Depressiv nach Alkoholrausch: Ursachen und Behandlung

Die Gründe für eine Alkoholabhängigkeit sind sehr verschieden. In den meisten Fällen sind mehrere Faktoren an der Entstehung beteiligt. Nicht jeder Mensch, der Alkohol trinkt, wird abhängig davon. Etwa jede 20. Österreicher:in ist alkoholabhängig, Männer sind drei Mal häufiger von der Sucht betroffen als Frauen. Insgesamt sind 5 % der Österreicher:innen alkoholabhängig, genauer gesagt 7,5 % der Männer und 2,5 % der Frauen.

Betroffene haben das Verlangen, immer mehr zu trinken - wenn sie darauf verzichten, treten Entzugssymptome auf. Die Ursachen finden sich in der individuellen Lebensgeschichte, aber auch im sozialen Umfeld und dem Abhängigkeitspotenzial bzw. der Verfügbarkeit des Alkohols.

Ursachen und Risikofaktoren

Wie eine Alkoholabhängigkeit genau entsteht, ist bisher nicht vollständig geklärt. Doch treffen dafür immer mehrere Faktoren zusammen. Sowohl genetische als auch psychosoziale Einflüsse spielen eine wichtige Rolle.

Genetische Einflüsse

Studien der Familien- und Zwillingsforschung zeigen, dass es ein genetisches Risiko für Alkoholsucht gibt. Eineiige Zwillinge haben ein deutlich erhöhtes Risiko alkoholkrank zu werden, wenn ein Zwilling betroffen ist. Sind beide Eltern alkoholabhängig, entwickelt etwa ein Drittel der Kinder später ebenfalls eine Alkoholsucht.

Konsumverhalten in der Familie

Neben den Genen spielt auch das Verhältnis der Eltern zum Alkohol eine Rolle. Wenn die Kinder lernen, dass viel trinken lustig ist oder sogar Bewunderung hervorruft oder dass Alkohol zur Bewältigung von Problemen eingesetzt wird, nehmen sie sich das schnell zum schlechten Vorbild. Wenn später auch im eigenen Freundeskreis viel getrunken wird, verstärkt sich der Effekt.

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Psychische Erkrankungen

Besonders anfällig für alkoholbedingte Probleme sind Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden. Dazu zählen unter anderem Depressionen und Angststörungen. Sie setzen Alkohol oft dazu ein, ihre Beschwerden zu lindern und Probleme bewältigen zu können.

Psychische Erkrankungen treten häufig zusammen mit übermäßigem Alkoholkonsum auf. Einerseits kann Alkohol zu psychischen Erkrankungen führen. Andererseits können bereits vorhandene psychische Erkrankungen dazu führen, dass Betroffene viel Alkohol trinken.

Alkohol wird von vielen Abhängigen wie ein Medikament eingesetzt: Wenn es ihnen schlecht geht, sie Stress oder Probleme zu bewältigen haben, dient Alkohol als kurzfristiger Lösungsversuch. Es wird als Konflikt- und Spannungslöser eingesetzt oder als Mittel, um sich besser zu fühlen. Kurzfristig geht es den Betroffenen auch besser, der Alkohol hebt die Stimmung und Probleme können leichter vergessen werden - das "Medikament" wirkt. Mit der Zeit ist der Alkoholkonsum der einzige Weg, um unangenehme Emotionen zu regulieren. Der Körper gewöhnt sich langfristig an die Wirkung des Alkohols, bei gleichbleibender Menge tritt nicht mehr derselbe Effekt ein.

Weitere Faktoren

  • Droge: Wie groß ist ihr Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial? (Wirkung der Substanz auf den Körper); Wie verfügbar ist sie?
  • Individuum: Welche genetischen und lebensgeschichtlichen Einflüsse gibt es? (z.B. alkoholkranke Eltern, Traumata); Welche biologischen und psychologischen Faktoren gibt es?
  • Soziales/Umfeld: Welche sozialen Rahmenbedingungen liegen vor? (z.B. Arbeitslosigkeit, Verlust des Arbeitsplatzes, Pensionseintritt, Armut); Welche Besonderheiten gibt es im familiären Kleinraum?

