Autismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen - die genaue Bezeichnung lautet Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Die meisten Betroffenen haben Probleme mit sozialen Kontakten sowie mit der Kommunikation und Sprache. Viele zeigen wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen. Es gibt aber auch normal und sogar hochbegabte Betroffene.
Die Häufigkeit für Autismus-Spektrum-Störungen (gesamt) liegt lt. 0,6 - 1 % (Baird et.al.). Autismus ist auch eine Störung der Wahrnehmungsverarbeitung.
ICD-10 und Autismus-Spektrum-Störung
Der Begriff Autismus-Spektrum-Störung wird in der ICD-10 und im DSM-IV-TR noch nicht ausdrücklich verwendet. In der ICD-10 wurden „tiefgreifende Entwicklungsstörungen“ beim Vorhandensein einer qualitativen Beeinträchtigung in den wechselseitigen sozialen Interaktionen, den wechselseitigen Kommunikationsmustern sowie beim Vorliegen eines eingeschränkten, stereotypen und sich wiederholenden Repertoires von Interessen und Aktivitäten diagnostiziert.
Auffälligkeiten treten im Kleinkindalter und jedenfalls vor dem dritten Lebensjahr auf. Diverse Subformen konnten dabei bislang unterschieden werden, wie etwa der frühkindliche Autismus mit allen oben genannten Symptomen oder das Asperger-Syndrom mit im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus fehlender allgemeiner Entwicklungsverzögerung (beziehungsweise fehlendem Entwicklungsrückstand der Sprache und der kognitiven Entwicklung).
Das Asperger-Syndrom unterscheidet sich von anderen Autismus-Spektrum-Störungen in erster Linie dadurch, dass oft keine Entwicklungsverzögerung bzw. der kognitiven Entwicklung vorhanden ist. Die meisten Menschen mit Asperger-Syndrom besitzen eine normale allgemeine, in Teilgebieten besonders hohe Intelligenz.
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Diagnosekriterien nach ICD-10
Insgesamt müssen mindestens sechs Symptome von 1., 2. und 3. vorliegen, davon mindestens zwei von 1. und mindestens je eins von 2.
- Qualitative Beeinträchtigungen der wechselseitigen sozialen Interaktion:
- Beeinträchtigung im Gebrauch nonverbaler Verhaltensweisen wie zum Beispiel Blickkontakt, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Gestik zur Regulation sozialer Interaktionen
- Unfähigkeit, entwicklungsgemäße Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen
- Mangel, spontan Freude, Interessen oder Erfolge mit anderen zu teilen
- Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit
- Qualitative Beeinträchtigungen der Kommunikation:
- Verzögerung oder völliges Fehlen der Entwicklung der gesprochenen Sprache (ohne Versuch, dies durch Gesten oder Mimik zu kompensieren)
- Unvermögen, ein Gespräch zu beginnen oder aufrechtzuerhalten
- Stereotype und repetitive Sprachmuster oder idiosynkratische Sprache
- Fehlendes abwechslungsreiches, spontanes "Als-ob"- oder Nachahmungsspiel
- Eingeschränkte repetitive oder stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten:
- Umfassende Beschäftigung mit einem oder mehreren stereotypen und begrenzten Interessen, wobei Inhalt und Intensität abnorm sind
- Auffällig starres Festhalten an bestimmten, nicht-funktionalen, Gewohnheiten oder Ritualen
- Stereotype und repetitive Manierismen
- Ständige Beschäftigung mit Teilen von Objekten
Zusätzliche Kriterien für Asperger-Syndrom (ICD-10)
- Es fehlt eine klinisch eindeutige allgemeine Verzögerung der gesprochenen oder rezeptiven Sprache oder kognitiven Entwicklung.
- Die Diagnose verlangt, dass einzelne Worte bereits im zweiten Lebensjahr oder früher und kommunikative Phrasen im dritten Lebensjahr oder früher benutzt werden.
