ADHS Diagnose bei Erwachsenen

Immer häufiger wird die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen diagnostiziert. In Österreich ist ein deutlicher Anstieg der Diagnosen und Behandlungen zu spüren, sagte ein Facharzt.

Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) ist eine in erster Linie genetisch bedingte Erkrankung, welche sich vor dem zwölften Lebensjahr erstmals manifestiert. Bis zu 60 % der Kinder mit ADHS haben auch noch im Erwachsenenalter Schwierigkeiten. Jedoch verändern sich die Symptome im Laufe des Lebens und zeigen sich bei Erwachsenen anders.

ADHS ist wie Autismus eine Entwicklungsstörung und eine neurologische Variante des Gehirns. Gehirne mit dieser Neurodiversität sind anders verdrahtet und geschalten als die Norm. Bei ADHS ist das Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn (Neurotransmitter) verändert. Insbesondere Dopamin und Noradrenalin spielen hier eine Rolle.

Symptome und Anzeichen von ADHS bei Erwachsenen

Patient*innen leiden unter den Symptomen aus den drei Komplexen Störung der Konzentrationsfähigkeit, Hyperaktivität und Impulskontrollstörung. Anzeichen für ADHS beginnen bereits in der frühen Kindheit und halten im Erwachsenenalter an. Jedoch ist bei Erwachsenen eine ADHS durch Anpassung weniger offensichtlich, und oft werden Erwachsene erst hellhörig, wenn bei Ihrem Kind ADHS diagnostiziert wird.

Viele ADHS-Betroffene leben recht unauffällig und passen sich dem System des neurotypischen Umfelds so gut wie möglich an. Diese Anpassung an ein System, welches dem eigenen nicht entspricht, kostet viel Kraft und Lebensenergie. ADHS bei Erwachsenen kann zu instabilen Beziehungen führen, damit zu wenig Freund:innen und zu sozialer Isolation. Oft kommt es zu Problemen in Schule, bei Ausbildungen und am Arbeitsplatz und damit zu vielen Abbrüchen. ADHS-typische Charakterzüge müssen nicht immer zu Beeinträchtigungen führen.

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Schwierige Diagnosen: ADHS bei Erwachsenen zu erkennen ist oft schwierig, da sich die Störung ganz unterschiedlich und mit verschiedenen Symptomen äußert. Manche Betroffene haben Konzentrationsschwierigkeiten und lassen sich leicht ablenken, andere sind hyperaktiv oder impulsiv. Obwohl Hyperaktivität bei Erwachsenen mit ADHS oft weniger stark ausgeprägt ist als bei Kindern, fühlen sich viele Betroffene innerlich unruhig und/oder haben einen starken Bewegungsdrang.

ADHS tritt auch oft zusammen mit anderen psychiatrischen Erkrankungen auf. „ADHS-Betroffene erfüllen zu 75 bis 80 Prozent auch die Diagnosekriterien von mindestens einer weiteren psychiatrischen Erkrankung“, erklärte Heydwolff. Die Diagnose wird dadurch oft noch weiter erschwert.

Die klassischen Diagnosekriterien wurden aufgrund der Symptome bei Buben definiert. Es wurde lange angenommen, dass ADHS bei Mädchen kaum vorkommt. Die Diagnose bei Mädchen ist oft schwieriger, da meist andere Symptome im Vordergrund sind. Dazu gehören u. Viele Frauen wirken lange Zeit unauffällig. Sie entwickeln von Kindheit an Kompensationsmechanismen, die lange gut funktionieren.

Tatsächlich bleibt die Störung, die sich im Kindes- und Jugendalter herausbildet, bei 50 bis 80 Prozent der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen.

Der Weg zur Diagnose

Wenn jemand schon viele Jahre mit Konzentrationsproblemen oder anderen ADHS-Symptomen zu kämpfen hat, sei eine Diagnostik in einer klinisch-psychologischen bzw. bei medikamentösem Behandlungswunsch auch fachärztlichen Praxis sinnvoll.

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Die Diagnostik der Erkrankung erfolgt im Rahmen eines standardisierten klinischen Interviews (ADHS Test). Ein klinisch psychologischer Befund ist für die fachärztliche Diagnose nicht erforderlich. Ebenso kann klinisch-psychologische Diagnostik ergänzend hilfreich sein (z.B. mittels Selbst- und Fremdeinschätzungsfragebögen).

