Ab wann ist eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie unter welchen Voraussetzungen möglich?

In Österreich ist die persönliche Freiheit ein Grundrecht. Dennoch kann es vorkommen, dass Menschen gegen ihren Willen in eine psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses eingewiesen werden müssen. Dies ist jedoch nur unter strengen Voraussetzungen und unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen möglich.

Wann ist eine Zwangseinweisung zulässig?

Eine Einweisung gegen den Willen der betroffenen Person ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich:

  • Psychische Erkrankung: Die Person muss psychisch erkrankt sein.
  • Erhebliche Gefahr: Aufgrund der psychischen Erkrankung muss eine ernste und erhebliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Person selbst oder für andere drohen. Beispiele hierfür sind Suizidversuche oder die Androhung von Gewalt.
  • Keine Alternative: Die Einweisung ist nur zulässig, wenn es keine alternative Betreuungsmöglichkeit gibt. Angehörige, ambulante Dienste oder niedergelassene Psychiater kommen nicht in Frage.

Es muss noch nichts „passiert“ sein, es handelt sich um einen rein vorsorglichen Freiheitsentzug - unter der Annahme, es könnte etwas geschehen.

Eine Einweisung ist nicht zulässig, wenn zwar eine psychische Erkrankung vorliegt, aber keine ernste und erhebliche Gefahr besteht. Ebenso ist eine Einweisung nicht angezeigt, wenn sich jemand aggressiv verhält oder ein „seltsames“ Verhalten an den Tag legt, aber keine psychische Erkrankung hat.

Wie läuft eine Zwangseinweisung ab?

In erster Linie ist die Polizei zuständig. Die herbeigerufenen Polizist:innen beurteilen, ob eine Einweisung in Frage kommt. Im Regelfall wird ein:e Amtsärzt:in angefordert, der:die prüft, ob die Voraussetzungen (Erkrankung, Gefahr, fehlende Alternativen) wirklich vorliegen. Falls ja, bringt ein Rettungswagen die Person ins Krankenhaus. Dort wird man nochmal ärztlich untersucht. Die zuständigen Ärzt:innen entscheiden dann, ob eine Unterbringung gegen den Willen der Person auf der psychiatrischen Station nötig ist.

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Im Akutfall rufen Sie die Rettung: 144! oder den Psychosozialen Krisendienst unter der (Gratis-)Nummer: 0800 400 120 an!

In den meisten Fällen überweisen HausärztInnen oder niedergelassene PsychiaterInnen die PatientInnen in eine Psychiatrie oder psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses. Die Aufnahme erfolgt in den meisten Fällen mit Zustimmung der PatientInnen.

Falls PatientInnen eine Einweisung verweigern, muss die Fachkraft die Polizei zur Hilfe rufen! Besteht akute Gefahr (Selbstmorddrohungen, Morddrohungen oder Gewalt), rufen Sie selbst sofort die Polizei! Versuchen Sie, bis die Hilfe vor Ort ist, mit den Betroffenen in Kontakt zu bleiben.

Personen, die nicht hilfreich sind oder sein können, sollen weggehen!

Eine Person darf nur dann ohne oder gegen ihren Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, wenn eine Amtsärztin bzw. ein Amtsarzt oder eine Polizeiärztin bzw. ein Polizeiarzt nach gründlicher Untersuchung eine entsprechende Bescheinigung ausstellt.

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Grundsätzlich haben wir in Österreich viel zu wenige Amtsärzt:innen für diese Aufgabe. Dieses Problem kennen wir seit Jahren. Deswegen wurde eine neue Regelung erlassen, die besagt, dass etwa auch die Einschätzung von Notärzt:innen oder niedergelassenen Psychiater:innen im Einzelfall für die Durchführung der Einweisung ausreichen kann.

Nicht immer weist sich eine Person selbst in eine Psychiatrie ein. Es kann passieren, dass eine Person, die sich zunächst freiwillig in eine Psychiatrie begibt, von den Ärzt:innen im Laufe des Aufenthalts zwangsweise untergebracht wird. Für Patient:innen ist es manchmal schwer zu verstehen, warum man plötzlich nicht mehr gehen darf.

Was bedeutet "Unterbringung"?

