Schizophrenie-Symptome in der Kindheit: Eine umfassende Betrachtung

Schizophrenie ist eine komplexe psychische Erkrankung, die oft missverstanden wird. Rund ein Prozent der Weltbevölkerung leidet an Schizophrenie, was etwa 76,6 Millionen Menschen entspricht. Die Erkrankung manifestiert sich durch eine Vielzahl von Symptomen, die das Denken, Fühlen und Verhalten der Betroffenen beeinträchtigen.

Symptome der Schizophrenie

Bei einer Schizophrenie kommt es zu Phasen von akuten Psychosen. In diesen nehmen Betroffene ihre Umwelt und auch sich selbst anders wahr als sonst. Manchmal verlieren Betroffene den Bezug zur Realität völlig. Die Symptome können vielfältig sein:

  • Halluzinationen: Wahrnehmung von etwas, das in der Realität nicht da ist. Häufiges Hören von Geräuschen oder Stimmen, die freundlich oder bedrohlich sein können.
  • Wahn: Fehlbeurteilung der Wirklichkeit, die zu festen Überzeugungen führt. Am häufigsten tritt Verfolgungswahn auf.
  • Beeinträchtigung der Sprache: Schwierigkeiten, Sätze richtig zu formulieren, oft unverständliches Sprechen.
  • Denkstörungen: Durcheinander und wirres Denken, Wiederholung von immer wieder denselben Gedanken.
  • Ich-Störung: Gefühl, dass andere Menschen das Erleben und Denken steuern oder Gedanken lesen.
  • Bewegungsauffälligkeiten: Zielloser Bewegungsdrang, Nachahmung von Bewegungen, Grimassenschneiden oder Erstarren in ungewöhnlichen Körperhaltungen.
  • Auffällige Gefühle: Innere Leere, fehlende Gefühle oder depressive Verstimmung, plötzlicher Stimmungswechsel oder unpassendes Verhalten.
  • Eingeschränkte Denkleistung: Störung von Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis.
  • Sozialer Rückzug: Starker Rückzug vom sozialen Leben.

Es gibt verschiedene Formen von Schizophrenie, darunter:

  • Paranoide Schizophrenie: Wahnvorstellungen und Halluzinationen (vor allem Stimmenhören) stehen im Vordergrund.
  • Hebephrene Schizophrenie: Veränderungen des Gefühlslebens, die nicht zur jeweiligen Situation passen.
  • Katatone Schizophrenie: Auffälligkeiten der Bewegung, wie ausgeprägter, zielloser Bewegungsdrang oder Erstarren.
  • Schizophrenes Residuum: Chronische Beschwerden nach einer akuten Psychose, wie Antriebslosigkeit und sozialer Rückzug.

Schizophrenie im Kindes- und Jugendalter

Im Kindesalter ist die Symptomatik oft sehr versteckt. Das kann ein plötzlicher Leistungsknick sein: wenn das Kind eigentlich immer gut in der Schule war und plötzlich schlechte Noten schreibt; das kann sozialer Rückzug sein: wenn das Kind plötzlich nicht mehr in den Sportverein gehen will, generell Kontakte meidet und die anderen als „komisch“ empfindet. Es handelt sich also um Dinge, die man normalerweise im Alltag durchgehen lässt, die aber erste Zeichen einer schleichenden schizophrenen Entwicklung sein können.

Manchmal werden auch körperliche Symptome angegeben: körperliche Halluzinationen - irgendetwas ist in meinem Bauch, meine Nase wird größer oder Ähnliches. So etwas kommt den Eltern vielleicht ein bisschen seltsam vor, wird aber gern der kindlichen Fantasie zugeschrieben.

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Auch regressive Symptome können ein Frühsymptom sein: zum Beispiel, wenn ein Kind wieder einzunässen beginnt. Das wird nicht selten Stress in der Schule zugeschrieben, „ist eben eine Phase“.

Bei Jugendlichen haben wir viel häufiger produktive Symptomatik, im Sinne von optischen oder akustischen Halluzinationen. Oftmals entsteht eine akute psychotische Episode, die bei empfindsamen Jugendlichen stressbedingt oder auch exogen ausgelöst sein kann, z.B. durch Drogen. Das heißt, Drogenkonsum sollten wir in so einem Fall immer abfragen.

Wichtig zu wissen ist, dass Jugendliche viel weniger Wahnsymptome haben als Erwachsene. Nicht selten tritt ein akuter erster Schub einer Schizophrenie sehr plötzlich und heftig auf. Hier haben wir oft nur wenige Vorläufersymptome und ein plötzliches „knallverrücktes“ Verhalten, das Angehörige und Eltern oftmals sehr besorgt. Wichtig ist aber: Je akuter die Symptomatik auftritt, desto besser ist die langfristige Prognose. Denn diese Formen einer Schizophrenie sind meist gut medikamentös einzustellen. Und Jugendliche sind natürlich meistens noch nicht chronifiziert. Das gilt es zu verhindern!

