Der Alltag mit einer überaktiven Blase kann eine echte Herausforderung darstellen. Die ständige Angst, plötzlich „zu müssen“ und es nicht rechtzeitig zur Toilette zu schaffen, begleitet Betroffene bei alltäglichen Aktivitäten wie Einkaufen, beruflichen Terminen oder Sport. Diese unangenehme Vorstellung führt oft dazu, soziale Kontakte einzuschränken und weniger zu unternehmen. Das Tragen von Einlagen wird zur Normalität, und das Selbstwertgefühl leidet unter einer vermeintlich „schwachen Blase“.
Viele Frauen jeden Alters sind in Österreich von einer sogenannten Dranginkontinenz betroffen, auch wenn es ein Tabuthema ist. Der Grund dafür ist eine Speicherungsstörung der Blase, bei der sich der Blasenmuskel bereits bei geringer Füllmenge zusammenzieht.
Ursachen einer Reizblase
Es gibt verschiedene Faktoren, die zur Entwicklung einer Reizblase beitragen können:
- Hormonelle Veränderungen: Die Wechseljahre sind eine natürliche Veränderung im Leben einer Frau und beeinflussen das Blasen-Beckenboden-System. Die verminderte Östrogenproduktion führt dazu, dass die Schleimhäute der Blase und der Harnwege dünner und empfindlicher werden.
- Häufige Harnwegsinfekte: Harnwegsinfekte können ebenfalls zu einer Überempfindlichkeit der Blasenrezeptoren führen. Wiederholte oder chronische Blasenentzündungen tragen zur Entwicklung einer Reizblase und somit im späteren Stadium zur Dranginkontinenz bei.
- Psychische Ursachen: Stress und psychische Belastungen wirken sich grundsätzlich ungünstig auf die Gesundheit aus. Auch die Entstehung funktioneller Beschwerden der Blase und der Harnwege wird dadurch begünstigt. Die Signalübertragung zwischen Hirn und Blase wird durch negative, psychische Einflüsse gestört.
Psychischer Stress als Auslöser
Die enge Verbindung zwischen psychischer Gesundheit und körperlichen Beschwerden zeigt sich bei der Reizblase besonders deutlich. Emotionale Belastungen wie Stress, Angst oder Trauer sind häufige Auslöser für den starken Harndrang und die Empfindlichkeit der Blase. Das Nervensystem, das die Funktion der Blase reguliert, reagiert auf Stresssituationen über und verstärkt die Symptome.
Studien haben gezeigt, dass Menschen mit einer Reizblase häufiger unter anderen psychischen Störungen wie Angststörungen oder Depressionen leiden. Diese Begleiterscheinungen verstärken den Leidensdruck und können die Wahrnehmung der Beschwerden intensivieren.
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Langfristiger Stress führt zu einer erhöhten Anspannung des autonomen Nervensystems, das die Blasenfunktion reguliert. Menschen mit generalisierter Angststörung oder Panikattacken berichten häufig über verstärkten Harndrang. Studien zeigen, dass Depressionen die Wahrnehmung von Blasensymptomen verstärken können. Unverarbeitete emotionale Konflikte können sich körperlich durch eine überaktive Blase äußern.
Symptome einer Reizblase
Eine Reizblase kann sich durch folgende Symptome bemerkbar machen:
- Ein plötzlicher starker Harndrang
- Mehrmaliges Aufwachen in der Nacht, um zu urinieren (Nykturie)
- Belastung durch regelmäßigen und häufigen Harndrang
- Häufiger Harndrang, selbst wenn die Blase kaum gefüllt ist
- Viele Toilettengänge
- In manchen Fällen auch Urinverlust
Betroffene verspüren oft einen deutlichen Leidensdruck, da die Symptome der Reizblase einem Harnwegsinfekt sehr ähnlich sind und es zu häufigem Aufsuchen von Toiletten kommt (bei vielen mehr als 8 Mal täglich). Die Angst vor Inkontinenz ist häufig, auch wenn diese nur selten auftritt.
Die Symptome einer Reizblase erinnern an eine herkömmliche Blasenentzündung, die Ursachen und Behandlungen sind jedoch andere. Ein wichtiger Unterschied ist, dass sich bei einer Blasenentzündung Farbe und Geruch des Urins meist verändern, während bei einer Reizblase normalerweise keine solchen Auffälligkeiten bemerkbar sind. Der Urin ist klar, die Menge meist gering. Bei Personen, die an einer Reizblase leiden, lassen sich im Zuge einer ärztlichen Untersuchung außerdem keine Bakterien und Infektionsanzeichen im Urin nachgewiesen werden, bei einer Blasenentzündung hingegen schon.
