Nicht nur bei Verletzungen oder Vergiftungen ist Erste Hilfe wichtig, sondern auch bei psychischen Krisen. Diese können lebensbedrohliche Zustände darstellen, die sofortige medizinische Hilfe erfordern.
Psychiatrischer Notfall
Bei einem psychiatrischen Notfall tritt eine psychische Störung akut auf oder verschlimmert sich zu einem medizinischen Notfall. Auch akute körperliche Leiden können psychiatrische Symptome auslösen. Dies führt zu einer unmittelbaren Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der betroffenen Person sowie möglicherweise ihrer Umgebung.
Symptome eines psychiatrischen Notfalls
- Störungen des Bewusstseins
- Störung des Realitätsbezugs: Wahrnehmung, Denken und Handeln sind nicht realitätsnah.
- Hochgradige Erregung (z.B. schwere Vergiftungen, die psychiatrische Symptome auslösen).
- Überflutende Gefühle.
- Ankündigung von selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten.
Bei einem psychiatrischen Notfall droht Lebensgefahr, beispielsweise bei Selbstschädigung oder eskalierender Gewalt. Eine akute Verschlechterung des Zustandes kann irreversible Folgen haben. Daher ist rasche medizinische Hilfe unerlässlich!
Was tun bei einem psychiatrischen Notfall?
- Rufen Sie die Rettung unter 144 bzw. die Polizei unter 133 bei Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung.
- Betroffene in Notsituation ansprechen: Versuchen Sie, Ruhe zu bewahren und die Lage zu erfassen. Sprechen Sie die betroffene Person an und geben Sie ihr Raum, selbst zu erzählen, wie es ihr geht. Akzeptieren Sie die Privatsphäre der Person.
- In Kontakt bleiben, bis die Rettung kommt: Lassen Sie die betroffene Person nicht alleine. Bleiben Sie wenn möglich mit ihr in Kontakt, ermöglichen Sie jedoch auch einen Rückzugsraum.
- Vermeiden Sie Zurechtweisungen: Versuchen Sie, die Person zu beruhigen und gegebenenfalls noch weitere Hilfe zu holen. Nehmen Sie die Person und ihre Wahrnehmung ernst und stellen Sie diese nicht in Frage.
- Die Rettungsleitstelle kann Ihnen Anweisungen geben, die Sie befolgen sollten.
Es ist wichtig, selbst einen klaren Kopf zu bewahren, auch wenn Gefühle wie Ohnmacht und Verzweiflung stark sind. Diskutieren Sie nicht lange, sondern holen Sie Hilfe. Manchmal wird das Hilfsangebot abgewiesen, was jedoch nicht persönlich gemeint ist. Bleiben Sie einfühlsam und organisieren Sie konsequent Hilfe. Bei aggressiven Personen bleiben Sie ruhig, sorgen Sie für Ihre Sicherheit und halten Sie Abstand. Zeigen Sie klar Ihre Grenzen.
Psychosoziale Krise
Im Unterschied zur psychiatrischen Krise besteht bei einer psychosozialen Krise keine unmittelbare Gefährdung. Sie ist jedoch ebenso sehr belastend und kann zu einem Notfall werden. Eine psychosoziale Krise wird durch belastende Lebensereignisse und/oder veränderte Umstände ausgelöst. Betroffene können diese momentan nicht mit ihren üblichen Problemlösungsstrategien bewältigen. In der Folge haben sie Schwierigkeiten, ihr Berufsleben sowie ihr soziales Leben zu meistern. Durch rechtzeitiges Handeln können so manche Folgeerkrankungen (z.B.posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen) oder gefährliche Situationen (z.B. Suizid, Gewalthandlung) vermieden werden.
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Erste Hilfe bei psychosozialen Krisen
- Die Situation einschätzen. Wie verhält sich die betroffene Person?
- Auf eine ruhige Umgebung und Schutz vor Störungen achten, z.B. vor unerwünschten anderen Personen.
- Aus der eigenen Perspektive sprechen. Dafür eignen sich sogenannte Ich-Botschaften, z.B.
- Nach Unterstützungsmöglichkeiten im nahen Umfeld fragen, zum Beispiel im Freundeskreis oder in der Familie.
- Professionelle Anlaufstellen suchen und die betroffene Person darauf hinweisen, dass es Hilfe gibt. Möchte das die Person nicht, können Sie fragen, warum das so ist.
Es kann sein, dass die betroffene Person nicht über das Problem sprechen möchte. Das ist meist nicht gegen jemanden persönlich gerichtet. Sie können dann sagen, dass Sie da sind, wenn die Person doch darüber reden möchte.
Vermeiden Sie es, die Situation der betroffenen Person zu verharmlosen. Auch gut gemeinte Ratschläge unterstützen nicht.
Im Rahmen einer psychosozialen Krise kann es auch zu Suizidgedanken kommen. Wenn Sie Suizidgedanken haben oder jemanden kennen, der betroffen ist, holen Sie sich Hilfe.
Akute Belastungsreaktion ("Nervenzusammenbruch")
Umgangssprachlich wird die akute Belastungsreaktion als Nervenzusammenbruch bezeichnet. Es handelt sich um eine vorübergehende, extreme Reaktion auf ein belastendes Ereignis. Sie gehört zu den möglichen psychischen Reaktionen auf ein traumatisches Erlebnis.
Abhängig von der Zeitspanne, für die die Symptome andauern, unterscheidet man folgende Formen:
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- Akute Belastungsreaktion (bis zu 48 Stunden nach dem Ereignis)
- Akute Belastungsstörung (bis zu vier Wochen nach dem Ereignis)
- Akute posttraumatische Belastungsstörung (bis zu drei Monate nach dem Ereignis)
Außerdem gibt es weitere Reaktionen, die mit den genannten verwandt sind:
- Chronische posttraumatische Belastungsstörung: Es bestehen noch drei Monaten nach dem belastenden Ereignis Symptome.
