Kinder und Jugendliche jeden Alters können Depressionen entwickeln, wobei es bei Säuglingen und Kleinkindern sehr selten ist und bei Kindern im Vor- und Grundschulalter eher selten vorkommt. Ab der Pubertät steigt die Häufigkeit von Depressionen deutlich an. Hin und wieder nicht gut drauf zu sein oder Stimmungsschwankungen zu haben, gehört zum täglichen Leben - auch bei Kindern und Jugendlichen. Zudem kommt es im Lauf des Erwachsenwerdens immer wieder zu Phasen, in denen die Stimmung sich verändert.
Was sind die Ursachen für eine Depression?
Die Ursachen für eine Depression sind vielfältig und komplex. Es handelt sich um ein Zusammenspiel aus genetischen, biologischen und Umwelteinflüssen:
- Biologische Faktoren: Biochemische Vorgänge im Gehirn und genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle.
- Psychische Faktoren: Negative Denkmuster oder überhöhte Erwartungen an sich selbst können Depressionen begünstigen.
- Soziale Faktoren: Belastende Familienumstände, die Zurückweisung von Gleichaltrigen oder negative Lebensereignisse können Auslöser sein. Vor allem Kinder, die Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind, sind besonders gefährdet.
Andere Auslösefaktoren sind genetische, biologische sowie organmedizinische Ursachen, wie beispielsweise eine Schilddrüsenunterfunktion. Medikamente (z. B. Cortisonpräparate, orale Verhütungsmittel etc.) können mitverantwortlich sein. Auch chronische körperliche Krankheiten begünstigen depressive Reaktionen.
Manchmal findet die Ärztin oder der Arzt auch keine möglichen Auslöser für die Depression bzw. Auch körperliche Erkrankungen oder die Einnahme von Medikamenten können die Entstehung von Depressionen begünstigen. Bei der Entstehung von bipolaren Störungen dürfte ebenso Vererbung eine gewisse Rolle spielen.
Man geht jedoch inzwischen davon aus, dass es letztlich Umweltfaktoren sind, die maßgeblich dazu beitragen, dass Depressionen bei Kindern ausbrechen. Bei Kindern spielt die Familie eine entscheidende Rolle. Leistungsdruck, Scheidung oder Tod der Eltern, aber auch Hänseleien in der Schule, Armut und sexueller Missbrauch gelten als mögliche Auslöser depressiver Erkrankungen. Dabei ist nicht nur die Stärke der Belastung ausschlaggebend, sondern auch, wie gut das Kind gelernt hat, Krisen zu verarbeiten, Probleme zu lösen oder sich Hilfe zu suchen.
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Risikophase Pubertät
Häufiger als bei Kindern sind Depressionen bei Jugendlichen. Die Pubertät birgt ein besonderes Risiko. Diese Zeit ist mit vielen Veränderungen, großen Herausforderungen und dadurch mit einem erhöhten Stresslevel verbunden. Jugendliche sind auf der Suche nach ihrer eigenen Identität, sie grenzen sich stärker von den Eltern ab und suchen Zugehörigkeit bei den Gleichaltrigen ("Peers"). Auch der Körper und das äußere Erscheinungsbild verändern sich stark in dieser Zeit.
Eine große Rolle spielen vermutlich darüber hinaus die hormonellen Turbulenzen in dieser Lebensphase. Die großen Verunsicherungen, die der Umbruch mit sich bringt, tragen zum Ausbruch einer Depression bei Jugendlichen bei.
Symptome von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen
Depressionen verursachen einen hohen Leidensdruck und drücken sich im Kindes- und Jugendalter anders aus als bei Erwachsenen. Während bei Säuglingen depressive Episoden selten diagnostiziert werden, treten bei Kindergartenkindern schon eher entsprechende Symptome auf, die sich vor allem auf der körperlichen Ebene und im Verhalten zeigen:
- Kleinkinder: Bei Kleinkindern sind Depressionen eher schwierig zu erkennen. So kann die Trennung von einer wichtigen Bezugsperson bei 2-Jährigen bereits depressive Reaktionen auslösen, die sich in Appetitlosigkeit bis hin zur Nahrungsverweigerung mit Gewichtsverlusten äußern. Auch mangelnde Bewegungsfreude, Passivität, Desinteresse oder auffälliges Schlafverhalten können Anzeichen sein.
- Schulkinder: Schulkinder können schon besser über ihre Gefühle berichten. Lebensüberdrussgedanken, Zukunftsängste und Belastungsfaktoren werden bereits geäußert.
- Jugendliche: Im Jugendalter zeigen sich oft massive Selbstzweifel, Minderwertigkeitsgefühle sowie verstärkter sozialer Rückzug. Änderungen des Essverhaltens, Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper als auch Wut und Aggression (oft in Form von selbstverletzendem Verhalten) können Anzeichen sein.
Manchmal traurig zu sein, ist ganz normal. Gerade in der Pubertät, einer Zeit großer Veränderungen und Unsicherheiten, gibt es viele Misserfolge, Rückschläge und Verluste. Wenn Ihr Sohn oder Ihre Tochter über einen längeren Zeitraum scheinbar grundlos bedrückt wirkt, zu nichts mehr Lust hat und sich auch zu nichts mehr aufraffen kann, sich von anderen zurückzieht, kaum noch Appetit hat, müde und unkonzentriert wirkt, Schlafstörungen hat, deutlich schlechter in der Schule wird, kein Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl mehr hat, ja sich sogar schuldig, wertlos, hoffnungslos und leer fühlt, sollten Sie hellhörig werden. Oder wenn Dinge, die früher Spaß gemacht haben, keine Freude mehr machen. Denn diese Anzeichen deuten auf eine Depression hin.
