Härtefall bei psychischer Erkrankung: Definition und Unterstützung in Österreich

Das Ziel des Steiermärkischen Behindertengesetzes (StBHG) ist es, Menschen mit Behinderung zu unterstützen, damit sie an der Gesellschaft in gleicher Weise wie Menschen ohne Behinderung teilhaben und ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können (§ 1 StBHG).

Definition von Menschen mit Behinderung

Menschen mit Behinderung sind Menschen, die aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung ihrer physischen Funktion, intellektuellen Fähigkeit, psychischen Gesundheit oder Sinnesfunktionen an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft benachteiligt sind (§ 1a Abs. 1 StBHG).

Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten (§ 1a Abs. 2 StBHG). Alle Beeinträchtigungen, die im Ausmaß und Schweregrad von der gleichaltrigen Bevölkerung erheblich abweichen, gelten als (nicht nur vorübergehende) Beeinträchtigungen (§ 1a Abs. 3 StBHG).

Nicht als Beeinträchtigungen im Sinne des § 1a Abs. 1 StBHG gelten:

  • Chronische Erkrankungen, solange der Krankheitsverlauf - ausgenommen bei chronischen psychischen Erkrankungen - noch beeinflussbar ist.
  • Vorwiegend altersbedingte Beeinträchtigungen (§ 1a Abs. 4 StBHG).

Personen, bei denen eine solche Beeinträchtigung nach den Erkenntnissen der Wissenschaft in absehbarer Zeit eintreten wird, insbesondere Kleinkinder, sind Menschen mit Behinderung gleichgestellt (§ 1a Abs. 5 StBHG).

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Voraussetzungen für Hilfeleistungen

Voraussetzung für die Hilfeleistung ist, dass der Mensch mit Behinderung:

  1. Seinen Hauptwohnsitz in der Steiermark hat.
  2. Eine Staatsbürgerschaft eines dem europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Staates, die Schweizer Staatsbürgerschaft oder einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 bis 8 und 13 NAG besitzt, über den Status als anerkannter Flüchtling gemäß § 3 Asylgesetz 2005 oder über den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Asylgesetz 2005 verfügt.
  3. Zu einem mehr als drei monatigen Aufenthalt berechtigt ist (§ 2 Abs. 1 StBHG).

Der Mensch mit Behinderung hat einen Rechtsanspruch auf die seinem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung (§ 3 StBHG). Die konkrete Ausformung der Art der Hilfeleistung und die Form der Hilfeleistung (§ 4 StBHG) sind entsprechend dem individuellen Hilfebedarf von Amts wegen festzulegen (§ 2 Abs. 2 StBHG).

Ein Rechtsanspruch besteht nur, soweit der Mensch mit Behinderung nicht aufgrund anderer gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelungen gleichartige oder ähnliche Leistungen erhält oder geltend machen kann (§ 2 Abs. 3 StBHG).

Der Rechtsanspruch besteht nicht, wenn sich der Mensch mit Behinderung aus Anlass einer mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel im Zusammenhang stehenden Verurteilung einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen hat (§ 2 Abs. 4 StBHG).

Arten der Hilfeleistungen

Als Hilfeleistung für Menschen mit Behinderung kommen in Betracht (§ 3 StBHG):

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  1. Heilbehandlung (§ 5 StBHG)
  2. Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln (§ 6 StBHG)
  3. Erziehung (§ 7 StBHG)
  4. Teilhabe an Beschäftigung in der Arbeitswelt (§ 8 StBHG)
  5. Lebensunterhalt (§ 9 StBHG)
  6. Tageseinrichtungen (§ 16 StBHG)
  7. Wohneinrichtungen (§ 18 StBHG)
  8. Mietzinsbeihilfe (§ 20 StBHG)
  9. Hilfe zum Wohnen (§ 21 StBHG)
  10. Freizeitgestaltung (§ 21a StBHG)
  11. Familienentlastung (§ 22 StBHG)
  12. Persönliches Budget (§ 22a StBHG)
  13. Zuschuss für behindertengerechte Ausstattung von Kraftfahrzeugen (§ 24a StBHG)
  14. Zuschuss für notwendige bauliche Maßnahmen (§ 25a StBHG)
  15. Reisekosten (§ 38 StBHG)

Formen der Hilfeleistungen

Die Hilfeleistungen werden mobil, ambulant, teilstationär, vollstationär bzw. als Geldleistung erbracht (§ 4 Abs. 1 StBHG).

Im Sinne dieses Gesetzes bedeuten (§ 4 Abs. 2 StBHG):

  • Vollstationäre Leistungsinanspruchnahme: Leistungen im Ausmaß von 24 Stunden am Tag in Einrichtungen der Behindertenhilfe.
  • Teilstationäre Leistungsinanspruchnahme: Leistungen im Ausmaß von mindestens vier Stunden pro Tag in bestimmten Einrichtungen.
  • Ambulante Leistungsinanspruchnahme: Stundenweise Leistungen in bestimmten Einrichtungen.
  • Mobile Leistungsinanspruchnahme: Sonstige Leistungen in oder außerhalb der Wohnung.
  • Geldleistung: Leistung in Geldeswert.

