Ist Depression eine Geisteskrankheit? Eine umfassende Betrachtung

Die Frage, ob Depression eine Geisteskrankheit ist, ist komplex und vielschichtig. Um dies zu beantworten, ist es wichtig, den Begriff der Geisteskrankheit im Kontext psychischer Störungen zu betrachten.

Was sind Geisteskrankheiten?

In der Umgangssprache werden die altertümlichen, negativ behafteten Namen Geisteskrankheit bzw. Gemütskrankheit für Störungen verwendet, die lange Zeit nicht verstanden und, anders als heute, auch kaum zu behandeln waren. Darunter fallen all die psychischen Störungen, für die am ehesten die Bezeichnung psychiatrische Erkrankung gebraucht wird. Es sind dabei der Realitätsbezug erheblich gestört und auch andere seelische Funktionen in einem solchen Ausmaß beeinträchtigt, dass die üblichen Lebensanforderungen nicht bewältigt werden können.

Gemeint sind hier vor allem Schizophrenie und manisch-depressives Kranksein, die von der Psychiatrie als endogene Psychosen bezeichnet werden. In diesem Bereich psychischer Beeinträchtigung werden auch körperliche Ursachen vermutet. Psychotherapie allein genügt hier in der Regel nicht als Behandlung, es braucht auch medikamentöse Behandlung.

Schizophrenie ist eine psychotische Störung, von der ca. 1% der Bevölkerung, quer durch alle Einkommens- und Bildungsschichten, betroffen ist. Sie ist vor allem durch akustische Halluzinationen (Stimmen hören), Wahnwahrnehmungen und Erlebnisse der Beeinflussung des eigenen Körpers und des eigenen Denkens durch „äußere Mächte“ gekennzeichnet.

Der Ausdruck „Schizophrenie“ wird im Alltag oft missverstanden. Die salopp hingeworfene Charakterisierung einer Situation oder Handlung als schizophren, nur weil eine gewisse innere Zerrissenheit oder Gespaltenheit darin zum Ausdruck kommt, hat nichts mit einer schizophrenen Psychose zu tun.

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Depression: Mehr als nur schlechte Laune

Schlechte Laune, Niedergeschlagenheit oder Trauer kennt jeder. Und viele Menschen haben außer alltäglichen Stimmungsschwankungen auch längere Krisen zu überstehen. Erst wenn die Schwermut einen Menschen langfristig völlig aus der Bahn wirft und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit nicht mehr aufzuhören droht, wird das seelische Tief zur Krankheit, zur Depression.

Vielfach war dieses Thema tabu, in der Öffentlichkeit wurde es jahrzehntelang ignoriert und es dauerte lange, bis der Begriff „Depression“ endlich als Krankheitsbezeichnung anerkannt wurde.

Symptome und Ursachen

Symptome umfassen neben einer depressiven Verstimmung häufig Angst oder Sorgen. Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können.

Unterschiede betreffen hier hauptsächlich Schwere oder Chronizität der Symptome. Depressive Erscheinungsbilder können differenzialdiagnostisch bei organischen Störungen, Substanzabhängigkeiten sowie bei Anpassungsstörungen auftreten. Letztere treten als Reaktion auf entscheidende Lebensveränderungen oder nach belastenden Lebensereignissen oder Krisen auf, die nicht selten zu einem Zerfall des sozialen Netzwerkes führen.

Psychische Gesundheit nach COVID-19

Ein Fünftel der TeilnehmerInnen der multidisziplinären „Gesundheit nach COVID-19“-Studie in Tirol und Südtirol berichtet post COVID von einer schlechteren Lebensqualität. Depressionen und Angststörungen nehmen zu.

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Wer viel psychischen Stress hat, leidet nach einer zuhause auskurierten Infektion mit SARS-CoV-2 häufiger an Symptomen einer Depression oder Angststörung. Der Auslöser für den Stress - ob Corona und die damit verbundenen Maßnahmen oder andere Faktoren - spielt dabei keine Rolle.

Neben psychosozialem Stress als weitaus stärksten Risikofaktor identifizierten die ExpertInnen der Medizinischen Universität Innsbruck weitere wichtige Marker für die Entwicklung psychischer Erkrankungen infolge einer SARS-CoV-2 Infektion. Das Risiko für psychische Folgen erhöht sich etwa mit der Anzahl der akuten und subakuten Krankheitssymptome, wie beispielsweise Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Fieber aber auch Schlafstörungen.

Neurokognitive Symptome, wie Vergesslichkeit, Verwirrtheit und Konzentrationsstörungen während der akuten Infektion oder auch im subakuten Stadium sind ein weiterer Risikofaktor dafür, psychische Beeinträchtigungen zu entwickeln.

Es hat sich zwar gezeigt, dass Menschen, die in der Vergangenheit bereits einmal eine Depression oder Angststörung hatten, ein höheres Risiko haben. „Der Einfluss ist aber längst nicht so stark, wie jener der genannten Risikofaktoren, allen voran mentaler Stress.

