Die Begleitung eines Menschen mit Depressionen oder Angststörungen kann dem Umfeld vieles abverlangen. Es ist wichtig, zu verstehen, dass Depression eine Krankheit ist, die den Menschen vorübergehend verändert. Rund 640.000 Österreicherinnen und Österreicher leiden an einer depressiven Erkrankung, aber nur ein Viertel der Betroffenen befindet sich in ärztlicher Behandlung. Vom vorübergehenden Stimmungstief unterscheidet sich die Depression dadurch, dass sie über Wochen und Monate anhalten kann.
Wie sich eine Depression auf die Beziehung auswirkt
Wenn ein Partner, ein Familienangehöriger depressiv wird, wirkt sich das immer auf die Beziehung, das Zusammenleben, die ganze Familie und das Umfeld aus, weiß Dr. Adelheid Gassner-Briem, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und Psychotherapeutin in Feldkirch in Vorarlberg. Die Freundin von Lisa K. hat die Symptome richtig gedeutet. „Der depressive Mensch wird zusehends freudloser, lustloser, er verliert seine Energie und den Antrieb, um sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Die Gedanken kreisen um negative Themen, Sorgen und Ängste.
„Meine Frau war ein richtiges Energiebündel, voller Freude und Engagement in ihrem Beruf, voller Pläne und Unternehmungslust im Privatleben“, erinnert sich Herbert K. an die Zeit, bevor die Depression in sein Eheleben trat. „Ich habe mich immer gewundert, wie sie das alles schafft. Als sie dann anfing, kürzer zu treten, länger zu schlafen, weniger Kontakte mit unseren Freunden zu halten, habe ich das zunächst für normal gehalten. Doch dann ist es immer schlimmer geworden, sagt Herbert K. „Lisa hat sich mehr und mehr zurückgezogen, war auch für mich immer weniger zugänglich, wollte gar nichts mehr unternehmen. Sie hat sogar davon gesprochen, ihren Beruf, der ihr immer so viel Spaß gemacht hat, an den Nagel zu hängen. Es war die beste Freundin meiner Frau, die mich darauf gebracht hatte, Lisa könnte depressiv sein.
Wie man helfen kann
Für Partner, Familienangehörige und Freunde eines depressiven Menschen ist es häufig schwer, mitzuerleben, wie schlecht es dieser Person geht. Sie fragen sich, wie sie bei Depressionen am besten helfen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen mit Depressionen den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern:
- Unterstützung beim Arztbesuch: Ist jemand über einen längeren Zeitraum hinweg niedergeschlagen, freudlos und antriebslos, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen.
- Geduld haben: Angehörige unterstützen den Patienten durch Geduld und Verständnis. Machen Sie sich bewusst, dass das Verhalten des Betroffenen nicht gegen Sie gerichtet ist, sondern Teil einer depressiven Phase ist.
- Hoffnung statt Druck machen: Setzen Sie einen depressiven Menschen nicht mit Bemerkungen wie "Nun reiß dich doch ein bisschen zusammen" unter Druck - denn "Zusammenreißen" ist bei einer Depression nicht möglich.
- Gut gemeinte Ratschläge vermeiden: Seien Sie vorsichtig mit gut gemeinten Ratschlägen.
- Suizidgedanken ernstnehmen: Wenn Menschen mit einer Depression davon sprechen, sich das Leben zu nehmen, ist das ein ernstzunehmendes Warnsignal!
Was man tun kann, um den Betroffenen zu unterstützen
In den meisten Fällen ist den Betroffenen und den Angehörigen nicht bewusst, dass es sich um eine Krankheit handelt - eine Krankheit, die immer mehr Menschen betrifft, die aber vorübergeht und sich gut behandeln lässt, vorausgesetzt, man sucht professionelle Hilfe.
Lesen Sie auch: Symptome von Verhaltensstörungen
- Nicht aufhören, mit dem kranken Partner Kontakt zu halten und zu reden, auch wenn er sich abwendet und verschließt, ist eine der schwierigen Aufgaben, die dem Angehörigen nun abverlangt werden.
