Sigmund Freud und die Geschlechter: Eine Betrachtung der Frauen in der Psychoanalyse

In der Geschichte der Psychoanalyse, die ihren Ursprung in der Wiener Berggasse hat, spielten Frauen eine bedeutende, wenngleich oft übersehene Rolle. Eine Sonderausstellung im Wiener Sigmund Freud Museum mit dem Titel "'Das ist das starke Geschlecht.' Frauen in der Psychoanalyse" widmet sich diesen Frauen und ihren Beiträgen. Die Germanistin Daniela Finzi, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sigmund Freud Museums, ist neben Monika Pessler und Johanna Frei eine der Kuratorinnen.

Die Rolle der Frauen in der frühen Psychoanalyse

Zu Beginn der Psychoanalyse standen vor allem Männer wie Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und Alfred Adler im Vordergrund.

Bei einem Blick auf die Entstehungsgeschichte der Psychoanalyse sieht man, dass neben Freud - den der französische Philosoph Michel Foucault völlig zu Recht als „Diskursbegründer“ bezeichnete - und seinen männlichen Kollegen auch sehr bald eine Riege an Frauen analysierten, forschten und schrieben.

Manche davon waren als Patientinnen mit der Psychoanalyse in Berührung gekommen und wurden nach der Therapie selbst Analytikerinnen. Sie wechselten sozusagen ihre Position von der Couch, auf dem die Therapie stattfindet, auf den Sessel, wo der Therapeut sitzt, womit auch das emanzipatorische Potenzial der Psychoanalyse ersichtlich wird.

Tatsächlich fällt die Entstehung der Psychoanalyse - vor mehr als 100 Jahren - in einen Zeitraum umfassender Modernisierungsbewegungen, wie beispielsweise der Frauenbewegung: Universitäten wurde schrittweise für Frauen zugänglich, sie konnten politische Vereine gründen und erschlossen sich Berufe, die bisher nur Männern zugänglich waren.

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Frauen als Psychoanalytikerinnen: Eine frühe Möglichkeit beruflicher Aktivität

Fanden Frauen als Psychoanalytikerinnen somit früh eine Möglichkeit, beruflich aktiv zu werden, auch wenn sie kein Medizinstudium absolviert hatten? Das Medizinstudium in Österreich war erst ab 1900 für Frauen möglich.

Ein Blick in das Mitgliederverzeichnis der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung überrascht: Die Zahl der Psychoanalytikerinnen war bereits in den 1920er Jahren überdurchschnittlich hoch. Von den sechs porträtierten Frauen verfügten nur zwei - Helene Deutsch und Sabina Spielrein - über ein abgeschlossenes Medizinstudium. Spielrein studierte in der Schweiz, wo das Medizinstudium für Frauen bereits früher möglich war.

Heute überwiegen Frauen im Beruf des Psychoanalytikers. Ein Großteil der heutigen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in Österreich sind Therapeuten ohne Medizinstudium.

Porträtierte Frauen in der Ausstellung

Neben Emma Eckstein werden Sabina Spielrein, Lou Andreas-Salomé, Marie Bonaparte, Helene Deutsch und Anna Freud porträtiert. Sie alle führten für die damaligen Verhältnisse ein unkonventionelles Leben - privat wie beruflich; sie wirkten zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien und leisteten neben ihrer praktischen Arbeit wesentliche psychoanalytisch-theoretische Beiträge. Außerdem waren sie an der weltweiten Verbreitung und Institutionalisierung der Psychoanalyse beteiligt. Andere wichtige Analytikerinnen wie Melanie Klein oder Karen Horney wirkten nicht in Wien, weshalb wir sie nicht in die Ausstellung miteinbezogen.

Beiträge der Frauen zur Psychoanalyse

Sie reichen von der Pädagogik, der Kinderanalyse, Beschäftigung mit Narzissmus, kindlichem Autismus sowie Schizophrenie bis hin zur Auseinandersetzung mit Sexualität, Weiblichkeit und Familie.

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Die Französin Marie Bonaparte, Prinzessin von Griechenland und Dänemark, veröffentlichte beispielsweise vor ihrer Analyse bei Freud unter einem Pseudonym einen Artikel über die anatomischen Gründe der Frigidität von Frauen, wozu sie 200 Frauen interviewte und die Entfernung zwischen Klitoris und Vagina maß. Heute wird sie jedoch vor allem als Fluchthelferin der Familie Freud gewürdigt - ihre wissenschaftlichen Werke blieben in den letzten Jahrzehnten im Hintergrund, obwohl sie in viele Sprachen übersetzt wurden.

