Borderline: Grenzen setzen – Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige

Stimmungsschwankungen und instabile Beziehungen prägen das Bild des Borderliners. Sie gelten als beziehungsunfähig, unberechenbar, anstrengend - „Borderliner“ sind Menschen mit extremen Emotionen. Etwa 1-2% der österreichischen Bevölkerung leidet an BPS, der Borderline Persönlichkeitsstörung, damit ist sie eine eher häufige psychologische Erkrankung.

Was ist Borderline?

Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) handelt es sich um einen Subtyp bzw. eine besonders ausgeprägte Form der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung. Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen sind schwere psychische Erkrankungen, die sich durch tief verwurzelte Verhaltensmuster und deutliche Abweichungen im Denken, Fühlen und Wahrnehmen äußern. Im Fall des Borderline-Syndroms sind vor allem das eigene Selbstbild und der Kontakt zu anderen Menschen gestört.

Der Name „Borderline“ (Grenzlinie) entstand, weil man früher annahm, dass sich diese Störung an der Grenze zwischen neurotischen und psychotischen Erkrankungen befindet. Der Name Borderline-Syndrom (auch borderline personality disorder oder BPD) hat sich dennoch etabliert.

Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Symptome variieren in ihrer Ausprägung von Person zu Person und können phasenweise unterschiedlich stark auftreten. Menschen mit BPS leiden unter extremen Gefühlsschwankungen, die oft plötzlich und intensiv auftreten. Diese emotionale Achterbahnfahrt kann innerhalb weniger Stunden oder sogar Minuten stattfinden - vom Gefühl tiefer Verzweiflung bis hin zu Wut oder kurzfristiger Euphorie.

Die Klassifizierung von Borderline als emotional-instabile Persönlichkeitsstörung deutet bereits an, welche Beschwerden bei diesem Krankheitsbild überwiegen. Die Gefühlswelt der Betroffenen ist meist durch innere Leere, schnell umschlagende Stimmung und geringen Selbstwert erheblich belastet. Besonders sichtbar tritt die Störung aber meist in zwischenmenschlichen Beziehungen in Erscheinung, die in der Regel ebenso intensiv wie instabil erlebt werden.

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In einer Studie haben Forscher dabei drei Probleme identifiziert, die sich im sozialen Leben von Borderlinern häufig beobachten lassen. Erstens schätzen Menschen, die an Borderline leiden, neutrale Situationen oft deutlich negativer ein als ihr Gegenüber. Zweitens verspüren sie in normalen Situationen häufig ein Gefühl von Zurückweisung. Drittens fällt es ihnen schwer, den Kontakt zu anderen Personen nach einer realen oder eingebildeten Enttäuschung aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen.

Ein Beispiel: Für die meisten von uns ist es keine große Sache, dass ein Freund ein Treffen kurzfristig absagen muss. Patienten mit Borderline erleben die Absage des Freundes vermutlich trotz dessen Entschuldigung als persönliche Zurückweisung. In weiterer Folge könnten sie Ablehnung oder gar Hass als Motiv vermuten und dies zum Anlass nehmen, die Freundschaft abzubrechen.

Diagnose von Borderline

Die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung kann komplex sein, da viele Symptome auch bei anderen psychischen Erkrankungen auftreten. Häufig bestehen Überschneidungen mit Depressionen, Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder anderen Persönlichkeitsstörungen. Die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erfolgt durch ausführliche klinische Gespräche und standardisierte diagnostische Instrumente.

Für eine Borderline-Diagnose müssen fünf dieser neun Kriterien vorhanden sein:

  • Heftige Bemühungen, reales oder vermutetes Verlassenwerden zu verhindern
  • Muster an instabilen Beziehungen, insbesondere der Wechsel zwischen Entwertung und Idealisierung
  • Instabiles Selbstbild oder gestörte Selbstwahrnehmung
  • Impulsives Verhalten, das mit negativen Folgen oder hohem Risiko verbunden ist (z.B. Impulskäufe bis hin zu Kaufsucht, riskantes sexuelles Verhalten, rücksichtsloses Fahren, Missbrauch von Alkohol oder Drogen)
  • Selbstverletzendes Verhalten, Selbstmorddrohungen, -andeutungen oder -versuche
  • Emotionale Instabilität, vor allem in Form starker Stimmungsschwankungen (etwa starke Reizbarkeit, Beklemmung oder Missstimmung über einen Zeitraum von einigen Stunden bis wenigen Tagen)
  • Chronisches Gefühl innerer Leere
  • Heftige Wut oder Aggressionen, Probleme bei der Selbstbeherrschung (Wutausbrüche bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen)
  • Vorübergehende Paranoia oder Dissoziation (veränderte Wahrnehmung), vor allem infolge von Belastungen

Ursachen der Borderline-Störung

Die Entstehung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung folgt dem biopsychosozialen Modell, bei dem genetische Faktoren, neurobiologische Prozesse und Umwelteinflüsse zusammenwirken. Genetische Veranlagungen spielen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung einer Borderline-Störung. Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Merkmale wie die Emotionsregulation oder Impulsivität teilweise erblich sind.

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Ein bedeutender Risikofaktor für die Entstehung einer Borderline-Störung sind traumatische Erlebnisse in der Kindheit und Jugend. Auch soziale und gesellschaftliche Faktoren können zur Entwicklung einer Borderline-Störung beitragen.