- Sätze wie „Lach doch wieder!“ oder „Reiß dich zusammen!“ bringen allerdings nichts. Sie können im Gegenteil sogar schaden.
- Für Angehörige ist es wichtig, sich stets vor Augen zu führen, dass es sich bei Depression um eine Krankheit handelt, die den Menschen vorübergehend verändert.
- Man soll den Partner akzeptieren und ihm signalisieren, dass er so sein darf. Man soll ihm auch zeigen, dass man weiß, dass er keine Wahl hat und keine böse Absicht hinter seinem derzeitigen Verhalten steckt.
Viele beziehen es auf sich, wenn der Partner depressiv wird. Sie bekommen Schuldgefühle, weil sie meinen, durch eigenes Verhalten oder etwaige Verfehlungen der Vergangenheit die Depression ausgelöst zu haben. Sie fühlen sich hilflos, weil sie nicht wissen, wie sie helfen können.
Auch wenn viele Vorschläge abgelehnt werden: Man soll nicht aufhören, den Tag zu strukturieren, dem depressiven Menschen kleine Aufgaben zuzumuten, ihn zu Aktivitäten zu ermutigen und Angebote zu machen - freilich ohne ihn unter Druck zu setzen. Je nach Schwere der Depression kann es eine Zeit lang nötig sein, die Einnahme von Antidepressiva zu kontrollieren und den Kranken zu „überwachen“, vor allem wenn Selbstmordgefahr besteht.
„Äußert der Partner Suizidgedanken, so informieren Sie den Hausarzt, den behandelnden Facharzt oder auch den Amtsarzt. Letzterer kann als einziger bei Suizidgefahr gegen den Willen und zum Schutz des Patienten eine stationäre Aufnahme einleiten“, so Dr. Gassner-Briem.
Wie man den Depressiven zum Arztbesuch motiviert
Wie kann der Depressive davon überzeugt werden, zum Arzt zu gehen? „Es kann helfen, sich an den Hausarzt zu wenden, der vielleicht nichts davon weiß und in der Regel guten Kontakt zu seinen Patienten hat. Er könnte einen Hausbesuch machen, besonders wenn man sich ernsthaft Sorgen macht und wenn eine Selbstmordgefährdung bestehen könnte“, sagt Dr. Gassner-Briem. „Ich empfehle auch, nicht lange zu fragen: Willst du zum Arzt?, da sich der Depressive ja schwer tut, Entscheidungen zu treffen.
Auf die eigenen Bedürfnisse achten
Jedoch kann die bisweilen überfordernde Aufgabe des Betreuens die erkrankte Person stark gefährden, ebenfalls eine Depression zu entwickeln. Es kann sinnvoll sein, dass Sie sich mit Ihren Freundinnen und Freunden oder Familienangehörigen über Ihre Rolle als betreuende Person austauschen. Wenn Sie mit jemandem, der unter einer Depression oder Angststörung leidet, zusammenleben oder diese Person betreuen, fühlen Sie sich vielleicht manchmal isoliert, oder haben den Eindruck, dass Ihre Mühe nicht bemerkt oder als selbstverständlich angesehen wird.
Lesen Sie auch: Erfahrungen mit Globuli bei Depressionen
„Viele sind auch überfordert“, erzählt Dr. Gassner-Briem aus ihrer Praxis, „und entwickeln durch Mitleiden und fehlende eigene Abgrenzung ein Burnout-Syndrom und schließlich selbst eine Depression. So werden die Angehörigen zu hilflosen Helfern.Viele berichten auch über mangelndes Verständnis und fehlende Unterstützung der Umgebung. Die Depression wird nicht selten von der Umgebung, dem Arbeitgeber, als Faulheit interpretiert“, schildert die Ärztin die Probleme.
