Durchschnittliche Dauer von Psychotherapiestudien und Aspekte der psychotherapeutischen Versorgung

Die psychotherapeutische Versorgung ist ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung, insbesondere für Menschen mit psychischen Erkrankungen. In Österreich ist die psychotherapeutische Versorgung im niedergelassenen Bereich finanziell über die Kostenzuschussregelung und kassenfinanzierte Psychotherapiestunden geregelt.

Die Dauer einer Psychotherapiesitzung

Eine Psychotherapiestunde dauert in der Regel 50 Minuten und findet häufig einmal in der Woche statt. Die Psychotherapieforschung vermutet, dass zwischen den Therapiesitzungen relevante Prozesse ablaufen. Aktuelle Forschungen zu den sogenannten „Intersessions-Prozessen“ lassen vermuten, dass sich eine intensivere Beschäftigung mit der Zeit zwischen den Psychotherapiestunden lohnen könnte.

Sylke Andreas führt zu den Zielen des nun startenden Projekts aus: „Wir wollen zunächst den genauen Zusammenhang zwischen den in der Therapiestunde ablaufenden Prozessen und den darauffolgenden Intersession-Prozessen untersuchen, um Interaktions-Muster zu identifizieren, die Hinweise auf die Förderung bzw. Aufbauend darauf will das Team eine App entwickeln, welche die Intersession-Prozesse der Patientinnen und Patienten erhebt, kontrolliert und fördert.

Thorsten-Christian Gablonski stellt in Aussicht: „Die App soll auch als Mentoring-Funktion für die Therapeutinnen und Therapeuten verwendet werden können.

Psychotherapie in Österreich

Psychische Erkrankungen tragen im hohen Maße zur Krankheitslast bei und stellen für das österreichische Gesundheitssystem eine Herausforderung dar. Etwa jeder fünfte Mensch hat in den letzten 12 Monaten an einer psychischen Erkrankung gelitten, und ein Drittel der Allgemeinbevölkerung ist im Laufe des Lebens von psychischen Störungen betroffen (Steel et al. 2014). Die geschätzte 12-Monats-Prävalenz von psychischen Erkrankungen liegt europaweit bei 38,2 % (Wittchen et al. 2011).

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Unzureichende finanzielle Mittel werden von den Betroffenen als häufige Gründe für eine ausbleibende Behandlung angegeben (Riffer et al. 2021). Die Ergebnisse einer aktuellen bevölkerungsrepräsentativen Umfrage zeigen, dass in Österreich nur 27 % der Personen mit psychischen Erkrankungen einen Kassenplatz für Psychotherapie erhalten. Weitere 21 % bezahlen die Psychotherapie gänzlich aus privaten Mitteln. Die Mehrheit der Betroffenen (52 %) muss die Kosten für ambulante Psychotherapie, bis auf einen Kostenzuschuss von 28 €, selbst tragen (Tanios et al. 2020). Selbst bei Patient*innen mit einer chronischen psychischen Erkrankung und Niedrigsteinkommen aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Erwerbsunfähigkeit infolge ihrer psychischen Erkrankung erhält nur etwas mehr als die Hälfte (59 %) einen Kassenplatz für Psychotherapie (Riffer et al. 2018b).

Die vorliegende Studie untersucht mögliche Veränderungen in der psychotherapeutischen Versorgungslage in Österreich und erforscht inwiefern sich das Verhältnis von selbstfinanzierten und kassenfinanzierten Psychotherapieeinheiten unter Berücksichtigung des sozioökonomischen/krankheitsbezogenen und behandlungsbezogenen Status verändert hat.

Die Stichprobe umfasst 6387 stationäre Patient*innen mit chronisch psychischen Erkrankungen, die im Zuge einer stationären psychotherapeutischen Behandlung zu ambulanter Psychotherapie befragt wurden. Das durchschnittliche Alter beträgt 47,9 Jahre, mit einem Frauenanteil von 65 %. Im Universitätsklinikum Eggenburg werden Patient*innen mit folgenden psychischen Störungen behandelt: ca. ein Drittel mit neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen, ca. 20 % mit affektiven Störungen, ca. 10 % mit Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, ca. 10 % mit psychischen- und Verhaltensstörungen durch Alkohol und ca. 15 % mit Essstörungen (Burghardt et al. 2021; Riffer et al. 2017, 2018a).

Das Universitätsklinikum Eggenburg ist ein multidisziplinäres und stationäres Behandlungszentrum für Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen. Die Klinik verfügt über 100 stationäre Betten und die interdisziplinäre Behandlung erfolgt in Kompetenzbereichen, die nach unterschiedlichen Störungsbildern gegliedert sind. Der stationäre Aufenthalt dauert im Durchschnitt zwischen 8 bis 12 Wochen, in denendie Patient*innen eine störungsspezifische und interdisziplinäre Therapie erhalten. In der psychiatrischen Rehabilitationsklinik Gars am Kamp beträgt die Aufenthaltsdauer standardmäßig 6 Wochen.