Neben Bonaparte interessierten sich auch Helene Deutsch und Lou Andreas-Salomé für Biologie. Sie vertraten eine sehr biologistische Auffassung von Sexualität, worin sie sich von Freud unterschieden, der Sexualität psychisch verortete, vielfältig versteht und bei dem sie über die Fortpflanzung hinausgeht. Dies verleiht Freud auch eine gewisse Nähe zu den zeitgenössischen Gender und Queer Studies, die ich wie die Psychoanalyse als "Verunsicherungswissenschaften" bezeichnen möchte, da sie unser geschlechtliches Selbstverständnis in Frage stellen.

Freuds Umgang mit Frauen

Er schätzte sie und suchte den Austausch mit ihnen. Immer wieder räumte er ein, wie sehr er von seinen Patienten gelernt hatte: Die Psychoanalyse entwickelte sich schrittweise von der "kathartischen Methode", bei der vor allem die Hypnose zum Einsatz kam, zur "Redekur".

So bezeichnete Freud beispielsweise seine Patientin "Cäcilie M." (Deckname) - als seine "Lehrmeisterin". Sie - die an Schmerzen im Gesicht litt - habe ihm gelehrt, dass das Symptom eine Symbolisierung darstellt: Im Gespräch erzählte sie Freud von einer Bemerkung ihres Mannes, die sie gekränkt hatte: "Dann fasste sie sich plötzlich an die Wange, schrie vor Schmerz laut auf und sagte: Das war mir wie ein Schlag ins Gesicht. - Damit war aber auch Schmerz und Anfall zu Ende. Kein Zweifel, dass es sich hier um eine Symbolisierung gehandelt hatte; sie hatte gefühlt, als ob sie den Schlag ins Gesicht wirklich bekommen hätte."

Bertha Pappenheim ("Anna O."), einer späteren Frauenrechtlerin, wird der Verdienst zugeschrieben, die entlastende Macht des Erzählens und des Aussprechens von Problemen erkannt zu haben. Sie bezeichnete die Psychoanalyse als "Redekur".

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Zentrale Konzepte der frühen Psychoanalyse wurden somit zu einem Teil von Freud gemeinsam mit seinen Patienten entwickelt. Mittels viel Intuition verstand er es, sich auf sie einzulassen und neue Kategorien, Ansätze und Methoden zu entwickeln. Somit entstanden Konzepte wie die freie Assoziation oder die Übertragung, und die Relevanz der Arzt-Patienten-Beziehung erhielt mehr Aufmerksamkeit. Wegen seiner Umgangsweise mit seinen Patientinnen fand der Abbau traditioneller Machtpositionen zwischen Arzt und Patient bereits bei Freud seinen Anfang.

Bezug zur Gegenwart

Wir wollen auch aufzeigen, wie sehr jene Fragestellungen, mit denen sich die porträtierten Frauen auseinandersetzten, die Menschen auch heute noch beschäftigen. Etwa mit der Frage, was unter Familie zu verstehen ist und was die Rollenaufteilung zwischen Frauen und Männer ausmacht.

Freuds Theorie der weiblichen Sexualentwicklung

1. Wie die Entwicklung der Knaben vom Säuglingsalter bis zur Überwindung des Ödipuskomplexes abläuft, wurde bei der Einführung in die Grundkategorien bereits geklärt. Auch wurde gesagt, dass Freud ursprünglich annahm, die Entwicklung des Mädchens verlaufe genau spiegelbildlich, also einfach umgekehrt, was auch immer das genau heißen sollte. Später erkannte Freud, dass die Entwicklung des Mädchens sich bereits vor der ödipalen Phase von der des Knaben unterschied, doch stand fest, dass von Geburt an die Sexualität von Knaben und Mädchen einige Jahre lang gleich verläuft, nämlich männlich.

Gleich zu Beginn ist es also notwendig zu erklären, was Freud unter den Begriffen männlich und weiblich verstand.

