Eine bedeutsame Grundrate an zivilen wie familiären Gewalterfahrungen hat zunehmend auch westliche Gesellschaften für traumatische Erfahrungen und Trauma-Folgestörungen sensibilisiert. Die globalisierte Dimension von Krieg, Folter, Genozid, Natur- und Hungerkatastrophen mit einer seit mehreren Jahren nun auch europäische Staaten erreichenden Massenmigration hat noch dazu beigetragen, dass traumatische Ereignisse und ihre Gesundheitsfolgen im öffentlichen Bewusstsein zentral beachtet werden.
Trauma beschreibt allgemein ein äußeres Ereignis, das für die große Mehrheit einer Bevölkerung das Gefühl einer überwältigenden Bedrohung vermittelt. In der neuen Version von DSM-5 werden im Trauma-Kriterium extreme und nicht nur schwerwiegende Stresserfahrungen verlangt. Das noch in DSM-IV-TR zusätzlich geforderte subjektive Kriterium einer traumatischen Erschütterung mit Todesangst, Panik, Ohnmacht und Hilflosigkeit wurde hingegen aufgegeben, da sich epidemiologisch keine prospektive Bedeutung für ein erhöhtes Risiko einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bestätigen ließ (Kapfhammer 2014).
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zeichnete sich bis zu DSM-IV-TR und im Wesentlichen auch im ICD-10 durch drei Symptomkomplexe aus, durch intrusiv auftretende Erinnerungen an das Trauma, durch eine systematische Vermeidung aller Trauma-bezogenen Aspekte sowie durch zahlreiche körperliche und kognitive Symptome einer autonom-nervösen Überaktivität. In DSM-5 wird das klinische Bild einer PTBS erstmals sehr viel breiter beschrieben.
Es werden nunmehr auch negative Veränderungen in Kognitionen und Stimmungen in unmittelbarer Assoziation mit dem Trauma eigenständig abgebildet. DSM-5 führt explizit auch die Kodierung eines „verspäteten Beginns“ auf. Und es definiert ferner die separate Spezifizierung eines „dissoziativen Subtypus“ mit prominenten Symptomen einer Depersonalisation und Derealisation.
Die breite Konzeptualisierung der PTBS in DSM-5 hat letztlich dazu geführt, dass kein eigenständiger diagnostischer Status einer „komplexen PTBS“ in die Störungsgruppe aufgenommen worden ist. Unter einer komplexen PTBS wird klinisch ein breiter Symptomenkomplex beschrieben, bei dem die Kriterien einer PTBS sehr häufig gleichzeitig erfüllt sind.
Im ICD-11 wird sich die Diagnose einer PTBS einerseits auf ein sehr allgemein gehaltenes Trauma-A-Kriterium („an extremely threatening or horrific event“) stützen, andererseits eine relativ enge, als spezifisch erachtete klinische Phänomenologie definieren. Die neue Diagnose einer komplexen PTBS wird drei spezielle intra- und interpersonale Symptom-Cluster zusätzlich zu den PTBS-Kernsymptomen beinhalten (Brewin et al.). Als weitere Diagnose wird eine anhaltende Trauerstörung aufgeführt sein (Maciejewski et al. 2016). Die Diagnose der Anpassungsstörung wird durch Anlehnung an das psychologische PTBS-Modell von Intrusion und Vermeidung eine wesentlich stärkere Spezifizierung der Symptome zeigen (Kazlauskas et al. 2018).
In einer epidemiologischen Perspektive stellen PTBS und ABS prototypische Reaktionstypen dar. Nach schwerwiegenden Traumatisierungen findet sich aber auch ein Anstieg zahlreicher anderer psychischer Störungen wie Depressionen, Angststörungen, schädlicher Substanzgebrauch, somatoforme Störungen etc. (Reifels et al. 2017). In einem prospektiven Longitudinaldesign können vor allem erhöhte Inzidenzen für PTBS, Depression und spezifische Phobien nachgewiesen werden (Asselmann et al. 2018).