Die Ergebnisse zur psychotherapeutischen Vorbehandlung und geplanten weiterführenden Behandlung sind in Tab. 2 und 3 angegeben. Eine ambulante psychotherapeutische Vorbehandlung hatten 4283 Patient*innen (81,7 %), wobei diese bei 53,9 % länger als ein Jahr dauerte. Eine weiterführende ambulante Psychotherapie hatten 88,1 % der Patient*innen geplant.

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Von jenen Patienten*innen mit einer ambulanten psychotherapeutischen Vorbehandlung hatten 1932 (45,5 %) einen Kassenplatz und 2318 (54,5 %) keinen Kassenplatz. Vergleicht man Patient*innen mit/ohne einen Kassenplatz, hatten Patient*innen mit einem Kassenplatz ein signifikant geringeres Einkommen als jene ohne Kassenplatz (t = 12,69, p = 0,022). Zudem hatten Patient*innen mit einem Kassenplatz signifikant häufiger eine stationäre Vorbehandlung als jene ohne (t = −10,83, p = 0,041).

Die vorliegende Studie verdeutlicht, dass die Inanspruchnahme von ambulanter Psychotherapie und Kassenplätzen für Psychotherapie bei Patient*innen mit chronisch psychischen Erkrankungen in den letzten vier Jahren, trotz Erhöhung des Kassenzuschuss im Jahr 2018 und etwaiger Aufstockungen an Kassenplätzen, unverändert geblieben ist.

Die Ergebnisse zeigen, dass Patient*innen mit chronischer psychischer Erkrankung, trotz teilweise wiederholter stationärer psychotherapeutischer Aufenthalte nur zur Hälfte (54,5 %), einen Kassenplatz für Psychotherapie in Anspruch nehmen können und vielfach mehrere Monate auf diesen warten müssen. Patient*innen mit und ohne Kassenplatz weisen eine vergleichbar hohe Symptombelastung auf. Der Schweregrad der Symptome steht demnach in keinem Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines Kassenplatzes. Knapp 30 % der Patient*innen ohne Kassenplatz haben ein geringes Einkommen (weniger als 1000 € im Monat). Die privat finanzierten Kosten für Psychotherapie (ca. 4000 € pro Jahr) stellen eine erhebliche finanzielle Belastung dar (Schosser et al. 2021). Es zeigt sich auch, dass der Anteil der Patient*innen mit chronisch psychischen Erkrankungen, die einen Kassenplatz in Anspruch nehmen konnten, im Zeitraum zwischen 2017-2020 trotz Erhöhung des Kassenzuschuss und etwaiger Aufstockungen an Kassenplätzen unverändert geblieben ist.

Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist gut belegt (Cuijpers et al. 2020). Es ist bedauerlich, dass in Österreich zwar fast alle Patient*innen mit chronischen psychischen Erkrankungen eine Psychopharmaka Therapie in Anspruch nehmen können, jedoch nur die Hälfte eine Psychotherapie in Anspruch nehmen kann (Grabenhofer-Eggerth und Sator 2019; Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 2011). Die Effekte von Psychotherapie haben sich zudem im Vergleich zur Psychopharmaka Therapie als langfristiger erwiesen (Cuijpers et al. 2013).

Kosten der psychotherapeutischen Versorgung

Im Hinblick auf die direkten Kosten für die psychotherapeutische Versorgung in Österreich sind aktuell nur wenige valide Daten verfügbar. Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durchgeführte Erhebung zeigt, dass im Jahr 2014 die Krankenkassen 76,4 Mio. € für Psychotherapie aufgewendet hatten. Im Vergleich dazu wurden 2014 von den Krankenkassen 256 Mio. € für Psychopharmaka ausgegeben (Grabenhofer-Eggerth und Sator 2019). Demnach werden die Mittel der österreichischen Gesundheitskassen überwiegend für Psychopharmakotherapie ausgeben, obwohl die nachhaltige Wirksamkeit von Psychotherapie in vielen Studien bestätigt wurde (Cuijpers et al.

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Eine psychotherapeutische Behandlung kann auch zu Einsparungen von indirekten Kosten beitragen. Die Kosten für psychotherapeutische Behandlung werden durch die Einsparungen, aufgrund der Reduktion von Hospitalisierungen, Medikamenten und Produktivitätsverlusten, mehr als aufgewogen (Margraf 2009). Ein früher Diagnosezeitpunkt und eine rechtzeitige Behandlung sind weiters für die Eindämmung der Kosten entscheidend.

Gemäß dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz der Republik Österreich ist eine Psychotherapie bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung (nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten ICD-10) eine Pflichtleistung der österreichischen Gesundheitskasse(n).

Die vorliegende Studie untersucht, inwiefern sich der Anteil an selbstfinanzierten und kassenfinanzierten Psychotherapieeinheiten über die Jahre 2017-2020 unter Berücksichtigung des sozioökonomischen/krankheitsbezogenen und behandlungsbezogenen Status verändert hat. Der größte Teil (70 %) der Patient*innen ist seit mehr als zwei Jahren an einer psychischen Störung erkrankt und hatte bereits einen stationären Aufenthalt (46 %) oder ambulante psychotherapeutische Behandlung (82 %) in Anspruch genommen. Im Zuge der ambulanten psychotherapeutischen Vorbehandlung haben 45 % der Patient*innen einen Kassenplatz für Psychotherapie erhalten.

