ADHS und Asperger-Syndrom: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Ein Bub und ein Mädchen mit denselben Beschwerden bekommen oft völlig unterschiedliche Diagnosen, zeigen Studien. Mädchen und Buben haben bei Krankheitsbildern oft unterschiedliche Symptome. Wenn Eltern mit ihrer Tochter bei Yvonne Laminger in der Praxis auftauchen, haben sie oft schon einen langen Leidensweg hinter sich. "Wir waren schon bei so vielen Ärztinnen und Psychologen, haben aber immer noch keine Klarheit", heißt es dann oft, wie Laminger berichtet.

Was ist das Asperger-Syndrom?

Autismus und Asperger-Syndrom zählen zu den sogenannten Störungen des Autismus-Spektrums. Der österreichische Kinderarzt Hans Asperger beschrieb das erste Mal leicht ausgeprägte Formen des Autismus, die heute unter dem Begriff Asperger oder Asperger-Syndrom bekannt sind.

Menschen mit Asperger-Syndrom sind durchschnittlich oder überdurchschnittlich intelligent und weisen keine sprachliche Entwicklungsverzögerungen auf. Im Mittelpunkt des Asperger-Syndroms stehen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Anders als beim frühkindlichen Autismus verlaufen die intellektuelle und sprachliche Entwicklung in der Regel unauffällig.

Symptome des Asperger-Syndroms

Typische Symptome des Asperger-Syndroms machen sich in der Regel erst nach dem dritten Lebensjahr bemerkbar. Vorher zeigen die Kinder aber bereits Auffälligkeiten, was ihre kommunikativen und sprachlichen Fähigkeiten betrifft. Trotz normaler Sprachentwicklung haben sie oft Probleme in der Kommunikation mit anderen Personen. Auch die motorische Entwicklung ist zum Teil verzögert, allerdings nicht immer. Dennoch wird das Asperger-Syndrom bei Kindern oft erst im Vorschul- oder Schulalter entdeckt.

Die Betroffenen haben Probleme mit sozialen Interaktionen, was sich etwa beim gemeinsamen Spiel mit Gleichaltrigen zeigt. Manche können zum Beispiel die Gedanken und Gefühle ihrer Mitmenschen schlecht einordnen und haben große Schwierigkeiten, sich auf andere Menschen und soziale Situationen einzustellen. Manchen fällt schwer, den Gesichtsausdruck, die Gestik und den Tonfall anderer richtig zu interpretieren. Sie selbst zeigen oft kaum eine Mimik.

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Oft können Kinder mit Asperger-Syndrom auch kein wechselseitiges Gespräch führen. Sie reden, wann sie wollen und über Themen, die sie selbst interessieren, ohne Anpassung an die Zuhörer. Subtile Signale des Gegenübers, zum Beispiel das Thema zu wechseln oder das Gespräch zu beenden, verstehen sie nicht. Oftmals führen Asperger-Autisten auch Selbstgespräche.

Kinder mit Asperger-Syndrom wissen zudem oft nicht, wie man Freundschaften aufbaut. Einige haben allerdings auch gar kein Interesse an sozialen Kontakten und Freundschaften.

Weitere mögliche Asperger-Syndrom-Symptome sind ungewöhnliche ausgeprägte Interessen und Kenntnisse, oft in einem eng umgrenzten und teils wenig praxisrelevanten Bereich (Inselbegabungen). Dieses hoch spezifische Interesse kann zum Beispiel Batterien, Kirchtürmen oder dem Schmelzpunkt von Metallen gelten.

Die Betroffenen können so auf ein Interessensgebiet fixiert sein, dass sie (etwa in der Schule) wenig Neugier und Aufmerksamkeit für anderes aufbringen. Aufgrund dieser Aufmerksamkeitsstörung sind Asperger-Syndrom-Kinder oft trotz guter Intelligenz schlechte Schüler.

Außerdem zeigen sich beim Asperger-Autismus manchmal Störungen der Sinneswahrnehmung. So reagieren einige der Betroffenen sehr empfindlich auf bestimmte Gerüche, Geräusche, Oberflächen oder Berührungsreize. Das kann in Alltagssituationen zu einer regelrechten Reizüberflutung für die Betroffenen werden.

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Beim Gehen und bei der motorischen Koordination sind Asperger-Autisten mitunter ungeschickt. Auch stereotype Verhaltensweisen kommen vor. Das können beispielsweise sich wiederholende Bewegungen mit den Händen sein - etwa in Stresssituationen.

Trotz aller Schwierigkeiten bemühen sich Menschen mit Asperger-Syndrom oftmals, nicht aufzufallen und ihre Probleme der sozialen Kompetenz zu kompensieren. Das kann auf Dauer sehr anstrengend und überfordernd sein und dazu führen, dass sich Asperger-Autisten von anderen zurückziehen.

Stärken bei Asperger-Syndrom

Menschen mit Asperger-Syndrom weisen auch viele Stärken auf. So setzt bei ihnen die Sprachentwicklung meist frühzeitig ein: Die betroffenen Kinder können oft schon vor dem freien Laufen sprechen. Mit der Zeit entwickeln sie eine sehr ausgefeilte, wandlungsfähige Sprache mit großem Wortschatz.

