Dass Sport nicht nur das körperliche, sondern auch das psychische Wohlbefinden verbessern kann, ist wissenschaftlich vielfach belegt. Eine großangelegte Studie deutet nun aber sogar darauf hin, dass Sport bei Depressionen eine ähnliche Wirkung wie Medikamente und Psychotherapie haben kann. Regelmäßige körperliche Aktivitäten verringern das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO sagt, dass bereits fünfmal in der Woche 30 Minuten Bewegung dem Bewegungsmangel und den daraus resultierenden Zivilisationskrankheiten entgegenwirken. Dabei gehe es nicht um sportliche Höchstleistungen. Bereits mäßige, vor allem aber regelmäßige Bewegungen können helfen. Der Blutkreislauf kommt in Schwung, was das Schlagvolumen des Herzens erhöht und gleichzeitig die Pumpleistung beruhigt. Außerdem wird das Blutvolumen des Herzens vergrößert.
Die Rolle von Sport in der Depressionsbehandlung
Psychopharmaka und Psychotherapie - das sind die Mittel der ersten Wahl bei Depressionen. Diese beiden Behandlungsmöglichkeiten weisen laut „Depressionsbericht Österreich“ in der Akuttherapie „eine ähnlich moderate Wirkstärke auf“. Sport und Bewegung wird lediglich als unterstützende Ergänzung angeführt. Die Metaanalyse, die kürzlich im „British Journal of Sports Medicine“ veröffentlicht wurde, ergab nun aber, dass sich die Symptome von Depressionen alleine durch körperliche Aktivität verringern lassen. Das Forschungsteam um Ben Singh von der University of South Australia in Adelaide bezeichnet Sport und Bewegung in der Studie als eine der Hauptstützen in der Behandlung von Depressionen.
Die Ergebnisse der Studie könnten laut dem Forschungsteam weitreichende Auswirkungen haben: Wenn Sport und Bewegung ebenso wirksam wie Psychotherapie und Medikamente seien, könnten sie ebenso als Mittel erster Wahl für Menschen mit Depressionen und Angstzuständen eingesetzt werden, so die Studienautorinnen und -autoren.
Individuelle Therapieansätze
„Therapie mit Sport und Bewegung wird wahrscheinlich nur bei bestimmten Subtypen gut wirken - genauso wie es auch bei Medikamenten ist“, gibt Rupert Lanzenberger, Professor im Fachbereich Klinische Neurowissenschaften an der MedUni Wien, zu bedenken. Denn Depression sei eine sehr heterogene Erkrankung: „Es gibt verschiedene Subtypen oder - biologisch betrachtet - sogar unterschiedliche Erkrankungen. Auch der Schweregrad ist sehr unterschiedlich, und altersgruppenspezifische Typen spielen auch eine große Rolle.“
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Bei vielen verschiedenen Formen von Depression sei Psychotherapie „wahrscheinlich ausreichend“, so Lanzenberger im Interview mit science.ORF.at. Klassische Antidepressiva wirken bei etwa einem Drittel der Fälle „ganz gut“. Oft brauche es aber eine Kombination der Therapien. Welche Therapie anzustreben sei, könne im Einzelfall nur der behandelnde Psychiater beurteilen. Abhängig von der Depressionsform beginne man aber normalerweise „nicht gleich mit den schwersten Geschützen“.
Entzündungsfaktoren und Sport
Die Änderung des Lebensstils sei jedenfalls sicher „ein wesentlicher Punkt“, so Lanzenberger. Denn Sport und Bewegung in einem bestimmten Ausmaß verändern den Stoffwechsel - und dadurch sinke die Wahrscheinlichkeit für neuroinflammatorische Prozesse. Diese wiederum spielen bei einem bestimmten Subtyp der Depression eine wesentliche Rolle.
