Borderline-Syndrom leicht erklärt

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine psychische Erkrankung, die dazu führt, dass Stress schlecht bewältigt oder starke innere Gefühle nicht angemessen reguliert werden können. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch Probleme bei der Regulierung von Gefühlen und Impulsen. Diese Probleme zeigen sich z.B. in Problemen im zwischenmenschlichen Bereich.

Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung neigen zu impulsivem Verhalten. Ihre Gefühle und Stimmungen können stark schwanken, was zu extremer innerer Anspannung führen und als äußerst belastend empfunden werden kann. Viele Betroffene verletzen sich selbst, beispielsweise durch Ritzen, um vorübergehende Erleichterung zu empfinden. Einige zeigen auch riskantes Verhalten, wie beispielsweise gefährliche Fahrmanöver, oder erleben unvorhersehbare Wutausbrüche, die sie später oft bereuen.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung unterscheidet sich von anderen Persönlichkeitsstörungen durch instabile Beziehungen, ausgeprägte Impulsivität und Selbstverletzungen aufgrund innerer Anspannung. "Borderline" kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Grenzland/Grenzlinie. Heute spricht man in der Regel von einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung des Borderline-Typus.

Jedes Jahr bekommen 1-2% der Menschen die Diagnose Borderline-Störung. Das heißt, etwa 5 von 100 Personen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Borderline-Störung. Die Punktprävalenz wird hingegen auf ca. 1-2% der Bevölkerung jährlich von der Persönlichkeitsstörung betroffen. Männer und Frauen sind zirka gleich häufig betroffen, wobei in der psychiatrischen Versorgung deutlich mehr Frauen zu finden sind.

Ursachen und Entstehung

Genetische Faktoren spielen bei der Entstehung von Borderline eine Rolle, vor allem tragen aber auch bestimmte Lebenserfahrungen und schädliche Verhaltensmuster zur Entwicklung dieser Erkrankung bei. Manche Menschen tragen Genvarianten in sich, die das Auftreten der Borderline-Störung wahrscheinlicher machen. Dabei handelt es sich um Gene, die den Botenstoff Serotonin beeinflussen. Studien haben gezeigt, dass der Stoffwechsel dieses Neurotransmitters besonders bei impulsiven und aggressiven Verhaltensweisen gestört ist. Serotonin ist u.a. für die Emotionsregulation zuständig.

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Für die Entstehung der Borderline-Störung lässt sich das Biopsychosoziale Modell heranziehen. Es gibt eine genetisch bedingte, erhöhte emotionale Sensitivität auf. Betroffene reagieren also schneller und mit stärkeren Emotionen als andere. Diese Emotionen werden dann vom sozialen Umfeld (z.B. den Eltern) invalidiert, was zu traumatisch erlebten Invalidierung führen kann. Invalidierung bedeutet, dass Eltern zum Beispiel die Emotionen eines Kindes runterspielen, als nicht passend bezeichnen oder sogar bestrafen. In der Folge lernt das Kind nicht, seine eigenen Emotionen wahrzunehmen, mit ihnen umzugehen und diese zu regulieren.

In der Folge entwickeln Betroffene oft dysfunktionale Verhaltensweisen, um mit ihren Emotionen umzugehen. Es kann beispielsweise zu Aggression kommen, obwohl es eigentlich primär Angst oder Traurigkeit verspürt. Die Folge kann sein, sich weder auf sich selbst, noch auf andere verlassen zu können.

Symptome der Borderline-Störung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung zeichnet sich vor allem durch Probleme in der Regulierung der eigenen Gefühle und Impulsivität aus.

Zu den Hauptsymptomen gehören:

  • Angst vor dem Verlassenwerden: Betroffene bemühen sich verzweifelt darum, ein tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden (z.B. von der Partner:in) zu vermeiden.
  • Instabile, intensive Beziehungen: Die Beziehungen von Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeit zeichnen sich durch einen Wechsel zwischen Extremen aus: Liebe und Hass wechseln sich ab.
  • Impulsivität: Die impulsiven Handlungen können dem Betroffen:en Schaden zufügen und treten in zumindest zwei Bereichen auf: z.B. übermäßiger Geldausgabe, riskantem Sexualverhalten, Substanzmissbrauch, rücksichtslosem Fahren oder Essanfällen.
  • Selbstverletzung und Suizid: Etwa 3/4 aller Borderline-Betroffenen fügen sich selbst Verletzungen zu (z.B. Ritzen oder Schneiden der Haut). Außerdem wird Selbstmord angedeutet oder versucht. Etwa jeder 10. Borderline-Patient stirbt durch Suizid.
  • Instabile Gefühlslage: Innerhalb von wenigen Stunden kann die Stimmung von Borderline-Betroffenen stark schwanken. Affektive Instabilität und extreme Stimmungsschwankungen können auftreten.
  • Aussetzer des Realitätsempfindens: Vorübergehend, besonders wenn Belastungen auftreten, können Betroffene psychotische Symptome zeigen. Sie empfinden die Realität nicht mehr so wie sie ist, es können z.B. schwere dissoziative Symptome auftreten.

