Psychose ist ein Überbegriff für schwere psychische Störungen, die mit einem Realitätsverlust verbunden sind. Bei den Betroffenen kann es unter anderem zu Wahnvorstellungen oder Halluzinationen kommen. Häufig treten diese Symptome bei schizoaffektiven Störungen und Schizophrenie auf. Psychosen können verschiedene Funktionen wie das Denken, Fühlen und die Wahrnehmung betreffen.
Formen und Ursachen von Psychosen
Schätzungen zufolge sind etwa ein bis zwei Prozent der Gesamtbevölkerung irgendwann im Leben von einer Psychose betroffen. Die häufigsten Formen sind die Schizophrenie und bipolare affektive Störungen. Als Ursachen für Psychosen wurden Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Begriff erstmals auftauchte, organische Erkrankungen des Nervensystems vermutet - also krankhafte Veränderungen im Gehirn.
Tatsächlich können psychotische Symptome wie Stimmen hören oder Wahnvorstellungen auch durch organische Erkrankungen des Nervensystems hervorgerufen werden, wie z. B. Demenz. Eine genetische Vorbelastung (z. B., wenn ein Elternteil bereits psychotische Symptome hatte) in Kombination mit einer akuten Lebenskrise kann zum Auftreten der ersten Symptome führen, bei Schizophrenie ist es auch oft Drogenkonsum, der das Auftreten der Krankheit begünstigt.
In neueren Klassifikationssystemen für Krankheiten (z. B. ICD-10) werden die psychotischen Störungen, die nicht allein auf organischen Erkrankungen basieren, in drei Störungsbilder eingeteilt:
- Schizophrenie
- Bipolare affektive Störungen
- Schizoaffektive Störungen
Symptome von Psychosen
- Betroffene:r hört Stimmen, sieht oder spürt etwas, das nicht real ist (z. B. Halluzinationen).
- Der Denkprozess geht langsamer vor sich, das Gesagte ist unzusammenhängend.
- Wahnhafte Gedanken entstehen (z. B. Betroffene:r hat das Gefühl, dass Gedanken ihm nicht allein gehören bzw. von außen eingegeben werden).
Die genannten Symptome treten in unterschiedlicher Stärke bei den verschiedenen Schizophrenie-Formen und schizoaffektiven Störungen auf.
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Behandlung von Psychosen
Menschen mit psychotischen Symptomen werden mittels Medikamente oder Psychotherapie behandelt.
Psychosen galten bis in die 1950er, als die ersten Psychopharmaka auf den Markt kamen, als weitgehend untherapierbar und wurden auch von den Vertreter:innen der Psychoanalyse eher vernachlässigt. Manchmal wurde Elektrokrampftherapie eingesetzt, bei der elektrischer Strom Krampfanfälle auslöst, da an Patient:innen mit Epilepsie beobachtet werden konnte, dass sich Psychosen nach einem Anfall besserten.
Die Therapie einer Schizophrenie orientiert sich an den Bedürfnissen der betroffenen Person. In einer akuten Phase einer Psychose ist es jedoch meist notwendig, dass rasche Entscheidungen von der Ärztin oder vom Arzt getroffen werden. Wenn die akute Phase abgeklungen ist, können weitere Entscheidungen über die Therapie gemeinsam meist besser besprochen und getroffen werden. Je früher die Beschwerden behandelt werden, desto besser sind die Chancen für einen günstigen Verlauf der Erkrankung.
Die Behandlung erfolgt in der akuten Phase meist im Krankenhaus. In psychiatrischen Krankenhäusern oder psychiatrischen Abteilungen kann unter bestimmten Voraussetzungen die Bewegungsfreiheit der Patientinnen und Patienten eingeschränkt werden. In der nicht mehr akuten Phase kann die Behandlung zum Beispiel in einer psychosozialen Einrichtung (z.B. Psychosozialer Dienst) bzw. bei einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) erfolgen.
Therapiemöglichkeiten
- Medikamente: Sogenannte Antipsychotika helfen gegen die Symptome und können vor Rückfällen schützen.
- Psychotherapie: Durch Psychotherapie (z.B. Verhaltenstherapie oder systemische Familientherapie) können sich die Beschwerden bessern.
- Psychoedukation: Bei der Psychoedukation lernen Betroffene etwas über die Erkrankung.
- Training sozialer Fähigkeiten: Betroffene werden dabei unterstützt, besser im Alltag und sozialen Beziehungen zurechtzukommen.
- Training von kognitiven Funktionen: Dieses Training kann z.B. im Rahmen einer Ergotherapie oder klinisch-psychologischen Behandlung erfolgen.
