Als „Narzisst“ versteht man umgangssprachlich einen Menschen, der selbstsüchtig, arrogant und rücksichtslos ist. Wohin man auch schaut, Narzissten begegnen einem an allen Ecken und Enden. Der Begriff „narzisstisch“ wird in der Alltagssprache schon beinahe inflationär verwendet. Aber was ist damit eigentlich gemeint? Und wo verläuft die Grenze zwischen gesunder Selbstliebe und krankhaftem Narzissmus?
Für Reinhard Haller ist Narzissmus „im rechten Maß unerlässlich für die Entwicklung eines gesunden Selbstwerts, für Leistung und Kreativität“. Haller sieht im Narzissmus „eine psychische Urkraft, welche positiv und negativ gestalten kann“. Der Mensch brauche zur Entwicklung gesunden Selbstvertrauens ein gewisses Maß an Narzissmus, das allerdings dann zum Problem wird, wenn jemand darunter leidet: Entweder die Betroffenen selbst, die durch ihre rücksichtslose Egozentrizität in Isolation geraten sind, oder die Mitmenschen, die es nicht mehr ertragen können von den Narzissten ständig rücksichtslos behandelt und entwertet zu werden.
Haller sieht im Narzissmus eine „Supermacht“, die mittlerweile Individuen und Gesellschaft durchdringt. Schätzungen zufolge leiden etwa 0,4 Prozent der Bevölkerung an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Männer sind häufiger davon betroffen als Frauen. Nicht selten wird die Diagnose erst gestellt, wenn sich die Betroffenen wegen anderer psychischer Erkrankungen in Behandlung begeben, z.B.
Der US-amerikanische Psychologe Eric Russ veröffentlichte 2008 gemeinsam mit anderen Psychologen im „American Journal of Psychology“ eine Studie, in der drei Subtypen des Narzissmus beschrieben werden: der exhibitionistische Narzissmus, der grandios-maligne Narzissmus und vulnerabel-fragile Narzissmus. Menschen mit dem exhibitionistischen Typus einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung stellen ihre Großartigkeit gerne öffentlich zur Schau. Dadurch erhalten sie die Aufmerksamkeit, die sie brauchen. In unserer wettbewerbsorientierten Welt kann sich dieser Typus gut anpassen und durchaus sehr erfolgreich sein. Nach außen wirkt der exhibitionistische Typus äußerst selbstbewusst.
Menschen mit dem grandios-malignen oder bösartigen Typus der narzisstischen Persönlichkeitsstörung stellen nicht selten eine Gefahr für die Gesellschaft dar. Dieser Typus vereint Narzissmus, Aggression, Paranoia und antisoziales Verhalten - eine toxische Mischung, die Betroffene zu extrem grausamen Taten bewegen kann. Nicht selten ist dieser Typus unter Diktatoren zu finden.
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Der vulnerabel-fragile Narzissmus ist dagegen weniger nach außen hin sichtbar, weil er durch depressive Verstimmung, Ängstlichkeit und Scham geprägt ist. Menschen mit diesem „verdeckten Narzissmus“. reagieren sehr sensibel auf Kritik und Misserfolge.
Narzissmus hat also viele Gesichter. Für Reinhard Haller zählt er zu den wahrscheinlich interessantesten, vielseitigsten und schillerndsten psychischen Phänomenen. „Seine Symptomatik durchschreitet alle Höhen und Tiefen der emotionalen Welt und die ganze Formenpalette psychischer Störungen“, so Haller. Narzisstisches Verhalten reiche vom Gefühl eigener Grandiosität bis zum brüchigen Selbstwert, von der Fantasie grenzenloser Macht bis zur kaltherzigen Entwertung der Menschen, von unersättlicher Anspruchshaltung bis zu masochistischer Demut“, schreibt Haller in „Die Narzissmusfalle“.
Von anderen Menschen braucht der Narzisst in erster Linie Bewunderung, er benötigt das zur Selbstwertregulierung. Eine der Ursachen für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung kann in der Kindheit liegen, nämlich dann, wenn ein Kind von seinen Bezugspersonen nur für seine Leistungen geliebt wird. Nicht der, oder die Beste zu sein bedeutet für viele Narzissten den Untergang. Weitere Faktoren für die Entstehung des Narzissmus sieht die Wissenschaft in der jeweiligen genetischen Disposition, der Umwelt und den generellen Beziehungserfahrungen.
