Gewalt an Frauen und Kindern ist ein ernstes Problem, das in verschiedenen Formen auftritt. Es ist wichtig, dass wir alle aufmerksam sind und helfen, wenn wir Gewalt beobachten oder vermuten.
Formen von Gewalt
Gewalt tritt in unterschiedlichen Formen auf, wobei die Übergänge oft fließend sind:
- Körperliche Gewalt: Umfasst Schläge, Stöße, Tritte oder den Einsatz von Gegenständen als Waffen.
- Sexualisierte Gewalt: Erzwingen sexueller Handlungen, einschließlich Penetration oder des Ansehens pornografischen Materials gegen den Willen.
- Psychische Gewalt: Verbale und emotionale Misshandlungen, Beschimpfungen, Demütigungen, Bedrohungen und Beleidigungen.
- Vernachlässigung: Unzureichende Befriedigung der physischen oder psychischen Bedürfnisse von Kindern.
Am häufigsten erleben Frauen Gewalt in ihrer Familie. Nach Schätzungen der Polizei werden 90 Prozent aller Gewalttaten in der Familie und im sozialen Nahraum ausgeübt.
Auch Gewalt an Kindern findet nicht nur im öffentlichen Bereich statt, sondern vor allem in der Familie. Sie wird täglich in scheinbar intakten Familien von Familienangehörigen begangen.
Psychische Gewalt im Detail
Bei psychischer Gewalt sind Frauen und Kinder wiederholt verbalen und emotionalen Misshandlungen oder anderem seelischen Druck ausgesetzt. Dazu gehören:
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- Beschimpfungen
- Demütigungen
- Bedrohungen
- Beleidigungen, die sich auf Äußeres oder Charakter beziehen
- Öffentliches Lächerlichmachen
- Leistungsdruck (bei Kindern)
Körperliche Reaktionen wie Depressionen, Nervosität, Schlafstörungen oder Einnässen können nicht ausgeschlossen werden.
Sexueller Missbrauch
Sexueller Missbrauch liegt vor, wenn sich Erwachsene oder ältere Jugendliche bewusst und absichtlich am Körper eines Kindes befriedigen oder sich von einem Kind befriedigen lassen. Dazu zählen Blicke, Bemerkungen und Berührungen, auch jene, die jemand an sich selbst durchführen lässt, exhibitionistisches Verhalten, aber auch, wenn einem Kind pornographisches Material gezeigt wird.
Sexuelle Gewalt ist körperliche und psychische Gewalt. Das Kind wird Objekt und Opfer eines Missbrauchs von Vertrauens- und Autoritätsverhältnissen. Nur durch das Vertrauen und den Schutz, den Kinder genießen, können sie sich entfalten. Sexueller Missbrauch stellt daher auch eine schwere Gefährdung für die Entwicklung eines Kindes dar.
Strafrechtliche Aspekte
Das österreichische Strafgesetzbuch (StGB) sieht verschiedene Paragraphen vor, die Körperverletzungen und damit zusammenhängende Delikte unter Strafe stellen:
- § 83 StGB: Bestraft Verletzungen am Körper oder Gesundheitsschädigungen.
- § 84 StGB: Regelt Strafbarkeiten in Zusammenhang mit schwerwiegenderen Körperverletzungen.
- § 85 StGB: Bezieht sich auf Fälle, in denen das Opfer aufgrund der Verletzung dauerhafte Beeinträchtigungen erleidet.
- § 99 StGB: Schützt die Freiheit der Bewegung und stellt Freiheitsentziehung unter Strafe.
- § 105 StGB: Nötigung
- § 107 StGB: Gefährliche Drohung
- § 107a StGB: Beharrliche Verfolgung (Stalking)
- § 107b StGB: Fortgesetzte Gewaltausübung
Unter dem Begriff der Gewalt wird in der Regel verstanden, dass jemand nicht unerhebliche physische Kraft einsetzt, um einen Widerstand zu überwinden. Wird keinerlei physische Kraft eingesetzt, sondern nur psychischer Druck, handelt es sich nicht um Gewalt im Sinn des Strafrechts. Reiner "Psychoterror" ist hiervon also nicht umfasst.
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Für den Begriff der gefährlichen Drohung findet sich eine gesetzliche Definition in § 74 Abs 1 Z 5 StGB. Demnach muss der:die Täter:in mit einer Verletzung entweder am Körper, der Freiheit, der Ehre, dem Vermögen oder des höchstpersönlichen Lebensbereiches (durch Bekanntmachen von Informationen oder Bildaufnahmen) drohen und diese Drohung muss geeignet sein, bei dem Opfer begründete Besorgnis auszulösen.
