Vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio praecox) zählt neben der erektilen Dysfunktion (Impotenz) zu den häufigsten sexuellen Funktionsstörungen des Mannes. Er ist oft mit hohem Leidensdruck verbunden.
Was ist ein vorzeitiger Samenerguss?
Vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio praecox) bedeutet, dass sich der Höhepunkt samt Samenerguss bereits nach kurzer sexueller Stimulation nicht mehr zurückhalten lässt. Besonders junge Männer mit wenig sexueller Erfahrung sowie solche, die über einen längeren Zeitraum hinweg sexuell abstinent waren, kennen dieses Phänomen.
Normalerweise erledigt sich das Thema von selbst: Mit zunehmender Erfahrung und regelmäßiger sexueller Aktivität lernt ein Mann, den Grad der eigenen Erregung besser wahrzunehmen und zu kontrollieren.
Anders verhält es sich, wenn jemand immer wieder - unabhängig von Situation und Sexualpartner - zu früh ejakuliert. Doch auch dieser Umstand allein reicht für die medizinische Diagnose „vorzeitiger Samenerguss“ noch nicht aus.
Ärzte sprechen erst dann von einer behandlungsbedürftigen Ejaculatio praecox, wenn:
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- der vorzeitige Samenerguss chronisch ist und der Betroffene keine Kontrolle über seine Ejakulation besitzt, sie also nicht willentlich hinauszögern kann
- der betroffene Mann subjektiv betrachtet darunter leidet, sich die Funktionsstörung also zum Beispiel negativ auf sein Selbstwertgefühl auswirkt, zu Stress, Ängsten und Vermeidungsverhalten führt und/oder seine sexuellen Beziehungen beeinträchtigt
Was bedeutet „vorzeitig“?
Die Vorstellungen darüber, wie lange ein Mann im Durchschnitt braucht, um zum Orgasmus zu kommen, sind sehr vielfältig und individuell. Und natürlich ist diese Zeitspanne auch von Mann zu Mann sehr unterschiedlich.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die sogenannte intravaginale Latenzzeit (= Zeitspanne zwischen dem Beginn der Penetration und der Ejakulation) durchschnittlich bei rund fünf Minuten liegt. Dementsprechend diagnostizieren Ärzte einen vorzeitigen Samenerguss, wenn diese Zeitspanne regelmäßig deutlich unterschritten wird, es also schon vor dem Einführen oder ein bis zwei Minuten danach zur Ejakulation kommt.
Primäre und sekundäre Ejaculatio praecox
Beim vorzeitigen Samenerguss unterscheiden Mediziner zwischen primärer Ejaculatio praecox und sekundärer Ejaculatio praecox. Nach dieser Unterscheidung richtet sich auch die Behandlung von vorzeitigem Samenerguss.
- Primäre Ejaculatio praecox: Hier kommt es schon beim ersten sexuellen Erlebnis zum vorzeitigen Samenerguss und die Symptomatik bleibt ein Leben lang bestehen.
- Sekundäre Ejaculatio praecox: Das ist die erworbene Form. Der vorzeitige Samenerguss stellt sich hier also plötzlich bei Männern ein, die zuvor keine Probleme mit der Ejakulation hatten. Häufig tritt die sekundäre Ejaculatio praecox im Zusammenhang mit Erkrankungen wie Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Prostataerkrankungen auf.
Welche Ursachen kann ein vorzeitiger Samenerguss haben?
Warum manche Männer unter vorzeitigem Samenerguss leiden, ist letztendlich unklar. Es wird aber ein Zusammenhang mit biologischen und/oder psychologischen Auffälligkeiten vermutet.
Vorzeitiger Samenerguss: Biologische Ursachen
Mögliche biologische Ursachen sind zum Beispiel:
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- ein hypersensibler Penis
- erektile Dysfunktion (Impotenz): Studien zeigen bei betroffenen Männern oft auch eine Ejaculatio praecox.
- Prostataentzündung (Prostatitis)
- hormonelle Störungen, etwa bei Schilddrüsenerkrankungen
Vorzeitiger Samenerguss: Psychologische Ursachen
Ein vorzeitiger Samenerguss kann seine Ursache auch in der Psyche haben. Beispielsweise können folgende Faktoren eine Rolle spielen:
- Ängste, vor allem Versagensängste, die durch einen hohen subjektiven Leistungsdruck ausgelöst werden können
- Stresstraumatische sexuelle Erfahrungen
- emotionale Störungen (z.B. diskutieren Experten, ob vorzeitiger Samenerguss und soziale Phobie zusammenhängen könnten)
Zudem können psychischer Stress, Leistungsdruck oder Beziehungsprobleme die Erektion stark beeinträchtigen.