Hinter der schillernden Fassade des Narzissten verbirgt sich eine ausgeprägte Verletzlichkeit. Sobald an seiner glänzenden Fassade gekratzt wird, reagiert der Narzisst mit Beleidigungen. Seine fehl geleitete Empathie findet sofort die Schwachpunkte seiner Kritiker. Der exhibitionistische Narzisst geht gezielt dorthin, wo es den anderen besonders weh tut. Die vulnerablen Narzissten ziehen sich im Fall von Kritik in ihre Fantasiewelt zurück.
Oft leben Narzissten, deren Narzissmus sich in Grandiosität zeigt mit anderen Narzissten zusammen, die vulnerabel sind. Letztere sonnen sich in der „Großartigkeit“ des ersteren und die Schwäche der „Vulnerablen“ wird durch die nach außen getragener Stärke der „Exhibitionisten“ kompensiert. Gelingt die verstärkende Spiegelung nicht, gehen Narzissten gerne fremd, werden zu chronischen Betrügern.
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Für Angehörige kann das Zusammenleben mit einem Narzissten sehr anstrengend sein. Einerseits bieten sie zwar Aufregung und Abwechslung und das soziale Leben ist meist intensiver, weil die Narzissten gerne Hof halten. Andererseits übt das Bedürfnis der Narzissten, ständig bewundert zu werden auch einen enormen Druck aus, vor allem dann, wenn er mit Entwertungen und Vernachlässigungen einhergeht.
In einer gesunden Beziehung würden die Partner im besten Fall aneinander wachsen, in einer narzisstischen Beziehung verharren beide in ihrer Grundposition, was wiederum die Gefahr in sich trägt, dass jede Abweichung eine Krise bringt. Dazu kommt, dass viele Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung häufig Schuldgefühle haben.
Behandlungsmethoden
Für die Behandlung von narzisstischen Störungen steht eine Vielzahl unterschiedlicher Therapieformen zur Verfügung:
- Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie geht von der Grundannahme aus, dass Faktoren wie frühkindliche Erfahrungen, angeborenes Temperament und andere Lebenserfahrungen die Ausreifung und Funktion der Persönlichkeit positiv oder negativ beeinflussen können.
- Die Mentalisierungsbasierte Therapie bezieht sich auf die inneren mentalen Zustände, also die Gedanken, Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse, Überzeugungen von sich selbst und anderen, die dem Verhalten zugrunde liegen. Diese integrative Form der Psychotherapie verbindet psychodynamische, systemische, klientenzentrierte und dialektisch-behaviorale Therapieansätze miteinander.
- In der Kognitiven Verhaltenstherapie ist der Aufbau einer tragfähigen, wertschätzenden therapeutischen Beziehung das wesentliche Element der Therapie. Mit ihr können ungünstige Denkmuster verändert werden, wie etwa die Vorstellung, ständig gut sein zu müssen, um von anderen akzeptiert und wertgeschätzt zu werden.
Narzissmus im Beziehungsgeflecht
Narzissmus bezeichnet weit mehr als bloße Selbstverliebtheit. Gemeint ist eine tiefgreifende Persönlichkeitsstruktur, die sich durch ein übersteigertes Bedürfnis nach Bewunderung bei gleichzeitig fehlendem Einfühlungsvermögen auszeichnet. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung stellt dabei die klinische Ausprägung dar - gekennzeichnet durch ein grandioses Selbstbild, Fantasien von grenzenlosem Erfolg und ein konstantes Bedürfnis nach Bestätigung.
Im Alltag manifestieren sich narzisstische Muster oft subtil. Betroffene berichten von Partnern, die zunächst charmant und aufmerksam wirkten, dann jedoch zunehmend kontrollierend, kritisch und emotional unzugänglich wurden. Entscheidend ist jedoch: Während selbstbewusste Menschen ihre Stärken realistisch einschätzen und gleichzeitig empathiefähig bleiben, benötigen Narzissten ständige Bestätigung von außen und zeigen wenig echtes Mitgefühl für andere.
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Der entscheidende Unterschied liegt in der Fähigkeit zur Selbstreflexion und Empathie. Narzissten können ihre eigenen Fehler kaum eingestehen und das Leid anderer nicht wirklich nachempfinden.
Was auf den ersten Blick als übersteigertes Selbstbewusstsein erscheint, ist bei Narzissten häufig Ausdruck einer tief verwurzelten Unsicherheit. Hinter der Fassade von Überlegenheit und Selbstinszenierung verbirgt sich oftmals ein fragiles Selbstwertgefühl. Die demonstrierte Grandiosität fungiert als Schutzmechanismus, um eine innere Leere und Selbstzweifel zu verbergen.