Die Ärztin/der Arzt erhebt die Krankengeschichte (Anamnese) und fragt nach Beschwerden. Um mögliche andere Erkrankungen auszuschließen, werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Unter anderem klärt die Ärztin/der Arzt ab, ob andere psychische Erkrankungen (z.B. bipolare Störung) bzw. eine Persönlichkeitsstörung (vor allem dissoziale Persönlichkeitsstörung und emotional-instabile Persönlichkeitsstörung) vorliegen oder ausgeschlossen werden können. Bildgebende Verfahren (CT, MRT) und EEG können zum Ausschluss neurologischer Erkrankungen zum Einsatz kommen.

Um andere Ursachen wie zum Beispiel eine Schilddrüsenerkrankung oder Schlaferkrankungen ausschließen zu können, führt der Arzt auch eine körperliche Untersuchung durch.

Die Verhaltensauffälligkeiten bestehen seit der Kindheit. Es gibt mindestens sechs Anzeichen dafür, dass Unaufmerksamkeit, Impulsivität oder Hyperaktivität vorhanden sind. Es gibt in mehr als einem Lebensbereich Schwierigkeiten. Das soziale Leben und der berufliche Alltag sind stark beeinträchtigt.

Für die Untersuchung führt der Arzt oder Psychologe ein ausführliches Gespräch mit dem Betroffenen. Der Spezialist kann durch gezielte Fragen feststellen, welche Anzeichen auf ADHS hinweisen und ob noch weitere psychische Störungen vorliegen.

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Bestandteile einer umfassenden ADHS-Diagnostik

  • Terminvereinbarung und Vorbereitung: Sie können per Online-Terminbuchung einen Termin vereinbaren.
  • Informationen von Bezugspersonen: Da es schwierig ist, sich genau daran zu erinnern, wie man sich als Kind gefühlt und verhalten hat, können zusätzliche Informationsquellen wichtig sein, beispielsweise durch ein Gespräch mit den Eltern oder Informationen aus Schulzeugnissen.
  • Differentialdiagnostik: Für eine gründliche ADHS-Diagnostik ist es wichtig, andere psychische Erkrankungen wie z.B. Depressionen, Suchterkrankungen oder Autismus als Ursache auszuschließen.
  • Dauer der Diagnostik: Eine gründliche klinisch-psychologische Diagnostik bei Verdacht auf ADHS nimmt viel Zeit in Anspruch. Wenn Sie einen Termin vereinbaren, rechnen Sie mit einer Dauer von etwa vier Stunden.
  • Befund und Befundbesprechung: Nach Abschluss der Diagnostik werte ich die Ergebnisse aus und erstelle einen schriftlichen Befund, der alle wichtigen Informationen und gegebenenfalls eine Diagnose enthält.
  • Kosten der ADHS-Diagnostik: Die Kosten liegen bei 680 EUR (gültig ab Jänner 2026).

Behandlungsmöglichkeiten von ADHS bei Erwachsenen

Die Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter richtet sich nach der persönlichen Lebenssituation und den bestehenden Symptomen bzw. Problemen. Sie wird gemeinsam mit Ärztin/Arzt bzw. auch etwa Psychotherapeutin/Psychotherapeut besprochen und sollte gut für Betroffene annehmbar sein. Erwachsene suchen sich auch häufig eigene Bewältigungsstrategien, um mit ADHS umzugehen.

Die Medikamente wirken gegen die Hauptsymptome von ADHS (Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit, Impulsivität). Es kommt dabei vor allem der Wirkstoff Methylphenidat zum Einsatz. Wurde der Wirkstoff Lisdexamfetamin bereits im Jugendalter eingenommen, kann die Behandlung damit bei Bedarf auch im Erwachsenenalter fortgesetzt werden. Kommt es mit den genannten Medikamenten nicht zum Therapieerfolg, kann auch der Wirkstoff Atomoxetin verschrieben werden.

Vor Beginn der Therapie erfolgt eine genaue körperliche Untersuchung sowie ggf. eine Blutabnahme. Es erfolgen regelmäßig Kontrolluntersuchungen. Treten Nebenwirkungen auf, sollen Betroffene dies der Ärztin/dem Arzt mitteilen.