- Bewegungstherapie: Physiotherapie und mit der Ärztin oder dem Arzt abgesprochene sportliche Tätigkeiten können Betroffene ebenfalls unterstützen und zur Steigerung der Lebensqualität beitragen.
- Soziotherapie: Tageszentren, Berufs- und Ausbildungszentren, therapeutische Wohngemeinschaften etc. können helfen, sich beruflich und sozial einzugliedern und ein eigenständiges Leben zu führen.
Wenn bisherige Behandlungsangebote (vor allem Medikamente) keinen ausreichenden Therapieerfolg zeigen, kann die Ärztin oder der Arzt eine Elektrokrampftherapie (Elektrokonvulsionstherapie/EKT) empfehlen.
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Medikamente bei Psychose
Psychosen werden mit sogenannten typischen Antipsychotika wie Haloperidol behandelt. Diese Arzneimittel wirken sehr gut gegen Halluzinationen und Wahnvorstellungen, haben jedoch starke Nebenwirkungen. Um diese Nebenwirkungen zu vermeiden, werden mittlerweile oft neu entwickelte sogenannte atypische Antipsychotika verschrieben. Sie sind meist besser verträglich, führen jedoch im Einzelfall ebenfalls zu Müdigkeit und Gewichtszunahme.
Patienten, deren Psychose auf einer bipolaren Störung beruht, werden zusätzlich mit Stimmungsstabilisatoren wie Lithium behandelt. Geht die Psychose mit einer Depression einher, helfen Antidepressiva.
Psychotherapie bei Psychose
Ergänzend zur medikamentösen Behandlung stabilisiert oft eine Psychotherapie die Patienten zusätzlich. Für die Psychosetherapie sind zwei psychotherapeutische Methoden besonders geeignet: die Psychoedukation und die kognitive Verhaltenstherapie.
Die Diagnose "Psychose" führt oft dazu, dass Patienten und Angehörige viele Fragen haben. Im Rahmen der Psychoedukation erhalten sie ausführliche Informationen über die Krankheit, ihre Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Das hilft ihnen, die Erkrankung besser zu verstehen und besser damit umzugehen.
Behandlung von Psychosen bei Parkinson-Krankheit
Psychotische Symptome gehören zu den schwersten Langzeitkomplikationen der Parkinson-Krankheit. Ihre Therapie fußt auf der Erfassung und Behandlung akuter Auslöser, der Vereinfachung der Parkinson-Medikation, dem Absetzen potenziell psychoseauslösender Medikamente und der Einstellung auf atypische Antipsychotika.
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Quetiapin ist in Europa vermutlich das am häufigsten eingesetzte Medikament in der Therapie der Parkinson-Psychose. Obwohl randomisierte klinische Studien die Wirksamkeit von Quetiapin in der Therapie der Parkinson-Psychose nicht belegen konnten, wird Quetiapin von der Movement Disorder Society als möglicherweise wirksam in dieser Indikation eingestuft.
In den USA ist der inverse Serotonin 2A-Rezeptor Agonist Pimavanserin das einzige zugelassene Medikament für die Therapie der Parkinson-Psychose. Die Substanz ist in Europa allerdings nicht verfügbar.
Clozapin bei Parkinson-Psychose
In einer retrospektiven Studie hat Walter Pirker, Klinik Ottakring, den praktischen Einsatz und die Langzeitwirksamkeit von Clozapin bei schweren Parkinson-Psychosen, die auf Quetiapin nicht oder nur vorübergehend ansprachen, untersucht. Alle bis auf einen Patienten waren mit Quetiapin, meist mit Tagesdosen bis zu 150mg, erfolglos vorbehandelt. Ein direkter Therapieswitch von Quetiapin auf Clozapin in einem Verhältnis von 3:1 bis 4:1 wurde von den meisten Patienten gut toleriert.
Die maximale Clozapin-Dosis lag zwischen 12.5 und 150 mg (72.9 ± 29.9 mg). In den meisten Fällen führte die Umstellung bereits in der ersten Therapienacht zu einer Besserung des Schlafs. Eine signifikante Reduktion psychotischer Symptome war nach 2 Tagen bis zu 6 Monaten zu beobachten.
Unter den Patienten, die Clozapin tolerierten, zeigten 10 ein sehr gutes, 25 ein gutes, 3 ein mäßiges und 2 ein schlechtes Ansprechen auf Clozapin. Halluzinationen sprachen rascher auf die Clozapin-Therapie an als Wahnsymptome, insbesondere, wenn der Wahn nicht aus Halluzinationen resultierte. Die Therapiedauer lag zwischen 2 Monaten und 12 Jahren.
