterstützend in der Behandlung von Angststörungen, Depression und Trauma eingesetzt wird.
- Alien Game: Soll Aufmerksamkeit, Selbstkontrolle, Arbeitsgedächtnis und Handlungssteuerung fördern und kann bei Aufmerksamkeitsstörungen, Lernstörungen und Störungen im Sozialverhalten eingesetzt werden.
- Hellblade: Senua’s Sacrifice: Demonstriert, wie Betroffene die reale Welt erleben, und kann helfen, Ängste zu erkennen und Rückschlüsse auf Spieler zu ziehen.
- Sea of Solitude: Behandelt die Auswirkungen von Einsamkeit auf die Psyche.
Positive Beispiele für Videospiele
Es gibt auch Videospiele, die nicht spezifisch für die Therapie entwickelt wurden, aber dennoch positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können:
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- A Little to the Left: Ein Rätselspiel, das Ordnung in die Dinge bringt und ein Gefühl der Befriedigung vermittelt.
- Animal Crossing: New Horizons: Eine Lebenssimulation, in der man sich auf einer Insel mit anthropomorphen Tieren einrichtet und Routinen schätzen lernt.
- Journey: Ein stressfreies Abenteuerspiel, das Entspannung fördert und zwischenmenschliche Begegnungen ermöglicht.
- Just Dance: Ein Tanzspiel, das zu regelmäßiger körperlicher Betätigung motiviert.
- Kind Words: Ein Spiel, in dem man nette Worte für andere findet und aufmunternde Briefe erhält.
- Minecraft: Ein Kreativspiel, in dem man Welten erschafft und die Kreativität fördert.
- Monument Valley: Ein Rätselspiel, das mit Geduld und einem geschulten Blick für Details bewältigt werden kann.
- Stardew Valley: Eine Bauernhofsimulation, in der man Routinen schätzen lernt.
- Unpacking: Eine gemütliche Simulation, in der man Kisten ausräumt und ein fast schon meditatives Erlebnis hat.
- Wilmot’s Warehouse: Ein Spiel, in dem man ein ständig wachsendes Warensortiment in einem Warenhaus einsortiert und die eigenen Regeln aufstellt.
Seriöse Spiele (Serious Games)
Serious Games sind Computerspiele, bei denen nicht der Unterhaltungsaspekt, sondern die Lernerfahrung im Mittelpunkt steht. Sie sind nicht zur Vermittlung von Fakten gedacht, sondern dienen darüber hinaus zur praktischen Einübung von Handlungswissen und als Reflexionsmedium. Folglich liegt es auf der Hand, dass seit einigen Jahren verstärkte Bemühungen existieren Serious Games gezielt zur Gesundheitsförderung zu entwickeln, einzusetzen und zu evaluieren.
Ein Beispiel für ein Serious Game ist SPARX, das Jugendlichen mit Anzeichen einer Depression Techniken aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie vermittelt.
Chancen und Risiken
Obwohl Spiele viele Vorteile bieten können, gibt es auch Risiken, die berücksichtigt werden müssen.
Chancen
- Niederschwelliger Zugang zu Problemen
- Förderung der emotionalen Kompetenz
- Unterstützung der Therapie
- Verbesserung der Behandlungsmotivation
- Stabilisierung therapeutischer Erfolge
- Flexibler Einsatz außerhalb der Therapiezeiten
Risiken
- Qualitätsmängel bei Online-Informationen
- Suchtpotenzial
- Aggressive oder brutale Inhalte
- Regelmäßige Misserfolge
E-Mental-Health-Anwendungen
Verschiedene E‑Mental Health Anwendungen für depressive Menschen sind mittlerweile gut erforscht und haben sich großteils als evident erweisen. Angebote für suizidale Menschen werden hingegen kontrovers diskutiert wobei insbesondere sogenannte Suizid-Foren eine Herausforderung darstellen. Im folgenden Beitrag werden die unterschiedlichen Anwendungsbereiche, d. h. Dem Internet kommt mittlerweile eine zentrale Rolle bei der Informationsrecherche zu Gesundheitsthemen zu.
Die meisten internetbasierten Interventionsangebote sind geleitete Selbsthilfeprogramme (d. h. die Selbsthilfeaktivität wird durch - meist sehr wenige - therapeutische Kontakte unterstützt) und basieren auf der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT), daher werden sie auch als computergesteuerte kognitive Verhaltenstherapie (cCBT) bezeichnet. Die Wirksamkeit der cCBT-Therapie bei psychischen Erkrankungen ist gut dokumentiert (Berger 2015). Insbesondere cCBT für Depressionen und Angststörungen ist gut erforscht und hat sich als wirksam erwiesen (Griffiths et al. 2010).
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Im Kern werden kognitiv-behaviorale Techniken vermittelt, um das eigene Stimmungsmanagement zu verbessern. Die eigenen Stimmungen werden über die Zeit aufgezeichnet, wodurch der/dem Nutzer_in meist zuvor unbewusste Muster erkennbar werden. So lernt „Woebot“ im Laufe der Zeit seine/seinen Nutzer_in immer besser kennen, so dass die Interventionen immer passgenauer personalisiert werden können.
Computerspielsucht
Seit 2018 wird Computerspielsucht von der WHO als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. 360.000 Betroffene soll es in Österreich geben. Wobei Haid den Ansatz des kontrollierten Konsums vertritt, da sonst die Rückfallquote extrem hoch sei. „Wenn ich mit meinen Patienten mit Computerspielen arbeite, dann tauche ich gemeinsam mit ihnen in diese Welt ein. Sie erklären mir diese Welten, und ich arbeite mit ihnen das Hilfreiche und das Schädliche heraus. Erst vor wenigen Wochen habe ich mit einem süchtigen jungen Mann seinen Avatar begraben, und vielleicht schafft er es jetzt, ein Stück weit als der, der er ist, in die Welt zu gehen“, erklärt die Psychotherapeutin.
Tabelle: Beispiele für Spiele und ihre potenziellen Anwendungen in der Therapie
| Spiel | Anwendung |
|---|---|
| EmoJump | Förderung der emotionalen Kompetenz, Behandlung von Angststörungen, Depression und Trauma |
| Alien Game | Förderung von Aufmerksamkeit, Selbstkontrolle, Arbeitsgedächtnis und Handlungssteuerung |
| Hellblade: Senua’s Sacrifice | Erkennen von Ängsten und Rückschlüsse auf Spieler ziehen |
| Sea of Solitude | Behandlung der Auswirkungen von Einsamkeit auf die Psyche |
| A Little to the Left | Vermittlung von Ordnung und Befriedigung |
| Animal Crossing: New Horizons | Schätzen von Routinen |
| Journey | Förderung von Entspannung und zwischenmenschlichen Begegnungen |
| Just Dance | Motivation zu regelmäßiger körperlicher Betätigung |
| Kind Words | Förderung von positiver Kommunikation und Unterstützung |
| Minecraft | Förderung der Kreativität |
| Monument Valley | Förderung von Geduld und Detailgenauigkeit |
| Stardew Valley | Schätzen von Routinen |
| Unpacking | Förderung von Entspannung und meditativem Erlebnis |
| Wilmot’s Warehouse | Förderung von Entscheidungsfindung und Regelsetzung |
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