„Wenn Schuldgefühle da sind, scheint es mir wichtig, dass der nicht-depressive Partner selbst Psychotherapie in Anspruch nimmt, um diesen Emotionen auf den Grund zu gehen“, rät die Expertin. „Wenn Mitleid überhand nimmt“, warnt Dr. Gassner-Briem weiter, „laufe ich Gefahr, selbst zu leiden, also krank zu werden - und dann kann ich nicht mehr helfen. Es ist also sehr wichtig, sich abzugrenzen und bei aller Betreuung und Begleitung des Kranken auf die eigenen Ressourcen und Grenzen zu achten.
Unterstützungsangebote
Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, Kollegen können nicht nur unverzichtbare Kontaktpersonen der „gesunden“ Welt, sondern auch Hilfskräfte in der Betreuung des Kranken sein. Der Arzt oder Therapeut, der den Depressiven behandelt, kann auch dem Nicht-Depressiven weiterhelfen, wenn der einmal nicht mehr aus und ein weiß.
Es ist wichtig, auf die eigene Gesundheit zu achten und sich Hilfe zu holen. Die wichtigste Anlaufstelle ist HPE - Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter. HPE bietet Informationsmaterialien, Beratung, Selbsthilfegruppen, Seminare und vieles mehr in ganz Österreich.
Hier sind einige Organisationen, die Unterstützung anbieten:
Lesen Sie auch: Ursachen für häufigen Partnerwechsel
- Telefonseelsorge Österreich - Notruf 142: Rund um die Uhr für dich da. Ob in Momenten der Krise, der Einsamkeit oder wenn du einfach jemanden zum Reden brauchst.
- HPE (Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter): Bietet Beratung, Selbsthilfegruppen und Seminare für Angehörige.
- pro mente OÖ: Bietet Selbsthilfegruppen für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Angehörige.
Wie man mit Kindern über die Depression spricht
Vor allem dann, wenn es Kinder gibt, braucht man jede Hilfe. In diesem Fall wird es sich nicht nur um seelische, sondern auch um ganz praktische Unterstützung handeln. Schließlich ist der depressive Partner vorübergehend nicht in der Lage, seine Pflichten im Familienleben so wahrzunehmen, wie er das früher getan hat.
„Die Kinder selbst“, so die Fachärztin, „sollte man entsprechend ihrem Alter und Auffassungsvermögen informieren, dass die Mutter oder der Vater krank sind und sich daher so verhalten, wie sie sich eben verhalten. Es scheint mir wichtig, den Kindern wiederholt klar zu machen, dass sie nicht schuld an diesen Problemen sind. Man soll die Kinder stets auch ermuntern, über ihre Gefühle zu sprechen, und ihnen immer gut zuzuhören.
Auswirkungen auf die Partnerschaft
Die Depression eines Partners ist eine große Herausforderung für die Beziehung und das Zusammenleben. „Eine Partnerschaft, die vorher schon instabil war, ist dieser Herausforderung in der Regel nicht gewachsen und zerbricht daran“, erzählt Dr. Gassner-Briem aus ihrer langjährigen Erfahrung mit der Krankheit. „Wenn aber ein Paar diese Krise miteinander bewältigt, dann erlebe ich immer wieder, dass die Depression die Partnerschaft wesentlich vertiefen und intensivieren kann.
Es ist normal, dass Krankheiten Beziehungen belasten. Die Beziehungen müssen dadurch aber nicht langfristig Schaden nehmen, da man die Krankheit überwinden kann. Gerade mit unterstützenden Menschen an der Seite können Sie diese Herausforderung gemeinsam bewältigen.
Tipps für die Partnerschaft
- Aufmerksam sein: Hören Sie Ihrer:Ihrem Partner:in gut zu, wenn sie:er über ihre:seine Gefühle spricht. So können Sie Veränderungen rasch merken und Hilfe anbieten.
- Die Depression akzeptieren: Eine Depression ist eine Krankheit, die man ernst nehmen muss. Informieren Sie sich darüber. So können sie Ihre:n Partner:in besser verstehen.
