Bei Gerichtsverhandlungen in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren wird seit mindestens 30 Jahren mit der „Pseudo-Diagnose PAS” (Parental Alienation Syndrome) oder „Eltern-Kind-Entfremdungssyndrom” argumentiert, auch im deutschen Sprachraum. Häufig wird die Existenz dieser Diagnose nicht hinterfragt.
Testierfähigkeit: Ein Sonderfall der Geschäftsfähigkeit
Prim. Univ-Prof. Dr.med. Reinhard Haller setzt sich in seinem Standardwerk "Das psychiatrische Gutachten" mit Fragen der gutachterlichen Beurteilung der Geschäfts- und Testierfähigkeit auseinander. Er bezeichnet die Testierfähigkeit als Sonderfall der allgemeinen Geschäftsfähigkeit.
Für die Besonderheiten bei der Beurteilung der Geschäfts- und Testierfähigkeit Verstorbener verweist er auf Prof. Clemens Cording, Die Begutachtung der freien Willensbestimmung im deutschen Zivilrecht: Geschäftsfähigkeit, Testierfähigkeit, Prozessfähigkeit, Suizid bei Lebensversicherung (2005). Ein weiteres einschlägiges Werk ist: Cording C./ Nedopil N., Psychiatrische Begutachtungen im Zivilrecht, Ein Handbuch für die Praxis, 2014.
Prof. Haller geht davon aus, dass die Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit anzunehmen sind, wenn die persönliche oder situative Orientierung nicht mehr gegeben ist, wenn mittelschwere und schwere, überdauernde, kognitive Einschränkungen nachweisbar sind oder wenn neben leichten kognitiven Einschränkungen zusätzliche affektive, halluzinatorische oder paranoide Symptome nachweisbar sind.
Schritte zur Beurteilung der Testierfähigkeit
Bei der gutachterlichen Beurteilung der Testierfähigkeit sind nach Prof. Haller folgende Schritte zu gewährleisten:
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- Diagnostische Feststellung einer psychischen Störung auf psychopathologischer Ebene.
- Bestimmung des Schweregrads dieser Störung.
- Frage der Beeinträchtigung der Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit (nunmehr Entscheidungsfähigkeit).
- Zeitliche Zuordnung zum Zeitpunkt der Testierung.
- Frage des Vorliegens eines lucidum intervallums.
- Beurteilung der Suggestibilität bzw. Fremdbeeinflussbarkeit.
Demenz und Testierfähigkeit
Nach Horst Dilling, Harald J. Freyberger, Taschenführer zur ICD-10 Klassifikation psychischer Störungen, Hogrefe 2016, ist Demenz (F00-F03) ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Erkrankung des Gehirns mit Beeinträchtigung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen.
Das Bewusstsein ist nicht getrübt (mit Ausnahme der späten Stadien der Erkrankung). Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.
Der ICD 10 ist die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision.
Alzheimer - Demenz: Diese ist gekennzeichnet durch das Vorliegen morphologischer Veränderungen: Hirnatrophie, Abnahme der Zahl der Nervenzellen und der Synapsen, die für die Signalübertragung erforderlich sind. Innerhalb und außerhalb der Nervenzellen kommt es zu Ablagerungen von pathologischen Eiweißkomplexen. Es handelt sich um strukturelle Hirnschädigungen.
Die zweithäufigste Ursache für ein demenzielles Syndrom stellen Veränderungen der Hirngefäße dar. Neuropathologisches Korrelat der im cCT oder MRT sichtbaren flächigen Veränderungen der weißen Hirnsubstanz sind meist progredient verlaufende Veränderungen der kleinen Arterien des Gehirns, die zu einer Verringerung der Anzahl der Arterien sowie zu pathologischen Veränderungen der weißen Substanz des Gehirns führen. In der Regel finden sich eine Vielzahl kleiner Hirninfarkte. WMHs und Lakunen stellen immer eine strukturelle Schädigung des Gehirns dar.
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Gemäß Müßigbrodt, Kleinschmidt, Schürmann, Freyberger, Dilling, Psychische Störungen in der Praxis, Verlag Huber, Hogrefe, 2014, S 22 zu F 00 - F 03 Demenz können Patienten aber trotz erheblicher Gedächtnisstörungen in kurzen Kontakten aufmerksam und situationsadäquat wirken. ("Fassadenverhalten", 2 Ob 502/91)
Erste Hinweise auf ein demenzielles Syndrom
Erste Hinweise auf ein demenzielles Syndrom sind:
- Merkfähigkeitstörungen
- Orientierungsstörungen
- Wortfindungsstörungen, häufiges Benutzen von Floskeln
- Verlangsamung der kognitiven Funktionen
- Schwierigkeiten, mehrschrittige Handlungsabläufe richtig durchzuführen
- Wahn, bestohlen oder hintergangen zu werden
- Schlafstörungen mit nächtlicher Unruhe
- Verhaltensänderungen (Ausbildung "sinnloser" stereotyper Verhaltensmuster)
- Veränderungen der Persönlichkeit im Sinne einer Akzentuierung oder Entdifferenzierung der Primärpersönlichkeit
Tests zur Ermittlung des Schweregrades einer Demenz
Zur Ermittlung des Schweregrades einer Demenz stehen entsprechende klinische Tests zur Verfügung.
- Minimentaltest
- Uhrentest
- DemTect
Wahn im Alter
Nach der klassischen Definition des Wahns nach Karl Jaspers zeichnet sich der Wahn aus durch:
- die außergewöhnliche Überzeugung, mit der an dem "verfälschten" Urteil festgehalten wird und die ungewöhnliche subjektive Gewissheit,
- die Unbeeinflussbarkeit durch Erfahrung und zwingende Schlüsse (Unkorrigierbarkeit des Gedankens),
- sowie die Unmöglichkeit des Inhalts.