12,4 Prozent der TeilnehmerInnen in Tirol und 19,3 Prozent in Südtirol hatten angegeben post COVID an Angstzuständen zu leiden, 17,3 Prozent der Befragten in Tirol und 23,2 Prozent in Südtirol zeigten depressive Symptome.

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In Anbetracht der Studienergebnisse ermutigt Hüfner Betroffene, sich bei anhaltender psychischer Belastung professionellen Rat einzuholen. Erste AnsprechpartnerInnen seien dafür die HausärztInnen.

Depression und Straffälligkeit

Weltweit befinden sich mehr als zehn Millionen Menschen in Haft. Psychische Erkrankungen bei inhaftierten Personen sind sehr häufig. Die Versorgung ist mitunter mangelhaft, sodass in manchen Ländern der Anteil psychisch Kranker in Gefängnissen höher ist als in Krankenhäusern.

Ein rezenter systematischer Review zeigt, dass die Prävalenz der unipolaren Depression in Haft sechsmal höher ist als in der Normalbevölkerung.

Bei affektiven Erkrankungen kann es im Kontext unterschiedlicher Symptome zu delinquenten Verhaltensweisen im juridischen Sinne kommen, wenngleich laut mehreren Untersuchungen im deutschsprachigen Raum affektive Erkrankungen einen eher geringen Anteil an der psychischen Krankheitslast von straffällig gewordenen Personen darstellen und auch im Maßnahmenvollzug nur einen geringen Teil des Patientenkollektivs betreffen.

Für Nordamerika wird beispielsweise ein deutlich höherer Anteil affektiv Erkrankter in Haftanstalten sowie forensisch-psychiatrischen Krankenanstalten berichtet.

Es zeigen sich auch Unterschiede bei der Betrachtung affektiv erkrankter Frauen im Gegensatz zu Männern. Untersuchungen beschreiben ein doppelt so hohes Risiko für erkrankte Männer straffällig zu werden, bei Gewaltverbrechen liegt die Rate sogar sechsmal so hoch.

Hierbei ist anzumerken, dass sich die Delinquenz affektiv Erkrankter in der Regel gemäß ihrer Symptomatik unterscheidet, so schlagen sich psychopathologische Unterschiede typischerweise auch in den mit der Erkrankung vergesellschafteten Delikten nieder.

Auch kann eine depressive Erkrankung in vielen Fällen zu einer eingeschränkten oder aufgehobenen Erwerbsfähigkeit führen, welche wiederum sekundär vor allem Eigentumsdelikte oder Ersatzfreiheitsstrafen bei Zahlungsverzug bedingen können.

Hinsichtlich der Prognose einer weiteren bzw. erneuten Delinquenz zeigen sich Unterschiede zwischen depressiven und manischen Zustandsbildern. Betrachtet man Straftaten im Rahmen von Depressionen, so ist bei adäquater Therapie von einem eher geringen Risiko erneuter Delinquenz auszugehen.

In Fällen von affektiven Störungsbildern kann obendrein ein erheblicher Anteil an komorbiden Substanzabhängigkeiten (F1X), inklusive Alkohol, erfasst werden. Verschiedene Autoren sprechen von rund 20 bis 60 Prozent an affektiv erkrankten Häftlingen, die eine komorbide F1X-Diagnose nach ICD-10 aufwiesen.

Besonders im Rahmen solcher manischen Episoden mit psychotischen Symptomen, aber auch bei schweren depressiven Episoden mit psychotischen Symptomen ist eine etwaige Kausalität der Symptomatik auf die begangene Straftat zu beleuchten und adäquat zu behandeln.

Seit dem Jahr 1975 ist in Österreich im §11 des Strafgesetzbuches (StGB) verankert, dass eine Person nicht schuldhaft handelt und demnach auch nicht bestraft werden darf, wenn diese zum Tatzeitpunkt aufgrund einer „Geisteskrankheit, einer geistigen Behinderung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung“ unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen (Diskretionsvermögen) oder nach dieser Einsicht zu handeln (Dispositionsvermögen).

Das Strafmaß für das begangene Delikt muss die Dauer von einem Jahr überschreiten. Ferner muss eine ungünstige krankheitsbedingte Kriminalprognose bestehen, bei der ein weiteres schweres Delikt zu erwarten ist.

Im Jahr 2007 belief sich die Prävalenz der affektiven Erkrankungen im Maßnahmenvollzug auf lediglich 2,8 Prozent, während 70,6 Prozent der Patienten eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis aufwiesen.

Entlassungen aus dem Maßnahmenvollzug sind durch §47 Abs 2 StGB geregelt und werden initial stets bedingt, das heißt an bestimmte Voraussetzungen gebunden, ausgesprochen. Die bedingte Entlassung erfolgt gewöhnlich unter einer Probezeit von fünf bis zehn Jahren, wenn die Gefährlichkeit nicht mehr gegeben und von einem „redlichen Fortkommen“ auszugehen ist.

Suizidalität bei Depression

Ein weiteres, äußerst wichtiges Thema im Kontext von Patienten mit affektiven Störungen ist die deutlich erhöhte Suizidbelastung. Diese liegt nach einmaligem stationären Aufenthalt um die 15 Prozent bei unipolarer Depression und bei Vorliegen einer bipolar-affektiven Störung sogar bei 15 bis 30 Prozent.