Typische Verhaltensmuster und Methoden narzisstischer Verletzungen
Im Kontakt mit narzisstischen Persönlichkeiten begegnen Betroffene immer wieder bestimmten Verhaltensmustern, die nachhaltig verletzen. Diese Dynamiken sind keineswegs willkürlich, sondern entspringen einer charakteristischen inneren Struktur. Wer diese Mechanismen durchschaut, kann Warnsignale früher wahrnehmen und gezielter darauf reagieren.
Gaslighting und emotionale Manipulation
Gaslighting ist eine subtile Manipulationstechnik, bei der die Wahrnehmung des Gegenübers gezielt verunsichert und infrage gestellt wird. „Das habe ich nie gesagt”, „So war die Situation definitiv nicht”, „Sie übertreiben maßlos” - solche Aussagen lassen Betroffene an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Klientin berichtete, wie ihr Partner zunächst klar zusagte, sie zu einem wichtigen Termin zu begleiten. Als der Tag kam, bestritt er, jemals zugestimmt zu haben, und bezeichnete ihre Erinnerung als “Einbildung”. Nach Monaten solcher Erlebnisse begann sie, jedes Gespräch heimlich aufzuzeichnen, um sich ihrer Wahrnehmung zu versichern.
Die Auswirkungen von Gaslighting sind weitreichend:
- Chronische Selbstzweifel
- Gefühl, “verrückt zu werden”
- Ständiges Hinterfragen der eigenen Erinnerungen
- Emotionale Abhängigkeit vom Manipulator
Schuldumkehr und Victim Blaming
Narzisstische Persönlichkeiten meistern die Kunst, eigene Fehler auf andere zu projizieren. Konfrontiert mit ihrem Verhalten, drehen sie die Situation um: Plötzlich tragen Sie die Verantwortung für den Konflikt. „Wenn Sie nicht so empfindlich wären…”, „Sie haben mich dazu provoziert…”, „Ich reagiere nur so, weil Sie mich dazu zwingen…”
Ein anschauliches Beispiel: Herr B. kam zu spät zu einer wichtigen Familienfeier seiner Partnerin. Statt sich zu entschuldigen, warf er ihr vor: „Wären Sie nicht so besessen von Pünktlichkeit und würden Sie mich nicht ständig unter Druck setzen, hätte ich entspannter fahren können und wäre vielleicht sogar früher angekommen.” Diese Verdrehung der Tatsachen führte dazu, dass sich die Partnerin für ihre berechtigte Erwartung schuldig fühlte.
Diese Dynamik führt zu einem Teufelskreis:
- Der Narzisst verhält sich unangemessen
- Das Opfer äußert Kritik oder Unmut
- Der Narzisst macht das Opfer verantwortlich
- Das Opfer entschuldigt sich für sein Gefühl der Verletzung
Abwertung und gezielte Kritik
Besonders schmerzhaft wirkt die präzise gezielte Kritik. Narzisstische Menschen verfügen über ein feines Gespür für die Schwachstellen anderer. Sie identifizieren exakt, wo Unsicherheiten bestehen, und setzen dort ihre Kritik an. Perfide daran: Die Kritik erfolgt oft getarnt als „konstruktives Feedback” oder „Hilfestellung”.
Ein typisches Szenario: Eine Frau mit Unsicherheiten bezüglich ihres Aussehens bekommt von ihrem narzisstischen Partner scheinbar beiläufige Kommentare zu hören wie: „Dieses Kleid betont wirklich Ihre Problemzonen” oder „Für Ihr Alter sehen Sie noch ganz passabel aus”. Diese Bemerkungen treffen gezielt die verletzlichsten Punkte.
Die Kritik folgt meist bestimmten Mustern:
- Sie ist unverhältnismäßig hart
- Sie fokussiert auf unabänderliche Eigenschaften
- Sie wird als „ehrliche Meinung” oder „Hilfe” deklariert
- Sie erfolgt oft in Momenten des Erfolgs oder Glücks
Liebesentzug und Schweigen als Strafe
Emotionale Verfügbarkeit als Druckmittel einzusetzen gehört zu den schmerzhaftesten Strategien. Plötzlicher Rückzug, demonstratives Schweigen nach einem Konflikt oder bewusstes Ignorieren - all das sind Formen emotionaler Bestrafung, die Betroffene in extreme Verunsicherung stürzen.
Eine Patientin beschrieb es treffend: „Nach jedem kleinen Streit verschwand er emotional für Tage. Er sprach das Nötigste, reagierte einsilbig, verweigerte jede Nähe. Ich begann, meine Meinungen und Bedürfnisse zurückzuhalten, nur um diese emotionale Kälte nicht ertragen zu müssen.”
