Alle Menschen machen im Laufe des Lebens Phasen durch, in denen sie traurig sind oder ihnen Freude und Energie fehlen. Aber solche schlechten Zeiten sind nicht zu verwechseln mit einer Depression. Eine Depression verschwindet nicht so leicht von selbst.
Depressive Menschen leiden unter tiefer Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Eine Depression ist eine ernste Erkrankung. Etwa 16 bis 20 von 100 Personen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer depressiven Erkrankung.
Die Depression macht antriebslos und nimmt die Freude an Dingen, die man früher eigentlich gerne getan hat. Erkrankte haben oft Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, schlafen schlecht oder haben das Gefühl, ihr Verstand würde nicht mehr richtig funktionieren. Dazu kommen Selbstzweifel und Schuldgefühle.
Wenn Sie diese Beschwerden kennen und vermuten, an einer Depression erkrankt zu sein, wenden Sie sich an eine vertraute Person und suchen Sie gemeinsam professionelle Unterstützung.
Darüber hinaus gibt es Johanniskraut-Präparate (Hypericum perforatum). Extrakte der gelb blühenden Pflanze gelten als natürliche Stimmungsaufheller und sollen gegen die Depression helfen. Zumindest werden diese Mittel schon seit Jahrhunderten eingesetzt.
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Wirkung von Johanniskraut bei Depressionen
Johanniskraut ist das wichtigste pflanzliche Heilmittel bei leichten bis mittelschweren Depressionen. Bei leichter bis mittelschwerer Depression wirken Johanniskraut-Präparate wahrscheinlich besser als ein Placebo. Johanniskraut-Präparate wirken dabei wahrscheinlich ähnlich gut wie Antidepressiva.
Ob die Wirkung von Johanniskraut anhält oder vielleicht mit der Zeit abnimmt, ist jedoch unklar. Johanniskraut und Antidepressiva können die Beschwerden zwar lindern, die Depression endgültig heilen können beide Mittel allerdings vermutlich nicht.
Bei einer schweren Depression sollte man sich außerdem nicht auf die Wirkung von Johanniskraut allein verlassen.
Johanniskraut wirkt antidepressiv, stimmungsaufhellend und angstlösend. Diese Wirkung ist vermutlich auf die Substanz Hyperforin zurückzuführen, die wiederum zur Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin aus den Synapsen führt.
Johanniskraut ist vor allem für seine Wirkung auf die Psyche bekannt und wird häufig als natürliches Mittel bei leichten bis mittelschweren Depressionen eingesetzt. Die Pflanze wird traditionell genutzt, weil sie die Verfügbarkeit von stimmungsaufhellenden Botenstoffen wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin erhöht.
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Hypericin und Hyperforin hemmen die Wiederaufnahme dieser Stoffe, sodass sie länger aktiv bleiben und die Kommunikation zwischen den Nervenzellen verbessern. Johanniskraut funktioniert ähnlich wie synthetische Antidepressiva, aber auf natürlicher Basis.
Hyperforin, einer der Hauptwirkstoffe, moduliert Transportproteine in den Nervenzellen, sodass wichtige Neurotransmitter wie Serotonin länger im Gehirn verfügbar sind.
Viele Studien zeigen, dass Johanniskraut eine effektive natürliche Unterstützung bei leichten bis mittelschweren Depressionen sein kann. Die beiden Hauptwirkstoffe der Pflanze, Hyperforin und Hypericin, sorgen dafür, dass stimmungsaufhellende Botenstoffe wie Serotonin, Dopamin und GABA länger im Gehirn verfügbar bleiben.
„Als Mechanismus wird postuliert, dass Johanniskraut als Inhibitor der Aufnahme dieser Neurotransmitter an den Nervenenden wirkt, ähnlich wie verschreibungspflichtige Medikamente“, sagt Dr.
Besonders interessant: In Studien wurde die Wirkung von Johanniskraut mit der von synthetischen Antidepressiva wie SSRIs (Selective Serotonin Reuptake Inhibitors) verglichen. Dabei zeigte sich, dass Johanniskraut genauso gut wirken kann - allerdings mit deutlich weniger Nebenwirkungen.
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Neben der stimmungsaufhellenden Wirkung hilft Johanniskraut auch bei Begleitsymptomen wie Schlafstörungen oder Kopfschmerzen, die oft mit Depressionen einhergehen. Wichtig ist jedoch, dass die Dosierung und Qualität des Präparats stimmen. Bei schweren Depressionen reicht Johanniskraut allein oft nicht aus.