Diagnose des vorzeitigen Samenergusses
Einen vorzeitigen Samenerguss anzusprechen, ist ein wesentlicher Schritt, der oftmals mit viel Überwindung verbunden ist. Zur Diagnose einer EP führt die Ärztin/der Arzt ein ausführliches Anamnesegespräch, das nicht nur Angaben über den körperlichen Zustand, sondern ehrliche Informationen über Sozial- und Sexualleben miteinbeziehen sollte.
Wesentliche Punkte der Diagnose sind:
- Genaue Medikamentenanamnese (z.B. Psychopharmaka)
- Abklärung, ob es sich um eine primäre oder sekundäre (lebenslange oder erworbene) EP handelt
- Verschiedene Untersuchungen, u.a. eine urologische
- Einbeziehung möglicher Grunderkrankungen in die Diagnose (z.B. Entzündungen der Harnröhre)
Behandlungsmöglichkeiten
Die Therapie orientiert sich an der individuellen Situation. Sie kann medikamentös, mechanisch und psychotherapeutisch erfolgen - aber auch aus einer Kombination mehrerer Therapieoptionen bestehen. Eine eventuelle Grunderkrankung wird mit einbezogen.
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Medikamentöse Therapie
- Medikamentöse (orale) Therapie: Der Wirkstoff Dapoxetin wird eingesetzt, um die Ejakulation bei vorzeitigem Samenerguss durch Beeinflussung des Ejakulationsreflexes im Gehirn zu verzögern (orale Therapie in Tablettenform). Außerdem können weitere Medikamente verordnet werden, z.B. wenn zudem eine Erektionsstörung vorliegt.
- Medikamentöse topische (lokale) Therapie: Anästhesierende Gels und Cremen werden auf die Eichel des Penis aufgetragen, sodass die Empfindung und damit die Erregung beim Mann reduziert wird.
Nicht medikamentöse Techniken
- Start-Stopp-Technik: Der Penis wird stimuliert und knapp vor dem Samenerguss (bzw. knapp vor dem Gefühl, dass der Samenerguss unausweichlich ist) die Stimulierung unterbrochen. Nach dem Nachlassen der Erregung wird wieder mit der Stimulierung begonnen.
- Squeeze-Technik: Der Sexualakt wird ebenfalls kurz vor dem Höhepunkt unterbrochen - durch Zusammendrücken des Penis in Höhe der Glansbasis von oben und unten zwischen Daumen und Zeigefinger (Bereich des Vorhautbändchens). Durch das Zusammendrücken wird versucht den Ejakulationsdrang zu unterbrechen und den Samenerguss hinauszuzögern.
Psychotherapie
Verschiedene psychische Ursachen können mit einer EP zusammenhängen wie beispielsweise frühkindliche sexuelle Störungen, unrealistische Vorstellungen über Sexualität, Angst vor Versagen sowie Leistungsdruck. Das Einbeziehen der Partnerin/des Partners (Gespräche und Therapie), Angstabbau, Veränderung von Denk- und Verhaltensmustern sowie Abbau eines eventuellen sexuellen Leistungsdrucks können notwendig sein.
Sowohl Sexualtherapie als auch Verhaltens-, Paar- sowie Familientherapie können dazu dienen, Verhaltensweisen zu überdenken und Ängste abzubauen.
Weitere Aspekte
Es ist wichtig zu beachten, dass sexuelle Funktionsstörungen nicht als Krankheit im Sinne des Sozialversicherungsrechts gelten. Behandlungen von sexuellen Funktionsstörungen fallen nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung. Die Kosten werden nur in Einzelfällen von den Sozialversicherungsträgern übernommen.
Scheuen Sie sich nicht Beschwerden bei der Ejakulation beim Facharzt anzusprechen. Auch die Ärztin/der Arzt für Allgemeinmedizin kann kontaktiert werden und eine entsprechende Zuweisung in die Wege leiten.
In den Diagnose- und Therapieprozess können Ärztinnen/Ärzte verschiedener Fachrichtungen sowie Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten bzw. Sexualtherapeutinnen/Sexualtherapeuten involviert sein.
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