Depressionen führen zu erheblichen Belastungen im Alltag und können zu Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie im beruflichen Bereich führen. Es ist wichtig zu wissen, wann eine Krankschreibung notwendig ist und welche Rechte und Pflichten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber haben.
Diagnose und Schweregrad einer Depression
Für die Diagnose einer Depression berücksichtigen Ärztinnen oder Ärzte unter anderem den Schweregrad und die Dauer der Symptome. Die Ärztin oder der Arzt fragt nach Symptomen und wie lange sie bestehen. Sie oder er erkundigt sich zudem nach der Lebenssituation und möglichen Problemen bei der Alltagsbewältigung. Zudem ist es wesentlich, organische Ursachen für die Depression auszuschließen - z.B. durch ein Schädel-Hirn-Trauma.
Es können auch Fragebögen zum Einsatz kommen, um die Stellung der Diagnose zu unterstützen.
Fachleute teilen Depressionen in drei Schweregrade ein:
- Leichte depressive Episode: Mindestens zwei oder drei der oben angegebenen Symptome sind vorhanden.
- Mittelgradige depressive Episode: Vier oder mehr der oben angegebenen Symptome sind vorhanden.
- Schwere depressive Episode: Darunter verstehen Fachleute eine depressive Episode mit mehreren oben angegebenen quälenden Symptomen. Der Verlust des Selbstwertgefühls und Gefühle von Wertlosigkeit sowie Schuld sind stark ausgeprägt. Suizidgedanken sowie Suizidhandlungen sind häufig. Bei einer schweren depressiven Episode können auch psychotische Beschwerden auftreten. Dazu zählen zum Beispiel Halluzinationen oder Wahnideen. Aber auch Bewegungsstörungen oder ein Stupor können vorhanden sein. Der Alltag ist stark beeinträchtigt.
Behandlungsmöglichkeiten bei Depressionen
Zur Behandlung einer Depression stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Die Ärztin oder der Arzt legt mit der betroffenen Person Ziele der Behandlung fest. Die Ziele können sich auch im Verlauf der Behandlung ändern. Zu wesentlichen Therapiemaßnahmen zählen vor allem Medikamente, meist sogenannte Antidepressiva, und Psychotherapie. In jedem Fall erfolgt eine Aufklärung über die Erkrankung. Die Fachwelt nennt das Psychoedukation. Bei der Behandlung einer Depression können auch Ergotherapie oder Musiktherapie zum Einsatz kommen.
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Medikamentöse Behandlung
Sogenannte Antidepressiva sind Medikamente gegen Depressionen, denen ein ähnliches Prinzip zugrunde liegt. Diese sollen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen die Konzentration von sogenannten Neurotransmittern im Gehirn, vor allem von Serotonin bzw. Noradrenalin oder Dopamin, erhöhen. Es gibt verschiedene Arten von Antidepressiva:
- Nicht selektive Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NSMRI) erhöhen die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin.
- Alpha2-Rezeptor-Antagonisten: Diese erhöhen ebenfalls die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin.
- Monoaminooxidase-Inhibitoren (MAO-Hemmer): Diese blockieren die Wirkung des Enzyms Monoaminooxidase.
Es dauert ungefähr 14 Tage, bis Antidepressiva wirken. Nach ungefähr drei bis vier Wochen rechnet man mit der vollen Wirkung. Dann bespricht die Ärztin oder der Arzt mit der betroffenen Person, ob die Symptome weniger geworden sind. Studien zeigen, dass Antidepressiva Beschwerden einer Depression lindern und Rückfälle verhindern können. Jedoch wirken sie nicht bei allen Betroffenen gleich gut. Ein Teil hat weiterhin Beschwerden.
Bei der Behandlung einer Depression können auch andere Medikamente als Antidepressiva zum Einsatz kommen. Auch Benzodiazepine oder Antipsychotika können zur Anwendung kommen. Zum Beispiel zur Beruhigung oder bei einer Psychose im Rahmen einer Depression. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt klärt Sie über die Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie Nutzen und Risiko der Medikamente auf.
Psychotherapie
Es gibt unterschiedliche Methoden der Psychotherapie. Eine Psychotherapie kann einzeln, in der Gruppe oder auch als Paartherapie erfolgen.