Fortgesetzte Gewaltausübung (§ 107b StGB)
Dieser Paragraph zielt vor allem auf Situationen im sozialen Nahraum ab (in der Familie, aber z. B. auch in einem Pflegeheim oder einem Internat), in dem das Opfer über längere Zeit hinweg wiederholten Gewaltakten des:der Täter:in ausgesetzt ist.
(1) Absatz einsWer gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausübt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Absatz 2Gewalt im Sinne von Abs. 1 übt aus, wer eine andere Person am Körper misshandelt oder vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit mit Ausnahme der strafbaren Handlungen nach §§ 107a, 108 und 110 begeht.
(3) Absatz 3Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellt oder eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung der verletzten Person bewirkt.
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(3a) Absatz 3 aMit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist zu bestrafen, wer
- die Tat gegen eine unmündige oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlose Person begeht,
- eine Tat nach Abs. 3 auf qualvolle Weise begeht oder
- im Rahmen einer fortgesetzten Gewaltausübung nach Abs. 3 wiederholt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität begeht.
(4) Absatz 4Hat eine Tat nach Abs. 3 oder Abs. 3a Z 1 eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) zur Folge oder wird die Gewalt nach Abs. 3 oder Abs. 3a Z 1 länger als ein Jahr ausgeübt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, hat sie aber den Tod der verletzten Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen.
(5) Absatz 5Der Täter ist nicht nach den vorstehenden Bestimmungen zu bestrafen, wenn die Tat nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist.
Gewalt im Arbeitskontext
Gewaltübergriffe sind auch im Arbeitsschutz ein wichtiges Thema. Der Umgang mit Gewalt erweist sich auch in der Arbeitswelt als schwierig. Das spezifische Gewaltrisiko ist in der Arbeit unterschiedlich und betrifft nicht alle Arbeitsplätze gleichermaßen.
Besonders gefährdete Personengruppen sind beispielsweise Frauen, junge Menschen und Menschen, die häufiger als andere Menschen Ziel von Diskriminierungen werden. Besonders gefährdete Arbeitsbereiche sind beispielsweise Pflege- und Betreuungseinrichtungen, Krankenhäuser und Rettungsdienste, soziale Einrichtungen, Ordinationen, Einrichtungen mit Nachtarbeit oder Alleinarbeitsplätzen, isolierte bzw. uneinsichtige Arbeitsplätze, Bars, Hotels und Restaurants, Einzelhandel, Polizei und Sicherheitskräfte, Kontrolleurinnen/Kontrolleure, Bereiche mit Geldabwicklung und Wertgegenständen, öffentliche Verwaltung (z.B. Justiz) oder Arbeiten in auswärtigen Arbeitsstellen (z.B. Reinigungsobjekte).
Gewalt kann in psychischer Form, als aggressives Verhalten oder als körperliche Gewalt erfolgen und kann auch im virtuellen Raum stattfinden. Häufig, fast immer, beginnt es mit scheinbar harmlos wirkenden, verbalen Entgleisungen, denen dann körperliche oder psychische Formen der Gewalt folgen.
Auswirkungen von Gewalt
Gewalt und Belästigung haben sowohl auf organisatorischer als auch auf individueller Ebene schädigende Auswirkungen:
Organisatorische Ebene:
- Negatives psychosoziales Arbeits- und Organisationsklima
- Höhere Krankenstände
- Stärkere Mitarbeiterfluktuation
- Geringere Effizienz und Produktivität
- Imageschaden
- Etwaige Rechtsfolgekosten
Individuelle Ebene:
- Konzentrationsstörung
- Verunsicherung
- Verletzung der persönlichen Integrität
- Schädigung des Selbstwertgefühls
- Psychische und psychosomatische Gesundheitsbeeinträchtigungen und Störungen
- Chronische Stressreaktion
- Depressive Symptomatik
- Selbstanschuldigungen
- Schlafstörungen
- Muskel- und Skeletterkrankungen
Schutzmaßnahmen und Gesetze
Zur Verhinderung von Gewalt und Belästigung gelten verschiedene Gesetze mit unterschiedlichen Rechtsfolgen:
- Gleichbehandlungsgesetze (GlBG, B-GlBG und Landesgesetze)
- Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) und Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG)
- ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG)
Massive Belästigungen und Gewaltvorfälle sind strafrechtsrelevant.