Diagnose einer Reizblase
Die Reizblase wird in der Regel diagnostiziert, nachdem andere mögliche Ursachen ausgeschlossen wurden. Ärzte prüfen, ob es sich um eine Infektion der Harnwege, Blasensteine oder eine neurologische Erkrankung handeln könnte.
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Für eine präzise Diagnose empfehlen wir das Ausfüllen eines Blasentagebuchs über 24 Stunden. Der Mediziner wird in der Regel mit einer ausführlichen Anamnese beginnen und nach Symptomen wie Pollakisurie, Urinverlust oder Schmerzen fragen.
Die Ärztin oder der Arzt beginnt die Untersuchung in der Regel mit einer ausführlichen Anamnese. Dabei werden gezielt Fragen gestellt, um die Beschwerden und mögliche Ursachen besser zu beurteilen. Mögliche Fragen können sein:
- Seit wann bestehen die Beschwerden?
- Gibt es bestimmte Tageszeiten oder Situationen, in denen die Symptome besonders stark auftreten?
- Treten Begleiterscheinungen auf, etwa Brennen beim Wasserlassen, Blut im Urin oder Fieber?
- Welche Medikamente nehmen Sie aktuell ein?
- Gibt es bekannte Vorerkrankungen wie Diabetes, Prostatabeschwerden oder neurologische Erkrankungen?
Ein sogenanntes „Miktionsprotokoll“, in dem Betroffene über mehrere Tage ihre Trinkmenge, die Häufigkeit der Toilettengänge und die ausgeschiedene Urinmenge dokumentieren, kann zusätzliche Hinweise liefern.
Wenn die Anamnese alleine keine eindeutige Ursache für den Harndrang liefert, können weitere Untersuchungen notwendig sein. Eine Urinuntersuchung, entweder mithilfe eines Urinstix oder einer Urinkultur, kann Hinweise auf Infektionen oder andere Auffälligkeiten im Harntrakt geben. Zusätzlich kann eine Ultraschalluntersuchung der Harnblase und der Nieren durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob der Abfluss des Urins blockiert ist oder andere strukturelle Veränderungen vorliegen.
Bei Verdacht auf eine neurologische Ursache können spezialisierte Untersuchungen erforderlich sein. Dazu zählen beispielsweise eine urodynamische Untersuchung, bei der die Funktion der Blase und des Schließmuskels gemessen wird, oder eine MRT des Rückenmarks, um mögliche Schäden oder Störungen im Nervensystem zu erkennen.
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Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung einer Reizblase ist besonders wichtig, da die Beschwerden oft mit einer überempfindlichen Blasenmuskulatur und einer geschwächten Kontrolle zusammenhängen.
Eine gezielte Behandlung, die sowohl körperliche als auch psychische Aspekte einbezieht, hat sich in vielen Fällen als wirksam erwiesen. Physische Maßnahmen wie gezieltes Beckenbodentraining oder Blasentraining stärken die Blasenmuskulatur und helfen, den Harndrang zu regulieren. Ein ebenso bedeutender Faktor ist die Anpassung des Lebensstils. Eine ausgewogene Trinkmenge, eine reizfreie Ernährung und die Integration von Stressbewältigungstechniken sind entscheidend, um die Symptome langfristig zu reduzieren.
Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Ursache und umfasst sowohl nicht-medikamentöse als auch medikamentöse Ansätze sowie weitere unterstützende Maßnahmen.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
Nicht-medikamentöse Ansätze zielen darauf ab, die Blasenfunktion durch Training, Verhaltensänderungen und gezielte Übungen zu verbessern. Sie sind oft die erste Wahl bei der Behandlung von Harndrang.
- Blasentraining: Ein strukturierter Toilettenplan hilft, die Blase daran zu gewöhnen, größere Mengen Urin zu speichern und den Harndrang besser zu kontrollieren. Beim Blasentraining lernen Sie, den Harndrang besser zu kontrollieren und die Intervalle zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Dies hilft, die Blasenfunktion zu normalisieren und die Blase daran zu gewöhnen, mehr Urin zu speichern.