Außerdem verfügen Menschen mit Asperger-Syndrom meist über eine gute, in Teilbereichen überdurchschnittliche Intelligenz. Spezialinteressen und Inselbegabungen können manche in ihrem Berufsleben gut verwerten.

Darüber hinaus ist beim Asperger-Syndrom die Denkfähigkeit oft beeindruckend. Originelle Ideen sowie gute Fähigkeiten zu logischem und abstraktem Denken sind keine Seltenheit.

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Aufrichtigkeit, Loyalität, Zuverlässigkeit und ausgeprägter Gerechtigkeitssinn werden oft als weitere Stärken beim Asperger-Syndrom genannt. Auf Lob und Anerkennung reagieren Kinder mit Asperger-Syndrom oft motiviert und dankbar.

Dass Sprachentwicklung und Intelligenz beim Asperger-Syndrom in der Regel normal sind, ist ein wichtiger Unterschied zum frühkindlichen Autismus, der eine andere Form von autistischer Störung ist.

Asperger-Syndrom: Symptome bei Erwachsenen

Die auffälligen Verhaltensweisen beim Asperger-Autismus sind bei erwachsenen Patienten oft nicht mehr so auffällig wie im Kindesalter. Allerdings verfügen auch Erwachsene meist über einen grammatikalisch korrekten, geschliffenen Sprachstil und eine detaillierte Erzählweise, die aber kaum zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheidet.

Ebenfalls wie bei Kindern kann das Asperger-Syndrom bei Erwachsenen zu einer eingeschränkten Mimik und dem Vermeiden von Blickkontakt führen. Auf ein Lächeln oder eine humorvolle Bemerkung reagieren viele Betroffene kaum oder gar nicht.

Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion beeinflussen mitunter auch das Thema Partnerschaft. Die Betroffenen wirken oft kühl und egoistisch. Vielen fällt es schwer, Kontakte mit potenziellen Partnern zu knüpfen. Falls es mit einer Beziehung klappt, fällt es vielen schwer, die Anforderungen des Partners bezüglich intensiver Kommunikation und Anteilnahme zu erfüllen.

Auch auf das Sexualleben kann sich das Asperger-Syndrom auswirken: Manche Betroffenen haben nur ein geringes Bedürfnis nach körperlicher Nähe oder sogar eine Abneigung dagegen. Andere haben durchaus den Wunsch nach Sex, sind in konkreten Situationen aber sehr unsicher, weil sexuelle Intimität sich aus einem intensiven gegenseitigen Empathievermögen ergibt.

Nichtsdestotrotz bedeutet das Asperger-Syndrom bei Erwachsenen nicht, dass eine stabile Partnerschaft und das Gründen einer eigenen Familie nicht möglich wären.

Für das Berufsleben kann das Asperger-Syndrom zweierlei Folgen haben: Einige Patienten sind im Umgang mit Kollegen oder Kunden schnell überfordert, ecken mit ihrer sehr direkten, unhöflich wirkenden Art leicht an und können sich kaum flexibel an verschiedene Anforderungen anpassen.

In anderen Fällen wirkt sich das Asperger-Syndrom bei Erwachsenen dagegen vorteilhaft auf die berufliche Entwicklung aus. Nämlich dann, wenn die Betroffenen ihr ausgeprägtes Sonderinteresse (etwa im Informatikbereich) in ihrer Arbeit nutzbringend einsetzen können. Außerdem können viele Asperger-Autisten dank ihrer oft hohen kognitiven Fähigkeiten gut berufliche und private Ziele umsetzen.

Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) des Asperger-Syndroms

Menschen mit Asperger-Syndrom können zusätzlich weitere Erkrankungen beziehungsweise Störungen entwickeln, besonders in Krisenzeiten wie Umzug, Umschulung, Pubertät, Geburt oder Tod in der Familie. Am häufigsten handelt es sich dabei um ADHS, Störungen der Motorik, Zwangssymptome, affektive Störungen (wie Depression, Angst), Persönlichkeitsstörungen, aggressives Verhalten und Schlafstörungen. Auch Tics / Tourette-Syndrom, Essstörungen, Stummheit (Mutismus), selbstverletzendes Verhalten und Schizophrenie können den Asperger-Autismus begleiten.

ADHS und Asperger-Syndrom: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

ADHS und Autismus wirken vielleicht auf den ersten Blick sehr unterschiedlich, doch beide verbindet, dass Kinder und Jugendliche, die davon betroffen sind, Reize (z.B. Lärm) sehr intensiv wahrnehmen. Dies kann dazu führen, dass sie mit aggressivem Verhalten oder mit Rückzugsverhalten auf diese überfordernden Situationen reagieren. Wichtig ist, dies frühzeitig zu erkennen oder schon vorher zu überlegen: welche Situationen könnten zu laut oder zu intensiv sein (z.B. zu Hause eine Rückzugsmöglichkeit anbieten.

