Borderline-Persönlichkeitsstörung und Untreue

Affären und Seitensprünge sind Gift für eine Beziehung. Nicht selten bedeuten sie das Ende derselben und lassen einen der Partner gekränkt und verletzt zurück. In vielen Fällen liegt die Verantwortung aber bei beiden Parts einer Beziehung.

Das zeigt die „Gottman-Rusbult-Glas-Kaskade“, die jedoch einige Ausnahmen außer Acht lässt. Es gibt Beziehungen und Ehen, in denen Zärtlichkeit und Sex aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht möglich sind. Des Weiteren sind Fälle ausgenommen, in welchen der betrügende Part einer Beziehung tiefgreifende Persönlichkeitsprobleme hat und Empathie fehlt.

Hier bringt die Suche nach den Gründen für einen Seitensprung recht wenig. Denn solche Personen gehen grundlos mit mehreren Affären fremd oder haben gar eine zweite Beziehung nebenher. Zumeist handelt es sich hierbei um Menschen, die unter Narzissmus, einer unreifen Persönlichkeitsstörung oder unter Borderline-Störung leiden. In diesen Fällen sind Seitensprünge häufig vorsätzlich oder Teil des Störungsbildes.

Die 7 Schritte zur Untreue: Warum passiert ein Seitensprung?

Abgesehen von den vorher genannten Ausnahmen läuft Untreue meist nach dem gleichen Schema ab. In einer funktionalen und glücklichen Beziehung kommt ein Seitensprung nur in den seltensten Fällen vor. Denn beide Partner stellen in diesem Fall die Liebe, Sicherheit und Stabilität vor den Reiz des Neuen - außer natürlich in polyamoren oder offenen Beziehungen, doch dort definiert sich Sex mit anderen nicht als Untreue.

Die „Gottman-Rusbult-Glas-Kaskade“ zeigt, warum es zum Seitensprung kommt. Dabei spielen fehlende Aufmerksamkeit und Wertschätzung als maßgebliche Gründe, sowie ein sich Flüchten in Fantasien die maßgeblichen Rollen am Weg zur Untreue.

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  1. John Gottman fand bereits in früheren Forschungen heraus, dass in einer Partnerschaft laufend verbale und nonverbale Bitten um Aufmerksamkeit und Unterstützung gestellt werden - diese nennt er „bids“. Beispiele solch einer Bitte sind der Wunsch, den Tag zu besprechen, oder auch Hilfe bei der Hausarbeit. Sobald diese Ablehnung sich über einen längeren Zeitraum manifestiert, führt dies zu Frustration, Wut oder Trauer.
  2. Die um Aufmerksamkeit und Wertschätzung Bittenden gewöhnen sich an den Zustand der Ablehnung - das ist auch eines der Anzeichen einer scheiternden Beziehung. Dabei verbergen sie um des Frieden Willens ihre Gefühle, sind innerlich aber verletzt, traurig, wütend und vor allem nachtragend. Die Folge: Die Bittenden bemühen sich laufend weniger um Aufmerksamkeit, weil sie damit rechnen, erneut verletzende Ablehnung zu erfahren.
  3. Ablehnung tut weh. Der Selbstwert sinkt. Die Trauer führt zur Flucht. Hier beginnen sich die Bittenden, in Fantasien zu verlieren. Sie erschaffen in ihren Köpfen einen idealen Partner auf Basis der Wünsche, die sie ihrem realen Partner gegenüber hegen. Das Idealisieren der Partnerin oder des Partners erlebt ein grausames Ende. Denn bis zu diesem Punkt hält die Partnerschaft jedem Vergleich stand. Dazu gesellt sich, dass sich Betroffene nun auch nicht mehr für die Beziehung engagieren. Es ist einfacher, sich für etwas vermeintlich Besserer einzusetzen, als an dem Schlechten festzuhalten.
  4. Vertrauen und Kommunikation sind die Basis einer funktionierenden Beziehung. Dies zu erhalten, bedeutet laufend Arbeit. Wenn es aber so weit gekommen ist, dass sich eine der Personen in einer Partnerschaft nicht wertgeschätzt, gehört und geliebt fühlt, bröckelt das Vertrauen und die gesunde Kommunikation fällt aus. Ob nun die Sorge, der ablehnende Part könnte sich bereits entliebt oder eine Affäre haben, oder der legitime Gedanke, dass sich die Partnerin oder der Partner nicht mehr um die Erfüllung der Bedürfnisse kümmert - beides führt zu einer zunehmenden Distanz.
  5. Was bereits zuvor im Kopf passierte, spielt sich nun auch im Außen ab. Betroffene verlieren kein positives Wort mehr über den ignorierenden Part. Was Gottman nicht dezidiert nennt: Der bald betrügende Part errichtet bereits ein Umfeld, das der aktuellen Partnerin oder dem aktuellen Partner nicht wohlgesinnt ist.
  6. Bis zum Fremdgehen ist ab hier nicht mehr weit. Ab diesem Punkt bleiben fast nur noch Trennung oder Untreue als realistische Optionen. Der bald betrügende Part hört ab diesem Punkt auf, sich auf die Partnerin oder den Partner zu verlassen. Die Idealisierung einer besseren Beziehung hat sich festgesetzt und die bestehende Beziehung wird verunglimpft. Das Denken richtet sich voll und ganz gegen die Beziehung.
  7. Die Beziehung ist abgeschrieben. Ab hier gibt es kein Zurück. Um die Bedürfnisse zu befriedigen, begibt sich der abgelehnte Part bewusst oder unbewusst auf die Suche nach anderen Menschen. Davon nehmen Außenstehende natürlich Notiz und in vulnerablen Momenten kommt es zum Überschreiten der Grenze - der Seitensprung ist passiert.