Die allgemeine Trauma-Expositionsrate in den USA liegt konservativ geschätzt etwa bei 60 Prozent, beispielsweise in Algerien aber bei über 90 Prozent. Die korrespondierenden PTBS-Lebenszeitprävalenzen betragen entsprechend 7,8 Prozent versus 37,4 Prozent. Eine Dosis-Wirkung-Beziehung wird für folgende Traumatypen berichtet : sexuelle Gewalt, Kampfeinsätze, terroristische Anschläge, Naturkatastrophen.
Die Lebenszeithäufigkeit einer PTBS beträgt in den amerikanischen Studien für Frauen ca. zehn Prozent, für Männer ca. fünf Prozent. In europäischen Untersuchungen sind die Raten aber deutlich niedriger und unterstreichen hierin ebenfalls wichtige soziokulturelle Bedingungsfaktoren in der Pathogenese der PTBS (Norris & Slone 2014).
Erste epidemiologische Feldstudien, denen die modernen Kriterien von ICD-11 zugrunde gelegt wurden, zeigten für Deutschland eine Ein-Monats-Prävalenz für PTBS von 1,5 Prozent, für die komplexe PTBS von 0,6 Prozent sowie für eine Variante der komplexen PTBS mit niedrigerer Symptomschwelle von 0,7 Prozent (Maercker et al. 2018). Für die anhaltende Trauerstörung wurde eine bedeutsam hohe Prävalenzrate von knapp zehn Prozent ermittelt (Lundorff et al.).
In einer Verlaufsperspektive tritt unmittelbar nach einer schwerwiegenden Trauma-Exposition normativ eine Fülle von kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Symptomen auf. Diese Symptome werden über die Cluster der Intrusion, der Vermeidung, des autonomen Hyperarousal, der Dissoziation, der Depression zufriedenstellend erfasst. Sie sind mehrheitlich vorübergehender Natur.
Die unterschiedlichen Verlaufsgestalten nach einem Trauma belegen, dass die PTBS keine normative, sondern eine atypische posttraumatische Reaktion ist, deren wesentliches Kennzeichen die behinderte Erholung in einen psychosozialen Normalzustand ausdrückt (Shalev et al. 2017). PTBS-Symptome in voller klinischer Ausprägung über drei Monate definieren einen chronischen Verlauf. Die durchschnittliche Verlaufsdauer einer chronischen PTBS geht meist über mehrere Jahre.
Eine chronische PTBS zieht zahlreiche zusätzliche gesundheitliche Nachteile nach sich. Es besteht ein stark erhöhtes Risiko auch für andere komorbide psychiatrische Störungen. Bei langfristigen PTBS-Verläufen sind große Einbußen in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und psychosoziale Integration die Regel.
Eine der grundlegendsten Erkenntnisse aus den empirischen und experimentellen Studien zu traumatischen Erfahrungen und ihren Gesundheitsfolgen sind, dass psychosozial definierte Ereignisse nicht nur dramatische psychologische Verarbeitungsprozesse auslösen, sondern auch tief in biologische Regulationssysteme eingreifen und funktionelle wie auch strukturelle Störungen nach sich ziehen können.
Auf einer psychologischen Ebene liegen mittlerweile zahlreiche Ansätze vor, die Entstehen und klinische Ausgestaltung einer PTBS besser verständlich machen. Kognitiv-behaviorale Modelle besitzen das stärkste Erklärungspotenzial für die vielfältigen klinisch-phänomenologischen und verlaufsdynamischen Aspekte einer PTBS.
Einige Aspekte werden in der jüngeren Forschung speziell herausgehoben. So ist die posttraumatische Verarbeitung entscheidend mit dissoziativen Prozessen vergesellschaftet. Dissoziative Symptome sind einerseits das Ergebnis einer desintegrierten Prozessierung Trauma-bezogener Informationen, andererseits die Folge des evolutionär verankerten Schutzmechanismus von Depersonalisation und Derealisation.