Diese Form der Bestrafung wirkt besonders effektiv, weil sie:
- Verlassenheitsängste aktiviert
- Betroffene zu immer größeren Zugeständnissen treibt
- Ohne direkte Aggression auskommt (passive Aggression)
- Schwer als Missbrauch identifizierbar ist
Öffentliche Bloßstellung und Demütigung
Während viele narzisstische Verletzungen im Privaten stattfinden, nutzen Narzissten manchmal bewusst die Öffentlichkeit, um ihre Macht zu demonstrieren. Spitze Bemerkungen bei Familienfeiern, subtile Bloßstellungen vor Freunden oder das Lächerlichmachen in sozialen Situationen dienen dazu, das Opfer zu beschämen und gleichzeitig die eigene Überlegenheit zu inszenieren.
Ein Beispiel: Bei einer Geburtstagsfeier erzählte ein Mann wiederholt peinliche Geschichten über seine Partnerin und kommentierte jede ihrer Äußerungen mit subtil abwertenden Bemerkungen. Die Anwesenden lachten verlegen, während die Partnerin zwischen Scham und dem Versuch, die Fassade zu wahren, gefangen war.
| Verhaltensmuster | Typische Aussagen | Psychologische Wirkung |
|---|---|---|
| Gaslighting | „Das haben Sie sich eingebildet.” | Realitätsverlust, Selbstzweifel |
| Schuldumkehr | „Sie bringen mich dazu, so zu handeln.” | Schuldgefühle, Verantwortungsübernahme für fremdes Fehlverhalten |
| Abwertung | „Für jemanden wie Sie ist das schon ganz ordentlich.” | Geschwächtes Selbstwertgefühl |
| Liebesentzug | [Schweigen, Ignorieren, emotionale Kälte] | Verlassenheitsangst, Anpassung aus Angst |
| Öffentliche Demütigung | „Meine Frau kann das nicht, sie ist zu…” | Soziale Beschämung, Isolation |
Das Erkennen dieser Muster bedeutet nicht, dass Sie alle Schuld beim anderen suchen sollten. Vielmehr geht es darum, destruktive Dynamiken zu identifizieren, um sich selbst besser schützen zu können. In der therapeutischen Praxis zeigt sich immer wieder: Bewusstsein ist der erste Schritt zur Veränderung.
Warum Narzissten andere immer wieder verletzen müssen
Hinter dem verletzenden Verhalten narzisstischer Persönlichkeiten verbergen sich tiefgreifende psychologische Muster. Um sich effektiv schützen zu können, müssen Sie verstehen, was im Inneren dieser Menschen vorgeht. Dieses Wissen entschuldigt ihr Verhalten nicht, sondern gibt Ihnen die nötige Klarheit, um destruktive Beziehungsmuster zu erkennen und sich daraus zu befreien.
1. Der Kampf um die Wahrheit
Narzissten leben in einer subjektiv konstruierten Realität, die ihr fragiles Selbstbild schützt. Das Destabilisieren Ihrer Wahrnehmung dient dabei einem existenziellen Zweck: Was nicht sein darf, kann nicht sein. Jede abweichende Perspektive bedroht ihre mühsam aufrechterhaltene Selbsttäuschung.
Praktischer Rat: Führen Sie ein Realitätstagebuch. Notieren Sie wichtige Gespräche, Vorfälle und Vereinbarungen zeitnah. Diese Dokumentation hilft Ihnen, bei Realitätsverzerrungen einen klaren Blick zu bewahren.
Petra erfuhr, dass ihr Partner regelmäßig Versprechen leugnete. Sie begann, jede Abmachung schriftlich festzuhalten - nicht um ihn zu konfrontieren, sondern um ihre eigene Wahrnehmung zu stärken. Nach drei Monaten dieser Praxis spürte sie, wie ihre Selbstzweifel nachließen.
Der Kampf um Ihre Wahrnehmung ist nicht persönlich gemeint. Er entspringt einer tiefen inneren Not. Narzisstische Menschen können die Diskrepanz zwischen ihrem grandiosen Selbstbild und der Realität nicht ertragen. Jede Konfrontation mit dieser Diskrepanz löst intensive Schamgefühle aus, die durch Realitätsverzerrung abgewehrt werden müssen.