Bei hirnorganischen Abbauprozessen ist es jedoch möglich, dass die krankhaften, die freie Willensbildung aufhebenden paranoiden Gedankeninhalte von Personen unbemerkt bleiben können, wenn sie mit dem Krankheitsbild nicht vertraut sind.
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Wahnideen älterer Menschen werden nicht selten als "alterstypische Verbohrtheit", bloße "Rigidität", "'Altersstarrsinn" oder Ähnliches qualifiziert.
Die Behandlungsmöglichkeiten eines Wahns bestehen im Wesentlichen in der Behandlung mit Psychopharmaka - Antipsychotika.
Beim Wahn kommt es nicht nur zu einer unzureichenden Auffassung des realen Geschehens, sondern zu einem in gravierender Weise verzerrten Realitätsbezug, indem beispielsweise wohlmeinende Angehörige als böswillige Verfolger erlebt werden. Die damit einhergehenden emotionalen Einstellungsänderungen sind in der Regel tiefgreifend und anhaltend, selbst wenn die ursprünglichen Wahngedanken (z.B. unter neuroleptischer - antipsychotischer - Behandlung) abgeklungen sind.
Organische Wesensänderung
Hirnkrankheiten und Schädigungen verursachen häufig organische Persönlichkeitsstörungen (Wesensänderungen), die am geänderten Verhalten zu erkennen sind. Der Betroffene wird gleichgültig und interesselos, reagiert verlangsamt und umständlich, ist reizbar und leicht verstimmt, zeigt einen Verlust höherer Regungen (zB Rücksichtnahme) und eine Abstumpfung feinerer seelischer Schwingungen.
Lucidum Intervallum
§ 568 ABGB regelt die Beweislast bei grundsätzlich vorhandener Testierunfähigkeit für das Vorliegen des lucidum intervallum dergestalt, dass das lucidum intervallum vom Behauptenden bewiesen werden muss.
Bei chronisch verlaufenden psychopathologischen Symptomen sind jedoch kurzfristige luzide Intervalle mit Wiedererlangung der Urteils- und Steuerungsfähigkeit nahezu unmöglich. Sowohl bei demenziellen Abbauprozessen als auch bei altersparanoiden Symptomen ist eine solche Möglichkeit nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen.
Insoweit weist Cording darauf hin, dass sich bei chronischen oder chronisch-progredienten Störungen (wie beispielsweise demenziellen Syndromen, ausgeprägten organischen Wesensänderungen, vielen Wahnsyndromen, etc) die Beurteilung der Testierfähigkeit nach den individuell im fraglichen Zeitraum vorhandenen Dauerveränderungen der gutachtensrelevanten Symptomatik richtet.
Klinisch-psychologische Diagnostik in Baden
Als Klinische Psychologin und Psychotherapeutin biete ich klinisch-psychologische Diagnostik in Baden für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Im Rahmen dieser Diagnostik werden Leistungstests, wie z. B. Aufmerksamkeits-, Konzentrations-, Intelligenz-, Merkfähigkeits-, Koordinations- und Neurofeedbacktests sowie Wahrnehmungstests nach Warnke, Legasthenie- und Dyskalkulietests durchgeführt. Außerdem wird eine ausführliche Persönlichkeitsabklärung mittels Fragebogenverfahren und/oder projektiven Tests gemacht.
Was ist eine klinisch-psychologische Diagnostik?
Zur klinisch-psychologischen Diagnostik zählen einerseits das Erkennen von Problemen und Störungen des menschlichen Erlebens und Verhaltens und andererseits das Entwickeln von maßgeschneiderten Lösungen und Behandlungen.
Ich setze modernste und bewährte Methoden ein, um Probleme in den Bereichen Lernen, Gedächtnis und Denken, Gefühle, Motivation, Ängste, Belastungen, aufgrund körperlicher Erkrankungen oder einschneidender Erlebnisse und Lebenskrisen exakt und zielgerichtet zu behandeln. Selbstverständlich gebe ich Ihnen vor einem Behandlungsbeginn eine detaillierte Behandlungsempfehlung!
Ablauf und Gutachten
Die klinisch-psychologische Diagnostik besteht aus einem Anamnese-Gespräch und, je nach Fragestellung, individuell ausgewählten psychologischen Testverfahren, welche mindestens zwei Stunden dauern. Sie erhalten nach einem ausführlichen Gespräch und individuell ausgesuchten, verschiedenen Leistungs- und Persönlichkeitstests ein Gutachten, welches auch besprochen wird zu weiteren Therapie- bzw. Trainingsempfehlungen. In erster Linie für den Klienten - zuweilen auch für den zuweisenden Arzt.
Die besondere Leistung in meiner Psychotherapie-Praxis in Baden ist die Zusammenfassung der psychologischen Diagnostik in einem Gutachten. Diese Gutachten werden aufgrund meiner Anerkennung als allgemein gerichtlich zertifizierte und beeidete Sachverständige vor allem von Schulen, Behörden, Psychotherapeuten, Sozialversicherungsanstalten oder Gerichten sehr geschätzt.
Verrechnung mit der Krankenkasse
Ich kann meine Leistungen nur dann mit Ihrer Krankenkasse verrechnen, wenn Sie mit Ihrer E-Card sowie einer ärztlichen Überweisung zu mir in die Praxis kommen. Die Krankenkasse übernimmt einmal pro Jahr die Kosten für Diagnostik und Gutachten in vollem Ausmaß.
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