Die Psychoanalyse, als bahnbrechende intellektuelle Idee des 20. Jahrhunderts, erforschte das Unbewusste, die „Nachtseite“ des Menschen. Sigmund Freud beschreibt seine Entdeckungen rund um die menschliche Psyche lapidar als neue Fakten über das Unbewusste im psychischen Leben und die Rolle der Triebimpulse. Das Unbewusste beeinflusst das Handeln, Denken und Fühlen entscheidend.
In einigen Wissenschaften konkurriert der Begriff des „Unbewussten“ mit dem des „Unterbewussten“. Rudolf Eisler definiert „Unterbewusstes“ als das nicht Apperzipierte, im ‚Hintergrunde‘ des Erlebens Befindliche, nicht für sich selbst Bewusste, sondern nur einen Teil des individuellen Gesamtbewusstseins Bildende, durch seine Wirkungen auf das Bewusste und durch Gefühle sich Manifestierende. Otto Dornbusch versteht unter dem Unterbewussten „geistige Vorgänge, die ohne Bewußtsein ablaufen“.
Freuds Theorie des Unbewussten
Nach Freud ist das Unbewusste des erwachsenen Menschen ein System, das vor allem aus verdrängten oder abgewehrten Bewusstseinsinhalten besteht. Das Unbewusste ist angesiedelt im Grenzbereich zwischen Körper als Triebquelle und deren geistig-seelischer Repräsentation und beinhaltet insbesondere psychische Vorstellungen („Triebrepräsentanzen“) der Triebe. Freud kombinierte später die Bereiche bewusst, vorbewusst und unbewusst seines ursprünglichen Seelenmodells mit einem Strukturmodell der Psyche, das drei psychische „Instanzen“ unterscheidet: Es, Ich und Über-Ich.
- Das Bewusstsein oder System W/Bw: Der Teil der Psyche, der dem subjektiven bewussten Erleben entsprach bzw. in dem sich dieses Erleben abspielt. Es bildet den Kern des Ichs.
- Das Vorbewusste oder System Vbw: Das psychische System, das aus Inhalten besteht, die jederzeit ins Bewusstsein treten können also bewusst gemacht werden können.
- Das Unbewusste im engeren Sinne oder System Ubw: Umfasst diejenigen Teile des psychischen Apparats, die ihrer Natur nach nicht bewusst gemacht werden können, wie z. B. Triebe oder Instinkte. Sie können nur erschlossen werden und über Sprache indirekt im Bewusstsein repräsentiert werden.
- Das Verdrängte: Das Verdrängte umfasst Inhalte, die ihrer Struktur nach den Inhalten des Systems Vbw gleichen, gegen deren Bewusstwerdung sich allerdings unbewusste Motivationen sträuben (Abwehr und Widerstand).
Das Hauptanliegen der Psychoanalyse nach Freud ist die Aufhebung der zwischenmenschlichen Illusionen und die Wiederbewusstmachung jener psychischen Inhalte, die aufgrund von sittlicher Erziehung und/oder erlittener Traumata in das Unbewusste verdrängt wurden. Das Ziel der Psychoanalyse fasste Freud deshalb in dem bekannt gewordenen Schlagwort zusammen: „Wo Es war, soll Ich werden.“
Jungs Analytische Psychologie und das Kollektive Unbewusste
Die von Carl Gustav Jung begründete „analytische Psychologie“ weist teilweise ähnliche Grundannahmen, Methoden und Ziele wie die Freud’sche Psychoanalyse auf. Bei beiden ist der Traum eine wesentliche Brücke zum Unbewussten. Neben der nach Freud sehr wichtigen Arbeit des „Aufdeckens“ unbewusster Antriebe und Vorstellungen ist es nach Jung von zentraler Bedeutung, in der Therapie die Herausbildung einer dialogischen Beziehung zum Unbewussten zu fördern, sodass dieses als schöpferische Quelle neuer Möglichkeiten und Einsichten zum Tragen kommt.