„Diese Entzündungsfaktoren, die auch direkt im Gehirn ausgeschüttet werden, werden durch Sport teilweise in ihrer Wirksamkeit unterdrückt, verringert, unwahrscheinlicher gemacht.“ Und das könne therapeutisch eingesetzt werden, so der Klinische Neurowissenschaftler: „Bei jenen Subtypen der Depression, bei denen Neuroinflammation eine Rolle spielt, wird Sport wirken.“
Die Vielfalt der Sportarten und ihre Wirkung
Laut der Metaanalyse aus Australien ist Sport an vier bis fünf Tagen in der Woche optimal. Eine höhere Intensität der Trainingseinheiten war mit einer stärkeren Verringerung der Symptome verbunden. Die Wirkung nahm allerdings mit zunehmender Dauer der einzelnen Einheiten ab. Das könnte daran liegen, dass es für Menschen einfacher ist, kürzere Aktivitäten beizubehalten, vermutet das Forschungsteam. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Alle Formen von Bewegung haben ihren Nutzen, allerdings zeigten sich je nach Sportart unterschiedliche Wirkweisen. So verringerte etwa Krafttraining die Symptome von Depressionen am stärksten, Trainingsformen wie Yoga und Pilates jene von Angstzuständen. Eine Erkenntnis, die medizinischem Fachpersonal dabei helfen könnte, die jeweils ideale Form der körperlichen Aktivität vorzuschlagen, so das Forschungsteam.
Radfahren stärkt nicht nur die Beine, sondern auch das Herz. Bereits 33 gefahrene Kilometer pro Woche sollen das Risiko für koronare Herzerkrankungen halbieren. Bereits 30 Minuten Radfahren reichen, um reichlich Endorphine auszuschütten. Sie sind dafür verantwortlich, dass sich Radler entspannter fühlen und weit weniger an Depressionen leiden als Nichtsportler. Das belegt eine Studie der Universitätsklinik Tübingen. Bei Menschen mit Depressionen würden sich die Blutwerte nach 30 Minuten Radfahren wieder normalisieren.
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Herausforderungen bei der Umsetzung
Gerade das Verschreiben von Sport- und Bewegungseinheiten könnte sich allerdings als Schwachstelle in der Therapie erweisen. Denn die Studienautorinnen und -autoren stellten auch fest, dass einige Patientengruppen die Verschreibung von körperlicher Aktivität ablehnen. Sie zeigten sich etwa frustriert darüber, dass ihnen gesagt wurde, sie sollten „einfach nur Sport betreiben“, um ihre psychische Gesundheit zu verbessern.
Sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung steht, und sie in die Entscheidung der Therapieform einzubeziehen, sei „wahrscheinlich ein besserer Ansatz als einfach Psychopharmaka und Psychotherapien durch die Verschreibung von Yoga zu ersetzen“, so das Forschungsteam.
Motivation und Antriebshemmung
„Das Problem ist oft die Motivation“, sagt Lanzenberger. Verschiedene Formen der Depression seien mit Anhedonie verbunden, der Unfähigkeit, Freude und Lust zu empfinden. „Normalerweise und von den meisten Menschen kann Sport als belohnend erlebt werden, und dann macht man natürlich sehr gerne Sport. Wenn Belohnungsreize aber nicht mehr entsprechend wahrgenommen werden können, dann ist die Motivation, hinauszugehen und Sport zu betreiben, deutlich reduziert.“
Ein großes Problem sei zudem die Antriebshemmung: „Viele Patientinnen und Patienten können Sport- und Bewegungstherapie nicht so wirklich annehmen - vor allem, wenn sie wirklich antriebsarm sind. Das gilt nicht nur für Sport, sondern für alle Tätigkeiten, die man vielleicht machen sollte.“ Bei schweren Formen der Depression reiche daher sicher nicht der Tipp: „Machen Sie bitte Sport!“ Erst müsse eine Grundlage geschaffen werden, um die Antriebshemmung deutlich zu reduzieren. Gerade deshalb sei bei schweren Fällen eine Kombinationstherapie empfehlenswert, so der Psychiater: Psychotherapie, pharmakologische Therapie und zusätzlich andere Maßnahmen wie Sport und Veränderungen in der Ernährung. „Sport verändert die Verdauung, Sport verändert auch das Mikrobiom. Die Zusammenhänge sind sehr vielfältig.“
Einschränkungen der Studienlage
Gerade die Frage, ob Sport auch bei schweren Depressionen wirkt, hat sich als Schwachstelle der Metaanalyse herausgestellt. Diese Frage konnte das australische Forschungsteam nicht beantworten, denn die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der herangezogenen Studien litten unter leichten bis mittelschweren Depressionen. Patientinnen und Patienten mit schweren Depressionen fanden sich kaum - was auch auf die Motivation, an einer Studie teilzunehmen, zurückzuführen sein könnte.