Ein Bereich, der bei ADHS und Autismus sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann, ist das Erkennen von Gefühlen, sowohl bei sich selbst als auch bei anderen Menschen. Betroffene mit ADHS haben oft sehr stark ausgeprägte Emotionen, zeigen diese sehr deutlich und haben ein besonderes Gespür für Gefühlszustände von anderen Personen. Autistische Kinder und Jugendliche hingegen erkennen Emotionen bei anderen Personen oft nur schwer oder, wenn doch, dann sind sie häufig überfordert und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nicht gut wahrnehmen und/oder unterscheiden bzw. Wie machen sich diese Gefühle z.B.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Kinder und Jugendliche mit ADHS als auch jene mit Autismus Umweltreize sehr intensiv wahrnehmen. Ein Bereich, in dem sie sich jedoch stark unterscheiden, sind Gefühle: was bei Autismus zu wenig vorhanden ist (Einfühlungsvermögen in die Emotionen anderer Personen), ist bei ADHS oft sehr stark ausgeprägt. Beides kann zu Überforderungen in sozialen Situationen führen.

Nicht alle Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion rechtfertigen die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung. Das Bewusstsein der Existenz autistischer Züge in der Bevölkerung ist jedoch wichtig für Ärzt:innen, und das Erklärungsmodell der Neurodiversität ist für viele Betroffene ansprechend.

Diagnose

Bei einer Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) ist unter anderem wesentlich, seit wann Symptome bestehen und ob sonstige Krankheiten bzw. Entwicklungsverzögerungen aufgetreten sind. Zudem findet eine körperliche Untersuchung statt. Ebenso erfolgen eine neurologische Untersuchung, die Abklärung des Entwicklungsstandes und der Kompetenzen in Bezug auf Sprache bzw. Auch standardisierte Testverfahren finden Anwendung. Zum Beispiel das Diagnostische Interview für Autismus oder die Diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen.

Die Ärztin oder der Arzt schlägt meist auch ein EEG sowie eine Prüfung von Hören und Sehen vor. Die Ärztin oder der Arzt schließt zudem mögliche andere Erkrankungen aus. Eine Diagnose von frühkindlichem Autismus ist zumeist bereits im Alter von zwei Jahren möglich.

Die Ärztin oder der Arzt führt eine Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) sowie eine körperliche und eine neurologische Untersuchung durch. Dabei fragt die Ärztin/der Arzt zum Beispiel auch, seit wann Symptome bestehen und ob bis jetzt sonstige Krankheiten bzw. Die Ärztin oder der Arzt beobachtet zudem das Verhalten und schätzt bei Kindern den Entwicklungsstand ein. Es gibt verschiedene Standard-Testverfahren, die bei der Diagnose unterstützen. Zum Beispiel die Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom. Eine klinisch-psychologische Diagnostik kann ebenso hilfreich sein.

Weiters schließt die Ärztin oder der Arzt eine andere psychische bzw.

Therapie

Die Behandlung wird auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt. Bei Therapieprogrammen speziell für Kinder mit Autismus werden möglichst früh gezielt Maßnahmen gesetzt. Die Fachwelt nennt diese auch programmbasierte Interventionsprogramme. Zur Behandlung bzw. Logopädie sowie ggf. Psychotherapie: vor allem Verhaltenstherapie. Zudem sind soziale Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag eine wesentliche Säule für Kinder und Jugendliche bzw. Erwachsene mit Autismus. Dazu zählen unter anderem Assistenz in der Schule oder Hilfe durch psychosoziale Dienste.

Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente verschreiben. Diese wirken jedoch nicht direkt gegen Autismus. Bei Unruhe, Reizbarkeit oder Aggressivität kommt vor allem der Wirkstoff Risperidon zum Einsatz. Liegen Symptome vor, die einem ADHS ähnlich sind, können sogenannte Stimulantien hilfreich sein. Bei Schlafproblemen kommt etwa das Hormon Melatonin zum Einsatz.

Es ist möglich, dass die Diagnose eines Asperger-Syndroms erst im Erwachsenenalter gestellt wird. Meist suchen Betroffene dann Hilfe auf, wenn sie Probleme im sozialen Umfeld bekommen.

Nicht jede Person mit Asperger-Syndrom leidet unter den vorhandenen Symptomen oder benötigt Behandlung. Eine möglichst früh beginnende Behandlung ist jedoch meist von Vorteil. Eltern bzw. Verbesserung der sozialen Fähigkeiten, z.B. Die Behandlung wird auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt. Psychotherapie: In erster Linie Verhaltenstherapie bzw. verhaltenstherapeutische Ansätze. Dies ist auch in der Gruppe möglich. Ein geregelter Tagesablauf und stabile soziale Kontakte sind wichtig.

Die Ärztin oder der Arzt kann zudem Medikamente verschreiben, wenn begleitende Erkrankungen vorliegen (z.B.

Soziale Unterstützungsmöglichkeiten können eine wesentliche Säule für Kinder bzw. Menschen mit Asperger-Syndrom sein. Dazu zählen unter anderem Assistenz in der Schule oder Hilfe durch psychosoziale Dienste. Für betroffene Jugendliche und Erwachsene kann zudem der Besuch einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein.

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