ADHS: Impulskontrolle lernen – Strategien und Unterstützung

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wird oft als Kinderkrankheit wahrgenommen, doch bei vielen Menschen bleibt sie bis ins Erwachsenenalter bestehen oder wird sogar erst dann erkannt. Etwa 2-5 % der erwachsenen Bevölkerung sind von ADHS betroffen.

Menschen mit ADHS tun sich oft schwer, mit starken Gefühlen gut umzugehen und diese zu regulieren. Sie bekommen dann etwa Wutausbrüche, zerschlagen Gegenstände, schreiben Hassnachrichten, schreien den Vorgesetzten an oder werden von Traurigkeit und Selbsthass überflutet. Manchmal, etwa nach einem Wutausbruch, haben die Betroffenen starke Schuldgefühle, es tut ihnen dann leid. Bei impulsiven Handlungen verlieren Menschen oft jegliche Kontrolle über ihre Handlungen und ihr Verhalten.

ADHS im Erwachsenenalter

Bei der Wiener Couch finden Erwachsene mit ADHS umfassende Unterstützung durch spezialisierte Diagnostik, maßgeschneiderte Therapieangebote und praktisches Coaching für den Alltag. Die Symptome von ADHS verändern sich mit dem Alter. Während bei Kindern oft die motorische Unruhe im Vordergrund steht, berichten erwachsene Betroffene häufiger von innerer Unruhe, Konzentrationsproblemen und Schwierigkeiten bei der Alltagsorganisation. Diese Veränderung führt oft dazu, dass ADHS im Erwachsenenalter übersehen wird.

Bei Frauen wird ADHS häufig später oder gar nicht diagnostiziert, da sie oft den unaufmerksamen Typ zeigen und ihre Symptome durch ausgeprägte Kompensationsstrategien maskieren. Die Therapie zielt nicht nur auf Symptomreduktion, sondern auch auf die Entfaltung dieser Potenziale im Alltags- und Berufsleben.

Diagnostik und Behandlung

Eine präzise Diagnostik ist die Grundlage jeder erfolgreichen Behandlung. Die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter erfordert besondere Expertise, da die Symptome oft komplexer sind als bei Kindern. Die Experten nehmen sich Zeit, die Lebensgeschichte und die aktuellen Schwierigkeiten genau zu erfassen. Dabei werden auch frühere Schulberichte einbezogen, die oft bereits Hinweise auf ADHS enthalten. Diese biografische Betrachtung hilft, die individuellen Auswirkungen zu verstehen und Muster zu erkennen, die sich durch das Leben ziehen.

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Zur objektiven Erfassung der Symptomatik kommen validierte psychologische Testverfahren zum Einsatz. Diese umfassende Diagnostik ermöglicht eine zuverlässige Differenzialdiagnose und die Abgrenzung von ähnlichen Störungsbildern.

Die Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter erfordert ein individuell abgestimmtes Therapiekonzept. In der Psychoedukation lernen Betroffene, ihre ADHS nicht als Defizit, sondern als besondere Funktionsweise ihres Gehirns zu verstehen. Diese neue Perspektive ermöglicht einen konstruktiveren Umgang mit den Herausforderungen. Die Betroffenen lernen, ihre Symptome zu erkennen und wirksame Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Die kognitive Verhaltenstherapie bietet wirksame Strategien für den Alltag. Betroffene lernen, Strukturierungshilfen einzusetzen, Ablenkungen zu reduzieren und ihre Impulskontrolle zu verbessern. Das praktische Coaching ergänzt die therapeutische Arbeit und unterstützt bei der Umsetzung im Alltag. Bei Bedarf kann eine medikamentöse Behandlung die Therapie unterstützen. Die richtige Kombination aus fundierter Diagnostik, therapeutischer Unterstützung und praktischem Coaching ermöglicht Erwachsenen mit ADHS, ihre Herausforderungen besser zu bewältigen und ihre Stärken zu entfalten.

Strategien zur Verbesserung der Impulskontrolle

Ein wichtiger Teil des ADHS- und ADS-Trainings ist das Erlernen von Techniken zur Selbstregulation und Impulskontrolle. Kognitive Trainingsmethoden können eingesetzt werden, um die kognitiven Fähigkeiten der Betroffenen zu verbessern, einschließlich Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Problemlösungsfähigkeiten und kognitive Flexibilität.

Da Stress und Überstimulation die Symptome von ADHS/ADS verschlimmern können, ist es wichtig, Entspannungstechniken zu erlernen, um Stress abzubauen und die innere Ruhe zu fördern. Das Training kann auch die Implementierung von Anpassungen am Arbeitsplatz oder in der Schule umfassen, um den Betroffenen ein unterstützendes Umfeld zu bieten, das ihren Bedürfnissen entspricht.

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Folgende Fragen und Strategien zur Reaktionsverzögerung können Ihnen hier helfen:

  1. Was genau ist passiert?
  2. Auch wenn die Handlung, die ich bereue, schon in der Vergangenheit liegt: Wo hätte ich mir im Nachhinein Zeit verschaffen können und auf welche Weise?

Vergessen Sie nicht, beim nächsten Mal neue Handlungsstrategien auszuprobieren. Falls Sie vergesslich sind, können Sie auch einen vertrauten Menschen bitten, Sie zu unterstützen und Sie zu erinnern. Oder Sie bedienen sich Hilfsmittel, wie etwa Erinnerungsgegenstände bzw. visueller Hilfen wie Memos oder Post-its. Und vergessen Sie nicht: Sie dürfen mit sich geduldig sein. Es dauert Zeit, Übung und Training, neue Verhaltensstrategien aufzubauen und schädliche Verhaltensweisen umzulernen oder abzubauen. Neue Verhaltensweisen müssen sehr oft wiederholt werden, bevor wir sie verinnerlicht haben.