"Wir sprechen davon, daß ein Mensch, ob Männchen oder Weibchen, sich in diesem Punkt männlich, in jenem weiblich benehme. Aber Sie werden bald einsehen, das ist bloß Gefügigkeit gegen die Anatomie und gegen die Konvention. ... wenn Sie männlich sagen, meinen Sie in der Regel ‚aktiv‘, und wenn Sie weiblich sagen, ‚passiv‘. ... Aber ich rate ihnen davon ab. Es erscheint mir unzweckmäßig und bringt keine neuen Erkenntnisse. Man könnte daran denken, die Weiblichkeit psychologisch durch die Bevorzugung passiver Ziele zu charakterisieren. Das ist natürlich nicht dasselbe wie die Passivität; es mag ein großes Stück Aktivität notwendig sein, um ein passives Ziel durchzusetzen. Vielleicht geht es so zu, daß sich beim Weib von ihrem Anteil an der Sexualfunktion her eine Bevorzugung passiven Verhaltens und passiver Zielstrebungen ein Stück weit ins Leben hinein erstreckt; mehr oder weniger weit, je nachdem sich diese Vorbildlichkeit des Sexuallebens begrenzt oder ausbreitet.

In der ‚Neuen Folge‘ seiner Vorlesungen fasst Freud die Ergebnisse seiner Untersuchung der weiblichen Sexualentwicklung zusammen: Der Vergleich mit den Verhältnissen beim Knaben sagt uns, "daß die Entwicklung des kleinen Mädchen zum normalen Weib die schwierigere und kompliziertere ist."

Wir erinnern uns, Freud beschrieb also die frühkindliche Sexualität des Mädchens als männlich: "Die frühen Phasen der Libidoentwicklung scheinen beide Geschlechter in gleicher Wiese durchzumachen. ... Wir müssen nun erkennen, das kleine Mädchen sei ein kleiner Mann." Durch die uns bereits bekannten Phasen der Sexualität, der oralen, analen und phallischen Phase hindurch, verfolgt der Knabe wie das Mädchen aktiv seine Triebziele: das Saugen an der Mutterbrust und das Zurückhalten des Kots bringen Befriedigung, genau so wie das Spielen mit dem phallischen Genital, dem Penis oder der Klitoris.

Freud stellt fest, "daß man das Weib nicht verstehen kann, wenn man nicht diese Phase der präödipalen Mutterbindung würdigt. ... Dann entdeckt das Mädchen aber, dass der Knabe etwas besitzt, was sie nicht hat, einen Penis. Diese Erkenntnis stellt für sie eine narzisstische Kränkung dar, da sie ihre Klitoris als minderwertig empfindet. Sie entwickelt einen Penisneid, aus dem sich zwei folgenschwere Konsequenzen ergeben: "Der anatomische (Geschlechts-)Unterschied muß sich doch in psychischen Folgen ausprägen. Die zweite Konsequenz des Penisneids ist für Freud neben diesem Liebesobjektwechsel die Abwendung von der Klitoris, da diese dem Phallus des Knaben gegenüber minderwertig ist.

"drei Entwicklungsrichtungen: die eine führt zur Sexualhemmung oder zur Neurose, die nächste zur Charakterveränderung im Sinne eines Männlichkeitskomplexes, die letzte endlich zur normalen Weiblichkeit. ... "auf ein gutes Stück Aktivität verzichtet. Die Passivität hat nun die Oberhand, die Wendung zum Vater wird vorwiegend mit Hilfe passiver Triebregungen vollzogen. ... Der Wunsch, mit dem sich das Mädchen an den Vater wendet, ist wohl ursprünglich der Wunsch nach dem Penis... die weibliche Situation ist aber erst hergestellt, wenn sich der Wunsch nach dem Penis durch den nach dem Kind ersetzt... Das Mädchen ist jetzt also auf einmal passiv, da sie den Vater zum Liebesobjekt nimmt und ein Kind von ihm will.

Freud erinnert daran, dass sich das Mädchen ja schon ein Kind von der Mutter gewünscht hat und meint dazu: "Aber dies Spiel war nicht eigentlich der Ausdruck ihrer Weiblichkeit, es diente der Mutteridentifizierung in der Absicht der Ersetzung der Passivität durch Aktivität. Sie spielte die Mutter und die Puppe war sie selbst." "Eigentlich der Ausdruck ihrer Weiblichkeit" ist es also, wenn sie passiv ein Kind vom Vater will, da sie ja nur ‚eigentlich‘ seinen Penis haben will.

