Viele Menschen nehmen körperliche Manifestationen psychischer Belastung oft früher wahr als die emotionalen oder kognitiven Aspekte. Dies liegt teilweise daran, dass körperliche Symptome konkreter und leichter zu erkennen sind als emotionale Veränderungen.
Hier spielt die EMOTIO eine entscheidende Rolle: Als schnelles, automatisches und unbewusstes Verarbeitungssystem registriert sie Bedrohungen und Belastungen oft schon auf körperlicher Ebene, bevor die RATIO - unser bewusstes, analytisches Denksystem - diese Signale kognitiv einordnen kann.
Symptome und Erscheinungsformen
Innere Unruhe äußert sich auf unterschiedliche Weise. Während einige von ihren Gedanken übermannt werden, verspüren andere eher körperliche Symptome. Häufig macht sich innere Unruhe auch durch körperliche Symptome bemerkbar.
Bei anhaltender innerer Unruhe fühlen Betroffene sich häufig ruhelos und getrieben. Sie können nicht entspannen oder stillsitzen. Die Gedanken rasen und springen zwischen verschiedenen Themen. Körperlich zeigt sich dies durch Muskelanspannung, besonders im Nacken- und Schulterbereich. Viele beschreiben ein unangenehmes Kribbeln oder Zittern.
Angstbedingte Unruhe äußert sich durch ein ständiges Gefühl drohender Gefahr. Betroffene erleben wiederkehrende Sorgengedanken, die sich kaum kontrollieren lassen. Der Körper reagiert mit erhöhtem Herzschlag, schnellerer Atmung und Schwitzen. Oft entsteht ein Engegefühl in der Brust.
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Hier zeigt sich ein klassisches Ungleichgewicht: Die EMOTIO ist in ständiger Alarmbereitschaft und sendet kontinuierlich Gefahrensignale, während die RATIO diese nicht erfolgreich evaluieren und relativieren kann.
Unter anhaltender Stressbelastung entwickelt der Körper einen Dauerzustand der Anspannung. Die Ruhephasen reichen nicht mehr zur Erholung. Betroffene fühlen sich ständig unter Zeitdruck und gereizt. Kleinigkeiten führen zu unverhältnismäßigen emotionalen Reaktionen. Typisch sind auch Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen und ein unregelmäßiger Appetit.
Bei chronischem Stress wird die EMOTIO dauerhaft aktiviert, was zu einer Überempfindlichkeit führt - selbst kleine Reize werden als bedrohlich eingestuft. Gleichzeitig erschöpfen sich die Ressourcen der RATIO, die normalerweise Impulse kontrollieren und Prioritäten setzen würde.
Anders als oft vermutet, können Depressionen mit starker innerer Unruhe einhergehen. Diese zeigt sich durch rastloses Umhergehen oder ständiges Wippen. Gleichzeitig fehlt die Energie für zielgerichtete Aktivitäten. Betroffene beschreiben ein qualvolles Gefühl innerer Leere bei gleichzeitiger Anspannung.
Anhaltende psychische Belastungen können sich in körperlichen Spannungszuständen manifestieren. Betroffene leiden unter Muskelverspannungen, die zu Schmerzen führen. Häufig sind auch Kiefer- und Zahnprobleme durch nächtliches Zähneknirschen. Die Atmung bleibt flach, und der Körper verharrt in einer Alarmbereitschaft.
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Hier zeigt sich besonders deutlich, wie die EMOTIO körperliche Reaktionen auslöst, ohne dass die RATIO diese als psychisch bedingt erkennt.
Nach traumatischen Erlebnissen kann der Körper in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit verharren. Betroffene schrecken leicht auf und reagieren überempfindlich auf Geräusche oder Berührungen. Sie fühlen sich ständig bedroht und angespannt. Der Schlaf wird durch Albträume gestört.
Bei traumabedingten Zuständen hat die EMOTIO gelernt, bestimmte Reize sofort als lebensbedrohlich einzustufen und reagiert mit sofortiger Alarmbereitschaft. Diese Reaktionen laufen automatisch ab, bevor die RATIO überhaupt eingreifen kann.