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Das große Problem von Metaanalysen sei oft, „dass meist nur bestimmte Subgruppen eingeschlossen und sehr viele Dinge zusammengeworfen werden, die klinisch und biologisch unterschiedlich zu bewerten sind“.
Radfahren und psychische Gesundheit: Ergebnisse einer Studie
Eine Studie des „Oxford Centre for Human Brain Activity“ widmete sich genau der Frage, ob Fahrradfahren „automatisch“ zu besserer psychischer Gesundheit führt oder ob sich die Gesunden eher aufs Fahrrad setzen. Die Forschenden erfassten 75 unterschiedliche körperliche Aktivitäten aus Alltag, Freizeit und Sport von rund 1,2 Millionen Erwachsenen. Die Querschnittsauswertung zeigte, dass die aktiven Probanden monatlich um 1,49 Tage weniger bei schlechter psychischer Gesundheit waren als sportlich Inaktive.
„Bewegung ist mit einer geringeren psychischen Belastung für Menschen verbunden - unabhängig vom Alter, von der Ethnie, vom Geschlecht, vom Haushaltseinkommen oder vom Bildungsniveau“, betont der Studienleiter Sammi R. Chekroud gegenüber dem medizinischen Online-Magazin medscape. Patienten mit Depression in der Vorgeschichte brachten Sport mit einer Reduktion ihrer „schlechten“ Tage von 34,5 Prozent in Verbindung. Jene Sportarten mit der besten Wirksamkeit auf die Psyche waren Mannschaftssport und Radfahren.
Die Studienteilnehmenden stuften sich selbst als gesünder ein - sowohl in physischer wie in psychischer Hinsicht. Außerdem fühlten sie sich vitaler, weniger gestresst und weniger einsam.
Radfahren und allgemeine Gesundheit: Skandinavische Studien
Den gesundheitlichen Benefit von Radfahren können aber zwei große Studien aus Skandinavien beweisen: Zu Studienbeginn waren die aktiv radfahrenden Pendler und Pendlerinnen schlanker (-15 Prozent), hatten seltener Bluthochdruck (-13 Prozent), geringere Cholesterinwerte (-15 Prozent) und seltener Diabetes (-15 Prozent). Es zeigten sich folgende Vergleichswerte zu den Inaktiven: -39 Prozent Fettleibigkeit, -11 Prozent Bluthochdruck, -11 Prozent Cholesterin, -18 Prozent Diabetes. Regelmäßiges Radeln zur Arbeit oder/und in der Freizeit senkt demnach das Herzinfarkt-Risiko signifikant (-18 Prozent) im Vergleich zu Nichtradfahrenden.
Die Umstellung von inaktiver zu aktiver Fortbewegung ist also besonders effektiv. Eine Mindestdauer für den positiven Effekt ist dabei nebensächlich: wichtig sind Regelmäßigkeit und die Intensität der Aktivität. Grundsätzlich gilt: Wer ins Schwitzen gerät, hat mehr davon. Ein Zuviel kann allerdings gegenteilige Effekte bewirken. Sportpsychologen warnen vor Sportsucht. Einige Untersuchungen zeigen, dass sportliche Betätigungen mit sehr langer Dauer oder hoher Frequenz mit schlechteren psychischen Daten assoziiert sein können. Insgesamt - so belegen die Studien - überwiegen allerdings die positiven Effekte.
