In Deutschland leiden rund acht Millionen Menschen an Migräne. Und innerhalb eines Jahres erfahren etwa 6,8 Millionen Menschen eine Depression oder depressive Krise.
Problematisch ist dabei, dass Migränepatienten ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko tragen, zudem eine Depression oder eine generalisierte Angsterkrankung zu erleiden.
Studien zeigen: Migräne forciert psychiatrische Begleiterkrankungen. So ergab eine österreichische Studie, dass fast 65% der Patient:innen zusätzlich zur Migräne an Angststörungen und Depressionen litten.
Weitere Studien aus Spanien, den USA und eine erst heuer publizierte Studie aus Griechenland untersuchten ebenfalls den Zusammenhang zwischen Migräne und psychiatrischen Symptomen und kamen zu ähnlichen Ergebnissen: Es zeigte sich bei allen eine signifikante Häufung dieser Komorbiditäten.
Und: Mit zunehmender Frequenz der Migräneattacken kam es auch zu einer Verstärkung der psychiatrischen Symptome.
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Eine rezente Studie legt nahe, dass moderne Migräneprophylaxe mittels spezieller Antikörper nicht nur gegen die Migräne selbst, sondern auch gegen ihre „Begleiterkrankungen“ wirkt.
Medikation bei Migräne und Depression
„Für diese Patienten ist es von besonderer Bedeutung, dass keine ungünstigen Wechselwirkungen zwischen den bei diesen Erkrankungen üblicherweise verordneten oder eingenommenen Medikamenten auftreten“, sagt Prof.
Zur Behandlung einer akuten Migräneattacke werden häufig schwere Schmerzmittel aus der Stoffklasse der Triptane eingesetzt. Diese wirken als Serotonin-Agonisten, als Gegenspieler des Neurohormons Serotonin.
In den letzten Jahren hat sich zur Behandlung von Depressionen oder Angsterkrankungen zunehmend eine Medikamenten-Therapie mit sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer durchgesetzt.
Die Kombination dieser beiden Medikamentengruppen kann zum „Serotonin-Syndrom“ führen.
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Ein „Serotonin-Syndrom“ verursacht Puls- und Blutdruckanstieg, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, Pupillenerweiterung sowie innere Unruhe, Koordinationsstörungen, Halluzinationen.
Auch neuromuskuläre Störungen wie zum Beispiel Muskelzittern (Tremor) und gesteigerte Reflexe bis hin zu Muskelkrämpfen können auftreten.
Ist auch die Atemmuskulatur betroffen, so kann das Serotonin-Syndrom lebensbedrohlich sein.
Die Gefahr für Patienten, die sowohl Serotonin-Agonisten als auch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer einnehmen, scheint jedoch gering zu sein.
Obwohl davon auszugehen ist, dass die gemeinsame Einnahme von Triptanen und den genannten Psychopharmaka sehr häufig ist, werden in der wissenschaftlichen Literatur nur einige wenige Einzelfälle beschrieben, bei denen ein Serotonin- Syndrom auftrat.
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Wegen der unterschiedlichen Verstoffwechslung der Triptane dürfte das Risiko der Entwicklung eines Serotonins-Syndroms bei gleichzeitiger Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) am geringsten sein.
Grundsätzlich sollten Patienten, die gleichzeitig Triptane und Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI oder SNRI einnehmen, besonders sorgfältig ärztlich begleitet werden.
Chronische Migräne
Bei Migräne unterscheidet man zwischen einem episodischen und chronischen Verlauf. Chronische Migräne bedeutet, dass Betroffene mindestens drei Monate lang an mehr als der Hälfte der Tage unter Kopfschmerzen leiden.
Gemäß der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft unterteilt man Migräne-Kopfschmerzen in zwei Untergruppen: die episodische und die chronische Form.
Eine chronische Migräne liegt dann vor, wenn Betroffene über mindestens drei Monate hinweg an mehr als 15 Tagen im Monat über unter Kopfschmerzen leiden.
Dabei müssen an mindestens acht dieser Tage typische Begleitsymptome wie Aura, Übelkeit oder Erbrechen auftreten. Ein weiteres Kriterium ist, dass die Kopfschmerzen nicht auf einen Übergebrauch von Medikamenten zurückzuführen sind.
Die chronische Migräne tritt bei etwa ein bis zwei Prozent der allgemeinen Bevölkerung auf, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.
Symptome der chronischen Migräne
Die Symptome der chronischen Migräne unterscheiden sich nicht von den Beschwerden, die generell mit Migräne einhergehen. Das bedeutet, zu den Symptomen gehören vor allem starke Kopfschmerzen, die meist einseitig, manchmal auch beidseitig auftreten.
Der Schmerz kann außerdem pulsieren.
Die im Folgenden aufgelisteten Symptome kommen häufig vor:
- Kopfschmerzen (meistens)
- Licht- und/oder Lärmscheu
- Aura (Sehstörungen, Missempfindungen, Sprechstörungen, Sprachstörungen, Bewegungsstörungen, Doppelbilder, Ohrgeräusche oder Flimmern sind möglich)
- Stimmungsveränderungen
- Heißhunger oder Appetitlosigkeit
- Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Konzentrieren
- Vermehrtes Gähnen und Müdigkeit
- Übelkeit und/oder Erbrechen
- Symptomverstärkung durch körperliche Aktivität
Krankheiten, die oft zusammen mit chronischer Migräne auftreten (Komorbiditäten): Depression, Angsterkrankung, Übergewicht, arterielle Hypertonie, Medikamentenübergebrauch und Schlafstörungen
Die chronische Migräne kann mit und ohne Aura auftreten. Als Diagnosekriterium ist jedoch nur relevant, wie lange die Anfälle dauern und wie oft sie auftreten. Nur die Anfallshäufigkeit unterscheidet also die chronische von der episodischen Migräne.