Suizid und beinahe tödliches, selbstverletzendes Verhalten stellen bei inhaftierten Personen ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar.

Im Jahr 2018 waren im europäischen Mittel 22,7 Prozent der Todesfälle in Haft auf einen Suizid zurückzuführen, wobei auch von einer Dunkelziffer bei den ungeklärten Todesursachen ausgegangen werden muss.

In Österreich lag die Suizidrate im Jahr 2018 bei 132,3 pro 100.000 Insassen, was mehr als dem Neunfachen der Suizidrate der österreichischen Allgemeinbevölkerung (14,5 pro 100.000 Einwohner) entspricht.

Neben affektiven Störungen sind Substanzabhängigkeiten und Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis zu nennen, wobei Komorbiditäten eine wichtige Rolle spielen.

Das Gefährdungsrisiko für einen Suizid ist in den ersten 30 Tagen nach der Inhaftierung am höchsten.

Einen weiteren Risikofaktor stellt die Dauer der ausgesprochenen Haftstrafe dar. Während eine lebenslange Haftstrafe mit einem erhöhten Risiko einhergeht, wirkt sich eine Haftstrafe von unter 18 Monaten protektiv aus.

Aus der konstant hohen Prävalenz von Suiziden in Haft hat sich die Notwendigkeit ergeben, ein besonderes Augenmerk auf die Prävention zu legen.

Bereits bei der Inhaftierung sollte ein sorgfältiges Screening für selbstgefährdendes Verhalten erfolgen, dabei sollte nicht nur der gegenwärtige Eindruck, sondern auch die psychiatrische Anamnese, vor allem auch hinsichtlich affektiver Erkrankungen einfließen.

Neben der anfänglichen Risikoevaluation sollte die Suizidalität auch in regelmäßigen Intervallen durch psychiatrisches Fachpersonal weiter evaluiert und eingeschätzt werden. Hiermit lassen sich besonders gefährdete Personen besser schützen, indem spezielle Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden können.

Zu ganz konkreten, unmittelbaren Präventionsmaßnahmen, Suizide in Haft zu verhindern, gehört auch die bauliche Gestaltung von Hafträumen. In diesem Kontext stellen die vorübergehende Verlegung in besonders gesicherte, videoüberwachte Hafträume und auch die Sicherstellung potenziell gefährlicher Gegenstände, die für autoaggressive und suizidale Handlungen benützt werden könnten, wichtige Schritte dar.

Abschließend ist zu sagen, dass die richtige Diagnosestellung gefolgt von einer adäquaten, leitlinienbasierten Behandlung affektiver Störungen essenziell sind, um Betroffene sowohl vor schwerwiegenden Komplikationen ihrer Erkrankung, wie Suizidalität, als auch delinquenten Verhaltensweisen bestmöglich zu schützen.

Behandlung von Depression

Psychotherapie allein genügt hier in der Regel nicht als Behandlung, es braucht auch medikamentöse Behandlung.

Was bedeutet es für Betroffene, wenn ihnen signalisiert wird, dass sie sich ihre Krankheit nur einbilden („Reiß dich zusammen!“)?

Abschließend stellen sich Fragen wie: Sind depressive Störungen im Zunehmen begriffen, wenn ja, warum? Wo und wie kann man lernen, mit Konflikten, Niederlagen und Verlusten umzugehen, damit es zu weniger Depressionen kommt oder sind depressive Störungen schicksalhafte Erkrankungen, denen man nicht entrinnen kann?

Weitere Aspekte der psychischen Gesundheit

Smartphones und soziale Medien sind zumindest teilweise dafür verantwortlich. Gen Z wächst auf dem Mars auf, zumindest wenn man Jonathan Haidt, Sozialpsychologe an der New York University, glaubt. In seinem im März erschienenen Buch The Anxious Generation, die ängstliche Generation, warnt er eindringlich vor dem negativen Einfluss, den Smartphones und soziale Medien auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen haben.

Man muss kein Tour-de-France-Profi sein, um vom Radfahren zu profitieren. Schon die kurzen Wege im Alltag - zum Bäcker, zur Arbeit oder zur Schule - tun Herz und Seele gut, steigern das Wohlbefinden und verlängern sogar die Lebenserwartung. So steckt in jedem Tritt Vorsorge und Freude. Mehr als die Hälfte aller Autofahrten in Österreich sind kürzer als fünf Kilometer. Genau diese Strecken eignen sich perfekt fürs Fahrrad - sie sind schnell und unkompliziert.

Schulterschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden - verursacht durch Unfälle, Sportverletzungen oder chronische Abnützungen. In den Einrichtungen der medalp finden Betroffene eine Rundumversorgung: präzise Diagnostik, moderne Operationsmethoden und gezielte Reha-Programme - alles an einem Ort. „Dank bildgebender Verfahren wie MRT und CT können wir die Ursache rasch erkennen und sofort die optimale Therapie einleiten“, erklärt Dr.

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