In 2 Fällen musste Clozapin aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt werden: Ein Patient entwickelte 8 Wochen nach Therapiebeginn eine Agranulozytose, die nach Absetzen remittierte. Eine Patientin hatte retrospektiv bereits vor Therapieeinstellung eine thrombotisch-embolische pulmonale Hypertension entwickelt. Clozapin wurde wegen des Risikos einer Verschlechterung dieser Zusatzerkrankung beendet.
Weitere unerwünschte Ereignisse waren eine Pulmonalembolie, die 1 Monat nach Therapiebeginn auftrat, eine starke Gewichtszunahme (eine bei Parkinson-Patienten selten beobachtete Nebenwirkung), Sedierung, Siallorrhoe und die Verstärkung von orthostatischer Hypotension.
Eine gute Wirksamkeit von Clozapin ist auch bei psychotischen Parkinson-Patienten, die schlecht auf Quetiapin ansprachen, zu erwarten. Ein direkter Therapieswitch von Quetiapin auf Clozapin wird von den meisten Patienten toleriert. Nebenwirkungen sind in den meisten Fällen managebar.
Weitere medikamentöse Optionen
Zur klinischen Wirksamkeit bei Parkinson-Psychose gibt es für Clozapin (6,25-50 mg TD) vs. In seinen Eigenschaften dem Clozapin ähnlich ist Quetiapin, welches aktuell am häufigsten zum Einsatz kommt (12,5 mg bis max. 150 mg). Quetiapin ist im allgemeinen gut verträglich, sollte wegen seiner sedierenden Eigenschaften als Einmalgabe abends verordnet werden, beginnend mit 12,5 mg und nur langsam (wöchentlich) in der Dosis gesteigert werden, je nach klinischem Bild.
Eine bislang in Österreich noch nicht erhältliche neue Option in der Behandlung von psychotischer Symptomatik bei Parkinson stellt Pimavanserin dar, ein nondopaminerges atypisches Antipsychotikum, welches erstmalig 2016 von der FDA in den Vereinigten Staaten für diese Indikation zugelassen wurde.
Drogeninduzierte Psychosen
Bei der Drogenpsychose handelt es sich um eine substanzinduzierte, exogene psychotische Störung. Exogen bedeutet in diesem Fall, dass sich die Ursache der Psychose und das Auftreten der vorwiegend psychischen Symptome auf den Drogenkonsum zurückführen lassen. Davon abhängig wird die passende Therapie gewählt. Besondere Vorsicht gilt überdies, wenn Alkohol mit illegalen Drogen kombiniert wird.
MDMA, Ecstasy und Amphetamine wie Speed oder Pep können ebenfalls auslösende Substanzen für drogeninduzierte Psychosen sein. Teilweise kann das Auftreten der psychotischen Störung bereits nach einmaligem Konsum festgestellt werden.
Um irreversible Schäden zu vermeiden, ist es umso wichtiger, missbräuchlichen Drogengebrauch rechtzeitig zu beenden und sich mit dem eigenen Konsumverhalten kritisch auseinanderzusetzen. Auch wenn sich eine Drogenpsychose bereits manifestiert hat, kann sie durch einen konsequenten Verzicht auf das Suchtmittel vielfach geheilt werden.
Grundsätzlich verläuft die Behandlung der substanzinduzierten Psychose wie bei allen anderen Psychosen. Dazu gehört eine sofortige Reduzierung der Reizüberflutung, ggf. auch durch eine medikamentöse Behandlung mit sogenannten Antipsychotika. Im Falle einer Drogensucht ist darüber hinaus ein Drogenentzug in einer qualifizierten Suchtklinik unabdingbar.
Umgang mit der Erkrankung
Es ist von großer Bedeutung, dass die Betroffen:e über die eigene Erkrankung Bescheid weiß - die Vermittlung dieses Wissens nennt man Psychoedukation. Eine vertrauensvolle und offene Gesprächsbasis mit der behandelnden Ärzt:in ist zudem wichtig. Betroffene müssen unbedingt ehrlich angeben, ob sie ihre Medikamente einnehmen, damit keine Fehldosierung passiert.
Zusammenfassung
Die Behandlung von Psychosen erfordert einen umfassenden Ansatz, der sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Interventionen umfasst. Die Wahl der geeigneten Therapie hängt von der Ursache der Psychose, den individuellen Bedürfnissen des Patienten und dem Vorliegen von Begleiterkrankungen ab. Eine frühzeitige und konsequente Behandlung kann den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.
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