Traumatische Erfahrungen markieren einen zentralen Knotenpunkt im autobiografischen Gedächtnis. Wichtige Aspekte und Details der traumatischen Szene werden aber oft nicht oder nur sehr verzerrt gespeichert. Der Grad der narrativen Desorganisation ist hierbei signifikant mit dem Ausmaß von Dissoziation während und nach dem Trauma assoziiert (Brewin 2011).
Der beeinträchtigten willentlichen Erinnerungsfähigkeit an ein definiertes Trauma steht meist eine sehr bedrohlich erlebte, unwillkürliche intrusive Wiedererinnerung an das Trauma gegenüber. Alle PTBS-Patienten weisen gelegentlich dissoziative Symptome als Ergebnis einer desintegrierten posttraumatischen Verarbeitung auf.
Posttraumatische Belastungsstörungen - oder kurz PTBS - sind häufig eine Folge von hochtraumatischen Erlebnissen oder belastenden Ereignissen wie schweren Unfällen, Naturkatastrophen, Gewaltverbrechen oder Kriegshandlungen. Typisch für diese Erkrankung sind die sogenannten Flashbacks, also das wiederholte Erleben der Situationen durch Erinnerungen oder in Träumen. Betroffene sind mit der Situation überfordert und können das Erlebte nicht bewältigen und verarbeiten. Als Folge dessen tritt eine emotionale Abgestumpftheit auf, die mit Gleichgültigkeit oder Teilnahmslosigkeit einhergehen kann.
In einem ausführlichen Gespräch gilt es zunächst zu klären, ob eine Belastungsstörung vorhanden ist. Anhand der (Kranken)geschichte, den Beschwerden und möglichen Risikofaktoren ermitteln wir, ob es sich um eine PTBS oder vielleicht auch andere psychische Erkrankung handeln kann.
Ziel einer therapeutischen Behandlung sind zunächst ausreichende Stabilisierung sowie intensive Ressourcenaktivierung. Letztlich wird angestrebt, dass die traumatischen Inhalte in die Lebensgeschichte integriert werden. Dabei sollte sich der vormalig erlebte Trauma-Belastungswert deutlich verringern.
Behandlungsansätze in der Tagesklinik für Traumafolgestörungen
Der Behandlungsansatz in der Tagesklinik für Traumafolgestörungen im Krankenhaus der Elisabethinen in Graz basiert auf der Theorie der strukturellen Dissoziation. Im Beitrag wird beschrieben, wie die drei Phasen der Traumabehandlung - Stabilisierung, Konfrontation und Integration - um Aspekte der Theorie der strukturellen Dissoziation erweitert werden.
Bei der strukturellen Dissoziation ist eine vollständige Integration traumatischer Erlebnisse (noch) nicht möglich. Es entwickeln sich zwei oder mehr dissoziierte Persönlichkeitszustände, die anscheinend normale sowie fragile oder kontrollierende emotionale Persönlichkeit genannt werden. Die Behandlung in der Tagesklinik zielt insbesondere auf die Überwindung von Phobien hinsichtlich Bindung, Bindungsverlust und Veränderungen ab. Patient:innen erhalten im Rahmen der Behandlung eine hohe Mitverantwortung für den therapeutischen Prozess.
Einleitend wird die Klassifikation und Definition von Traumafolgestörungen kurz zusammengefasst. Es folgt eine Darstellung der Ziele und Angebote der Tagesklinik. Der Behandlungsansatz der Tagesklinik basiert auf der klassischen Traumabehandlung entlang der drei Phasen Stabilisierung - Konfrontation - Integration und auf der Theorie der strukturellen Dissoziation.
Bei Patient:innen mit posttraumatischer Belastungsstörung, komplexer posttraumatischer Belastungsstörung oder dissoziativen Störungen ist die therapeutische Arbeit mit dissoziierten Persönlichkeitszuständen und Phobien zentral, wie im dritten Teil gezeigt wird.