Freud sieht den Penisneid als Pendant zum Kastrationskomplex des Knaben an, da er die bereits vollzogene Kastration bedeutet. Das Mädchen kommt aber erst durch ihren Penismangel, aufgrund dessen sie sich von der Mutter abwendet "in den ödipalen Hafen": "Während der Ödipuskomplex des Knaben am Kastrationskomplex zugrunde geht, wird der des Mädchens durch den Kastrationskomplex [= Penisneid, L.R.] ermöglicht und eingeleitet." Wir erinnern uns, dass die Kastrationsangst für Freud das Hauptmotiv für die Überwindung der Ödipuskomplexes beim Knaben ist (symbolische Kastration = Anerkennung der väterlichen Autorität), aus dem das Über-Ich entsteht.

Außerdem sind sie neidischer: "Neid und Eifersucht spielen im Seelenleben der Frauen eine noch größere Rolle als bei Männern. ... "Wir sagen auch von den Frauen aus, daß ihre sozialen Interessen schwächer und ihre Fähigkeit zur Triebsublimierung geringer sind als die der Männer. ... Die Eignung zur Sublimierung ist den größten individuellen Schwankungen unterworfen. Hingegen kann ich es nicht unterlassen, einen Eindruck zu erwähnen, den man immer wieder in der analytischen Tätigkeit empfängt. Ein Mann um die Dreißig erscheint als ein jugendliches, eher unfertiges Individuum, von dem wir erwarten, daß es die Möglichkeiten der Entwicklung, die ihm die Analyse eröffnet, kräftig ausnützen wird. Eine Frau um die gleiche Lebenszeit erschreckt uns häufig durch ihre psychische Starrheit und Unveränderlichkeit. Ihre Libido hat eindeutige Position eingenommen und scheint unfähig, sie gegen andere zu verlassen. Wege zu weiterer Entwicklung ergeben sich nicht; es ist ... als hätte die schwierige Entwicklung zur Weiblichkeit die Möglichkeiten der Person erschöpft.

Frauen sind also weniger zur Sublimierung fähig und zeichnen sich aufgrund ihrer schwierigen Frauwerdung durch psychische Starrheit aus.

Kritik an Freuds Theorien

2. "Psychoanalytische Aussagen über Weiblichkeit verführen leicht zu Stereotypen über das ‚Wesen der Frau‘. Eine Frau, die ihren ‚Mangel‘ nicht akzeptieren will, wehrt nach psychoanalytischen Theorien die Realität zugunsten von Wunschvorstellungen ab.

Das weibliche Geschlecht entsteht bei Freud also durch die Anerkennung seiner Minderwertigkeit. Die Klitoris wird als unreif, die passive Vagina als natürlich weiblich gesehen.

"Die angeblich Verlagerung sexueller Reizbarkeit von der Klitoris auf die Vagina als Zeichen psychosexueller Reifung zu sehen, war z.B. ein Irrtum; er beruhte nicht nur auf zeitbedingten falschen Kenntnissen ... "Daß Freud die klitorale Sexualität nicht anerkennen wollte, hatte neben der biologischen Funktionalisierung der Vagina einen weiteren Grund: Er hätte sonst seine Geschichte von dem Entschluß des kleinen Mädchens, nicht länger ein kleiner Mann zu sein, umschreiben müssen. ... Auch Mitchell sieht das so: "In Freuds Theorie steht und fällt die Entwicklung der Weiblichkeit mit der frühzeitigen Unterdrückung der Klitoris."

Freud erklärt alle beobachteten Charakteristika der Frau hauptsächlich aus ihrer narzisstischen Kränkung über den Penismangel. Freuds Theorie über die Abwendung von der Klitoris aufgrund ihrer angeblichen Minderwertigkeit bedeutet, dass jede Frau, die klitoral masturbiert, einen Männlichkeitskomplex hat.

Mitscherlich fasst den aktuellen Stand der Forschung zusammen. "Es kann nicht als Zeichen biologischer oder psychischer Reifung angesehen werden, wenn die Frau im Laufe ihrer Entwicklung die klitoridale Erregbarkeit zugunsten der vaginalen aufgibt. Die Erregbarkeit der Klitoris gehört physiologisch zur vollen sexuellen Befriedigung der Frau." Die Behauptung, vaginale Sexualität sei die der ‚normalen Frau‘ entsprechende, erwies sich als folgenschwerer Mythos.