Sobald all die verschiedenen Gründe für einen Seitensprung erfüllt sind, beginnt in Wirklichkeit für beide Teile der Partnerschaft ein Kampf. Umso wichtiger ist es, zu wissen, warum es zum Fremdgehen kommt. Nicht selten schmälern Betrogene ihren Anteil an der Untreue - natürlich sollte das nie eine Entschuldigung für Fremdgehen herangezogen werden! Die Verantwortung liegt letztlich immer noch beim betrügenden Part. Denn man sollte offener Kommunikation oder im schlimmsten Fall einer Trennung immer den Vorzug vor einem Seitensprung geben.

Anhand des Wissens über den Ablauf kannst du - zumindest in den meisten Fällen - ein Fremdgehen verhindern. Die zu Beginn genannten Ausnahmen machen jedoch einen absoluten Schutz vor dem Seitensprung unmöglich. In einer gesunden Beziehung aber zeigen sich deutliche Warnzeichen, auf die du achten kannst. Außerdem gibt es Anzeichen für Untreue, solltest du dir doch einmal unsicher sein.

Persönlichkeitsstörungen und Untreue

In Bezug auf Persönlichkeitsstörungen können folgende Aspekte relevant sein:

  • Paranoide Persönlichkeit: Die an Paranoia leidende Person ist von Misstrauen und Verdacht gegenüber anderen erfüllt. Die Motive anderer werden als bösartig interpretiert. Ohne Grund verdächtigt er andere, ihn auszunutzen, ihm zu schaden oder ihn zu täuschen. Er verdächtigt seinen Partner der Untreue oder zweifelt an dessen Loyalität.
  • Schizoide Persönlichkeit: Bei Schizoiden findet man ein Muster von Abgehobenheit und emotionaler Kälte. Es entsteht der Eindruck, dass ihn emotional nichts berührt. Er zeigt kaum Gefühle im zwischenmenschlichen Bereich und wenn, dann nicht offensichtlich. Er zeigt auch kein Verlangen nach engen Beziehungen (z. B. zu Freunden).
  • Borderline-Persönlichkeit: Dieser Persönlichkeitstyp zeigt eine Instabilität der Gefühle und des Selbstbildes. Die Schwierigkeit, die eigenen Emotionen zu kontrollieren, kann dazu führen, dass man von schmerzhaften Gefühlen überwältigt wird. Betroffene erleben eine plötzliche starke innere Spannung mit unklaren Gefühlen. Dies kann zu Instabilität in Beziehungen führen.
  • Narzisstische Persönlichkeit: Hierbei handelt es sich um den so genannten “Größenwahn” mit einem ausgeprägten Muster von Grandiosität, das sich in Phantasie und Verhalten äußert. Getreu dem Motto: “Erst komme ich, dann niemand weit und breit, dann kommen vielleicht die anderen.” Es herrscht ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit und Einzigartigkeit. Da ist man schnell verletzt, wenn die Person in Frage gestellt wird.
  • Abhängige Persönlichkeit: Ein anhängliches Muster mit einem übermäßigen Bedürfnis, umsorgt zu werden. Die Person braucht jemanden, der in existenziellen Bereichen des Lebens Verantwortung für sie übernimmt. Hat Schwierigkeiten, Aktivitäten alleine zu unternehmen.
  • Zwanghafte Persönlichkeit: Das Wichtigste für die Person scheint Ordnung und Sicherheit zu sein, auf Kosten der Flexibilität im Leben. Er/Sie ist pedantisch und ein Perfektionist. Die Person kennt sich selbst als “i-stippler”, der sich um Details kümmert, die Kontrolle haben will und nur ungern delegiert. Sie zeigt einen solchen Perfektionismus, der die effiziente Erledigung von Aufgaben behindert. Auffallend ist die rigide Gewissenhaftigkeit bis hin zur Skrupellosigkeit in moralischen und ethischen Fragen.

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