Von den Patient*innen, die die Psychotherapie privat finanziert haben, hat der Großteil der Patient*innen (72 %) für eine psychotherapeutische Behandlung bis zu 100 € bezahlt - bei einem Anteil von 70 % von Patient*innen, die vor der stationären Behandlung arbeitsunfähig waren und 39 % von Patient*innen, deren monatliches Einkommen weniger als 1000 € ausmacht.

In den vergangenen Jahren ist in Österreich auch eine Zunahme der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen infolge psychischer Erkrankungen zu verzeichnen (Sagerschnig et al. 2018).

Aus einer WHO-Studie geht hervor, dass psychische Störungen zu den zehn Krankheiten zählen, die am häufigsten mit massiven Einschränkungen im Alltag und dem Verlust der Arbeitsfähigkeit einhergehen (Kessler et al. 2009). Die Folgen von psychischen Erkrankungen ziehen sowohl individuelle als auch volkswirtschaftliche Belastungen nach sich. Besonders indirekte Kosten von unbehandelten psychischen Erkrankungen durch Arbeitslosigkeit, verminderte Erwerbsfähigkeit, erhöhte Anzahl an Krankenstandstagen, sowie Frühpensionierungen belasten das Gesundheitssystem und die Volkswirtschaft. So lag etwa im Jahr 2020 die durchschnittliche Dauer der Krankenstände aufgrund psychischer Erkrankungen mit 42,1 Tagen deutlich über dem Durchschnittswert von 11,7 Tagen für alle Krankheitsarten insgesamt (Statistik Austria 2020). Auch jede dritte Frühpensionierung erfolgt aufgrund einer psychischen Erkrankung (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 2011). Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden, den psychische Erkrankungen verursachen, beträgt laut der International Labour Organization etwa 3-4 % des Bruttonationalprodukts der EU-Mitgliedsstaaten (Gabriel und Liimatainen 2000).

Tabelle 1: Sozioökonomische und krankheitsbezogene Angaben der Patient*innen

Merkmal Prozent (%)
Arbeitsunfähig 70,2
Frühpension 11,9
Monatliches Einkommen unter 1000 € 38,8
Stationärer Krankenhausaufenthalt (letzte 12 Monate) 45,9 (bis zu 2 Wochen)
Arztkonsultationen (letzte 6 Monate) 19,9 (mehr als 20-mal)
Dauer der psychischen Erkrankung (Jahre) 70,1 (mehr als 2 Jahre)

Tabelle 2: Behandlungsbezogene Daten

Behandlungsbezogene Daten Kassenplatz % (n) Kein Kassenplatz % (n) Gesamte Stichprobe % (N)
Stationäre Vorbehandlung Ja 59,0 (1138) 42,6 (984) 46,1 (2424)
Nein 41,0 (791) 57,4 (1328) 53,9 (2839)
Anzahl psychotherapeutischer Behandlungen (ambulant), in den letzten 12 Monaten 1- bis 5‑mal 28 (505) 26,7 (589) 27,3 (1100)
6- bis 10-mal 19,7 (355) 21,7 (477) 20,8 (838)
11- bis 20-mal 19,5 (352) 23,6 (520) 21,8 (877)
Mehr als 20-mal 32,7 (590) 28 (616) 30,2 (1217)
Gesamtdauer psychotherapeutischer Vorbehandlung (ambulant) Bis 3 Monate 22 (416) 22,5 (516) 22,2 (936)
Bis 1 Jahr 19,6 (371) 27,6 (635) 23,9 (1010)
Länger als 1 Jahr 58,4 (1107) 49,9 (1146) 53,9 (2273)
Wartezeit auf Kassenplatz Bis 1 Woche 19,6 (258) - 19,6 (358)
Bis 5 Wochen (1 Mo.) 39,2 (715) - 39,3 (716)
Bis 15 Wochen (3 Mo.) 22,1 (402) - 22,0 (402)
Bis 30 Wochen (6 Mo.) 7,4 (135) - 7,4 (135)
Mehr als 30 Wochen (6 Mo.) 11,7 (213) - 11,7 (213)
Kosten für nicht Kassen-finanzierte Psychotherapie (je Einheit/Stunde) Bis € 50 15,3 (349) 15,3 (350)
Bis € 100 71,7 (1638) 71,7 (1639)
Mehr als € 100 13,0 (298) 13,0 (298)
Eigenes Einkommen Weniger als 1000 € 50,3 (502) 28,5 (336) 38,8 (1067)
1000-2000 € 42,4 (424) 49,3 (581) 46,1 (1267)
Mehr als 2000 € 7,3 (73) 22,2 (1178) 15,1 (416)
Erwerbsunfähigkeit Ja 71,8 (1328) 68,6 (1545) 70,2 (3598)
Nein 28,2 (522) 31,4 (706) 29,8 (1531)

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