„Unterbringung“ heißt, dass man das Krankenhaus bzw. in der Regel die psychiatrische Station vorerst nicht mehr verlassen darf. Auch weitere Rechte können beschränkt werden.

Nach der Aufnahme in einer psychiatrischen Abteilung hat die Abteilungsleiterin bzw. der Abteilungsleiter unverzüglich das zuständige Gericht, eine Patientenanwältin oder einen Patientenanwalt, sowie mit Zustimmung der Patientin bzw. des Patienten einen Angehörigen zu verständigen.

Wird jemand untergebracht, muss das Krankenhaus dies unverzüglich an die Patientenanwaltschaft von VertretungsNetz melden bzw. in Vorarlberg an das Institut für soziale Dienste. Unsere Aufgabe ist der Rechtsschutz bei Zwangsmaßnahmen. Die Mitarbeiter:innen besuchen die Patient:innen so bald wie möglich und unterstützen bzw. vertreten sie gegenüber dem Krankenhaus.

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Welche Rechte haben zwangsweise untergebrachte Personen?

Grundsätzlich bedeutet eine zwangsweise Unterbringung in der leichtesten Form, dass man das Krankenhaus nicht verlassen darf. Das heißt, eine Ärztin ordnet an: „Sie dürfen hier nicht weg, ansonsten holen wir Sie zurück“.

Zusätzlich zu einer Unterbringung sind sogenannte „weitergehende Beschränkungen“ möglich. Das betrifft z.B. Einschränkungen auf ein Zimmer, sedierende Medikamente oder Gurtsysteme zur Beschränkung am Bett. Das kommt nicht selten vor. Ca. ein Drittel der Patient:innen wird im Rahmen des Psychiatrieaufenthalts auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes beschränkt. Rund ein Viertel wird mit Gurten am Bett fixiert. Solche Maßnahmen müssen immer ärztlich angeordnet, dokumentiert und an die Patientenanwaltschaft gemeldet werden.

Wir sprechen dann mit den Patient:innen, schauen uns die Dokumentation an und reden mit dem Personal. Die Maßnahmen können auf Antrag der Patient:innen oder der Patientenanwaltschaft vom Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Das ist übrigens auch bis zu drei Jahre nach einem Psychiatrieaufenthalt möglich.

Weitere Zwangsmaßnahmen (Angurten, Festhalten, versperrte Zimmertüren) müssen ärztlich angeordnet, dokumentiert und begründet werden. Das gilt auch für das Recht auf Kontakt mit der Außenwelt (Telefonieren, Besuche empfangen). Solche beschränkenden Maßnahmen muss die Abteilung der PatientInnenanwaltschaft melden. PatientInnen haben das Recht, diese Beschränkungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Dabei werden sie von der der PatientInnenanwaltschaft unterstützt.

Zusätzlich zu einer Unterbringung sind sogenannte „weitergehende Beschränkungen“ möglich. Das betrifft z.B. Einschränkungen auf ein Zimmer, sedierende Medikamente oder Gurtsysteme zur Beschränkung am Bett.

Im Laufe des Aufenthalts kommt es bei einem Drittel aller Unterbringungen außerdem zu einer weitgehenden Bewegungseinschränkung. Das bedeutet, dass man entweder in einem Raum eingeschlossen ist oder innerhalb eines Raumes etwa durch Gurte im Bett fixiert wird.

Ja, es gibt im Ausnahmefall „Beschränkungen von sonstigen Rechten. Z.B. werden persönliche Gegenstände oder die Privatkleidung abgenommen. Seit 2023 müssen solche Maßnahmen ebenfalls an die Patientenanwaltschaft gemeldet werden. Davor wurden sie lediglich dokumentiert und manchmal haben wir sie auf Wunsch der Patient:innen vom Gericht überprüfen lassen. Auch der Kontakt mit der Außenwelt kann beschränkt werden. Hauptsächlich geht es da um die Abnahme von Mobiltelefonen. Besuche könnten ebenfalls eingeschränkt werden, das wird aber wirklich sehr selten gemacht.

