Viele Eltern fühlen sich überfordert, wenn ihr Kind im Kindergarten auffälliges Verhalten zeigt. Sie streiten ständig oder zerstören vordergründig mutwillig Dinge. Doch wann spricht man überhaupt von Verhaltensauffälligkeit und was ist zu tun?
Was ist auffälliges Verhalten?
In der heutigen Zeit wird der Begriff „Verhaltensauffälligkeit“ laut Busch-Frankl viel zu schnell und unüberlegt verwendet. Denn es ist normal, dass Kinder mal unruhig, ängstlich oder aggressiv sind und sich gegen die Forderungen der Eltern stellen. Es gibt aber auch eine Grenze, wo man in den Bereich der krankhaften Verhaltensauffälligkeit kommt.
Prinzipiell gilt: Ein Verhalten wird erst als auffällig bezeichnet, wenn es erheblich und dauerhaft von der Norm abweichend ist. Ein wichtiges Kriterium ist zudem das subjektive Leid der Betroffenen.
Verhaltensauffälligkeiten können ganz unterschiedlich aussehen, von wiederkehrenden Regelkonflikten über Wutausbrüche bis hin zu Rückzug. Wenn Kinder oder Jugendliche über längere Zeit ein belastendes Verhalten zeigen, sollte man dies genauer betrachten und gemeinsam einordnen.
Nicht jedes auffällige Verhalten bedeutet sofort ein ernstes Problem. Je früher Sie handeln, desto besser lassen sich Probleme einordnen und passende Wege finden.
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Auffälliges Verhalten kommt bei Kindern und Jugendlichen relativ häufig vor und kann ihre Fähigkeit beeinträchtigen, mit Gefühlen und Herausforderungen umzugehen. Grundsätzlich gilt: Jedes Kind kann einmal wütend werden, den Appetit verlieren oder in einen Konflikt geraten - das gehört zur Entwicklung dazu. Entscheidend ist, wie lange und intensiv das Verhalten anhält. Wenn Schwierigkeiten über einen längeren Zeitraum bestehen und den Alltag deutlich belasten, ist es sinnvoll, ein Erstgespräch mit einer Fachperson zu suchen.
Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten
Für solche Auffälligkeiten gibt es mehrere Ursachen. Es kann sich um eine normale Entwicklungsphase (Trotzreaktion) handeln, ein Trauma wie etwa Missbrauch oder Misshandlung kann passiert sein oder es handelt sich um körperliche Gegebenheiten, zum Beispiel hormonell bedingt oder auf Grund einer Behinderung. Deshalb ist eine Abklärung von klassisch medizinischer Seite beim Arzt auch der erste Schritt, wenn ein Kind „auffällig“ ist.
Verhaltensauffälligkeiten können sich ganz unterschiedlich zeigen. Manche Kinder reagieren eher laut und impulsiv, andere ziehen sich zurück oder entwickeln stille Probleme.
Auffälligkeiten können aber auch eine Reaktion auf die Lebenssituation des Kindes sein - bei fehlerhafter Erziehung und sozialer Verwahrlosung gilt oftmals: Besser negative Aufmerksamkeit als keine Aufmerksamkeit.
Verhaltensauffälligkeiten sind meist eine Reaktion auf ein schwieriges Umfeld. Das Kind ist aber im Gegensatz zum Erwachsenen von seinem Umgebung abhängig. Kinder mit auffälligem Verhalten provozieren nicht, weil sie „böse“ sind, sondern sie wollen einen Hilferuf durch ihr Verhalten senden. Diese Kinder wollen durch ihr Verhalten die Aufmerksamkeit der Eltern, da sie von diesen möglicherweise zu wenig bekommen oder eifersüchtig auf Geschwister sind.
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Ein Kind mit einem auffällig anderen Verhalten provoziert nicht absichtlich, es sendet eigentlich, teils unbewusst, teils auch bewusst, Botschaften an sein Umfeld. Dieses Verhalten wiederum bringt die Erwachsenen oft an die Grenzen ihres pädagogischen Handelns und Verstehens.
Oftmals liegen neben Problemen in der Erziehung, die Hauptursachen in den Bereichen der Wahrnehmung, die wiederum Lernschwierigkeiten (beispielsweise eine unerkannte Legasthenie oder eine Rechenschwäche) zur Folge haben. Das Kind explodiert förmlich unter all dem Druck und den Erwartungen von allen Seiten. „Besser Beachtung bei negativ bewertetem Verhalten, als gar keine Beachtung“, ist hier die gewählte Perspektive. Das ist eigentlich ein gesunder Mechanismus, der in diesem Fall angewendet wird.
Die Ursache für die Verhaltensauffälligkeit Ihres Kindes kann auch im Kindergarten liegen. Beispielsweise sind in manchen Kindergärten die Regeln unklar oder bleibt deren Missachtung ohne Konsequenzen. Manchmal werden Verhaltensauffälligkeiten von den Erzieher/innen verstärkt, indem sie mit Aufmerksamkeit und Zuwendung in ihrem Verhalten bestärkt werden. Oft kommt es auch zu einer Vorverurteilung der Kinder. Zeigt ein Kind häufiger aggressives Verhalten, hören Eltern beim Abholen Ihres Kindes, es würde immer aggressiver werden. Viele Kindergärten begegnen leider einer ganzen Familie umgehend mit Vorurteilen.