Radfahren und Teenager: Eine schwedische Studie
Dass Teenager besonders stark von einem sportlichen Lebensstil profitieren, belegt eine schwedische Studie.
Eine Untersuchung an einer Million junger Männer hat gezeigt, dass Fitness in diesem Alter das Risiko von Depressionen im Erwachsenenalter verringert. Die Forscherin erklärt, dass ein körperlicher schlechter Zustand auch die Wahrscheinlichkeit eines Selbstmordes um das 1,8-fache erhöht.
Die "Baustelle Gehirn" ist mindestens ein 5-Jahres-Projekt, in dem oft nicht ganz klar ist, ob die Launen den natürlichen Entwicklungen des Gehirns zuzuschreiben sind oder eine psychische Störung vorliegt. Während Launen relativ rasch wieder vergehen, kann eine Depression über Wochen oder Monate bestehen. Als mögliche Gründe für eine Depression sehen Forscher:innen in erster Linie Frustrationen, wenn Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Vernachlässigung, aber auch Überbehüten, kann derartige Symptome verursachen.
Weitere Vorteile des Radfahrens
Radfahrer bleiben gesund, obwohl sie Regen, Wind und Kälte ausgesetzt sind. Es ist äußerst wirksam, sich unterschiedlichen Kälte- und Wärmereizen auszusetzen. Hinzu kommt, dass bei Bewegung an der frischen Luft mehr Licht über die Netzhaut aufgenommen wird, was die Vitaminproduktion fördert und so ebenso die Abwehrkräfte stärkt. Der schützende Effekt tritt jedoch erst langfristig ein. Die Lungenfunktion profitiert besonders vom rhythmischen, zyklischen Charakter des Radfahrens. Die Lungen werden dauerhaft mit frischem Sauerstoff versorgt und die erhöhte Atemfrequenz stärkt die umliegenden Muskeln. Eine trainierte Lunge pumpt mehr Luft aus den Lungenflügeln und dadurch kann mehr sauerstoffreiche Luft nachströmen.
Rückenschmerzen rühren meist daher, dass die Muskulatur im Rumpfbereich zu schwach ausgebildet ist. Für einen gesunden, stabilen Rücken sind gerade die tiefer liegenden, kleinen Muskeln zwischen den Wirbeln wichtig - und die werden durch Radfahren gestärkt. Regelmäßiges Treten der Pedale sorgt dafür, dass chronische Rückenschmerzen gelindert werden. Da der größte Teil des Körpergewichts vom Rad getragen wird, ist Radfahren besonders gelenkschonend. Oft kommen einem beim Radfahren die besten Ideen - Albert Einstein oder Arthur Conan Doyle sind dabei nur einige Beispiele von bekannten Persönlichkeiten, die sich gerne aufs Rad schwangen. Das liegt daran, dass die Bewegung die Hirndurchblutung anregt, was zu einer besseren Verzweigung der Nervenzellen führt.
Lenken, in die Pedale treten, Umschauen, Konzentrieren: Radfahren stellt komplexe motorische Anforderungen. Speziell im Verkehr werden die unterschiedlichen Sinne geschärft. Hinzu kommt, dass durch das Radfahren Transfereffekte für andere Bewegungsformen erzielt werden. Radfahren ist so auch eine gute Vorbereitung für andere Sportarten. Wissenschaftler der Universität Oregon haben festgestellt, dass gerade die Leicht- und Tiefschlafphasen bei aktiven Menschen deutlich besser sind. Ausdauersportarten verbessern die Schlafqualität, weil es hier im Gegensatz zu z. B. Ballsportarten nicht um Sieg oder Niederlage geht.
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