Weitere Behandlungsmethoden
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT): Bei der Elektrokonvulsionstherapie, kurz EKT oder auch Elektrokrampftherapie genannt, erfolgt in einer Kurznarkose eine Verabreichung von Stromimpulsen über Elektroden an der Kopfhaut. Dies führt zu einem Krampfanfall. Eine Therapieserie besteht aus ca. acht bis zwölf Einzelbehandlungen. Diese werden meist zwei- bis dreimal pro Woche durchgeführt. Die EKT kann für einige Wochen das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigen.
- Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS): Bei der repetitiven Transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) wird eine Spule an die Kopfhaut angelegt. Diese erzeugt elektromagnetische Impulse, die wiederholt verabreicht werden. Dafür ist keine Betäubung bzw. Narkose notwendig. Ein Behandlungszyklus umfasst fünf Sitzungen pro Woche, die 20 bis 30 Minuten dauern. Die Behandlung erfolgt über drei bis sechs Wochen. In seltenen Fällen kann es zu einem Krampfanfall kommen.
- Lichttherapie: Bei Depressionen, die einen Zusammenhang mit den Jahreszeiten zeigen, empfehlen Fachleute mitunter Lichttherapie. Diese hat das Ziel, den Spiegel der Hormone Serotonin und Melatonin zu regulieren. Am häufigsten kommt bei der Lichttherapie ein Licht von hoher Lichtstärke zum Einsatz. Fachleute raten zu einer Lichtstärke von ca. 10.000 Lux.
- Schlafentzugstherapie: Diese findet in einem Krankenhaus auf einer Station oder in einer spezialisierten Ambulanz statt. Dabei kommt es zu einem Schlafentzug über die ganze Nacht oder in der zweiten Nachthälfte.
- Bewegungstherapie und sporttherapeutische Maßnahmen: Neben Bewegungstherapie hat sich vor allem Sport in der Gruppe als sporttherapeutische Maßnahme bewährt.
- Musiktherapie: Bei der Musiktherapie kommen musikalische Mittel zum Einsatz.
Therapieresistenz
Die Ärztin oder der Arzt klärt Sie über Möglichkeiten der Behandlung auf, falls die Therapie nicht gut anspricht bzw. wirkt. Fachleute sprechen in dem Zusammenhang von Therapieresistenz. Diese liegt vor, wenn mindestens zwei unterschiedliche Antidepressiva aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen nicht zum Therapieerfolg geführt haben. Ist eine Rückbildung der Symptome nicht möglich, konzentriert sich die Therapie meist auf eine möglichst gute Kontrolle der Symptome und Verbesserungen der Teilnahme am Alltagsleben. Die Therapie richtet sich dabei individuell nach den Patientinnen bzw.
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Es kann sein, dass Psychotherapie zusätzlich zu Medikamenten eine Empfehlung ist. Oder dass die Ärztin oder der Arzt zusätzlich zum Antidepressivum andere Medikamente verschreibt, zum Beispiel den Wirkstoff Quetiapin. Dieser wirkt auch antipsychotisch. Zudem ist eine repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS) eine Möglichkeit. Bei einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode, die auf mehrere durchgeführte Behandlungsversuche nicht angesprochen hat, schlägt die Ärztin oder der Arzt gegebenenfalls zusätzlich zu einem Antidepressivum Esketamin vor. Die Verabreichung von Esketamin erfolgt im Krankenhaus, eventuell in einer Ambulanz. Auch Ketamin als Infusion kann zum Einsatz kommen.
Die Ärztin oder der Arzt sucht zudem nach Ursachen, warum die Therapie bis jetzt nicht gut gewirkt hat.
Phasen der Behandlung
- Akuttherapie: Diese dient u.a. der Linderung des Leidensdrucks, der Behandlung der Symptome, Wiederherstellung der beruflichen sowie psychosozialen Leistungsfähigkeit sowie sozialer Teilhabe. Die Akuttherapie findet statt, bis die Symptome deutlich zurückgehen bzw. nicht mehr vorhanden sind. Kommen Medikamente zum Einsatz, erfolgt die medikamentöse Einstellung.
- Erhaltungstherapie: Nach einer Akuttherapie erfolgt eine weiterführende Einnahme der Medikamente über vier bis neun Monate bzw.
- Rückfall-Vorbeugung: Vor allem bei einem hohen Risiko eines Rückfalls bzw. eines chronischen Verlaufs rät die Ärztin oder der Arzt zu einer Rückfall-Vorbeugung. Diese kann mehrere Jahre andauern. Die Einnahme der Medikamente wird so fortgesetzt, wie sie bisher gut gewirkt hat.