Traumatische Ereignisse können vielfältige psychische und somatische Reaktionen auslösen, die in der Fachliteratur als Traumafolgestörungen bezeichnet werden. Eine dieser Störungen ist die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die sich durch Symptome wie Intrusionen, Vermeidungsverhalten und Hyperarousal äußert.
Im Jahr 2019 verabschiedete die WHO mit dem ICD-11 (International Classification of Diseases 11th Revision) eine Reihe signifikanter Modifikationen im Bereich der Traumafolgestörungen, was in der Behandlung von Trauma und Dissoziation zu substanziellen Verbesserungen führte: Das Kapitel „Spezifisch belastungsbezogene Störungen (Kap. 6B4)“ wurde neu eingeführt.
Patienten:innen mit kPTBS zeigen zusätzlich zu den PTBS-Symptomen signifikante Affektregulationsstörungen, Veränderungen in der Selbstwahrnehmung und Schwierigkeiten im Aufbau tragfähiger sozialer Beziehungen (Gysi 2025). Darüber hinaus weisen die Patient:innen häufig dissoziative Symptome und ein breites Spektrum an Komorbiditäten und Störungen wie Depressionen, Ängste, Substanzabhängigkeiten und somatoforme Störungen sowie chronische Suizidalität oder selbstverletzendes Verhalten auf (Sack et al. 2022).
Im September 2023 wurde die störungsspezifisch ausgerichtete Tagesklinik im Krankenhaus der Elisabethinen eröffnet. Gegenwärtig werden in der Tagesklinik Frauen im Alter zwischen 18 und 70 Jahren behandelt, die entweder an einer Traumafolgestörung nach ICD-11 (PTBS, kPTBS, verlängerte Trauerreaktionen) oder an einer traumabedingten dissoziativen Störung (somatoforme dissoziative Störung, Depersonalisations- und Derealisationsstörung) leiden.
Darüber hinaus werden auch Patientinnen mit einer Dissoziativen Identitätsstörung (DIS) oder einer partiellen Dissoziativen Identitätsstörung (pDIS) behandelt, sowie mit anderen psychiatrischen Störungsbildern, die zeitlich in Zusammenhang mit potenziell traumatisierenden Erfahrungen stehen, jedoch die Kriterien der spezifisch stressassoziierten Störungen nicht erfüllen. Von der Aufnahme sind Personen mit akuter Eigen- oder Fremdgefährdung, primärer Suchterkrankung mit fehlender Abstinenzfähigkeit, schwerer Persönlichkeitsstörung, akuter Psychose, schwerer somatischer Erkrankung sowie Personen mit schwerer kognitiver Einschränkung ausgeschlossen.
Derzeit (März 2025) sind sechs Plätze verfügbar, wobei langfristig eine Aufstockung auf acht Plätze vorgesehen ist. Die Dauer des Aufenthalts beträgt für Patient:innen sechs bis acht Wochen, an denen sie jeweils sechs bis acht Stunden an fünf Tagen pro Woche anwesend sind. Im Anschluss an den stationären Aufenthalt werden ambulante Nachsorgegespräche angeboten.
Das tagesklinische Setting bietet Patient:innen die Möglichkeit, an einem intensiven Therapieangebot teilzunehmen, während sie in ihrer gewohnten Umgebung wohnen. Das therapeutische Angebot ist darauf ausgerichtet, Patient:innen einen sicheren Rahmen zu bieten, in dem sie neue Beziehungserfahrungen machen und dadurch ihre gegenwärtigen Beziehungsmuster neu bewerten und sich aus schädlichen Beziehungen lösen können.
Darüber hinaus zielt die Therapie darauf ab, eine Reduktion störungsspezifischer Symptome wie Flashbacks, Intrusionen, Vermeidung und Hyperarousal zu erreichen. Die Patient:innen entwickeln idealerweise eine Gegenwartsorientierung und die Fähigkeit, Perspektiven für die Zukunft zu finden, was zu einer Reduktion der Wiedererlebens-Mechanismen führt. Zudem wird die Empathie für sich selbst geschult, was die Fähigkeit zur Selbstfürsorge fördert.