Passivität der Frau liegt nach Freud schlussendlich doch in ihrer Natur: Die Frau als passiv zu bezeichnen, sei laut Freud nur ein Zugeständnis an die Konvention und er sei sich des "Einflusses der sozialen Ordnungen" durchaus bewusst, der "das Weib gleichfalls in passive Situationen drängt." Doch nur an der Konvention liegt es offenbar doch nicht: "Freud hatte zwar davor gewarnt, Weiblichkeit allzu leichtfertig mit Passivität, Männlichkeit mit Aktivität gleichzusetzen. Schließlich war er aber doch überzeugt, daß der schwierige Weg zur Weiblichkeit doch im Hinnehmen der Passivität kulminiere." Die ‚normale weibliche Entwicklung‘, also jede ‚gelungene‘ Entwicklung bedeutete für Freud passiv, feminin masochistisch zu sein.

Verdeutlichen wir das anhand eines Zitats Freuds.

"Ich hatte oftmals vorher den Eindruck gewonnen, daß das Weib im Allgemeinen die Masturbation schlechter verträgt als der Mann, sich öfter gegen sie sträubt und außerstande ist, sich ihrer zu bedienen ... Es ist begreiflich, daß die Erfahrung ungezählte Ausnahmen von diesem Satz aufweisen würde, wenn man ihn als Regel aufstellen wollte. Die Reaktionen der menschlichen Individuen beiderlei Geschlechts sind ja aus männlichen und weiblichen Zügen gemengt. Aber es bleibt doch der Anschein übrig, daß der Natur des Weibes die Masturbation ferner liege, und man könnte zur Lösung des angenommenen Problems die Erwägung heranziehen, daß wenigstens die Masturbation an der Klitoris eine männliche Betätigung sei und daß die Entfaltung der Weiblichkeit die Wegschaffung der Klitorissexualität zur Bedingung habe.

In der Natur jeder normalen Frau liegt es aufgrund ihres minderwertigen Phallus, passiv und nur vaginal erregbar zu sein, nicht zu masturbieren, ansonsten ist sie gestört. Psychoanalytiker bewerten "die für die Entwicklung des Menschen notwendigen Bedürfnisse nach Aktivität und Meisterung bei Frauen nicht als Fortschritt, sondern meist als phallisch-regressive Störung.

In seiner Theorie über den Masochismus unterschied Freud drei Formen: den erotischen, den moralischen und den femininen Masochismus. Der feminine Masochismus "tritt unserer Beobachtung ... als ein Ausdruck des femininen Wesens entgegen." Freud diskutiert ihn am Beispiel eines Mannes: Man macht leicht die Entdeckung, dass "sie [die masochistischen Phantasien, L.R.] die Person in eine für die Weiblichkeit charakteristische Position versetzen, also Kastriertwerden, Koitiertwerden oder Gebären bedeuten."

Das Problem besteht aber darin: "Was bei der Frau als natürlich angesehen wird, gilt beim Mann als Perversion.", schreibt Mitscher...

Emma Eckstein und der ironische Kommentar

„Das ist das starke Geschlecht." mit dieser ironischen Anspielung soll Emma Eckstein einst Sigmund Freud begrüsst haben. Dieses Zitat vermittelt in aller Kürze die möglichen Neudeutungen herrschender Geschlechterrollen.

Sie wurde von Freuds Freund, dem HNO-Arzt Wilhelm Fließ, an der Nase operiert. Er vergaß jedoch ein Verbandstück in der Wunde, das den Heilungsprozess verhinderte. Als dieses entfernt wurde, kam es zu starken Blutungen und Freud - der um die Schuld seines Kollegen wusste und sich mitschuldig fühlte - wurde fast ohnmächtig, als er Eckstein im Krankenzimmer besuchte. Daraufhin begrüßte sie - die gerade die gefährliche Operation überstanden hatte - Freud mit der Bemerkung "Das ist das starke Geschlecht".

Die Aussage ist durch den Briefwechsel zwischen Freud und Fließ übermittelt. Dem Leser und der Leserin steht es quasi offen, den Schluss zu ziehen, ob Eckstein ironisch Freud meinte oder eben bestätigend das weibliche Geschlecht. Beides ist möglich.

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