- Selbsthilfefertigkeiten, adaptives Verhalten und die Neugier an der Umgebung sollten während der ersten drei Lebensjahre einer normalen intellektuellen Entwicklung entsprechen.
- Allerdings können Meilensteine der motorischen Entwicklung etwas verspätet auftreten und eine motorische Ungeschicklichkeit ist ein häufiges (aber kein notwendiges) diagnostisches Merkmal.
Diagnoseverfahren
Im Rahmen der Diagnostik wird vorab ein langes Gespräch mit Eltern und ggf. Lehrerinnen/Lehrern geführt, um das Verhalten des Kindes/Jugendlichen abzufragen. Danach wird das Kind über einen längeren Zeitraum beobachtet: Es werden soziale und emotionale Fertigkeiten durch einen Psychologen beobachtet und es wird mittels standardisierten Beobachtungsbögen analysiert, ob es dem Kind an Verständnis dafür fehlt, wie es mit anderen Kindern spielen kann, ob es den sozialen Kontakt vermeidet, wenn es die Möglichkeit hat, alleine zu sein oder ähnliches.
Eine Testdiagnostik wird üblicherweise zusätzlich durchgeführt (Entwicklungsdiagnostik, Intelligenzdiagnostik, Abprüfen der Theory of Mind). Insgesamt wird einerseits eine qualitative Beeinträchtigung der gegenseitigen sozialen Interaktion geprüft, andererseits werden Interessen und Verhaltensmuster abgefragt.
Die Eltern/Lehrer bearbeiten diverse standardisierte Fragebogenverfahren, das Kind absolviert diverse Aufgaben, bei denen einerseits eine standardisierte Verhaltensbeobachtung stattfindet, andererseits mit Normen verglichen wird.
Verhaltensweisen und Besonderheiten von Kindern mit ASS
Kinder mit ASS folgen keinen typischen Mustern bei der Entwicklung ihrer sozialen und kommunikativen Fähigkeiten. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass autistische Kinder subtile soziale Hinweise - z.B. gar nicht bemerken. Gerade diese Hinweise wären hilfreich, um soziale Beziehungen und Interaktionen zu verstehen.
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Für solche Kinder bedeutet z. B. warten?" immer dasselbe, unabhängig davon, ob der Sprecher Witze macht, eine wirkliche Frage stellt oder es sich um eine nachdrückliche Bitte handelt. Gesten, Gesichtsausdrücke und andere nonverbale Kommunikation einer Person zu interpretieren, können Kinder mit einer ASS nicht angemessen antworten.
Ihre Gesichtsausdrücke, Bewegungen und Gesten sind oft eher wage oder passen nicht zu dem, was sie sagen. Ihre Stimme reflektiert oft nicht ihre eigentlichen Gefühle.
Autistische Kinder können Probleme damit haben den Standpunkt anderer Personen zu verstehen, dass andere unterschiedliche Informationen, Gefühle oder Ziele haben, als die, die sie selbst haben. Kindern mit Autismus fehlt dieses Verständnis.
Im Bereich der Kommunikation gehören zu den typischen Meilensteinen in der kindlichen Entwicklung u. Worte sprechen können, ihren Kopf drehen, wenn sie ihren Namen hören oder zeigen können, dass sei ein bestimmtes Spielzeug haben wollen. Wenn ihnen etwas angeboten wird, das sie nicht haben wollen, dann machen sie diese durch Worte, Gesten oder Gesichtsausdrücke deutlich. Kinder mit ASS erreichen diese Meilensteine nicht bzw. nur einzelne Wörter sprechen oder einzelne Phrasen wieder und wieder wiederholen.
Selbst solche Kinder mit relativen guten Sprachfähigkeiten haben oft Probleme mit der Wechselseitigkeit von Kommunikation, Andeutungen zu verstehen und auf sie zu reagieren. Ihnen können bessere Wege beigebracht werden, um ihre Bedürfnisse auszudrücken.