Grundsätzlich gilt, dass man sich auch im Freien aufhalten darf. In der Praxis hängt das aber von den baulichen Gegebenheiten ab, also z.B. ob man über den Garten das Krankenhaus verlassen kann. Das Personal möchte natürlich wissen, an welchem Ort die Patient:innen sind. Normalerweise wird im Einzelfall am Stützpunkt entschieden, ob ein:e Patient:in in einen Außenbereich gehen darf. Wird der Zugang zu Außenbereichen auf weniger als eine Stunde pro Tag eingeschränkt, dann muss das ärztlich angeordnet und an uns gemeldet werden.

Die Ärztin oder der Arzt muss die Patientin oder den Patienten über Grund und Bedeutung der Behandlung aufklären.

Neben der Kontrolle durch das zuständige Gericht ist auch die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt verpflichtet, die Unterbringungsgründe regelmäßig zu beurteilen und schriftlich festzuhalten.

Spätestens vier Tage, nachdem eine Person untergebracht wurde, muss ein:e Richter:in im Rahmen einer Erstanhörung entscheiden, ob die Unterbringung weiterhin zulässig ist. Solche Gerichtstermine finden direkt im Krankenhaus statt. Eine wichtige Aufgabe der Patientenanwält:innen ist es, die Patient:innen auf diese Termine vorzubereiten und dabei ihre Interessen zu vertreten. Meist ist es entlastend, wenn die Patient:innen verstehen, dass nicht sie selbst vor Gericht stehen, sondern dass das Gericht überprüft, ob das Krankenhaus sich an die gesetzlichen Regeln hält.

Entscheidet der:die Richter:in, dass die Unterbringung vorerst zulässig ist, findet innerhalb der nächsten 14 Tage eine mündliche Verhandlung statt. Dafür wird ein:e Sachverständige:r einbezogen.

Wichtig zu wissen ist: Eine Unterbringung muss jederzeit von den Ärzt:innen aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr erforderlich ist. Viele Unterbringungen werden sogar schon in den ersten vier Tagen aufgehoben, also bevor der:die Richter:in ins Krankenhaus kommt.

Die Patientenanwälte in der Psychiatrie (nicht zu verwechseln mit den Patientenanwaltschaften, die von den Bundesländern eingerichtet sind) vertreten, beraten und unterstützen die Patientinnen und Patienten. Sie werden laut Unterbringungsgesetz von Vereinen gestellt, die für die Patientenvertretung von psychisch Kranken zuständig sind. Das zuständige Bezirksgericht bestellt für jede psychiatrische Abteilung speziell geschulte Patientenanwältinnen bzw. Patientenanwälte, die bei einer Unterbringung der betroffenen Person zur Seite stehen. Sie sind von den Krankenanstalten unabhängig und werden den Patientinnen bzw. Patienten kostenlos zur Seite gestellt.

Was ist bei der Behandlung während der Unterbringung zu beachten?

Entscheidungsfähige PatientInnen entscheiden selbst, ob sie Heilbehandlungen annehmen (z.B. oral eingenommene Medikamente). Sind PatientInnen nicht entscheidungsfähig, entscheidet gesetzliche VertreterInen über die Durchführung der Behandlung. Soll eine "besondere Heilbehandlung" (z.B. Operationen, Elektrokrampftherapie, Punktationen des Rückenmarks, Depotmedikamente) vorgenommen werden, hat das Gericht zu entscheiden, ob die Behandlung durchgeführt wird.

Wenn PatientInnen nicht entscheidungsfähig sind und keine gesetzliche Vertretung bestellt ist, entscheidet bei "besonderen Heilbehandlungen" das Gericht, bei "einfachen Heilbehandlungen" können PatientInnen auch gegen oder ihren Willen behandelt werden. In diesem Fall kann die Behandlung im Nachhinein vom Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.

Bei "Gefahr in Verzug", also wenn ohne die sofortige Behandlung eine schwere Gesundheitsschädigung oder starke Schmerzen entstehen würden, müssen die ÄrztInnen sofort handeln, und dürfen nicht zuwarten, bis VertreterInnen, bzw. das Gericht entschieden hat. Auch in diesem Fall gilt, dass entscheidungsfähige Personen immer selbst entscheiden. Eine zuvor erstellte Patientenverfügung gilt selbstverständlich auch dann, wenn die betroffene Person auf einer psychiatrischen Abteilung behandelt werden soll.