Bei leichten und mittelschweren depressiven Episoden wirkt Johanniskraut nach etwa 4 Wochen.
Weitere Anwendungsgebiete von Johanniskraut
Johanniskraut ist nicht nur für seine Wirkung auf die Psyche bekannt, sondern hat auch beeindruckende physische Effekte. Schon seit Jahrhunderten wird Johanniskraut bei Hautproblemen eingesetzt. Seine entzündungshemmenden und wundheilenden Eigenschaften kommen vor allem durch Flavonoide und ätherische Öle zustande.
Das aus den Blüten gewonnene Johanniskrautöl ist ein beliebtes Mittel bei kleineren Verletzungen, Verbrennungen und Ekzemen. Es hilft der Haut bei der Regeneration und kann Schwellungen sowie Rötungen reduzieren. Aber Achtung: Johanniskraut kann die Haut lichtempfindlicher machen.
Die Inhaltsstoffe von Johanniskraut wirken entzündungshemmend, indem sie die Bildung von entzündungsfördernden Enzymen hemmen. Dies macht die Pflanze zu einem natürlichen Mittel bei chronischen oder akuten Entzündungen.
Die Gerbstoffe im Johanniskraut wirken adstringierend, was bei Durchfall und anderen Magen-Darm-Beschwerden helfen kann. Außerdem beruhigt Johanniskraut die Schleimhäute und wirkt entspannend auf den Verdauungstrakt.
Risiken und Nebenwirkungen
Johanniskraut-Präparate sind im Allgemeinen gut verträglich - anscheinend sogar besser als Antidepressiva. Johanniskraut kann trotzdem Nebenwirkungen haben: Übelkeit, Hautirritationen oder Kopfschmerzen zum Beispiel.
Bei hellhäutigen Personen sind bei der Einnahme hoher Dosen Johanniskraut sonnenbrandähnliche Reaktionen unter Sonnenstrahlung möglich. Guter Sonnenschutz ist daher besonders wichtig.
Eine häufige Nebenwirkung von Johanniskraut ist die sogenannte Photosensibilisierung. Das Hypericin in der Pflanze kann die Haut empfindlicher gegenüber UV-Strahlen machen. Dadurch steigt das Risiko für Sonnenbrand oder Hautirritationen.
Ja, mögliche Nebenwirkungen sind Magen-Darm-Beschwerden, Müdigkeit, Kopfschmerzen und eine erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Vorsichtig sein sollte, wer Johanniskraut mit anderen Medikamenten kombiniert. Denn Johanniskraut-Präparate können deren Wirkung ungünstig beeinflussen. Medikamente zur Blutverdünnung oder zur Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppressiva) etwa können bei gleichzeitiger Einnahme weniger gut wirken.
Personen, die Johanniskraut einnehmen, sollten auf jeden Fall ihre Ärztin oder ihren Arzt informieren, um gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden. Eine Selbstmedikation ohne ärztliche Begleitung ist in keinem Fall eine gute Idee.
Eine der bekanntesten Risiken von Johanniskraut ist seine Wirkung auf das Enzymsystem der Leber, insbesondere das Enzym Cytochrom P450. Dieses Enzym ist für den Abbau vieler Medikamente verantwortlich. Johanniskraut kann dessen Aktivität steigern, wodurch die Wirksamkeit bestimmter Medikamente wie Antibabypillen, Blutverdünner oder Antidepressiva reduziert wird. Diese Wechselwirkungen können die Therapie mit diesen Medikamenten erheblich beeinträchtigen.
Johanniskraut kann die Wirkung vieler Medikamente beeinflussen, insbesondere durch die Aktivierung des Leberenzyms Cytochrom P450.
Kaum eine andere Heilpflanze ist hinsichtlich möglicher Wechselwirkungen derart problematisch wie das Johanniskraut. Johanniskraut ist nämlich ein starker Induktor verschiedener Subtypen von Cytochrom-P450. Dadurch kann es bei gleichzeitiger Einnahme zu einer Wirkabschwächung von einer Vielzahl an Wirkstoffen wie Ciclosporin, Tacrolimus, Digoxin, oralen Kontrazeptiva, Indinavir, Theophyllin u. v. m. kommen. Während in Studien zu einigen Wirkstoffen das tatsächliche Interaktionspotenzial relativiert werden konnte (z. B. Fentanyl), zeigt Johanniskraut zuletzt ein relevantes Interaktionspotenzial mit Rivaroxaban. Johannis-krautextrakte induzieren auch die Synthese von P-GP, so kann die Resorption von Medikamenten im Gastrointestinaltrakt vermindert werden.