Ursachen und Risikofaktoren

Bis jetzt hat die Forschungswelt die genauen Ursachen von Schizophrenie noch nicht geklärt. Es ist wahrscheinlich, dass es verschiedene Risikofaktoren gibt. Diese könnten sich gegenseitig beeinflussen. Manche Menschen haben ein erblich bedingtes erhöhtes Risiko, an Schizophrenie zu erkranken.

Das Risiko ist vor allem erhöht, wenn ein Eltern- oder Geschwisterteil daran erkrankt ist. Es beträgt etwa 12 Prozent von Kindern, bei denen Mutter bzw. Vater an Schizophrenie erkrankt sind. Zudem können große Lebensveränderungen die Neigung zu einer Schizophrenie begünstigen.

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Zum Beispiel ein Umzug, eine berufliche Veränderung oder Trennung von einer nahestehenden Bezugsperson. Trauma durch physischen und psychischen Missbrauch und kindliche Vernachlässigung dürften vor allem relevant für eine Erkrankung sein.

Neue Forschungsergebnisse: Kindheitstrauma als entscheidender Faktor

Ein großer Teil von Erkrankungen an Schizophrenie und ähnlichen psychischen Leiden steht in Verbindung mit Kindesmissbrauch und/oder Vernachlässigung. Laut einer neuen Studie von norwegischen und österreichischen Experten hat daneben der psychische Gesundheitszustand der Eltern keinen bestimmenden Einfluss. Das stellt bisherige Dogmen der Psychiatrie in Frage.

Nina Morkved (Helgeland Hospital/Norwegen) und die Co-Autoren der Studie, unter ihnen Maria Rettenbacher von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Innsbruck, haben ihre aktuelle Untersuchung in "BMC Psychiatry" veröffentlicht. Das Entstehen von psychischen Erkrankungen aus dem Schizophrenie-Spektrum wird seit längerem auch mit Missbrauchserlebnissen in der Kindheit, mit erlittener physischer und/oder psychischer Vernachlässigung und erlittenen Traumen in Verbindung gebracht.

So wurde laut den Wissenschaftern zum Beispiel berechnet, dass bei gleich bleibenden anderen Rahmenbedingungen rund ein Drittel der Schizophrenie-Erkrankungen auf Missbrauchs- und Vernachlässigungserfahrungen mit Traumen (Childhood Maltreatment and Trauma/CMT) zurückzuführen sind bzw. durch Vermeidung solcher schädigender Einflüsse verhindert werden könnten.

Das zeigte sich auch bei den 133 Patienten im mittleren Alter von rund 30 Jahren mit Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises, die im Rahmen der Studie untersucht wurden. Von den Patienten mit CMT-Erfahrung litten allein 55,9 Prozent an Schizophrenie. Unter den Schizophrenie-Patienten ohne Missbrauchs-/Vernachlässigungserfahrungen und Traumen in der Kindheit lag dieser Anteil bei 35,4 Prozent.

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Wahrscheinlich genauso wichtig ist das Faktum, dass die Wissenschafter eine enge Beziehung zwischen dem Ausmaß der kindlichen Schädigungen und Traumata und dem Schweregrad der aufgetretenen Schizophrenie feststellten: „Es zeigte sich eine dosisabhängige Beziehung zwischen CMT und Psychosesymptomen (...).“

Im Rahmen der Untersuchung wurde aber auch nach der psychischen Gesundheit der Eltern der Betroffenen gefragt. Das Ergebnis: Bessere psychische Gesundheit der Eltern führte nicht zu einer geringeren Psychose-Belastung ihrer Kinder. Das deute darauf hin, „dass CMT eine unabhängige und reale Wirkung auf die Psychosesymptome“ hätte, stellen die Wissenschafter fest.

Das bedeutet umgekehrt aber, dass in der Vergangenheit oft genannte genetische Belastungen von Kindern von psychisch kranken Eltern nicht vorhanden sein müssen, um aus CMT-Erfahrungen ein erhöhtes Risiko für psychotische Erkrankungen entstehen zu lassen. Es kommt unabhängig davon auf die durchlebten Kindheits-Traumata an.

In einer Online-Veröffentlichung des US-Wissenschaftsmagazins „Science“ wurden jetzt die Ergebnisse der norwegisch-österreichischen Studie als bahnbrechend bezeichnet. „Eine neue, in BMC Psychiatry veröffentlichte Studie stellt in einem bahnbrechenden Fortschritt in der psychiatrischen Forschung lang gehegte Annahmen über das komplexe Zusammenspiel zwischen Kindheitstraumata, der psychischen Gesundheit der Eltern sowie dem Auftreten und der Schwere von Psychosesymptomen in Frage.

Die von Morkved und Kollegen durchgeführte Forschung zeigt, dass Misshandlungen und Traumata in der Kindheit einen direkten und nicht gemilderten Einfluss auf Psychosen haben, unabhängig von psychischen Problemen der Eltern. Dieser Durchbruch unterstreicht den starken und einzigartigen Einfluss früher negativer Erfahrungen auf die psychische Entwicklung (...)“, heißt es dort.