Auswirkungen von Alkoholkonsum

Die Droge Alkohol beeinflusst das gesamte Leben des Süchtigen. Unter anderem wirkt Alkohol enthemmend und kann dazu führen, dass abhängige Personen gewalttätig werden oder Straftaten begehen. Unter dem Einfluss von Alkohol passieren auch häufiger schwere Verkehrsunfälle.

Körperliche Folgen

Langfristiger, hoher Alkoholkonsum, sogenannter chronischer Alkoholkonsum, kann an den verschiedensten Organen schwere Schäden verursachen.

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  • Gehirn: Chronischer Alkoholkonsum kann zu schweren Schädigungen des Gehirns führen. Durch jeden Rausch werden Gehirnzellen zerstört.
  • Nervensystem: Durch eine Schädigung der Nerven kann es unter anderem zu Störungen des Temperatur-, Schmerz- oder Berührungsempfindens kommen. Probleme beim Gehen oder mit der Potenz sind möglich.
  • Leber: Chronischer Alkoholkonsum kann die Leber schädigen. Es kann zu einer Entzündung der Leber und schlussendlich zu einer Leberzirrhose kommen. Anzeichen einer Leberschädigung können unter anderem Gelbsucht, eine vergrößerte Leber und Veränderungen der Haut und Nägel sein. Dazu zählen unter anderem sogenannte Lebersternchen, kleine Gefäßerweiterungen der Haut.
  • Bauchspeicheldrüse: Es kann zu einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse kommen. Fachleute sprechen von einer „Pankreatitis“.
  • Herz-Kreislauf-System: Herz und Gefäße werden durch Alkohol geschädigt.
  • Speiseröhre, Magen und Darm: Es können sich Entzündungen und Geschwüre bilden.

Psychische Auswirkungen

Trinkt die oder der Betroffene keinen Alkohol, kommt es zu Entzugserscheinungen. Die Beschwerden verschwinden, sobald wieder Alkohol getrunken wird. Sie kommen wieder, wenn die Wirkung des Alkohols nachlässt.

Im schlimmsten Fall kann es durch den Alkoholentzug zu einem sogenannten Entzugsdelir kommen. Fachleute sprechen von einem Delirium tremens. Dabei geht es den Betroffenen meist am zweiten Tag ohne Alkohol sowohl körperlich wie psychisch sehr schlecht.

Halluzinationen: Betroffene sehen oder hören etwas, das es nicht gibt.

Depressionen und Alkohol: Ein Teufelskreis

Menschen, die eine Depression ertragen müssen, erleben solche Tage regelmäßig. Viele von ihnen greifen zu alkoholischen Getränken, um die Last der depressiven Episoden zumindest ein wenig erträglicher zu gestalten. Das kann fatale Folgen haben, denn Alkohol und Depressionen verstärken sich gegenseitig.

Wer depressiv ist, vermisst in seinem Leben vor allem das Gefühl der Freude. Das liegt unter anderem daran, dass bei einer Depression die Ausschüttung von bestimmten Neurotransmittern im Gehirn gestört ist. So sind insbesondere die sogenannten Glückshormone wie Serotonin nur noch in verringerter Anzahl vorhanden.

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Alkohol wird genau dort aktiv, wo diese Lücken auftreten. Er aktiviert die Ausschüttung der Glückshormone, was dafür sorgt, dass der Betroffene sich zumindest kurzzeitig wieder besser fühlt. Entspannung tritt ein, gute Laune macht sich breit und das Leben scheint plötzlich nicht mehr ganz so schwer wie noch vor dem Alkoholkonsum.

Wenn eine depressive Störung vorliegt, kann der Konsum von Alkohol dafür sorgen, dass die Symptome sich verstärken und die negativen Gefühle sich ausweiten. Der Genuss alkoholischer Getränke hat einen direkten Einfluss auf die chemischen Vorgänge im Gehirn des Menschen und aktiviert das Belohnungszentrum, die entsprechenden Neurotransmitter auszuschütten. Sobald die Wirkung des Alkohols nachlässt, sinkt auch der Serotoninspiegel wieder ab. Dieser Zustand wird nun als noch erdrückender empfunden. Auf lange Sicht gerät der Neurotransmitter-Stoffwechsel aufgrund der Alkohol-Einwirkung völlig durcheinander.

Eine Folge ist die sogenannte Toleranzwirkung, bei welcher der Betroffene immer mehr Alkohol trinken muss, um dieselben stimmungshebenden Effekte zu verspüren. Dies kann langfristig zu einem gefährlichen Alkoholmissbrauch und letztendlich in die Abhängigkeit führen.