Die Behandlung verläuft nicht immer nach einem bestimmten Schema. Es kann sein, dass die Ärztin oder der Arzt im Verlauf der Behandlung eine Anpassung der Maßnahmen vorschlägt.
Behandlung je nach Schweregrad
- Behandlung einer leichten depressiven Episode: Hier können etwa ärztliche Gespräche, Psychoedukation oder psychotherapeutische Beratung ausreichend sein. Fachleute empfehlen Psychotherapie, wenn: Die Patientin oder der Patient diese Maßnahmen ablehnt, diese Möglichkeiten nicht ausreichen, Psychotherapie schon früher geholfen hat oder das Risiko für eine Verschlechterung absehbar ist. Bei leichten Depressionen schlägt die Ärztin oder der Arzt Antidepressiva zusätzlich nur unter besonders kritischer Abwägung von Nutzen und Risiko vor. Antidepressiva kommen auch zum Einsatz, wenn eine Psychotherapie abgelehnt wird.
- Behandlung einer schweren depressiven Episode: Hier empfehlen Fachleute eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten. Wird eines von beiden abgelehnt, erfolgt entweder Psychotherapie oder Medikamenteneinnahme allein.
Krankschreibung bei Depressionen
Im Zuge einer Depression erfolgt die Krankschreibung prinzipiell genau gleich wie bei anderen Krankheiten. Der Hausarzt schreibt den Betroffenen nach der Untersuchung etwa direkt krank oder verweist ihn zu einem Spezialisten. Wie bei jeder Krankheit braucht man Zeit und Ruhe, um wieder Kräfte zu sammeln. Melden Sie sich krank, wenn das notwendig ist.
Rechte und Pflichten im Krankenstand
Was ist eine Krankenstandsbestätigung?
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Eine Krankenstandsbestätigung ist eine ärztliche Bestätigung über die Arbeitsunfähigkeit.
Was muss in der Bestätigung des Arztes/der Ärztin angeführt werden?
In der Krankenstandsbestätigung muss die Ursache für Ihre Arbeitsunfähigkeit angeführt sein. Damit ist aber nicht die Diagnose gemeint! Sie müssen Ihrem:Ihrer Arbeitgeber:in nicht offenlegen, woran Sie leiden. Das ist Ihre Privatsache. Sie müssen den:die Arbeitgeber:in nur informieren, ob Sie krank sind oder einen Unfall erlitten haben.
Ab wann muss ich eine Krankenstandsbestätigung bringen?
Ab wann du eine Krankenstandsbestätigung bringen musst, ist unterschiedlich. Arbeitgeber:innen können nach angemessener Zeit wiederholt eine Krankenstandsbestätigung verlangen.
Dürfen Arbeitnehmer:innen krank außer Haus gehen?
Was erlaubt ist und was nicht, hängt jedoch von der Erkrankung ab: Ist jemand wegen Depressionen krankgeschrieben, kann ein Spaziergang mit Freunden durchaus hilfreich sein, andererseits ist bei einer Grippe und hohem Fieber „Bett hüten” angesagt.
Können Beschäftigte im Krankenstand gekündigt werden?
Arbeitnehmer:innen können im Krankenstand gekündigt werden. Arbeitnehmer:innen sind während des Krankenstandes nicht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geschützt. Sie können während des Krankenstandes gekündigt werden. Dabei sind aber dieselben Kündigungsfristen und -termine einzuhalten, die auch sonst gelten. Außerdem darf sich der Arbeitgeber durch die Kündigung keine Entgeltfortzahlung ersparen.
Verhalten im Krankenstand
Krankenstand oder nicht? Ob eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Erkrankung vorliegt, entscheidet der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin. Im Krankenstand dürfen Sie nichts tun, was das Gesundwerden verzögern könnte. Das bedeutet zum Beispiel, wenn jemand aufgrund einer Grippe oder eines grippalen Infekts im Krankenstand ist, darf er sich nicht im Freien aufhalten bzw. muss dies auf das Allernötigste beschränken (Arztbesuche, Gang zur Apotheke). Ist jemand wegen Depressionen krankgeschrieben, kann Spazierengehen ein Teil der Behandlung sein. Was zu tun ist, entscheidet im Zweifelsfall derArzt:die Ärztin.