Ein zentraler Aspekt bei ADHS ist der Botenstoff Dopamin. „Das Frontalhirn ist eine sehr wichtige Schaltstelle, wo viele Dinge stattfinden, die wir im Alltag brauchen, wie das Fokussieren, die Daueraufmerksamkeit und die Impulskontrolle. Bei ADHS wird Dopamin aus hauptsächlich genetischen Gründen schneller abgebaut als bei der Durchschnittsbevölkerung. Das führt zu den typischen Symptomen wie Konzentrationsproblemen und Hyperaktivität.“ Die medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, diesen schnellen Abbau zu verlangsamen und so die Symptome zu lindern. „Wenn man die richtige Dosis findet, kann man im Idealfall so ‚funktionieren‘ wie Menschen ohne ADHS“, so Heydwolff.

Sowohl Amphetaminderivate (Methylphenidat) als auch Amphetamine (D-/L-Amphetamin, Lisdexamfetamin) zeigen ein gewisses Abhängigkeitspotenzial, das im Rahmen der Etablierung der psychopharmakotherapeutischen Strategie differenziert erörtert wird.

Neben Medikamenten gibt es auch andere Ansätze, die helfen können - abhängig davon, wie stark ADHS in den Patientinnen und Patienten ausgeprägt ist. Verhaltenstherapien oder Coachings können etwa dazu beitragen, mehr Struktur in den Alltag zu bekommen und Herausforderungen so besser zu meistern.

Bewältigung psychosozialer Probleme (z.B. die Behandlung von möglichen weiteren psychischen Erkrankungen (z.B. Dabei kommt Psychoedukation ein wichtiger Stellenwert zu. Zudem kommt auch klinisch-psychologische Behandlung zum Einsatz (z.B. Erinnerungshilfen einsetzen (z.B. Routinen festlegen (z.B. Gegenstände immer am gleichen Ort hinlegen, feste Abläufe in der Früh oder am Abend). Für jede/jeden Betroffenen kann es unterschiedliche Strategien geben, die hilfreich sind. Mit der Zeit, können diese herausfinden, was wirklich guttut.

Auch jene Personen, die erst mit der Pensionierung zu dem Entschluss kommen, sich diagnostizieren zu lassen, können von einer Behandlung profitieren. „Es ist für viele eine große Entlastung, wenn bisher nicht der Diagnose zugeordnete Eigenheiten plötzlich einen Sinn ergeben und man merkt, dass man eben nicht einfach nur faul oder unkonzentriert ist.“

Anlaufstellen und weitere Schritte

Wurde die Diagnose ADHS bereits im Kindesalter gestellt, wird die behandelnde Ärztin/der behandelnde Arzt gegebenenfalls die Patientin/den Patienten noch einige Zeit im jungen Erwachsenenalter begleiten und nach gegebener Zeit an eine Fachärztin/einen Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) überweisen. Diese übernehmen dann die weitere medizinische Betreuung. Auch eine bestehende Psychotherapie kann meist weitergeführt werden.

Wird die Verdachtsdiagnose mit 18 Jahren oder später geäußert, ist die erste Anlaufstelle eine Fachärztin/ein Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin). Diese/dieser leitet dann weitere diagnostische bzw.

In Österreich gibt es laut Heydwolff aber auch nach wie vor eine starke Unterversorgung an Fachpersonal, das ADHS sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern diagnostizieren und behandeln kann. Wichtig wären mehr Ausbildungen in dem Bereich und spezialisierte Einrichtungen, um die Versorgung zu verbessern. „Ideal wäre, wenn wir in jedem Bundesland mindestens ein großes Behandlungszentrum hätten, um dort unter anderem auch die nicht medikamentösen Behandlungsangebote auszuweiten.“

Eines sei klar: Mit individuell angepassten Behandlungen kann sich die Lebensqualität der Betroffenen oft stark verbessern. Sich mit den eigenen Schwächen und Defiziten auseinander zu setzen, erfordert Mut und Kraft. Den ersten Schritt haben Sie schon gemacht, indem Sie sich nach psychologischer Unterstützung umgesehen haben.

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