Definitionen im Arbeitskontext
- Belästigung: Eine Person ist im Arbeitskontext unerwünschten und würdeverletzenden Verhaltensweisen ausgesetzt, die im Zusammenhang mit einem geschützten Merkmal stehen.
- Gewalt: Arbeitende Personen werden in einer arbeitsbezogenen Situation angegriffen oder bedroht, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Schädigung führt.
- Sexuelle/sexualisierte Gewalt: Alle sexuellen Handlungen, die gegen den Willen einer Person erfolgen.
- Sexuelle/sexualisierte Belästigung: Unerwünschtes Verhalten mit sexuellem Bezug, welches die betroffene Person in ihrer Würde verletzt und ein feindseliges Umfeld schafft.
- Mobbing: Ein über einen längeren Zeitraum währendes, regelmäßiges und systematisches Vorgehen von einer oder mehreren Personen gegen eine bestimmte Person.
- Diskriminierung: Die Benachteiligung einer Person aufgrund eines der geschützten Merkmale: Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung oder Behinderung.
- Hass im Netz und Cybermobbing: Die meisten Formen psychischer Gewalt können auch online verursacht werden.
Häusliche Gewalt
Als "Häusliche Gewalt" werden Gewalttaten bezeichnet, die zwischen Personen geschehen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben oder eine enge (familiäre) Beziehung haben oder hatten.
Das erste Gewaltschutzgesetz beinhaltet:
- Betretungsverbot
- Annäherungsverbot
- Gewaltpräventionsberatung
Wenn längerer Schutz vor der gefährdenden Person notwendig ist, hat die gefährdete Person die Möglichkeit, einen Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung bei Gericht zu stellen.
Psychische Gewalt in der Erziehung
Gewaltfreie Erziehung ist seit 1989 in Österreich gesetzlich verankert. Das gilt für herabwürdigende, bloßstellende und angstmachende Erziehungsmaßnahmen gleichermaßen wie für Körperstrafen. Emotionale Vernachlässigung ist eine weitere Dimension dieser Gewaltform mit weitreichenden Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern.
Es braucht die Identifikationsbrille und eine entsprechende Haltung, um psychische Gewalt als das zu benennen, was es ist. Psychische Gewalt spielt sich nicht nur im abgeschirmten Setting ab, sehr oft auch vor Zeugen und Zeuginnen. Nicht jede Unfreundlichkeit ist psychische Gewalt. Kränkungen sind Teil unseres Beziehungserlebens und können durch Austausch und Kommunikation reguliert werden. Nicht so bei der Psychischen Gewalt.
Gewalttätige Strategien, die auf die Seele des Gegenübers abzielen, bedienen sich der Nähe und Intimität einer Beziehung, um Abhängigkeit zu erzeugen und/oder den anderen in den Dienst eigener Bedürfnisse - bewusst oder unbewusst, absichtlich oder unabsichtlich - zu stellen. Die Perversität besteht darin, den anderen als eigenständige Person zu zerstören, ihn emotional in den Dienst des eigenen emotionalen Überlebens zu stellen.
Es lassen sich zwei Gruppen von Definitionsansätzen herausarbeiten (vgl. Gisbrecht 2012). Die einen definieren psychische Gewalt gegenüber Kindern, indem Formen psychischer Misshandlung und deren schädliche Auswirkung auf Kinder im weiteren Entwicklungsverlauf beschrieben werden. Hier zeigt sich das breite Spektrum psychischer Gewalt. Aus den Beschreibungen der Formen psychischer Gewalt erschließen sich die folgenschweren und weitreichenden Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes.
Das breite Spektrum psychischer Gewalt gegen Kinder lässt sich besser erfassen durch die Differenzierung von (aktiver) Psychischer Gewalt und (passiver) Emotionaler Vernachlässigung (vgl. Eltern können grundlegende Entwicklungsbedürfnisse von Kindern als nicht relevant, unangemessen, als "Zumutung" einstufen und reagieren darauf mit Bestrafung, Abwertung oder Bedrohung, also mit aktiver psychischer Gewalt. Eltern können aber auch überfordert, auf Grund eigener Einschränkungen nicht in der Lage sein, diese Grundbedürfnisse wahrzunehmen bzw. die sich daraus ergebenden Aufgaben umzusetzen. Diese passive Form kann in Abgrenzung zur Psychischen Gewalt als Emotionale Vernachlässigung verstanden werden.
Emotionale Vernachlässigung und psychische Gewalt schädigen eher durch Häufigkeit als durch gravierende Einzelereignisse.
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