Weitere Symptome sind:

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  • Affektive Instabilität
  • Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (z.B. Geldausgabe, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Essanfälle)
  • Chronisches Gefühl der Leere
  • Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren
  • Vorübergehende, stressbedingte paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome

Die Symptomatik beginnt meist im frühen Jugendendalter, erreicht sein Maximum mit ca. 30 Jahren und flacht dann langsam ab. Bis zum 30. Lebensjahr sind die Beeinträchtigungen im alltäglichen Leben am schlimmsten, danach stabilisiert sich der Verlauf meist. Da es aber zu Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen kommt und Betroffene Schwierigkeiten haben, Ausbildungen zu Ende zu bringen bzw. psychologische oder psychotherapeutische Hilfe aufsuchen.

Diagnose

Die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wird in der Regel von Fachärzt*innen für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin und klinischen Psycholog*innen durchgeführt. Persönlichkeitsstörungen können mit Hilfe von klinisch psychologischer Behandlung und Psychotherapie behandelt werden. Zusätzlich können Medikamente verschrieben werden, um unterschiedliche Begleitsymptome zu lindern.

Zur Diagnose wird eine ausführliche Anamnese durchgeführt. Zumindest fünf der oben beschriebenen Symptome müssen vorliegen, bevor die Borderline-Störung diagnostiziert wird. Diese werden u.a. mit Selbstbeurteilungsfragebögen erfasst. Zum Einsatz kommen dabei (halb-)strukturierte Interviews. Bei der Diagnose wird auch darauf geachtet, die Borderline-Störung genau von anderen psychischen Störungen abzugrenzen, wie eine Angststörung oder eine Posttraumatische Belastungsstörung.

Therapie

Es ist wichtig, dass Menschen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Wichtig zu wissen ist, dass die Therapie nicht abgebrochen werden sollte, auch wenn diese länger dauert.

Bei der Therapie wird zumeist eine medikamentöse Therapie gemeinsam mit Psychotherapie eingesetzt. Für die medikamentöse Therapie können Psychopharmaka wie Antidepressiva eingesetzt werden. Bei der Psychotherapie werden mit speziellen verhaltenstherapeutischen und psychoanalytischen Behandlungsverfahren gute Erfolge erzielt. Für die Angehörigen von Betroffenen gibt es Einrichtungen, die ihnen im Umgang mit der psychischen Störung helfen.

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Nach der Diagnosestellung folgt die Psychoedukation. Dabei werden Betroffene über die Erkrankung und aufrechterhaltenden Bedingungen der Erkrankung aufgeklärt.

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)

Ein wichtiger Therapieansatz ist die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Ziel ist es, eine Veränderung herzustellen, damit man sich davon distanzieren und sie aktiv gestalten kann.

Ein wichtiger Bestandteil der DBT ist die Akzeptanz. Es geht darum, zu akzeptieren, dass unangenehme Gefühle da sind, anstatt zum Beispiel gegen unangenehme Gefühle anzukämpfen, um sie loszuwerden. Denn das Ankämpfen führt meist dazu, dass die Gefühle intensiver werden und die Gefühle werden sogar noch stärker. Durch Akzeptanz kann man einen klareren Kopf bekommen, um mit diesem Gefühl adäquat umzugehen.

Einen weiteren Schwerpunkt nimmt das sogenannte Skills- oder Fertigkeitentraining ein. Hier werden verschiedene Strategien und Fertigkeiten gelernt, die dabei helfen, besser mit der Borderline-Symptomatik klar zu kommen. Eines dieser Skills ist Achtsamkeit. Es geht darum, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen, damit diese dann auch leichter akzeptiert werden können. Weitere Skills beziehen sich auf die Stresstoleranz. Hier werden Fertigkeiten gelernt, die dabei helfen, die Anspannung zu regulieren und abzuschwächen.

Bei einem Anspannungsniveau von ca. 4-7 können beruhigende Skills eingesetzt werden, um die Anspannung zu reduzieren. Wenn die Anspannung jedoch sehr hoch ist und mit einem gewissen Kontrollverlust einhergeht sind hingegen radikalere Fertigkeiten erforderlich, sich zum Beispiel eiskaltes Duschen, auf einer Chilischote kauen oder auf einen Boxsack einschlagen.

Ein adäquater Umgang mit emotional belastenden Emotionen wird ebenfalls gelernt. Hier kommen dann Prinzipien der Emotionsfokussierten Therapie zum Tragen. Es wird analysiert, welche Emotionen angemessen und hilfreich sind und welche zu stark, übertrieben oder unangemessen sind. Auch gilt es, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen (z.B. nach Autonomie, Sicherheit, Nähe).

Borderline-Betroffene zeigen auch häufig dysfunktionale Denkmuster (z.B. "Ich bin wertlos" oder "Man kann anderen nicht trauen"). Diese gilt es zu hinterfragen und wenn notwendig, durch neue, hilfreiche und realistische Gedanken zu ersetzen. Durch die Therapie soll sich auch der Selbstwert verbessern und das Selbstbild stabilisieren.

Medikamente

Es gibt kein Medikament, dass primär zur Behandlung der Borderline-Störung entwickelt wurde. Allerdings können Medikamente eingesetzt werden, um Begleitsymptome zu behandeln gilt (z.B. Depressionen, Angststörungen).

Insgesamt ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung eine komplexe, aber behandelbare Erkrankung. Mit den richtigen Therapien und Unterstützung können Betroffene lernen, ihre Emotionen zu regulieren, gesunde Beziehungen aufzubauen und ein erfülltes Leben zu führen.

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