Behandlung der chronischen Migräne
Betroffene Patientinnen und Patienten leiden oft stark unter der chronischen Migräne. Neben einer wirksamen Vorbeugung (Prophylaxe) ist vor allem die Behandlung der Symptome sehr wichtig.
Vorbeugung bei chronischer Migräne
Monoklonale Antikörper sind eine neue Art von Medikamenten, die helfen können, Migräne zu verhindern. Sie wirken, indem sie ein Molekül namens CGRP blockieren, das bei der Entstehung von Migräne eine wichtige Rolle spielt.
Diese Medikamente können die Anzahl und Schwere der Migräneanfälle verringern.
Es gibt mehrere monoklonale Antikörper, die für die Migräneprophylaxe eingesetzt werden. Erenumab blockiert den CGRP-Rezeptor und kann helfen, Migränetage zu reduzieren.
Fremanezumab zielt direkt auf das CGRP-Molekül ab und wird regelmäßig verabreicht, um Migräneanfälle zu verhindern.
Galcanezumab, ähnlich wie Fremanezumab, blockiert CGRP und wird zur Vorbeugung von Migräne eingesetzt.
Eptinezumab wird intravenös verabreicht und wirkt ebenfalls gegen CGRP.
Die Wirkung dieser Antikörper beginnt oft schon nach wenigen Wochen, und viele Menschen bemerken eine Verbesserung innerhalb von drei Monaten.
Zur Vorbeugung (Prophylaxe) der chronischen Migräne eignen sich auch die Wirkstoffe OnabotulinumtoxinA (eine Form von Botox) und Topiramat. Sie sind trotz leichter Nebenwirkungen Teil der Standardprophylaxe bei chronischer Migräne.
Bei einigen Patienten ist auch Akupunktur hilfreich.
Betablocker wie Propranolol, Metoprolol und Bisoprolol, die normalerweise bei Herzerkrankungen oder Bluthochdruck eingesetzt werden, können einer chronischen Migräne vorbeugen und sind oft schon in geringer Dosis wirksam.
Bei einer Neurostimulation des Nervus supraorbitalis wird jener Nerv, der oberhalb der Augenhöhle liegt, durch elektrische Impulse stimuliert.
Studien haben gezeigt, dass diese Methode bei einigen Patienten die Häufigkeit und Intensität von Migräneanfällen reduziert.
Außerdem ist bekannt, dass es für die Prophylaxe der chronischen Migräne wichtig ist, die Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) zu behandeln. Werden Krankheiten therapiert, die mit der chronischen Migräne gemeinsam auftreten, wirkt sich das positiv auf den Therapieerfolg bei chronischer Migräne aus.
Zu solchen Komorbiditäten zählen Depression, Angsterkrankungen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Übergewicht, Bluthochdruck, Medikamentenübergebrauch und Schlafstörungen.
Zudem gibt es bei chronischen Kopfschmerzen weitere Möglichkeiten zur Prophylaxe, zum Beispiel Ausdauersport, Biofeedback oder Verhaltenstherapie.
Bisher ist nicht nachgewiesen, ob diese Methoden auch bei chronischer Migräne helfen. Trotzdem lohnt es sich, diese Maßnahmen auszuprobieren.
Die okzipitale Nervenblockade hat in Studien gezeigt, dass sie kurzfristig wirksam ist und helfen kann, die Anzahl der Migränetage zu reduzieren. Die Langzeitwirkung ist jedoch noch nicht ausreichend erforscht.
Bei der okzipitalen Nervenblockade werden bestimmte Nerven betäubt, die für das Gefühl im hinteren Teil des Kopfes verantwortlich sind.
Akutbehandlung bei chronischer Migräne
Die Akutbehandlung der chronischen Migräne ähnelt der Behandlung von Migräne im Allgemeinen.
Zur akuten Behandlung der chronischen Migräne eignen sich Schmerzmedikamente (z.B. Ibuprofen, Acetylsalicylsäure (ASS) oder Paracetamol). Auch Antiemetika, also Mittel gegen Übelkeit, können das Wohlbefinden der Betroffenen deutlich steigern.
Sogenannte Kombinationspräparate können auch helfen, die Beschwerden zu lindern. Am besten erforscht ist dabei die Kombination aus Paracetamol, Acetylsalicylsäure (ASS) und Koffein. Auch Koffein alleine kann hilfreich sein.
Es wird empfohlen, Kombinationspräparate nicht länger als 10 Tage im Monat und einfache Schmerzmittel nicht länger als 15 Tage im Monat einzunehmen, um das Risiko von medikamenteninduzierten Kopfschmerzen zu vermeiden.
Amitriptylin ist eigentlich ein Medikament, das gegen Depressionen hilft. Trotzdem wird es auch zur Therapie der chronischen Migräne eingesetzt.
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