Depressionen und Alkohol stehen in einer wechselseitigen Beziehung. Das bedeutet, dass Depressionen sowohl eine Alkoholkrankheit begünstigen können, als auch umgekehrt ein langjähriger überhöhter Alkoholkonsum eine Depression auslösen kann. Mediziner sprechen in diesem Zusammenhang von einer Komorbidität.

Diagnostik

In den meisten Fällen wird eine Alkoholabhängigkeit erst erkannt, wenn die Betroffenen bereits unter den körperlichen und psychischen Folgen des jahrelangen Alkoholkonsums leiden.

Selbstbeurteilungsfragebögen können einen einfachen Weg darstellen, um sich selbst einen Eindruck davon zu verschaffen, ob der eigene Alkoholkonsum problematisch ist. Zusätzlich dazu können auch Laboruntersuchungen durchgeführt werden, um die Diagnose zu bestätigen. Der akute Alkoholkonsum lässt sich gut über die Menge an Ethylalkohol in Atemluft, Blut oder Urin messen.

Anzeichen einer Alkoholabhängigkeit

  • Starkes Verlangen nach Alkohol
  • Kontrollverlust
  • Mengensteigerung
  • Entzugserscheinungen
  • Vernachlässigung von Interessen und Kontakten
  • Fortgesetzter Konsum trotz negativer Folgen

Behandlung

Für die Behandlung von Alkoholsucht gibt es mehrere Möglichkeiten.

Medikamente alleine helfen kaum gegen eine ausgeprägte Alkoholkrankheit. Sie können aber helfen, den Suchtdruck oder auslösende Faktoren zu mildern. Es gibt Medikamente, die das Verlangen nach Alkohol dämpfen, aber auch solche, die im Rahmen einer abstinenzorientierten Entzugstherapie unterstützen. Diese Präparate rufen gezielt unangenehme Vergiftungserscheinungen (z. B. Erbrechen) hervor, wenn man Alkohol zu sich nimmt.

In einer Psychotherapie werden die Gründe beleuchtet, wegen denen Alkohol in problematischer oder sogar krankhafter Menge konsumiert wird. Neuere Ansätze gehen davon aus, dass Alkoholsucht nicht die Ursache, sondern die Folge eines zugrundeliegenden Problems - einer psychischen Erkrankung oder persönlichen Krise der Betroffene:n - ist. Deshalb sollte bei Alkoholabhängigen immer auch überprüft werden, ob Depressionen, Schlafstörungen, Burnout, Borderline-Störung, Schizophrenie, Zwänge oder Ängste vorliegen, aus denen sich die Sucht entwickelt haben könnte.

Psychotherapie: Alle Therapieformen sind für Alkoholabhängige geeignet - das Spektrum reicht von tiefenpsychologischer Psychotherapie über Verhaltenstherapie bis hin zu systemischer Familientherapie.

Statt völlige Abstinenz als Ziel anzustreben, die im Alltag schwer aufrechtzuerhalten ist, geht die Entwicklung in der modernen Therapie hin zu Entzugstherapien, die kontrolliertes Trinken als Ziel haben. Die Erfolgsquote ist dabei aber stark abhängig von der Schwere der Suchterkrankung. Umso ausgeprägter die Sucht, umso unwahrscheinlicher ist es, dass kontrolliertes Trinken umsetzbar ist.

Die Therapie rund um Suchterkrankung und Depression ist wie eine alleinige Suchtbehandlung von vier aufeinander folgenden Phasen geprägt. Der maßgebliche Unterschied besteht allerdings darin, dass die depressive Störung von Anfang an mitbehandelt und stets der Gesamtzusammenhang zwischen Sucht und Depression berücksichtigt wird.

Phasen der Therapie

  1. Die Vor- oder Motivationsphase
  2. Körperliche Entgiftung
  3. Entwöhnungstherapie
  4. Entwicklung individueller Rückfallpräventions- und Nachsorgekonzepte

Tabelle: Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit

Merkmal Alkoholmissbrauch Alkoholabhängigkeit
Trinken Kein Zwang Zwang
Entzugssymptome Keine körperlichen Körperliche
Probleme Psychische oder soziale Ebene Zwischenmenschlicher oder rechtlicher Ebene

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