- Beckenbodentraining: Durch gezielte Übungen wird die Beckenbodenmuskulatur gestärkt, was den Harndrang reduzieren und ungewollten Urinverlust verhindern kann. Diese Übungen werden oft von Physiotherapeuten oder Physiotherapeutinnen angeleitet. Ein geschwächter oder angespannter Beckenboden kann die Symptome einer Reizblase verschlimmern. Mit Beckenbodentraining lassen sich die Muskulatur stärken und die Kontrolle über die Blase verbessern.
- Verhaltenstherapie: Änderungen der Trinkgewohnheiten, wie das Vermeiden von koffeinhaltigen Getränken oder Alkohol, können helfen, die Symptome zu lindern. Eine ausgewogene Trinkmenge von 1,5 bis 2 Litern täglich hält die Blase gesund.
- Stressabbau: Stressabbau ist ein Schlüssel zur Linderung der Reizblase. Methoden wie Yoga, Meditation oder einfach bewusste Atemübungen helfen, das Nervensystem zu beruhigen. Techniken zur Stressbewältigung, wie Yoga, Meditation oder Achtsamkeitstraining, helfen, den Körper zu beruhigen und die Symptome zu reduzieren.
Medikamente
Medikamentöse Behandlungen kommen zum Einsatz, wenn nicht-medikamentöse Ansätze allein nicht ausreichen.
- Anticholinergika: Diese Wirkstoffe beruhigen die Blasenmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Beispiele sind Oxybutynin, Tolterodin oder Solifenacin. Anticholinergika, die die überaktive Blasenmuskulatur beruhigen, werden häufig verschrieben. Diese Medikamente reduzieren den Harndrang, indem sie das Nervensystem beeinflussen.
- Beta-3-Adrenozeptor-Agonisten: Wirkstoffe wie Mirabegron entspannen die Blasenmuskulatur und erhöhen die Blasenkapazität.
- Botulinumtoxin: Bei schwerer überaktiver Blase kann eine Injektion in die Blasenwand helfen, die Symptome zu lindern.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Wenn medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen, stehen weitere spezialisierte Behandlungsoptionen zur Verfügung.
- Neuromodulation: Elektrische Stimulation bestimmter Nerven (z. B. des Sakralnervs) kann bei einer überaktiven Blase oder anderen Blasenfunktionsstörungen helfen.
Hausmittel
Hausmittel können die Linderung von Harndrang unterstützen, insbesondere bei leichten Beschwerden wie nächtlichem Harndrang.
- Kürbiskerne enthalten Phytosterole und Omega-3-Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken und die Blasenfunktion stärken können. Sie eignen sich besonders bei einer überaktiven Blase oder Prostatabeschwerden.
- Goldrute und Brennnesseltee fördern die Durchspülung der Harnwege und wirken entzündungshemmend, was besonders bei Reizblase hilfreich sein kann.
- Wärme, etwa durch eine Wärmflasche oder ein warmes Sitzbad, entspannt die Blasenmuskulatur und lindert Krämpfe.
Wann zum Arzt?
Wenn der Harndrang stört, ungewöhnlich häufig oder ständig auftritt, sollte ärztlicher Rat eingeholt werden, um die Ursache abzuklären. Dies ist besonders wichtig, wenn der Harndrang von weiteren Symptomen begleitet wird, die auf ernsthafte Erkrankungen hinweisen können.
Tritt Harndrang ständig auf, sollte in jedem Fall ärztlichen Rat eingeholt werden - unabhängig davon, ob Schmerzen bestehen oder nicht.
Zu diesen Symptomen gehören:
- Brennen beim Wasserlassen
- Blut im Urin
- Fieber
- Abgeschwächter Harnstrahl
- Häufiges nächtliches Wasserlassen (Nykturie)
Krankheitsverlauf und Prognose
In den meisten Fällen ist der Harndrang behandelbar, insbesondere wenn die zugrunde liegende Ursache frühzeitig erkannt wird. Der Verlauf hängt jedoch von der jeweiligen Ursache ab.
Insgesamt ist die Prognose für die meisten Betroffenen positiv, insbesondere bei einem konsequent eingehaltenen Behandlungsplan.
Eine gesunde Lebensweise kann helfen, Harndrang zu vermeiden. Beckenbodentraining stärkt die Blase, und genug Wasser zu trinken hält die Harnwege gesund. Alkohol, Koffein und scharfe Speisen sollten möglichst vermieden werden, da sie die Blase reizen können. Auch Stressabbau ist wichtig, da Stress den Harndrang verstärken kann.
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