Lesen Sie auch: Psychologie des Loslassens
C.G. Jung bezeichnet mit dem kollektiven Unbewussten primär Unbewusstes nicht-individueller Herkunft, mit dem persönlichen Unbewussten sekundär Unbewusstes individueller Herkunft. Jung sah die im Assoziationsexperiment erschloss Komplexe auch als Ursache für die Widerstände und Verdrängungsmechanismen in der Psychoanalyse nach Freud. Konsequenter noch als Freud die „archaische Erbschaft“[19] sah Jung das kollektive Unbewusste als Essenz von Erfahrungen an, die die Menschheit während ihrer Evolution verinnerlicht habe - und die zugleich als Strukturgrundlage heutiger seelischer Erfahrung und Verhaltensmuster wirkten.
Das kollektive Unbewusste enthält, so Jungs These, als Strukturdominanten die von ihm 1919 beschriebenen Archetypen. Archetypen zeigen sich in formalen Strukturen der Anschauung und des Erlebens wie auch in den zugehörigen Emotionen und sie sind interkulturell anzutreffen.
Archetypen nach C.G. Jung
Archetypen sind eines jeden Individuums präexistente unbewusste psychische Strukturgrundlagen, welche die Entwicklung der Persönlichkeit und ihrer Vorstellungen ebenso prägen wie äußere Einflüsse. Jungs Konzeption des kollektiven Unbewussten mit zugehörigem Konzept der Archetypen als in diesem enthaltene Strukturen erweitern den Inhalt des Unbewussten um Elemente, die traditionell mythologisch bzw. religiös erscheinen.
Ein bedeutsames Mittelglied zwischen beiden Auffassungen bieten - neben der genannten Urverdrängung und dem Ödipuskomplex - Freudsche Benennungen wie Urphantasie oder Urszene, in denen zentrale Erlebnisinhalte der psychosexuellen Entwicklung im Rahmen der Triebtheorie zu überindividuellen, phylogenetisch verankerten Konstanten des Unbewussten erklärt werden.
Frühe Pioniere und die Entwicklung der Dynamischen Psychiatrie
Bereits in archaischen Gesellschaften wurden Methoden angewendet, in denen Suggestion, also die Beeinflussung vor- oder unbewusster Prozesse, eine entscheidende Rolle spielte. Der deutsche Arzt Franz Anton Mesmer (1734-1815) war der Begründer der ersten „dynamischen Psychiatrie“ (ab 1775). Der französische Neurologe Jean-Martin Charcot (1825-1893) untersuchte am Hôpital Salpêtrière in Paris die „traumatischen Lähmungen“ und erkannte mit Hilfe der Hypnose, dass ihnen keine organischen Störungen zugrunde liegen können.
Das Unbewusste und der Körper
Erkenntnisse der Säuglingsforschung, der Bindungsforschung und vor allem der Neurobiologie bestätigen die wesentliche Beteiligung der frühen körperlichen Erfahrungen an der Entwicklung des psychischen Apparats. Hier soll gezeigt werden, wie der Körper einen Zugang zu unbewussten Vorgängen ermöglicht. Die Arbeit mit dem Körper über Berührung und andere sinnliche Erfahrungen, bietet einen unmittelbaren Zugang zu basalen Erfahrungen in früher Kindheit, der Bewusstmachung von verkörperter Beziehungserfahrung und deren Erweiterung im Sinne korrigierender Erfahrungen.
Sigmund Freud ging in seinen frühen Schriften von einer stetig fließenden Triebenergie aus (1905), die sich körperlich manifestiere und entwicklungsgeschichtlich mit der psychosexuellen Entwicklung und libidinösen Zonen im Körper verbunden sei. Triebe sieht Freud als „Grenzbegriff“ (Freud 1915, S. 214) zwischen Psyche und Soma. Der Arzt George Groddeck (1866-1934) leitete eine psychosomatische Klinik und behandelte seine Patient:innen mit tiefer Gewebemassage, mit dem Ziel chronisch verspannte Muskulatur zu lockern.