- Anpassungsstörung: Aufgrund einschneidender Erlebnisse, wie zum Beispiel der Verlust des Partners, gelingt es nicht mehr, den Alltag zu bewältigen.
Symptome einer akuten Belastungsreaktion
Eine akute Belastungsreaktion äußert sich durch vielfältige Symptome. Folgende Anzeichen und Symptome sind typisch für einen Nervenzusammenbruch:
- Veränderte Wahrnehmung (Derealisation, Depersonalisation): Der Patient nimmt die Umwelt oder sich selbst als fremd und unbekannt war.
- Bewusstseinseinengung: Die Gedanken des Patienten kreisen ausschließlich um wenige Themen - in dem Fall um die belastende Situation.
- Wiedererleben der Ausnahmesituation in Alpträumen oder Flash-Backs
- Erinnerungslücken
- Übererregung im Sinne von Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Schreckhaftigkeit, erhöhter Reizbarkeit
- Vermeidungsverhalten wie sozialer Rückzug
- Gefühlsstörungen (Affektstörung) wie Stimmungsschwankungen zwischen Aggression, Angst und Trauer oder unangemessenes Weinen und Lachen
- Körperliche Symptome (z. B. Erröten, Schweißausbrüche, Herzrasen, Blässe, Übelkeit)
- Sprachloses Entsetzen: Der Patient kann Erlebtes nicht in Worte fassen und dadurch schlechter verarbeiten.
Was tun bei einer akuten Belastungsstörung?
Viele Betroffene versuchen, allein fertig zu werden mit einem Nervenzusammenbruch. Hilfe nehmen nur einige in Anspruch. Dabei gibt es viele Antworten auf die Frage "Nervenzusammenbruch - was tun?"
In der akuten Ausnahmesituation gibt es verschiedene Personengruppen, die ausgebildet sind, jemandem mit akuter Belastungsreaktion zu helfen. Dazu zählen vor allem Menschen, die als erste an den Ort eines traumatischen Ereignisses kommen: Notarzt, Polizisten, Feuerwehrmänner, Sanitäter oder Soldaten.
Sie helfen allein schon durch die Tatsache, dass sie in der Lage sind, den Patienten in eine sichere Umgebung zu bringen. Im weiteren Verlauf wird der Patient zu einem Seelsorger, Psychotherapeuten oder Arzt geleitet.
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Nervenzusammenbruch-Behandlung: Erste Hilfe
Im ersten Schritt der Therapie steht die Kontaktaufnahme zu dem Patienten im Vordergrund. In einer sicheren Umgebung erhält der Betroffene Unterstützung. Erkennt die betreuende Person in ersten Gesprächen mit dem Patienten eine mögliche Gefahr der Selbsttötung (Suizidalität), veranlasst sie, dass der Patient stationär aufgenommen wird.
Besteht keine akute Gefahr, erfolgt die Behandlung meistens ambulant. Sie besteht aus verschiedenen psychologischen Therapien wie:
- Verhaltenstherapie (Patienten sollen ein gestörtes Verhalten verlernen und ein neues lernen)
- Psychoedukation (Patienten sollen die akute Belastungsreaktion als Krankheit verstehen lernen und so besser bewältigen)
- EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing; durch bestimmte Augenbewegungen soll das Trauma neu erlebt und besser verarbeitet werden)
- Hypnose
Wenn der Patient zum Beispiel durch Schlafstörungen extrem belastet ist, verschreibt der Arzt gegebenenfalls kurzzeitig schlafanstoßende und dämpfende Medikamente wie Benzodiazepine, Z-Substanzen oder sedierende Antidepressiva.
Ursachen und Risikofaktoren für eine akute Belastungsreaktion
Ursache für eine akute Belastungsreaktion ist ein traumatisches Erlebnis. Dabei spielt es keine Rolle, ob der eigenen Person etwas Schreckliches passiert oder ob man Beobachter, Angehöriger oder Helfer in der Situation ist. Das Ereignis stellt sich häufig als lebensbedrohlich dar und dreht mitunter die Welt für den Betroffenen auf den Kopf.
Alles, was vertraut und sicher schien, wird in solchen Momenten als gefährlich und durcheinander wahrgenommen. Dazu zählen vor allem:
- Körperverletzungen
- Krieg
- Flucht
- Sexuelle Gewalt
- Raubüberfälle
- Naturkatastrophen
- Schwere Unfälle
- Terroranschläge
Grundsätzlich besteht bei jedem Menschen die Möglichkeit, eine akute Belastungsreaktion zu entwickeln. Es gibt verschiedene Faktoren, die das Risiko, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden, erhöhen. Dazu zählen unter anderem:
- Vorherige Erkrankungen (körperliche und seelische)
- Erschöpfung
- Psychische Verletzlichkeit (Vulnerabilität)
- Fehlende Strategien, um mit dem Erlebten umzugehen (fehlendes "Coping")
Wichtige Kontakte und Anlaufstellen
- Rettung: 144
- Polizei: 133 (bei Selbst- oder Fremdgefährdung)
- Sozialpsychiatrischer Notdienst (Wien): 01 31330 (rund um die Uhr)
Zusätzlich zu den genannten Notrufnummern und Diensten gibt es weitere Anlaufstellen, die bei psychischen Krisen und Notfällen Unterstützung bieten:
- Ärztinnen/Ärzte mit Fortbildung in psychotherapeutischer Medizin.
- Ambulanzen für Psychiatrie und Psychosomatik.
- Das Rote Kreuz bietet Kurse in psychischer Erster Hilfe an.
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