Auch das Betreuungsangebot selbst kann zu auffälligem Verhalten bei Ihrem Kind führen. Ist der Altersunterschied zwischen den Kinder groß und wird das Programm mehr auf die jüngeren Kinder angepasst, kann Ihr Kind schnell gelangweilt sein und sich mit seinem auffälligen Verhalten selbst beschäftigen. Andere Kinder, insbesondere wenn sie in ihren Familien im Mittelpunkt stehen, können in einer großen Gruppe nur dann die gewohnte Aufmerksamkeit erlangen, wenn sie aggressiv sind, herumtoben oder anderweitig ausagieren. Bei großen - und insbesondere bei offenen Gruppen - fällt es manchen neuen Kindern auch schwer, eine Bezugsperson zu finden.
Was können Eltern und Erzieher tun?
Im Umgang mit tatsächlich verhaltensauffälligen Kindern ist es wichtig, dass die Eltern dem Kind gegenüber viel Einfühlungsvermögen und Verständnis entgegen bringen. Denn besonders diese Kinder brauchen eine stabile Beziehung, um Vertrauen aufbauen zu können. Das Motto dabei: Positiv verstärken statt strafen.
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Kinder brauchen in herausfordernden Zeiten vor allem eines: Sicherheit und Orientierung. Schon kleine Veränderungen im Alltag können dabei helfen, Ihr Kind zu entlasten und Konflikte zu reduzieren.
- Stabilität durch Rituale: Feste Schlafenszeiten, regelmäßige Mahlzeiten oder kleine Familienrituale geben Kindern Halt und machen den Tagesablauf vorhersehbar.
- Klare Regeln schaffen Sicherheit: Regeln sollen einfach, verständlich und konsequent sein.
- Bei Wutausbrüchen hilft es, selbst ruhig zu bleiben, dem Kind klare Grenzen zu setzen und dennoch Verständnis zu zeigen („Ich sehe, dass du wütend bist, aber Schlagen ist nicht in Ordnung“).
- Rückzug respektieren: Manche Kinder brauchen in schwierigen Situationen eine Pause. Ein ruhiger Ort oder ein gemeinsames Ritual wie Lesen oder Musik hören kann helfen.
- Liebevoll Grenzen setzen: Formulieren Sie Regeln positiv („Du darfst draußen spielen, sobald die Hausaufgaben erledigt sind“) statt nur Verbote auszusprechen. So fühlt sich Ihr Kind gesehen und ernst genommen.
Gleichzeitig ist es wichtig, Verhaltensauffälligkeiten nicht unbeachtet zu lassen: Bleiben sie über längere Zeit bestehen, können schulische Probleme, soziale Isolation oder ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen im KIndes- Jugend- oder Erwachsenenalter die Folge sein.
Zeigt Ihr Kind Verhaltensstörungen und sehen Sie die Gründe dafür im Kindergarten, sollten Sie Ruhe bewahren und frühzeitig reagieren. Seien Sie Ihrem Kind ein gutes Vorbild und suchen Sie das Gespräch mit dem Kindergarten. Gehen Sie die Aktivitäten mit den Erziehern minutiös durch versuchen Sie gemeinsam eine Lösung für das Problem zu finden. Suchen Sie das Gespräch zu Ihrem Kind. Machen Sie Ihrem Kind dabei aber keine Vorwürfe. Auch Schimpftiraden sollten Sie vermeiden. Geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, dass es Sie ebenso bedrückt, wenn Ihr Kind im Kindergarten keinen Spaß hat. Versichern Sie Ihrem Kind, dass Sie an einer Lösung interessiert sind. Auch an ein Sechs-Augen-Gespräch mit einem Erzieher kann helfen. Wichtig sind die richtigen Umstände. Auf gar keinen Fall soll sich Ihr Kind angeprangert fühlen.
Professionelle Hilfe
Ein Problem unsere Zeit ist, dass immer mehr Eltern verunsichert sind. Sie kaufen sich Ratgeber und laufen von einer Erziehungsberatung zur nächsten. Die Folge ist: Das Kind lernt, mit mir ist etwas nicht in Ordnung. An mir muss was „behandelt“ werden.
Wenn Eltern wirklich verunsichert sind und das Verhalten das Kind und die Familie/Schule bereits belastet, sollten Eltern erstmals ohne dem Kind eine Beratung aufsuchen. Erster Schritt sollte immer sein, die Ursache herauszufinden. Erst wenn man diese kennt, kann man Interventionen setzen. Darüber hinaus sollte auch das Verhalten des Kindes mit Gleichaltrigen verglichen werden, da in einer gewissen Altersstufe bestimmte Verhaltensweisen normal sind, welche aber in einer anderen Altersgruppe ein auffälliges Verhalten darstellen.
Wenn sich eine Familie mit ihrem Kind einmal in solchen, oben beschriebenen Situationen befindet, ist es meist kaum möglich ohne Hilfe von Außen herauszukommen. Zu schwer ist die Last, die zugeteilten Rollen sind schon zu festgefahren. Hier ist es ratsam sich rasch Hilfe zu holen!
Die Basis der Arbeit ist ein gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen. In weiterer Folge versuche ich die eigenen Kräfte und Ressourcen des Kindes zu aktivieren.
Was ein Kind aber in diesem Moment wirklich bräuchte, wäre echte Annahme ohne Erwartungen. Nähe und Verständnis ohne Forderungen. Eine völlige Annahme, wie das eben wirklich Kind ist, mit all seinen Stärken und auch Schwächen, ist es was dem Kind weiterhilft.
Bei Kindern mit starken Problemen im Verhalten, ist diese vorbehaltlose Annahme ohne Erwartungen unglaublich wichtig. Das Kind muss das Gefühl haben, um seiner Selbst willen wichtig zu sein, nicht geknüpft an ein bestimmtes Verhalten oder bestimmte Erwartungen. Erst wenn das Kind psychisch und emotional stabil ist, stehen Entwicklungsförderung, Wahrnehmung und Förderung der Schulprobleme im Zentrum.
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