Was bedeutet das für Sie? Hören Sie auf, den Narzissten von Ihrer Wahrheit überzeugen zu wollen. Diese Bemühung kostet Sie Energie und führt selten zum Erfolg. Bewahren Sie stattdessen Ihre innere Gewissheit: “Ich weiß, was ich erlebt habe, unabhängig davon, was andere behaupten.”
2. Die eigene Wachstumssabotage
Narzisstische Persönlichkeiten erleben das Wachstum anderer als direkte Bedrohung. Jede Entwicklung Ihrerseits - sei es beruflicher Erfolg, neue Freundschaften oder gesteigertes Selbstbewusstsein - verringert aus ihrer Sicht die Kontrolle über Sie und gefährdet die Beziehungsdynamik.
Diese Sabotage hat psychodynamische Wurzeln. Menschen mit narzisstischen Zügen haben oft früh erfahren, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist. Sie fürchten, verlassen zu werden, wenn andere wachsen und unabhängiger werden. Diese Angst vor Verlassenheit treibt sie dazu, Entwicklungsschritte zu untergraben - oft unbewusst.
Praktischer Rat: Schützen Sie Ihre Wachstumsprozesse. Teilen Sie nicht alle Entwicklungsziele mit narzisstischen Bezugspersonen. Suchen Sie sich stattdessen ein “Wachstumsteam” - Menschen, die Ihre Entwicklung unterstützen und sich mit Ihnen freuen können.
Ein wirkungsvoller Ansatz:
- Identifizieren Sie Bereiche, in denen Sie wachsen möchten
- Finden Sie für jeden Bereich mindestens einen unterstützenden Menschen
- Teilen Sie Erfolge und Rückschläge mit diesem Unterstützerkreis
- Reduzieren Sie die Informationen, die Sie mit der narzisstischen Person teilen
3. Die Ausbeutung Ihrer Großzügigkeit
Narzisstische Menschen verfügen über ein feines Gespür für die Hilfsbereitschaft anderer. Sie erkennen empathische, gebende Persönlichkeiten und nutzen deren Großzügigkeit systematisch aus. Während Sie geben, nehmen sie - ohne Gegenleistung oder echte Dankbarkeit.
Warum funktioniert das? Vielen hilfsbereiten Menschen fällt es schwer, Grenzen zu setzen. Sie definieren ihren Wert über das Geben und fürchten, nicht mehr liebenswert zu sein, wenn sie “Nein” sagen. Narzissten spüren diese Dynamik intuitiv und nutzen sie geschickt aus.
Praxistipp: Entwickeln Sie ein gesundes Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen. Führen Sie gedanklich “Beziehungskonten”. Stellen Sie sich vor, jede Beziehung hätte ein Konto. Wie steht es um die Einzahlungen (Unterstützung, Aufmerksamkeit, Fürsorge) und Abhebungen? Eine gesunde Beziehung strebt nach Ausgewogenheit.
Fragen Sie sich konkret:
- Wieviel emotionale Energie investiere ich in diese Beziehung?
- Was bekomme ich zurück?
- Würde ich eine Freundin ermutigen, in einer ähnlichen Situation zu bleiben?
Praktische Übung: Nehmen Sie sich vor, in der kommenden Woche bei jeder Bitte oder jedem Wunsch, der an Sie herangetragen wird, bewusst drei Sekunden innezuhalten, bevor Sie antworten. In diesen drei Sekunden fragen Sie sich innerlich: „Will ich das wirklich - oder tue ich es nur, um zu gefallen?“ Erst danach treffen Sie Ihre Entscheidung.
4. Die emotionale Suchtstruktur
Viele narzisstische Persönlichkeiten erzeugen bewusst dramatische Situationen, um emotionale Intensität zu erleben. Diese “Dramen” dienen als Ersatz für echte Intimität und helfen, innere Leere zu überdecken.
Durch ständige emotionale Hochs und Tiefs - von intensiver Zuwendung bis zu plötzlichem Rückzug - wird bei Ihnen eine Art emotionale Abhängigkeit erzeugt. Diese Dynamik ähnelt einer Suchtstruktur: Kurze “Belohnungsphasen” wechseln sich mit langen Phasen der Entbehrung ab, was Sie in einem Zustand ständiger Hoffnung und Sehnsucht hält.
Martin beschrieb seine fünfjährige Beziehung mit einer narzisstischen Partnerin als “emotionales Roulette”: “Ich wusste nie, welche Version von ihr mir begegnen würde. Die liebevolle, zugewandte oder die kalte, abweisende. Diese Unberechenbarkeit hielt mich in einem Zustand ständiger Alarmbereitschaft - und seltsamerweise auch Hoffnung.”
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