Die Hilfeleistungen können folgendermaßen erbracht werden (§ 4 Abs. 3 StBHG):

  • Vollstationär: § 5, § 7, § 18 StBHG
  • Teilstationär: § 5, § 7, § 8, § 16, § 18 StBHG
  • Ambulant: § 5, § 7, § 16, § 21a, § 22 StBHG
  • Mobil: § 5, § 7, § 8, § 21, § 21a, § 22 StBHG
  • Geldleistungen: § 5 bis § 9, § 16 Abs. 2 und 3, § 20, § 21, § 21a, § 22, § 22a, § 24a, § 25a, § 38 und § 47 Abs. 9 StBHG

Heilbehandlung

Hilfe zur Heilbehandlung wird gewährt für ärztliche Behandlung, Therapien, Heilmittel und Pflege in Kranken-, Kur- oder sonstigen Anstalten, wenn dadurch eine Behebung oder erhebliche Besserung der Beeinträchtigung oder eine Verlangsamung des Verlaufes oder eine Verhinderung der Verschlechterung der Beeinträchtigungen erreicht werden kann (§ 5 Abs. 1 StBHG).

Notwendige Fahrtkosten im Zusammenhang mit Heilbehandlungen sind zu übernehmen (§ 5 Abs. 3 StBHG).

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Versorgung mit Hilfsmitteln

Hilfe zur Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln ist für die Beschaffung, Instandsetzung sowie für deren Ersatz zu gewähren (§ 6 Abs. 1 StBHG).

Auf Antrag ist mit Bescheid ein Kostenzuschuss zuzuerkennen, um die unverzügliche Beschaffung, Instandsetzung sowie den Ersatz von Hilfsmitteln zu ermöglichen (§ 6 Abs. 2 StBHG).

In Härtefällen können höhere Kostenzuschüsse gewährt werden, wenn der Mensch mit Behinderung durch die Bezahlung von Selbstbehalten in eine wirtschaftliche Notlage geraten würde (§ 6 Abs. 5 und 6 StBHG).

Erziehung

Hilfe zur Erziehung ist für alle durch die Behinderung bedingten Mehrkosten zu gewähren, die notwendig sind, um den Menschen mit Behinderung in die Lage zu versetzen, eine seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Erziehung zu erlangen (§ 7 Abs. 1 StBHG).

Die notwendigerweise anfallenden Fahrtkosten zur Inanspruchnahme der Hilfeleistungen sind zu übernehmen (§ 7 Abs. 2 StBHG).

Teilhabe an Beschäftigung in der Arbeitswelt

Hilfe zur Teilhabe an Beschäftigung in der Arbeitswelt ist Menschen mit Behinderung im erwerbsfähigen Alter zu gewähren, um deren Inklusion in ein berufliches Umfeld zu unterstützen (§ 8 Abs. 1 StBHG).

Vorrangiges Ziel ist die Beschäftigung in Betrieben des ersten Arbeitsmarkts (§ 8 Abs. 2 StBHG).

Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension

Für Personen, die vor dem 1. Jänner 1964 geboren sind, besteht die Möglichkeit, bei geminderter Arbeitsfähigkeit vor dem Regelpensionsalter in Invaliditätspension (Arbeiter) oder Berufsunfähigkeitspension (Angestellte) zu gehen.

Voraussetzung ist die Feststellung der Invalidität oder Berufsunfähigkeit durch einen Arzt, die voraussichtlich mindestens 6 Monate andauern muss. Zudem sind bestimmte Mindestversicherungszeiten (Wartezeit) erforderlich.

Härtefallregelung bei Invaliditätspension

Eine Härtefallregelung ermöglicht einen Zugang zur Invaliditätspension, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Vollendung des 50. Lebensjahres
  • Arbeitslosenmeldung im letzten Jahr vor dem Stichtag
  • 360 Versicherungsmonate (30 Jahre), davon 240 (20 Jahre) aufgrund von Erwerbstätigkeit
  • Es können nur mehr leichte Tätigkeiten unter durchschnittlichem Zeitdruck durchgeführt werden
  • Prognose, dass kein Arbeitsplatz innerhalb eines Jahres gefunden werden kann

Rehabilitation vor Pension

Es gilt der Grundsatz: Rehabilitation vor Pension! Bei einem Antrag auf Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension wird zuerst geprüft, ob durch Rehabilitationsmaßnahmen Invalidität oder Berufsunfähigkeit vermieden werden kann.

Rehabilitationsgeld und Umschulungsgeld

Für Personen, die ab dem 1. Jänner 1964 geboren sind, wird die befristete Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit durch ein Rehabilitationsgeld der Österreichischen Gesundheitskasse bzw. durch ein Umschulungsgeld des AMS ersetzt.

Berufsschutz

Versicherte sind invalid bzw. berufsunfähig, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben und aus Gesundheitsgründen der Tätigkeit nicht mehr nachgehen können, die sie in den letzten 15 Jahren vor dem Pensionsstichtag mindestens durch 120 Monate (zehn Jahre) ausgeübt haben.

Zusammenfassung der Leistungen

Leistungsart Beschreibung
Heilbehandlung Ärztliche Behandlung, Therapien, Heilmittel und Pflege
Hilfsmittelversorgung Körperersatzstücke, orthopädische Behelfe, andere Hilfsmittel
Erziehung Mehrkosten für eine den Fähigkeiten entsprechende Erziehung
Teilhabe an Beschäftigung Unterstützung der Inklusion in ein berufliches Umfeld
Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension Leistungen bei geminderter Arbeitsfähigkeit (abhängig vom Geburtsdatum)
Rehabilitationsgeld/Umschulungsgeld Ersatz für befristete Pensionen (für Personen ab 1964)

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