Beim Linksabbiegen im Straßenverkehr sind bestimmte Vorrangregeln zu beachten, um Unfälle zu vermeiden. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt diese Situationen detailliert.
Grundlegende Vorrangregeln
Grundsätzlich gilt:
- Rechts vor Links: Fahrzeuge, die von rechts kommen, haben Vorrang, sofern keine anderen Regeln greifen. Dies gilt jedoch nicht für Schienenfahrzeuge, die auch dann Vorrang haben, wenn sie von links kommen.
- Einsatzfahrzeuge: Einsatzfahrzeuge (§ 2 Abs. 1 Z 25) haben immer den Vorrang.
- Vorrangstraße: Fahrzeuge, die auf einer Vorrangstraße fahren, haben den Vorrang gegenüber Fahrzeugen auf kreuzenden oder einmündenden Straßen.
Sonderfälle und Ausnahmen
Es gibt Situationen, in denen die allgemeinen Vorrangregeln nicht gelten oder durch spezielle Regelungen ergänzt werden:
- „Vorrang geben“ oder „Halt“-Schilder: Ist vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ oder „Halt“ angebracht, so haben sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang. Beim Vorschriftszeichen „Halt“ ist überdies anzuhalten.
- Zusatztafel mit besonderem Verlauf einer Vorrangstraße: Ist jedoch auf einer Zusatztafel ein besonderer Verlauf einer Straße mit Vorrang dargestellt, so haben die Fahrzeuge, die auf dem dargestellten Straßenzug kommen, den Vorrang, unabhängig davon, ob sie dem Straßenzug folgen oder ihn verlassen; ansonsten gilt Abs. 1.
- Fahrtrichtung beibehalten oder Rechtsabbiegen: Fahrzeuge, die ihre Fahrtrichtung beibehalten oder nach rechts einbiegen, haben, sofern sich aus Absatz 4, nichts anderes ergibt, den Vorrang gegenüber entgegenkommenden, nach links einbiegenden Fahrzeugen; Fahrzeuge, die ihre Fahrtrichtung beibehalten, haben den Vorrang auch gegenüber aus derselben Richtung kommenden, nach rechts einbiegenden Fahrzeugen.
- Fließender Verkehr vs. Nebenfahrbahnen: Fahrzeuge im fließenden Verkehr haben den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen.
- Radfahrer von Radwegen: Radfahrer, die einen nicht durch eine Radfahrerüberfahrt fortgesetzten (§ 56a) Radweg oder Geh- und Radweg verlassen, haben anderen Fahrzeugen im fließenden Verkehr, ausgenommen in Fällen parallel einmündender Radwege innerhalb des Ortsgebietes, nach deren Verlassen sie die Fahrtrichtung beibehalten (§ 11 Abs. 5 letzter Satz), den Vorrang zu geben.
- Nebenfahrbahnen vs. Zufahrten: Fahrzeuge, die auf Nebenfahrbahnen fahren, haben den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen.
Verzicht auf den Vorrang
Der Lenker eines Fahrzeuges darf auf seinen Vorrang verzichten, wobei ein solcher Verzicht dem Wartepflichtigen deutlich erkennbar zu machen ist. Das Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, ausgenommen eines Schienenfahrzeuges in Haltestellen, aus welchem Grund immer, insbesondere auch in Befolgung eines gesetzlichen Gebotes, gilt als Verzicht auf den Vorrang. Der Wartepflichtige darf nicht annehmen, daß ein Vorrangberechtigter auf seinen Vorrang verzichten werde, und er darf insbesondere auch nicht annehmen, daß bei Vorrangverzicht eines Vorrangberechtigten ein anderer Vorrangberechtigter gleichfalls auf seinen Vorrang verzichten werde, es sei denn, dem Wartepflichtigen ist der Vorrangverzicht von Vorrangberechtigten zweifelsfrei erkennbar.
Verhalten des Wartepflichtigen
Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.
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Beispiele und Gerichtsurteile
Manchmal verstößt ein Lenker ganz klar gegen eine Vorschrift, es kommt zum Unfall, aber dennoch wird ihm der Verstoß nicht als Verschulden angerechnet. Die Zauberworte heißen „Rechtswidrigkeitszusammenhang“ oder „Schutzzweck der Norm“.
Herr M. wollte eine Kreuzung geradeaus überqueren. Weder von rechts noch von links kamen Fahrzeuge; er fuhr trotz Stopptafel ohne anzuhalten in die Kreuzung ein. Dort stieß er mit einem entgegenkommenden Lenker zusammen, der links abbiegen wollte. Obwohl Herr M. die Stopptafel eindeutig missachtet hatte, forderte die Clubjuristin (zu Recht!) 100 % von der Gegenseite. Die Versicherung des Linksabbiegers musste zahlen, denn der Oberste Gerichtshof hat diese Konstellation schon entschieden. Demnach gelten „Vorrang geben“- und „Stopp“-Tafeln nur gegenüber dem Querverkehr (außer bei einer Zusatztafel über den besonderen Verlauf einer Vorrangstraße). Zwischen zwei entgegenkommenden Lenkern gelten die allgemeinen Vorrangregeln: Geradeaus vor Linksabbiegen! Das Ignorieren der Stopptafel wirkt sich hier nicht negativ aus. Wie der OGH sagt: Es fehlt am Rechtswidrigkeitszusammenhang. Ein Strafmandat kann Herr M. Frau Ingrid W. überholte (verbotenerweise) auf einer ungeregelten Kreuzung. Gleichzeitig bog ein Lenker von links in diese Kreuzung ein. Es kam zur Kollision. Lange Verhandlungen waren nötig, bis Frau W. Denn auch hier gilt: Das gesetzliche Überholverbot dient nur dem Zweck, eine Sichtbehinderung nach rechts zu vermeiden, also an ungeregelten Kreuzungen den Vorrang der von rechts kommenden Fahrzeuge zu wahren. Es bezweckt aber nicht den Schutz der von links kommenden Lenker und auch nicht den Schutz von überholten Linksabbiegern.
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