Neues Unterbringungsgesetz seit 2023

Seit 1. Juli 2023 ist ein neues Unterbringungsgesetz in Kraft, welches die Selbstbestimmung der Patient:innen stärkt. Speziell wenn es um die zwangsweise Verabreichung von Psychopharmaka geht, verbessert das neue Gesetz die Situation von Psychiatriepatient:innen. Das Gericht darf nun prüfen, ob eine Medikation gegen den Willen einer Person zulässig ist. Ferner haben Personen, die in der Psychiatrie sind, das Recht, eine Vertrauensperson zu benennen, die sie besonders unterstützt. Nun ist auch im Gesetz verankert, dass nach einer Unterbringung ein Reflexionsgespräch zwischen Patient:in und Personal geführt werden muss. In diesem Gespräch können Ärzt:innen und Patient:innen einen Behandlungsplan für eine allfällige neuerliche Aufnahme erstellen.

Problematische Aspekte

Es gibt jedoch auch problematische Aspekte im Zusammenhang mit Zwangseinweisungen:

  • Traumatisierung: Maßnahmen wie Fixierungen oder das Eingesperrt-werden können traumatisierend wirken.
  • Videoüberwachung: Die zunehmende Videoüberwachung in Krankenhäusern stellt einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar und kann die persönliche Betreuung reduzieren.
  • Personelle Defizite: Es gibt regelmäßig personelle Defizite und bauliche Mängel in psychiatrischen Abteilungen.
  • Schnelle Entlassungen: Patient:innen werden manchmal zu schnell entlassen, weil Betten benötigt werden, was zu einem Drehtüreffekt führen kann.

Ich denke, dass alle Beteiligten einen Beitrag leisten können, dass diese Traumatisierung, die durch den Freiheitsentzug entsteht, möglichst gering gehalten wird und dass die Traumatisierung nicht nachhaltig bestehen bleibt.

Die Krankenhäuser glauben, damit für Sicherheit zu sorgen, aber letztlich tun sie das nicht. Die vermeintliche Sicherheit führt dazu, dass man den persönlichen Kontakt reduziert. Auf einem Bildschirm ist aber nicht zu erkennen, wie es einer Person tatsächlich geht - weder psychisch noch physisch. So kann diese Scheinsicherheit letztlich eine erhöhte Gefahr für Patient:innen bedeuten. Wir wissen von Menschen, die sich vor der Kamera das Leben genommen haben und niemand hat das rechtzeitig bemerkt. Besondere Sorge bereitet uns, dass Videoüberwachung immer öfter zum Standard wird.

Patient:innen werden entlassen, denen es nur halbwegs gut geht, weil Menschen auf ein Bett warten, denen es schlechter geht. Das führt zu einem Drehtüreffekt, der besagt, dass Menschen im Laufe ihres Lebens wiederholt in die Psychiatrie aufgenommen werden.

Es gibt auch immer wieder bauliche Mängel, denn zum Teil sind psychiatrische Abteilungen ganz alte Bauten. In manchen Krankenhäusern gibt es kaum die Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten. Es werden erst nach und nach Neubauten geschaffen. Wir bemühen uns auch immer, dass wir in diese räumlichen Planungen eingebunden werden. Eine Psychiatrie sollte großräumig gebaut sein. Zunehmend werden Kameras zur Überwachung gefährdeter Patient:innen eingesetzt.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grundlagen für Zwangseinweisungen sind im österreichischen Unterbringungsgesetz (UbG) festgelegt. Dieses Gesetz regelt den zwangsweisen Aufenthalt von psychisch erkrankten Menschen in einer psychiatrischen Abteilung.

Das Unterbringungsgesetz (UbG) regelt den zwangsweisen Aufenthalt von psychisch erkrankten Menschen an einer psychiatrischen Abteilung.

Die europäische Menschenrechtskonvention garantiert uns allen das Recht auf persönliche Freiheit, lässt aber bestimmte Ausnahmen zu. Eine dieser Ausnahmen ist das Vorliegen einer psychischen Erkrankung. Gleichzeitig verbietet die UN-Behindertenrechtskonvention eine Andersbehandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Im österreichischen Verfassungsrecht ist geregelt, dass aufgrund der Erkrankung auch noch eine Gefährdung bestehen muss, damit die persönliche Freiheit eingeschränkt werden darf.

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