Ursachen und Auslöser
Innere Unruhe und Anspannung können im Alltag sehr belastend sein. Einige Menschen empfinden dies nur hin und wieder in gewissen Situationen, andere begleitet dieser innere Druck permanent. Die Ursachen für innere Unruhe können somit vielseitig sein. Jedoch gibt es Maßnahmen, die in diesem Zustand helfen können.
Grundsätzlich erleben die meisten Menschen in ihrem Leben Phasen der inneren Unruhe. Häufig liegen offensichtliche Ursachen zu Grunde, die harmloser Natur sind, beispielsweise eine Prüfung, Arbeitsstress oder ein wichtiger Termin. Zudem ist es normal, dass belastende Lebensphasen wie Trennungen, eine Geburt oder auch eine Operation vorübergehend innere Unruhe verursachen können.
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Auch eine falsche Ernährung oder unzureichende Bewegung sind mögliche Faktoren. Viele Frauen erleben solche Zustände auch im Kontext ihrer Wechseljahre. Häufig ist es also völlig normal, wenn eine leichte Form der nervösen Unruhe auftritt. Diese kann sogar kurzzeitig die nötigen Energien mobilisieren, um akute Herausforderungen zu bewältigen. Solange die innere Anspannung zeitnah wieder abklingt, besteht im Allgemeinen kein Grund zur Sorge.
Darüber hinaus kann die Nervosität auch psychische Ursachen haben. So kann sie sich im Rahmen der sogenannten psychovegetativen Allgemeinstörungen zeigen. Dazu zählen unspezifische Beschwerden wie Erschöpfung, Schwindel, Schmerzen und eben auch innere Unruhezustände. Ausgelöst werden diese Beschwerden nicht durch organische Ursachen, sondern allein durch psychische Vorgänge.
Diese Unterscheidung kann nur ein Arzt vornehmen, der ebenfalls die passenden Behandlungsmassnahmen auswählt.
Anhaltende nervöse Unruhezustände können auch im Rahmen einer Depression auftreten. Treten zusätzliche Symptome wie gedrückte Stimmung, ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit, Druckgefühle in Brust- und Bauchraum sowie Freudlosigkeit auf, muss ein Arzt aufgesucht werden.
Des Weiteren können verschiedene Genussmittel zu unruhigen Zuständen, Ängstlichkeit und depressiven Verstimmungen führen. Dazu zählen Kaffee, Nikotin und Alkohol. Besonders bei übermässigem Konsum kann ein nachfolgender Entzug starke Nervosität hervorrufen.
Die innere Unruhe kann beispielsweise aber auch als Begleiterscheinung einer Reihe organisch bedingter Grunderkrankungen auftreten, etwa im Rahmen funktioneller Herzbeschwerden, einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder bei Unterzuckerung (Hypoglykämie).
Auch die Lebensweise kann für die innere Unruhe verantwortlich sein. Zu viel Koffein, Alkohol und Nikotin begünstigen oft Nervosität. Dauerstress ist ebenfalls ein möglicher Auslöser. Dabei ist es egal, ob dieser im privaten Bereich vorhanden ist, ob bei der Arbeit ein starker Leistungsdruck herrscht oder zu viele Aufgaben zu bewältigen sind. Oft geht das mit kreisenden Gedanken bis hin zum starken Grübeln und nicht abschalten können einher. Die Momente der Erholung nehmen ab und bleiben häufig selbst in der Nacht aus.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Eine vorübergehende Anspannung vor wichtigen Ereignissen ist normal. Sie klingt nach dem Ereignis wieder ab. Auch gelegentliche Phasen von Stress gehören zum Leben dazu. Der entscheidende Unterschied liegt in der Dauer und Intensität. Bei problematischen Spannungszuständen bestehen die Symptome über Wochen oder Monate. Sie beeinträchtigen den Alltag deutlich. Entspannungsphasen werden selten oder unmöglich.
