Der Behindertenpass ist ein amtlicher Lichtbildausweis, der als bundeseinheitlicher Nachweis einer Behinderung dient, unabhängig von der Art der Behinderung. Das Dokument wird in deutscher Sprache seit dem 1. September 2016 in Form einer Scheckkarte ausgestellt. Unbefristet ausgestellte Behindertenpässe, die der vorherigen Rechtslage entsprechen, bleiben weiterhin gültig. Bestehende Eintragungen in Behindertenpässen bleiben unberührt. Es ist wichtig zu beachten, dass der Besitz eines Behindertenpasses keinen Anspruch auf eine finanzielle Leistung begründet.
Was ist eine Behinderung?
Die Definition von Behinderung ist weltweit unterschiedlich. In Österreich wird die Definition des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) verwendet. Demnach ist eine Behinderung (§3 BEinstG):
„die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilnahme am Arbeitsleben zu erschweren.“
Als nicht nur vorübergehend gilt hier eine Dauer von mind. 6 Monaten. Somit kann auch bei Menschen mit einer chronischen Krankheit, sei es eine psychische oder eine körperliche, von Behinderung gesprochen werden, wenn diese Kriterien erfüllt sind. So können auch Menschen mit z. B. Epilepsie, Asthma, Diabetes oder MS ebenso wie Personen mit Depression, Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen dieser Definition entsprechen.
Der subjektive Zugang, ob sich die Person als behindert versteht, ist allerdings sehr unterschiedlich. Weiters hat die Feststellung einer Behinderung und deren Grad hat nichts mit der Einstufung/Einschätzung der Arbeitsfähigkeit zu tun. Man kann zu 100% behindert und gleichzeitig zu 100% arbeitsfähig sein.
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Wer bekommt den Behindertenpass?
Anspruch auf einen Behindertenpass haben Personen mit einem Grad der Behinderung (GdB) oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 50 %, die in Österreich ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben oder glaubhaft machen, dass sie sich aus beruflichen oder persönlichen Gründen regelmäßig in Österreich aufhalten.
Dazu gehören:
- Unionsbürger:innen
- Staatsbürger:innen von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
- Schweizer Bürger/innen und deren Familienangehörige
- Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind
- Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, soweit diese Drittstaatsangehörigen hinsichtlich der Bedingungen einer Entlassung nach dem Recht der Europäischen Union österreichischen Staatsbürgern/Staatsbürgerinnen gleichzustellen sind.
Wie erhält man einen Behindertenpass?
Den Antrag stellen Sie beim Sozialministeriumservice. Der Antrag kann auch online gestellt werden.
Ab sofort ist durch eine neue Lichtbild-Schnittstelle bei einem Behindertenpass- oder Parkausweisantrag kein Passfoto mehr beizulegen. Ihr Lichtbild wird aus den Lichtbildregistern des Bundes wie z.B. Reisepass- oder Führerscheinregister übernommen.
Nur wenn in diesen Registern kein Passfoto hinterlegt ist, wird ein Foto von Ihnen angefordert. Ausgestellte Behindertenpässe behalten ihre Gültigkeit.
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Dem Antrag unbedingt beizulegen sind:
- aktuelle medizinische Unterlagen z.B. Befunde in Kopie
- Meldezettel in Kopie
- Nachweis über ein allfälliges Vertretungsverhältnis z.B.
Diese sollten in der Regel nicht älter als 2 Jahre sein. Ausnahmen im Einzelfall: z.B. Behinderung seit Geburt, Amputationen, Fehlen aktueller Befunde etc.
Die Befunde sollten alle Leiden belegen, die die AntragstellerIn im Sachverständigengutachten berücksichtigt haben will. Geeignet sind insbesondere folgende medizinische Unterlagen, welche von der Fachabteilung einzuholen bzw. von der AntragstellerIn einzufordern sind (keine Kostenübernahme!):
- fachärztl. Befunde
- Pflegegeldgutachten
- aktuelle Krankengeschichten
- KH-Entlassungsberichte
- Kur- oder Rehaberichte
- Laborbefunde
Atteste im Sinne von Diagnosebestätigungen sind wenig verwertbar, außer sie enthalten Diagnose, Therapie, Zeitpunkt der Diagnoseerstellung und den aktuellen Status. Bei Augenleiden oder Hörbehinderungen ist unbedingt ein Visusbefund (korrigierter Visus) bzw.
Falls noch kein Grad der Behinderung oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nach bundesgesetzlichen Vorschriften festgestellt wurde, erfolgt diese Feststellung durch ärztliche Sachverständige beim Sozialministeriumservice. Aktuelle medizinische Befunde und Atteste sollen in diesem Fall dem Antrag beigelegt werden.
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Der Ärztliche Dienst entscheidet dann, ob es zu einer Vorladung kommt oder eine aktenmäßige Beurteilung durchgeführt wird.
Die Gutachtenserstellung erfolgt - abhängig davon, ob ein rechtskräftig festgestellter Grad der Behinderung bereits vor dem 1.9.2010 vorgelegen hat bzw. ein Verfahren zum 1.9.2010 anhängig ist- nach der Richtsatzverordnung (RVO 1965) oder nach der mit 1.9.2010 in Kraft getretenen Einschätzungsverordnung (EVO 2010).