In der Einstiegsphase wird mit jeder Patientin ein traumaspezifisches Eingangsscreening durchgeführt. Dieses dient der Diagnosestellung und der leitliniengerechten Therapieplanung. So werden beispielsweise traumakonfrontative Methoden (Eye Movement Desensitization and Reprocessing [EMDR]) nur bei ausreichender Stabilität eingeplant. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Fähigkeiten zur Selbstfürsorge.
Die Tagesklinik bietet störungsspezifische psychotherapeutische Einzel- und Gruppentherapie, psychiatrisch fachärztliche Versorgung, Betreuung durch psychiatrisch geschulte Pflegefachpersonen, physio- und ergotherapeutische Maßnahmen, sowie Kunst‑, Musik‑, Tanz- und Körpertherapie. Die Grundlage der psychotherapeutischen Interventionen in der tagesklinischen Versorgung bildet die Anwendung traumaspezifischer Psychotherapie gemäß dem Standard der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT).
Der Behandlungsansatz der Tagesklinik erweitert die klassische Traumabehandlung entlang der drei Phasen Stabilisierung - Konfrontation - Integration auf Basis der Theorie der strukturellen Dissoziation.
Die Theorie der strukturellen Dissoziation stellt einen klinisch hoch relevanten Bezugsrahmen dar, um die fragmentierte Ich-Struktur bei komplex traumatisierten Patient:innen differenziert zu beschreiben. Sie ermöglicht die Sichtbarmachung und therapeutische Bearbeitung innerer Konflikte zwischen alltagsfunktionalen und traumaassoziierten Persönlichkeitszuständen. Die Integration dieses Modells in das therapeutische Vorgehen ermöglicht die Abgrenzung dissoziativer Symptome, die durch Persönlichkeitszustände hervorgerufen werden, von primär psychoformen dissoziativen Symptomen im Rahmen anderer psychiatrischer Störungen (z. B. Panikstörungen, depressive Störungen).
Für die therapeutische Arbeit ergibt sich daraus eine Erweiterung der Beziehungsgestaltung und der therapeutischen Intervention, die der Dynamik komplexer Traumafolgestörungen gerecht wird. Ziel dieser Theorie ist es, die Konzepte bereits bestehender Dissoziationstheorien zu vereinheitlichen und dissoziative Störungen in das Spektrum traumabezogener Störungen einzuordnen (Gast und Wabnitz 2023).
Gemäß dieser Theorie wird die Dissoziation der Persönlichkeit als zentrales Merkmal eines Traumas definiert (vgl. ebd.). Prototypische ANPs („anscheinend normale Persönlichkeit“) verfolgen das Ziel, das Leben im Alltag zu meistern und im Hier und Jetzt zu leben. Sie ignorieren, vermeiden und verdrängen traumatische Erinnerungen und dazugehörige Emotionen. Die posttraumatische Vermeidung, ein Symptom der PTBS, ist beim ANP-Anteil signifikant ausgeprägt (Nijenhuis 2018; van der Hart et al.
Prototypische EPs („emotionale Persönlichkeiten“) sind während der Traumatisierung entstanden und in den traumatischen Erinnerungen gefangen. Fragile emotionale Persönlichkeitszustände tragen schmerzhafte und verletzte Emotionen, sind auf Bindungssuche ausgerichtet und möchten erlebte traumatische Erfahrungen aus der Vergangenheit mitteilen. Kontrollierende EPs werden auch als täter:innenloyale oder täter:innenimitierende Anteile bezeichnet.
Im Rahmen der Theorie der strukturellen Dissoziation wird der Begriff Phobie differenziert verwendet, um tiefgreifende, häufig unbewusste Vermeidungshaltungen gegenüber traumabezogenen Inhalten und dissoziierten Persönlichkeitszuständen zu beschreiben (Steele et al. 2005). Diese Haltung steht im Gegensatz zur allgemeineren, affektiven Angstreaktion.