Natürlich lässt sich Stress nicht ganz vermeiden und es gibt immer Momente im Leben, die aufregender sind als andere. Ein gewisses Maß ist wie bei allem anderen auch in Sachen innerer Unruhe in Ordnung. Bei wem die innere Unruhe länger anhält und mit anderen Beschwerden einhergeht, wie beispielsweise Antriebslosigkeit und Traurigkeit oder vielleicht sogar Angstzuständen, sollte einen Arzt aufsuchen.
Behandlungsmethoden
Im gesunden Zustand arbeiten EMOTIO und RATIO in einem ausgewogenen Verhältnis: Die EMOTIO reagiert auf akute Stressoren mit angemessener Aktivierung, während die RATIO diese Reaktionen kontextualisiert und nach dem Stressor wieder Entspannung ermöglicht.
Ein weiterer Unterschied: Normale Anspannung lässt sich durch bewusste Entspannung oder angenehme Aktivitäten reduzieren. Bei pathologischen Zuständen funktionieren diese Strategien nicht oder nur kurzzeitig. Betroffene fühlen sich der Unruhe ausgeliefert. Dies verdeutlicht, dass bei gesunder Stressregulation die RATIO die Fähigkeit behält, die EMOTIO zu beeinflussen und zu steuern.
Lässt sich die innere Unruhe weder durch Entspannungsübungen noch pflanzlich Mittel beheben und hält über die stressige Lebensphase hinaus an, gilt es, zusammen mit Ihren Ärzt*innen die Ursache zu finden.
Als erstes werden normalerweise verschiedene Fragen unter anderem zu den Beschwerden, der Dauer, Erkrankungen und der Lebensweise gestellt. Nach der Anamnese folgt meist ein körperlicher Check-up. Dazu kann auch eine Untersuchung des Blutes, des Blutdrucks und ein EKG gehören. Genauso kommen zum Teil verschiedene bildgebende Maßnahmen bei der Ursachensuche zum Einsatz, wie zum Beispiel eine Ultraschalluntersuchung oder Szintigrafie bei Verdacht auf Schilddrüsenprobleme. Dabei handelt es sich um eine nuklearmedizinische Untersuchungsmethode, bei der der Patient bzw. Ist eine Diagnose gestellt, folgt die Behandlung.
Während bei körperlichen Erkrankungen häufig Medikamente verschrieben werden, ist bei psychischen Ursachen für Nervosität meist eine Therapie die Lösung. Allerdings können auch in so einem Fall Arzneimittel hilfreich sein, zum Beispiel wenn es Probleme im Botenstoffwechsel mit den sogenannten Neurotransmittern gibt. Dann ist es beispielsweise möglich, dass zu wenig Dopamin oder Serotonin im Körper vorhanden ist. Manchmal kann eine Umstellung der Ernährung ebenfalls hilfreich sein.
Kognitive Verhaltenstherapie
Die kognitive Verhaltenstherapie bietet wirksame Ansätze zur Behandlung innerer Unruhe und Spannungszustände. Ein wichtiger Baustein ist das Erlernen von Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung oder Achtsamkeitsübungen. Diese Techniken zielen darauf ab, die Überaktivität der EMOTIO zu reduzieren und gleichzeitig die RATIO zu stärken.
Im therapeutischen Prozess werden auch die gedanklichen Muster identifiziert, die zur Anspannung beitragen und alternative Denkmuster entwickelt. Dieser Ansatz stärkt gezielt die RATIO, indem dysfunktionale Denkmuster erkannt und verändert werden. Gleichzeitig sammelt die EMOTIO durch Verhaltensexperimente neue, korrigierende Erfahrungen, die die automatischen Alarmsignale reduzieren können.
Darüber hinaus ist es natürlich entscheidend, in der diagnostischen Phase der Psychotherapie die hinter dem Symptom der Inneren Unruhe und Dauerspannung liegende psychische Problematik bzw. deren Ursachen herauszuarbeiten.