Wer sollte Johanniskraut nicht einnehmen?
Nicht alle können Johanniskraut bedenkenlos einnehmen. Für Schwangere und stillende Frauen wird es nicht empfohlen, da es an Studien zur Sicherheit fehlt. Ebenso sollten Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen wie bipolaren Störungen vorsichtig sein, denn Johanniskraut könnte manische Episoden auslösen.
Anwendung und Dosierung
Die Wirkung von Johanniskraut setzt in der Regel nach etwa zwei bis vier Wochen regelmäßiger Einnahme ein.
Zur Behandlung von Depressionen und depressiver Verstimmung sollte Johanniskraut jedenfalls in Form eines standardisierten Trockenextraktes eingenommen werden. Mit den anderen Arzneiformen, inklusive dem Tee, wird keine ausreichende Dosierung erreicht. Außerdem sollte auf die Art des Extraktes geachtet werden. Besonders gute Ergebnisse weisen laut Kasper et al. (2010) WS 5572, LI 160, WS 5570 und ZE 117 auf.
Die Dosierungen der diversen Fertigpräparate richtet sich je nach gewähltem Extrakt. Ein Tee zur Behandlung leichter Magen-Darm-Beschwerden sowie nervöser Einschlafstörungen sollte mit je 1,5‒2 g getrockneter Droge auf 150 ml Wasser zubereitet werden. Falls im Hinblick auf Depressionen und leichten depressiven Verstimmungen innerhalb von vier Wochen keine Besserung eintritt oder bei Verschlimmerung der Symptomatik, sollte unbedingt ein Arzt/eine Ärztin aufgesucht werden.
Aus Sicht des HMPC sollte Johanniskraut aufgrund fehlender Sicherheitsdaten erst ab 18 Jahren angewandt werden. Schwangeren und Stillenden wird aufgrund fehlender Sicherheitsdaten die Einnahme von Johanniskraut ebenfalls nicht empfohlen.
Johanniskraut in der Forschung
In unserer Recherche haben wir nach randomisiert-kontrollierten Studien gesucht. Dabei werden an Depression Erkrankte per Los auf zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe nimmt ein Johanniskraut-Präparat ein, die andere Gruppe entweder ein Scheinpräparat ohne Wirkstoff (Placebo) oder ein geläufiges Medikament gegen Depression, ein Antidepressivum. Um einen Placebo-Effekt auszuschließen, sollten die Teilnehmenden nicht wissen, welcher Gruppe sie angehören - die Studie sollte also „verblindet“ sein.
Wir fanden eine systematische Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse aller solcher verfügbaren randomisiert-kontrollierten Studien zu Johanniskraut zusammenfasst. Die Übersichtsarbeit wurde im Jahr 2016 veröffentlicht. Wir haben deshalb auch in Datenbanken nach Studien gesucht, die danach erschienen sind, wurden allerdings nicht fündig. Auch bei unserer Updatesuche im November 2023 fanden wir keine neuen Studien.
Die Übersichtsarbeit wurde nach strengen wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt, ihre Analysen und Schlussfolgerungen darauf sind für uns gut nachvollziehbar. Die Qualität der darin zusammengefassten Studien ist allerdings sehr unterschiedlich. Unter Vertrauen in das Ergebnis ist zwar relativ hoch. Eine Restunsicherheit bleibt allerdings.
27.6.2022: Bei einer neuerlichen Suche fanden wir eine aktuellere Übersichtsarbeit, die mehr Studien zusammenfassen konnte. Ihre Ergebnisse haben unsere Einschätzung zur Wirksamkeit von Johanniskraut bestärkt.
Zusammenfassende Tabelle
Aspekt | Information |
---|---|
Wirkung | Antidepressiv, stimmungsaufhellend, angstlösend |
Anwendungsgebiete | Leichte bis mittelschwere Depressionen, Hautprobleme, Magen-Darm-Beschwerden |
Hauptwirkstoffe | Hypericin, Hyperforin |
Nebenwirkungen | Übelkeit, Hautirritationen, Kopfschmerzen, Photosensibilisierung |
Wechselwirkungen | Mit vielen Medikamenten möglich (z.B. Blutverdünner, Antibabypille) |
Dosierung | Standardisierter Trockenextrakt empfohlen |
Einschränkungen | Nicht für Schwangere, Stillende und Personen mit schweren psychischen Erkrankungen geeignet |
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