- Keine Ratschläge geben: Bieten Sie ein offenes Ohr, eine innige Umarmung und Hilfe an. Das hilft ihrer:ihrem Partner:in am meisten.
- Schuldzuweisungen vermeiden: Niemand ist an der Depression schuld. Weder Ihr:e Partner:in noch Sie. Diskussionen darüber bringen nichts.
- Entscheidungen erleichtern: Während einer Depression fällt es einem schwer, etwas zu entscheiden. Sie können dabei unterstützen und zeigen, welche Optionen es gibt.
- Die:Den Partner:in nicht bevormunden: Bevormunden bewirkt nur Streit und Widerstand. Niemand möchte bevormundet werden, auch Sie nicht.
- Gefühle nicht unterdrücken: Es ist völlig natürlich, wenn Angehörige diese Gefühle haben: Wut, Zorn, Angst, Enttäuschung, Traurigkeit, Ärger oder Ohnmacht. Sie dürfen diese Gefühle auch zulassen und zeigen. Es belastet Sie und die Beziehung, wenn Sie Gefühle unterdrücken.
- Auf sich achten: Es ist schön, dass Sie Ihre:n Partner:in unterstützen und für sie:ihn da sind. Vergessen Sie aber nicht Ihre eigenen Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse.
Depression und Sex
Eine Depression und auch die Medikamente können sich auf den Sex auswirken. Durch die Depression ist meistens im Vergleich zu früher weniger Lust da. Auch die körperlichen Funktionen können betroffen sein. Es ist ganz unterschiedlich, wie das erlebt wird. Am besten ist es, ganz offen mit der:dem Partner:in zu reden. Weniger Lust muss aber nicht heißen, dass die:der Partner:in weniger anziehend oder attraktiv ist. Man kann auf viele Arten zeigen, wie sehr man sich mag. Formen der Nähe sind etwa auch: Kuscheln, Küsse und Umarmungen. Sprechen Sie offen über Ihre Wünsche und wie Sie die:den Partner:in wahrnehmen.
Tipps für Beziehungen zu Freunden und Familie
- Verbringen Sie Zeit mit Menschen, die Ihnen guttun.
- Sprechen Sie darüber, wie es in Ihnen aussieht.
- Lassen Sie sie einfache Tätigkeiten für Sie übernehmen.
- Nehmen Sie sie als Bezugspersonen mit zu Ihrer Therapie - in vorheriger Absprache mit Ihren Ärzt:innen oder Therapeut:innen.
- Ruhen Sie sich bei Ihren wichtigen Bezugspersonen aus.
- Umarmen Sie einander und reden Sie miteinander.
- Geben Sie ihnen Zeit: Angehörige brauchen Zeit, mit der neuen Situation klarzukommen - bis Sie einen gemeinsamen Weg gefunden haben.
- Sprechen Sie es offen an, wenn die Fürsorge der Bezugspersonen zu anstrengend und belastend für Sie ist.
- Hören Sie sich ihre Fragen an. Angehörige wollen die Situation verstehen. Das geht nur, wenn Sie ihnen dabei helfen. Sagen sie es ehrlich, wie es Ihnen geht und dass Sie Ihre Stimmungen manchmal selbst nicht verstehen.
- Seien sie ehrlich. Dazu gehört auch zu sagen: „Nein“, „Ich kann das nicht“, „Ich will das nicht tun“,oder „Ich will deine Meinung gerade nicht hören“.
Auch Kinder bemerken, dass es Ihnen nicht gut geht
Kinder beziehen das oft auf sich und glauben, dass sie schuld daran sind; sie überlegen, was sie falsch gemacht haben. Sie brauchen Erklärungen, die zu ihrem Alter passen. Der wichtigste Satz ist: „Du bist nicht schuld, dass es Mama oder Papa nicht gut geht.“
tags: #depressiver #partner #hilfe #kontakt