Selbsthilfe und Entspannungstechniken
Es müssen aber nicht immer gleich Medikamente und Therapien sein, sofern keine Erkrankung die Ursache für die innere Unruhe ist. Am wichtigsten bei innerer Unruhe und nervlicher Überbelastung ist die Entspannung. Teilweise reicht es schon, wenn ein paar Mal richtig tief ein- und wieder ausgeatmet wird. Genauso gut können verschiedene Entspannungstechniken unterstützen.
Bewegung ist generell gut. Auch ausdauernde, schnelle Sportarten eignen sich oft, um die innere Unruhe und Anspannung zu bekämpfen. Egal ob Joggen, Fahrradfahren, Schwimmen oder Ähnliches - Sport hilft den Kopf freizubekommen und regt den Körper an. Wenn der Kreislauf in Ordnung ist, kann auch ein warmes Bad mit Zusätzen für Entspannung sorgen. Lavendel oder Heublumen sind dafür gut geeignet genauso wie Hopfen, Passionsblume und Baldrian.
Letztere gibt es auch als pflanzliche Beruhigungsmittel zur oralen Einnahme. Allerdings wirken diese nicht sofort, sondern es kann ein paar Wochen dauern, bis eine Linderung möglich ist. Doch egal ob Baldrian oder auch Johanniskraut, selbst pflanzliche Mittel sollten nur nach Absprache mit einem Arzt oder Apotheker, bzw. einer Ärztin oder Apothekerin eingenommen werden. In Drogeriemärkten und Apotheken gibt es beispielsweise verschiedene Beruhigungstees, die bei der Linderung der Symptome unterstützen können.
Beachten Sie jedoch immer die Inhaltsstoffe solcher Tee-Mischungen, um potenziellen Neben- oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten vorzubeugen und halten Sie im Zweifel Rücksprache mit Ihrem Arzt, Ihrer Ärztin oder Ihrem Apotheker bzw. Ihrer Apothekerin. Auch die Homöopathie hält ein paar mögliche Unterstützer parat. Ein bekanntes Mittel ist beispielsweise Nux vomica, welches bei innerer Unruhe, Überarbeitung und Stress im Beruf oder im privaten Umfeld verwendet werden kann.
Faktoren für psychische Gesundheit
Die Fachwelt erforscht laufend, welche Faktoren sich positiv und welche sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken.
- biologische Faktoren
- psychische Faktoren
- soziale Faktoren
- persönliche Eigenschaften bzw. Verhalten
- soziale und wirtschaftliche Bedingungen
- gesellschaftliche und Umwelt-Faktoren
- einschneidende Ereignisse im Leben
Man kann durch Selbstfürsorge im Alltag die psychische Balance unterstützen.
- Kontakt mit anderen Menschen pflegen:
- Körperlich aktiv sein:
- Neue Fähigkeiten aneignen:
- Andere Menschen unterstützen:
- Achtsamkeit üben:
- Humor:
- Auf die eigenen Grenzen achten:
- Auf Bedürfnisse achten:
Fachleute sagen: Fragen aus der sogenannten Positiven Psychologie können dabei unterstützen, sich auf positive Gefühle zu konzentrieren. Das kann stärken.
Selbstbewusstsein ist die Meinung, die man selbst von sich hat. Gesundes Selbstbewusstsein lässt positive Gefühle über sich selbst und das eigene Leben zu. Es unterstützt dabei, den Alltag besser zu bewältigen. Ein gutes und ausgewogenes Selbstbewusstsein trägt auch zum psychischen Wohlbefinden bei.
Eigene negative Gedankenmuster hinterfragen: Wenn man z.B. häufig denkt: „Das kann ich nicht.“ Oder: „Ich bin nicht gut genug, um dies oder jenes zu tun.“ Stattdessen kann man aufschreiben, was man gut kann.
- Nachsicht mit sich selbst haben:
- Lernen, zu seinen Bedürfnissen zu stehen:
- Herausforderungen begegnen:
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