Negative Bindungserfahrungen in der Kindheit sind ein häufiger Auslöser für Borderline. Personen, denen diese frühkindliche Erfahrung bei ihren Bezugspersonen fehlt, zeigen in ihrem späteren Leben häufig Probleme bei Bindung und Beziehungsfähigkeit, bis hin zu emotional-instabilen Störungen. Die Ursachen können hier vielfältig sein: Trennungserfahrungen aufgrund einer Scheidung oder eines Todesfalls, unstete, launische oder aufbrausende Bezugspersonen (etwa in Folge psychischer Erkrankungen der Eltern). Auch erschütternde Erfahrungen wie Gewalt und Missbrauch zählen zu den möglichen Quellen.

Behandlung von Borderline

Die Psychotherapie gilt als wichtigste Behandlungsform der Borderline-Störung. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat unser Verständnis der Störung erheblich verbessert und zu wirksamen Behandlungsansätzen geführt.

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT): Ein strukturierter Therapieansatz, der speziell für Borderline-Patienten entwickelt wurde und Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie mit achtsamkeitsbasierten Techniken verbindet.

Obwohl es keine spezifischen Medikamente zur Behandlung der Borderline-Störung gibt, können Psychopharmaka unterstützend eingesetzt werden, um einzelne Symptome zu lindern. Dazu gehören stimmungsstabilisierende Medikamente, Antidepressiva oder in akuten Krisen niedrig dosierte Neuroleptika.

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In akuten Krisen oder bei besonders schwerer Symptomatik kann eine stationäre oder teilstationäre Behandlung notwendig werden. Spezialisierte Kliniken und Tageskliniken bieten strukturierte Programme an, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Borderline-Störung zugeschnitten sind.

Dialektische Verhaltenstherapie (DBT)

Eine Methode, die sich bei Borderline besonders bewährt hat, ist die dialektische Verhaltenstherapie oder Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Der Schwerpunkt der dialektischen Verhaltenstherapie liegt dabei auf dem Erlernen konkreter Fertigkeiten, die den Umgang mit sich selbst und anderen Menschen erleichtern. Durch Übungen für innere Achtsamkeit lernen Patienten auf ihre Gefühle zu reflektieren und besser mit diesen umzugehen. Um die soziale Kompetenz zu stärken, erlernen Betroffene neue Strategien und Verhaltensmuster, etwa um nachzufragen, ob sie eine Situation missverstanden haben.

Herausforderungen in Beziehungen mit Borderline

Beziehungen sind für die meisten Menschen eine Herausforderung. Sie bedeuten, Kompromisse einzugehen, auch mal zurückzustecken und Konflikte zu lösen. Für Borderline-Patienten sind diese Herausforderungen besonders schwer zu bewältigen. Die unerwarteten Stimmungswechsel, schnelle Gereiztheit und die geringe Frustrationstoleranz von Menschen mit Borderline-Syndrom stellen die Beziehungen zu anderen Menschen auf eine harte Probe.

Insbesondere mit einem Borderline-Partner oder eine Borderline-Partnerin dauerhaft eine Liebesbeziehung einzugehen, ist nicht leicht. Zu Beginn von Beziehungen oder Freundschaften idealisieren Borderliner die andere Person. Sie sprechen davon, einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Die Emotionen sind sehr intensiv und berauschend. Problematisch wird es jedoch häufig, wenn Freunde oder Partner noch andere Freundschaften haben.

Menschen mit Borderline stellen häufig einen Alleinanspruch auf nahestehende Personen. Sie werden schnell eifersüchtig. Früher oder später wird der zunächst vergötterte Mensch zum Gegner. So intensiv, wie der Partner oder Freund zu Beginn angehimmelt wurde, wird er nun gehasst.

Borderliner richten Gewalt meist gegen sich selbst, indem sie sich absichtlich Verletzungen zufügen. Trotzdem besteht die Möglichkeit zu Gewaltausbrüchen gegenüber anderen. Das führt zusätzlich zu Problemen in Beziehungen.

Tipps zum Umgang mit Borderlinern

Vor allem nahestehende Personen wie die Familie leiden oft unter den extremen Symptomen von Borderline und fragen sich, wie sie sich gegenüber Menschen mit Borderline verhalten sollen. Angehörigen sowie Partnern von Betroffenen empfiehlt man, sich an Beratungsstellen zu wenden, um Informationen und Kontakte zu Therapeuten zu erhalten.

Wenn möglich, bezieht der Therapeut Familienmitglieder oder Partner mit ein. Der Therapeut klärt die Angehörigen zunächst ausführlich über die psychische Störung auf. Das Wissen über das Borderline-Syndrom ist ein erster wichtiger Schritt, um den Betroffenen besser zu verstehen.

In der Therapie erhalten die Angehörigen Empfehlungen für "Regeln" im Umgang mit Borderline Patienten und haben somit die Möglichkeit, zur Verbesserung der Krankheitssymptome beizutragen. Nicht nur viel Verständnis und Wohlwollen, sondern auch sinnvolle Grenzen zu setzen, hilft im Umgang mit Borderline Patienten. Im nächsten Schritt bearbeitet man Themen, die in der Familie oder Partnerschaft zu Problemen führen.

Zudem ist es wichtig, dass Angehörige von Betroffenen auch auf ihr eigenes Wohl achten. Es ist ratsam, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen und sich immer wieder eine Auszeit von dem herausfordernden Umgang mit dem Borderliner zu gönnen, um Kraft zu tanken.

Der Kontakt mit Angehörigen anderer Borderline-Patienten trägt meist ebenfalls zur eigenen Entlastung bei. In Angehörigen-Gruppen profitiert man häufig vom Wissen und von den Erfahrungen anderer Angehöriger.

Wie viel kostet das?

Nichts. Gar nichts. Versprochen.

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Ich habe keine Erfahrung mit Borderline - ist das trotzdem was für mich?

Unbedingt!

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