Bei einem Grad der Behinderung von weniger als 50 Prozent wird ein abweisender Bescheid erlassen. Ab einem Grad der Behinderung von 25 Prozent kann ein pauschalierter Steuerfreibetrag beim Finanzamt beantragt werden.
Wird einem Antrag dem:der Antragsteller:innen nicht stattgegeben, erfolgt vorerst ein Parteiengehör (§ 45 AVG), welches den Antragsteller/innen das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens mitteilt und die Möglichkeit eines allfälligen Einspruchs einräumt.
Sollte kein Einspruch erfolgen, oder der Einspruch keine Änderung des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens bewirken, ist letztlich ein Bescheid zu erstellen, der dann an den/die Antragsteller/innen ergeht. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides Berufung erhoben werden.
Vorteile des Behindertenpasses
Der Behindertenpass kann als Nachweis der Behinderung für Vergünstigungen und steuerliche Vorteile verwendet werden. Ab einem GdB von 50 gilt man in Österreich wie auch in Deutschland als schwerbehindert. Ab dann spricht man auch offiziell von einer Schwerbehinderung. Neben dem GdB gibt es sogenannte Merkzeichen, die zusätzliche Nachteilsausgleiche ermöglichen.
Zu den Nachteilsausgleichen gehören etwa:
- Steuerliche Vergünstigungen
- Besonderer Kündigungsschutz
- Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage
- Hilfen bei der Arbeitsplatzgestaltung
Es können auch steuerliche Vergünstigungen bei der Arbeitsnehmer:innenveranlagung (Steuerausgleich) abgesetzt werden.
Mit einem Behindertenpass (diesen bekommt man ab einem Grad der Behinderung von mind. 50%) kann für Kinder, Jugendliche und Studierende mit Behinderung erhöhte Familienbeihilfe bezogen werden.
In Wien bekommen Menschen mit Behinderung und Pass, die Mindestsicherung/Sozialhilfe beziehen, einen Behindertenzuschlag. Es gibt weitere Unterstützungen in Form von Tagesstruktur/Arbeitstherapie für diejenigen, die (derzeit) nicht arbeitsfähig sind.
Weitere Unterstützungen können Fahrtendienste oder Tageszentren sein, auch Rehabilitationen sind möglich, eine Behinderung kann auch bei der ArbeitnehmerInnenveranlagung geltend gemacht werden.
Der Grad der Behinderung (GdB)
Der GdB liegt zwischen 20 und 100 und gibt an, wie stark die gesundheitlichen Einschränkungen sind. Die Feststellung des Grades der Behinderung erfolgt durch das Versorgungsamt. Wer eine gesundheitliche Einschränkung hat, kann einen Antrag auf Feststellung des GdB beim zuständigen Versorgungsamt stellen. Es empfiehlt sich, möglichst viele ärztliche Unterlagen beizulegen - je detaillierter, desto besser.
Der GdB wird in Prozenten angegeben - allerdings nicht im medizinischen, sondern im sozialen Sinn. Ein Beispiel: Zwei Menschen mit Diabetes können einen völlig unterschiedlichen GdB haben. Wer den Zucker mit Ernährung und Tabletten im Griff hat, bekommt vielleicht GdB 30.
Ab einem GdB von 50 bist du schwerbehindert und erhältst zahlreiche Vorteile - von Steuererleichterungen über Kündigungsschutz bis hin zu Mobilitäts- oder Pflegehilfen.
Psychische Erkrankungen und der Behindertenpass
Auch seelische Erkrankungen können Betroffene behindern. Daher haben sie unter Umständen Anspruch auf besonderen Schutz, Reha oder auch finanzielle Hilfen. Nicht jede Behinderung ist auf den ersten Blick erkennbar.
Psychische Behinderungen sind oft unsichtbar - und genau das macht sie für Betroffene und ihr Umfeld so herausfordernd. Doch was genau ist eine psychische Behinderung? Und wie können Betroffene sie geltend machen?
Eine psychische Behinderung liegt vor, wenn Menschen aufgrund von Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Traumafolgen oder Suchterkrankungen langfristig in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt sind.
Laut Sozialgesetzbuch (SGB IX) gelten seelische Beeinträchtigungen dann als Behinderung, wenn sie länger als sechs Monate bestehen und erhebliche Einschränkungen verursachen.
Nicht jede psychische Erkrankung ist also automatisch eine Behinderung, chronische können es sein. Entscheidend ist, wie stark die Beeinträchtigung das Leben der Betroffenen beeinflusst - etwa in der Arbeit, in sozialen Beziehungen oder in der Selbstversorgung.
Hilfe und Unterstützung
Es gibt zahlreiche Organisationen und Anlaufstellen, die Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten unterstützen:
- Verein ChronischKrank
- FEM Süd FRAUENASSISTENZ
- NEBA-Netzwerk berufliche Assistenz
- Fonds Soziales Wien (FSW)
- KOBV - der Behindertenverband
- ÖZIV - Bundesverband für Menschen mit Behinderungen
Diese Organisationen bieten Beratung, Unterstützung bei Behördenwegen, Hilfestellungen in den Bereichen Soziales, Recht, Psyche und Medizin. Sie setzen sich für die Interessen und Anliegen von Menschen mit Behinderungen ein und versuchen, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern.
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