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Das Verhalten autistischer Kinder erscheint oft ungewöhnlich. Dabei können Gesten und Verhaltensweisen als extrem und auffällig gelten, wie z. B. (nur) nach einem spezifischen Muster. Manche Kinder mit einer ASS zeigen jedoch nur schwach auffallend und diskrete Verhaltensweisen, indem diese z. B. Augen bewegen.
Betroffene Kinder tendieren dazu, übermäßig fokussierte Interessen zu haben, wie z.B. eines Autos. Sie können auch stundenlang damit verbringen, Spielzeug in einer bestimmten Ordnung aufzureihen. Sich wiederholende Verhaltensweisen können auch in Form von beharrlicher und intensiver Beschäftigung mit einem Thema auftreten, wie Staubsauger, Zugfahrpläne oder Leuchttürme zu lernen.
Während autistische Kinder in ihren täglichen Aktivitäten sehr routiniert sind, ist ihre Inflexibilität teilweise sehr extrem und oft Grund für ernsthafte Schwierigkeiten. Sie beharren darauf, jeden Tag dasselbe zu tun, zu essen oder z. B. immer den gleichen Weg zur Schule zu nehmen. Manche Kinder reagieren besonders dann mit emotionalen Ausbrüchen, wenn sie wütend, frustriert oder mit einer neuen Umgebung konfrontiert werden.
Frühe Anzeichen und Diagnose
Typische erste Anzeichen einer ASS können innerhalb des ersten Lebensjahres noch nicht eindeutig genug festgestellt werden. Das Asperger-Syndrom wird im Allgemeinen erst deutlich nach dem Kleinkinderalter diagnostiziert. Ein möglichst früher Eingriff kann dabei helfen, das Ausmaß der Beeinträchtigungen, die mit Autismus verbunden sein können, zu reduzieren.
Sie brauchen Unterstützung durch das soziale Umfeld, denn Sie tun gut daran, sich für diesen Weg von Anfang an Unterstützung zu holen, wie z.B. die sich an einem Tag in der Woche um ihr autistisches Kind kümmert. Wichtig ist, dass Sie sich professionelle Unterstützung holen - Autismus-Therapie-Zentren, Frühförderung, Ergotherapeuten, ...
Denken Sie daran, dass Ihr autistisches Kind in kleinen Schritten lernt. Es reicht zum Beispiel, wenn es erst einmal immer wieder ein bestimmtes Teil in ein Puzzle einsetzt, erst dann muss es das nächste Teil ausprobieren. Ihr Kind braucht sehr viel Lob, wenn es etwas gut gemacht hat!
Viele autistische Kinder lieben Belohnungen (so genannte "Verstärker"), die Geräusche machen oder blinken und/oder leuchten. Wenn Ihre gemeinsamen Spielsequenzen einmal nicht so erfolgreich sind wie sonst, lassen Sie sich nicht entmutigen. Lassen Sie Ihr Kind beispielsweise etwas Einfacheres machen lassen oder sich eine kürzere Zeit mit ihm beschäftigen. Sie sind nicht allein! In Ihrer Nähe gibt es Eltern, denen es ähnlich geht, und Sie tun gut daran, sich mit diesen zu verabreden und auszutauschen.
Ihr Kind geht seinen Weg in die Selbständigkeit, zunächst in die Krabbelstube oder in den Kindergarten. Einrichtungen mit Integration bzw. Inklusion, d h. Überschaubare Strukturen bzgl. Möglichkeiten von Entspannungs- und Erholungsangeboten (z.B. vertraut machen, ihm etwas Wichtiges von zu Hause mitgeben. Denken Sie daran, dass es für Ihr Kind ein großer Schritt ist, sich der neuen Herausforderung zu stellen.
Wird es Probleme haben, wenn Sie versuchen ihm die Neuerung zu erklären. Es muss daher die Veränderung vielmehr begreifen und erfahren, was diese bedeutet, wie lange es dauert, was es dort soll, ob und wann Sie es wieder abholen. Vielleicht ist es sehr irritiert und hat Angst.