Wenn Sie während Ihres Krankenstandes Ihren Aufenthaltsort ändern möchten, müssen Sie dies zuvor der Österreichischen Gesundheitskasse melden.
Entgeltfortzahlung im Krankenstand
Wie lange Ihr:e Arbeitgeber:in das Entgelt weiterzahlen muss und wie viel, sowie Informationen zum Krankengeld von der Österreichischen Gesundheitskasse finden sie hier.
Kündigungsschutz im Krankenstand
Arbeitnehmer:innen sind während des Krankenstandes nicht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geschützt. Sie können während des Krankenstandes gekündigt werden. Dabei sind aber dieselben Kündigungsfristen und -termine einzuhalten, die auch sonst gelten.
Burnout und Krankschreibung
In Österreich leiden im Schnitt mehr als 500.000 Menschen unter einem Burnout-Syndrom. Wenn man seinem Arbeitgeber gegenübersteht und ihm mitteilt eventuell für längere Zeit krank geschrieben zu werden, sollte man gewappnet sein und seine Rechte und Pflichten kennen. Gleiches gilt für den Arbeitnehmer, auf den durch den Ausfall der Arbeitskraft und finanzieller Natur Belastung zukommen.
Tipps für den Arbeitsalltag mit Depressionen
- Lassen Sie sich krankschreiben: Bei einer Depression sind Sie genau so krank wie bei einer Lungenentzündung.
- Gehen Sie verständnisvoll mit sich um: Besonders in einer Depression ist man sehr hart und streng mit sich.
- Seien Sie ganz im Moment: Wer sich dauernd vor Augen hält, was er noch tun muss, bekommt Stress.
- Teilen Sie sich die Arbeit ein: Schreiben Sie sich eine Aufgabenliste.
- Planen Sie Zeit für das Wichtigste ein: Nicht alles ist gleich wichtig oder gleich dringend.
- Suchen Sie sich Vertraute: Versuche Sie, in der Arbeit jemanden zu finden, dem Sie vertrauen und mit dem Sie offen reden können.
- Sagen Sie es, wenn der Alltag zu viel wird: Beruf, Familie, Freundschaften und Hobbys - der Alltag fordert Zeit und Energie.
Psychische Belastung am Arbeitsplatz
Immer mehr Menschen klagen über die krankmachende psychische Belastung am Arbeitsplatz: Zu viel Arbeit bei zu wenig Zeit, lange Arbeitstage, eine dünne Personaldecke, Freundlichkeitsdruck, Umstrukturierungen und vieles andere mehr kennzeichnen den Arbeitsalltag vieler Arbeitnehmer:innen.
Die Ergebnisse der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria (2022, Zahlen aus 2020), zeigen:
- 60 % der Erwerbstätigen fühlen sich am Arbeitsplatz mindestens einem psychischem Gesundheitsrisiko ausgesetzt.
- Als größtes arbeitsbezogenes Gesundheitsrisiko wird am häufigsten starker Zeitdruck bzw. Arbeitsüberlastung angegeben: 38,3 % berichten, in ihrer Arbeit unter starkem Zeitdruck zu leiden bzw. überlastet zu sein.
Arbeitsbedingte psychische Belastung kann zu Fehlbeanspruchung führen und krank machen. Eine Folge können etwa psychische Erkrankungen, wie Depressionen oder Angststörungen, sein. Die Krankenstandstage durch psychische Erkrankungen haben seit 1994 deutlich zugenommen. Auch die auf diesen beruhenden Invaliditätspensionen haben einen bedenklichen Anteil erreicht.
Veränderung Krankenstandstage 1994 zu 2023 (gerundet auf Tausend)
| Krankheitsgruppen | 1994 | 2023 | Veränderung absolut | Veränderung in % |
|---|---|---|---|---|
| insgesamt | 40.211.000 | 56.088.000 | + 15.877.000 | + 39,5% |
| Psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen | 1.063.000 | 5.776.000 | + 4.713.000 | + 443,4% |
Schutz vor arbeitsbedingten psychischen Gefahren
Arbeitgeber:innen haben eine Schutzverpflichtung für die Arbeitnehmer:innen. Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) stellt klar: Auch die arbeitsbedingte psychische Belastung ist Teil der betrieblichen Arbeitsplatzevaluierung. Arbeitgeber:innen müssen beeinträchtigende Arbeitsbedingungen ermitteln, beurteilen und durch wirksame Schutzmaßnahmen ausschalten oder zumindest reduzieren.
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