Wilhelm Reich (1897-1957) beschrieb den Widerstand auf körperlicher und psychischer Ebene als funktional ident. Aus seiner Sicht gibt es eine Entsprechung jeder psychischen Bewegung auf der körperlichen Ebene. In seiner Charakteranalyse (1989 [1933]) bringt er diese körperlichen Haltungen mit der Verdrängung psychischer Inhalte in Verbindung. Für Reich war Verdrängung ein körperlicher Vorgang und damit das Unbewusste immer schon auch ein körperliches, mit der Existenz der Libidoenergie verbundenes Phänomen.
Das Unbewusste in der modernen Psychodynamischen Therapie
Immer mehr geht es auch in der modernen psychodynamischen Psychotherapie um das hier und jetzt statt dem dort und dann der Erforschung der Vergangenheit. Psychotherapeut:innen und ihre Klient:innen erleben neben Übertragung- und Gegenübertragung auch ihre, darauf aufbauende, gegenwärtige Beziehung. Diese Beziehung verändert alle Beteiligten, in einem intersubjektiven Verständnis von Psychotherapie entsteht ein gemeinsames Unbewusstes (Ogden 2016, S. 36). Beteiligt daran ist, wie in jeder nahen Beziehung, auch der Körper mit seinen bewussten und unbewussten Anteilen.
Körperpsychotherapie mit einem breiten Interventionsrepertoire, das vom Erleben von Übertragung und Gegenübertragung zum Erfassen von Mimik und Bewegungsimpulsen, dem gemeinsamen (körperlichen) Agieren, dem Anbieten korrigierender körperlicher Erfahrungen bis zur gemeinsamen Reflexion des therapeutischen Prozesses reicht, kann hier viele Ebenen der Bearbeitung anbieten.
Intuition als Form des Unbewussten
Psychologen sehen in der Intuition eine unbewusste Form der Informationsverarbeitung. Sie verstehen unter Intuition Gefühle, sich in eine bestimmte Richtung zu entscheiden, die rasch im Bewusstsein auftauchen, ohne dass uns ihre Gründe dafür vollständig bewusst werden. Gerd Gigerenzer macht deutlich, was Intuition jedenfalls nicht ist: „Eine Intuition ist weder eine Laune noch ein sechster Sinn, weder Hellseherei noch Gottes Stimme. Sie ist eine Form der unbewussten Intelligenz.“
Daniel Kahneman unterscheidet zwei Systeme des Verstandes: Das unbewusste System arbeitet automatisch, schnell und ohne willentliche Steuerung. Das bewusste System unseres Verstandes ist hingegen mehr der akribische Typ. Es stellt komplizierte Berechnungen an und kann eine wohlüberlegte Wahl zwischen verschiedenen Optionen treffen, etwa wenn man zwei Waschmaschinen auf das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis hin vergleicht.
Ob intuitive Entscheidungen erfolgreich sind, hängt davon ab, ob sie auf genügend Erfahrung beruhen. Intuition beruht auf viel Wissen und bewusster Erfahrung.
Das Unbewusste und seine Auswirkungen auf Schutzsysteme des Körpers
Unser Körper besitzt zwei getrennte Schutzsysteme, die beide überlebenswichtig sind, nämlich Wachstum und Schutz! Wenn Gefahr droht, schaltet der Körper automatisch auf Schutz um und versetzt den Körper in Aktionsbereitschaft. Die Aktivierung der HHN-Achse schränkt auch unsere Fähigkeit klar zu denken ein.
Wenn wir unsere Ängste in den Griff bekommen, können wir die Kontrolle über unser Leben zurückgewinnen!
tags: #der #unbewusste #mensch #definition