Im Therapieverlauf zeigen sich unterschiedliche Ebenen solcher Phobien, etwa die Phobie vor der Anerkennung der Erkrankung, vor der therapeutischen Beziehung, vor Bindung und Bindungsverlust sowie Phobien zwischen den Persönlichkeitszuständen (Steele et al. 2021). Ein primäres Ziel in der Behandlung besteht darin, die Patient:innen dabei zu unterstützen, die Kommunikation und Kooperation der verschiedenen dissoziativen Persönlichkeitszustände zu bewerkstelligen.
Eine weitere Aufgabe ist die Unterstützung der Patient:innen bei der Überwindung von Phobien hinsichtlich Bindung und Bindungsverlust (Steele et al. In dieser ersten Phase geht es um die Überwindung der Phobie vor dem Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Arbeitsbeziehung. Traumatisierte Patient:innen haben oft schwere Beziehungstraumata erlebt. Es fällt ihnen oft schwer, sich auf eine Beziehung einzulassen.
Häufig zeigen die Patient:innen aus dieser Erfahrung heraus Strategien, ihr Gegenüber zu regulieren (Fawning-Reaktion), mit dem Ziel, Beziehung und Sicherheit durch Anpassung zu erhalten (Steele et al. 2021). Im Vordergrund der therapeutischen Intervention stehen Psychoedukation, Stabilisierung im Alltag, Symptomreduktion im Alltag, dosierte Bindungsangebote. Ziel ist es, dass sich die Patient:innen in dieser Phase verstanden fühlen und Sicherheit in der therapeutischen Begegnung erleben.
Patient:innen erleben in dieser Phase der Behandlung durch den intensiven therapeutischen Prozess im Einzelgespräch, aber auch durch die Interaktionen in der Gruppe die Konfrontation mit Bindungsängsten und Ängsten vor Veränderung. Diese Phase ist häufig durch Instabilität gekennzeichnet, Patient:innen reagieren auf Belastungen mit Rückzug, schweren Krisen mit suizidalen Krisen und/oder selbstverletzendem Verhalten (Gysi 2025; Steele et al.
Steele et al. (2021) weisen darauf hin, dass der Fokus auf den Prozess und nicht auf den Inhalt für die Behandlung wesentlich ist. Als wesentliche Behandlungsprinzipien beschreiben sie weiterhin, dass die Behandlung innerhalb des Toleranzfensters der Patient:innen, aber auch der Therapeut:innen bleiben soll, die Mentalisierungsfähigkeit der Patient:innen gestärkt werden soll und alle dissoziierten Anteile als Aspekte der einen Person gesehen und behandelt werden sollen (Steele et al.
Patient:innen beschreiben oft widersprüchliche innere Erfahrungen. Wenn sie diese Erfahrungen selbst als Persönlichkeitszustände bezeichnen, können wir ihnen mit diagnostischen Fragen helfen, die Dynamik zwischen diesen Anteilen zu erforschen. Die Antworten geben Aufschluss über die Anzahl der Anteile und die vorhandene Kommunikation und Kooperation zwischen den verschiedenen Persönlichkeitszuständen.
Zusätzlich werden in dieser Phase Fragen zur Personifizierung gestellt, wie z. B. „Was braucht mein Körper?“ oder „Was brauche ich?“, um die Ich-Wahrnehmung einzelner Persönlichkeitszustände zu erkennen (vgl. Anschließend geht es um die Realisierung traumatischer Erinnerungen und die Bearbeitung von Phobien zwischen den verschiedenen dissozi...
Letztlich wird angestrebt, dass die traumatischen Inhalte in die Lebensgeschichte integriert werden. Dabei sollte sich der vormalig erlebte Trauma-Belastungswert deutlich verringern.
Prävalenz von PTBS und komplexer PTBS in Deutschland (ICD-11)
Störung | Ein-Monats-Prävalenz |
---|---|
PTBS | 1,5% |
Komplexe PTBS | 0,6% |
Variante der komplexen PTBS mit niedrigerer Symptomschwelle | 0,7% |
Anhaltende Trauerstörung | knapp 10% |
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