Das erschüttere auch die bisherigen Konzepte zu den Risikofaktoren für Schizophrenie-Spektrum-Störungen (SSDs) durch Kliniker und Forscher. So sei bisher auch angenommen worden, dass die psychische Gesundheit bzw. Krankheit der Eltern umweltbedingte und genetische Faktoren für die Entstehung einer Erkrankung des schizophrenen Formenkreises vermittelten.

Die neue Studie zeige eine ganz andere Situation, so „Scienmag“ (Online): „Entscheidend ist, dass die Forscher bei der Berücksichtigung der psychischen Gesundheit der Eltern keinen moderierenden Effekt fanden.

Diagnose und Therapie

Die Ärztin oder der Arzt erhebt für die Diagnosestellung die Krankengeschichte (Anamnese) und beobachtet das Verhalten. Auch die Einbindung von Angehörigen kann sinnvoll sein. Diese können zum Beispiel dabei helfen, das Verhalten im Alltag zu schildern.

Die Ärztin oder der Arzt führt zudem eine körperliche und neurologische Untersuchung durch. Bildgebende Verfahren helfen dabei, mögliche organische Gehirnerkrankungen zu erkennen. Zudem schließt die Ärztin oder der Arzt andere Ursachen der Symptome aus.

Die Therapie einer Schizophrenie orientiert sich an den Bedürfnissen der betroffenen Person. Je früher die Beschwerden behandelt werden, desto besser sind die Chancen für einen günstigen Verlauf der Erkrankung. Zudem sollte ein sogenannter Krisenplan im Rahmen der Behandlung erstellt werden.

Die Behandlung erfolgt in der akuten Phase meist im Krankenhaus. In der nicht mehr akuten Phase kann die Behandlung zum Beispiel in einer psychosozialen Einrichtung (z.B. Psychosozialer Dienst) bzw. bei einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) erfolgen.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

  • Medikamente: Sogenannte Antipsychotika helfen gegen die Symptome und können vor Rückfällen schützen.
  • Psychotherapie: Durch Psychotherapie (z.B. Verhaltenstherapie oder systemische Familientherapie) können sich die Beschwerden bessern.
  • Psychoedukation: Bei der Psychoedukation lernen Betroffene etwas über die Erkrankung.
  • Training sozialer Fähigkeiten: Betroffene werden dabei unterstützt, besser im Alltag und sozialen Beziehungen zurechtzukommen.
  • Training von kognitiven Funktionen: Dabei übt die betroffene Person Denkaufgaben, zum Beispiel für das Gedächtnis oder zum Lösen von Problemen.
  • Bewegungstherapie: Physiotherapie und mit der Ärztin oder dem Arzt abgesprochene sportliche Tätigkeiten können Betroffene ebenfalls unterstützen und zur Steigerung der Lebensqualität beitragen.

Umgang mit Schizophrenie-Patienten

Betroffene erleben diese Situation als extrem belastend. Was sie hören und was sie sehen, ist für sie real. Dementsprechend wenig Sinn macht es zu versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Das würde allenfalls dazu führen, dass sie sich unverstanden fühlen und sich noch mehr zurückziehen.

Keinesfalls sollte man Druck auf Erkrankte ausüben - nach dem Motto "Jetzt reiß dich mal zusammen". Denn, so der Experte, "sie können nicht anders". Viel mehr gehe es darum, die Wahrnehmung des Erkrankten zu akzeptieren.

Da der Patient die Halluzinationen nicht als solche wahrnimmt, sei es auch nicht zielführend ihn zu fragen, ob er welche erlebt. Stattdessen könne man ergründen, ob es in seiner Umgebung etwas gebe, das ihm unangenehm sei, ihn ängstige.

Die Bedeutung der Früherkennung

Wenn in jungen Jahren der Verdacht auf eine Schizophrenie besteht, sollte man keine Zeit verlieren, sagt die Kinder- und Jugendpsychiaterin Univ.-Prof. Dr. Isabel Böge. Denn jede schwere Episode birgt das Risiko einer Chronifizierung und damit lebenslangen Leids.

Wenn der Verdacht auf eine Schizophrenie besteht, bitte so früh wie möglich zu uns schicken. Denn wenn wir hier Zeit verlieren, kommt es oft zu wiederholenden psychotischen Episoden, die häufig in die Chronifizierung übergehen. Wenn es doch keine Schizophrenie ist, ist ja nichts passiert. Im Gegenteil: Dann hat man einmal eine vernünftige Diagnostik gemacht und vielleicht etwas anderes entdeckt.

Tabelle: Vergleich der Schizophrenie-Häufigkeit bei Patienten mit und ohne CMT-Erfahrung

Patientengruppe Anteil der Schizophrenie-Patienten
Patienten mit CMT-Erfahrung 55,9%
Patienten ohne CMT-Erfahrung 35,4%

tags: #Schizophrenie #Symptome #Kindheit