Die Stopp-Technik ist ein wesentlicher Baustein im verhaltenstherapeutischen Kompetenztraining von Menschen mit ADHS, kann aber auch Menschen mit Borderline, Narzissmus usw. helfen. Sie können sich zudem, bevor Sie handeln, laut oder innerlich „Stopp!“ sagen und sich dann Zeit verschaffen, um ihre Verhaltensweise genau zu überlegen und zu planen.

Wichtig ist der Dreischritt aus 1. denken, 2. prüfen, 3. Es kann hilfreich sein, die drei Schritte laut auszusprechen.

Beispiele für die Anwendung der Stopp-Technik:

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  • Situation: Ich arbeite gerade für meinen Beruf, bekomme eine Nachricht auf mein Handy.
    • Konsequenz: Ich unterbreche meine Arbeit, die ich dann nicht mehr fortführe. Ich beantworte die Nachricht, und es ergibt sich ein Chat, der 15 Minuten dauert. Danach surfe ich eine Stunde im Internet herum und verliere mich darin.
    • Stopp: Ich arbeite weiter und lege das Handy bewusst zur Seite oder sogar in einen anderen Raum. Ich konzentriere mich jetzt ganz auf meine Arbeit. Erst später werde ich mein Smartphone wieder nehmen und Messages lesen.
  • Situation: Eine verlässliche Freundin, mit der ich heute Abend ins Kino gehen wollte, sagt mir ab, weil sie sehr viel Stress mit ihrer Familie hat. Die Freundin reagiert ihrerseits wütend und distanziert sich von mir.
    • Konsequenz: Wir reden ein paar Tage nichts, dann treffen wir uns wieder, aber meine Vorwürfe haben sie sehr gekränkt. Ich selber bereue meine Vorwürfe und meinen Wutausbruch. Ich habe Schuldgefühle, weil diese Freundin ansonsten sehr zuverlässig und verlässlich ist. Es stimmt im tiefsten Innersten nicht für mich, dass ich meinen Frust an ihr ausgelassen habe.
    • Stopp: Ich sage meiner Freundin, dass ich mir zehn Minuten Zeit nehmen möchte, um mich zu sammeln. In diesen zehn Minuten achte ich darauf, gut mit meiner Enttäuschung und mit meinem Frust umzugehen. Danach rufe ich meine Freundin an und sage ihr, dass ich Verständnis habe. Immerhin hat sie ja privat gerade viel Stress.

Die Entwicklung der Impulskontrolle

Die Fähigkeit zur Impulskontrolle spielt eine entscheidende Rolle in der psychischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Sie beeinflusst nicht nur das Sozialverhalten und die schulische Leistung, sondern auch die psychische Gesundheit im Erwachsenenalter. Die Impulskontrolle ist eine zentrale Funktion der Exekutiven Kontrolle und entwickelt sich über mehrere Jahre hinweg.

Einflussfaktoren auf die Impulskontrolle:

  • Kindheit: Die Reifung des präfrontalen Cortex ist entscheidend. Gleichzeitig spielen Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin eine Rolle.
  • Erziehung und Umwelt: Ein unterstützendes Umfeld mit klaren Regeln fördert die Fähigkeit, Impulse zu regulieren.
  • Digitale Medien: Übermäßige Nutzung digitaler Medien kann die Fähigkeit zur Selbstkontrolle beeinträchtigen, da schnelle Belohnungen bevorzugt werden.
  • Psychische Gesundheit: ADHS, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen können die Impulskontrolle erschweren.

Obwohl sich die Impulskontrolle mit zunehmendem Alter verbessert, bleibt sie eine lebenslange Herausforderung.

Auswirkungen mangelnder Impulskontrolle:

  • Beruf und Karriere: Schwierigkeiten, langfristige Ziele zu verfolgen.
  • Gesundheit: Höheres Risiko für ungesunde Verhaltensweisen wie übermäßigen Konsum von Alkohol, Drogen oder ungesunde Ernährung.

Logotherapie zur Förderung der Impulskontrolle

Die Logotherapie nach Viktor Frankl bietet einen sinnzentrierten Ansatz zur Verbesserung der Impulskontrolle. Sie geht davon aus, dass der Mensch trotz innerer Triebe und äußerer Einflüsse die Fähigkeit zur freien Entscheidung besitzt. Durch die bewusste Sinnsuche kann der Einzelne lernen, impulsives Verhalten zu regulieren.

Ein wichtiger Aspekt zur Förderung der Impulskontrolle ist die Einführung einer Logokultur in Schule und Erziehung. Dies bedeutet, dass bereits frühzeitig Werte wie Sinn, Verantwortung und Selbstreflexion vermittelt werden. Eine logotherapeutische Herangehensweise in der Bildung kann helfen, impulsives Verhalten zu regulieren und sinnvolle Beziehungen zu fördern.

Praktische Ansätze

Sowohl Jugendliche als auch Erwachsene können gezielt an ihrer Impulskontrolle arbeiten:

  • Achtsamkeit und Selbstreflexion: Regelmäßiges Innehalten und bewusste Entscheidungen treffen.
  • Selbstregulationstraining: Übungen zur Frustrationstoleranz.

Die Fähigkeit zur Impulskontrolle ist ein dynamischer Prozess, der sich über viele Jahre hinweg entwickelt. Während biologische und Umweltfaktoren eine Rolle spielen, können gezielte Strategien helfen, impulsives Verhalten zu regulieren und langfristig erfolgreich zu handeln.

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