Typisch für Depressionen sind eine Veränderung der Stimmungslage und des Antriebs, also der Fähigkeit, etwas aktiv in Angriff zu nehmen.
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Überblick über mögliche Symptome nach Altersgruppen
Folgend finden Sie eine Übersicht möglicher Symptome, die auf eine Depression bei Kindern oder Jugendlichen hinweisen:
- Kleinkind (1-3 Jahre): Wirkt traurig, das Gesicht ist ausdruckslos, ist ängstlich und schüchtern, ist sehr anhänglich, weint schnell oder wird schnell zornig, hat keine Lust zu spielen, schläft schlecht, lutscht viel am Daumen oder spielt mit den Geschlechtsteilen, wiegt sich hin und her, zeigt verändertes Essverhalten.
- Vorschulkind (3-6 Jahre): Wirkt traurig oder apathisch, zeigt kaum oder verminderte Gestik und Mimik, zieht sich zurück oder reagiert aggressiv, leidet unter Alpträumen, wacht nachts oft auf, hat keine Freude am Spielen, freut sich auch sonst nicht so recht, verliert Gewicht oder nimmt stark zu und bewegt sich ungern.
- Schulkind (6-12 Jahre): Erzählt, dass es traurig ist, spricht über Suizidgedanken, hat schlechtere schulische Leistungen, die Essgewohnheiten ändern sich ohne erklärbaren Grund, fühlt sich von den Eltern vernachlässigt, hat starke Ängste, hat unbegründete Schuldgefühle, leidet unter einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, grübelt viel, hat Konzentrationsprobleme.
- Jugendlicher (13-18 Jahre): Hat wenig Selbstvertrauen, ist teilnahmslos oder ängstlich, zieht sich vom sozialen Leben zurück, hat Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, die schulischen Leistungen brechen plötzlich ein, hat Appetit-, Ess- oder Schlafstörungen, fügt sich Verletzungen zu, hat Suizidgedanken, das seelische Befinden schwankt über den Tag, ist antriebslos.
Nicht alle Symptome lassen zwangsläufig auf eine depressive Erkrankung schließen. Um sicherzugehen oder wenn Sie auch nur den Verdacht haben sollten, dass Ihr Kind unter einer Depression leidet, ist professionelle Hilfe gefragt. Wenden Sie sich an Familien- oder Jugendberatungsstellen oder suchen Sie einen Kinder- und Jugendpsychiater auf.
Diagnose von Depressionen
Im Grunde erfolgt die Diagnostik von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen jedoch nach dem gleichen Schema wie die Diagnose bei Erwachsenen. Basis der Diagnose ist hier das ICD 10, die "Internationale statistische Klassifikation" der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, die drei Hauptsymptome anführt: depressive Stimmung, Interessensverlust sowie Antriebslosigkeit und Müdigkeit.
Daneben gibt es außerdem sieben Nebensymptome, darunter Schuldgefühle, Schlafstörungen und Appetitveränderungen. Diese werden vom Arzt oder Therapeuten anhand standardisierter Fragebögen erfasst. Hinzu kommen körperliche Untersuchungen, die eine physiologische Ursache der Auffälligkeiten ausschließen sollen.
Die Ärztin oder der Arzt erhebt in einem Gespräch die bisherige Krankengeschichte (Anamnese). Dabei werden auch Eltern bzw. erziehungsberechtigte Personen miteinbezogen. Es erfolgt zudem eine körperliche Untersuchung. Bei der Diagnose nimmt die Ärztin oder der Arzt auch Rücksicht auf mögliche Probleme aufgrund der Entwicklung. Zum Beispiel auf die Besonderheiten in der Pubertät. Ein Fragebogen kann helfen, die für Depression oder bipolare Störungen typischen Symptome zu erheben. Zudem überweist die Ärztin oder der Arzt eventuell zu einer ergänzenden klinisch-psychologischen Diagnostik.
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Die Ärztin oder der Arzt schließt zudem körperliche Ursachen für Symptome sowie andere Erkrankungen aus. Dafür können weiterführende Untersuchungen notwendig sein. Eine möglichst frühe Diagnosestellung und Behandlung wirkt sich vorteilhaft auf den weiteren Verlauf einer Depression oder bipolaren Störung aus.
Behandlung von Depressionen
Ist die Depression bei einem Kind erst einmal erkannt, lässt sie sich entsprechend behandeln. Die Behandlung richtet sich nach der jeweiligen Diagnose und dem Schweregrad der Symptome. Regelmäßige ärztliche Kontrollen ermöglichen es, die Behandlung möglichst optimal zu gestalten und Rückfällen vorzubeugen.
In akuten Phasen ist ein Aufenthalt in einem Krankenhaus notwendig. Im Rahmen der Behandlung kann auch eine Rehabilitation oder Unterstützung durch psychosoziale Dienste notwendig sein. Eine allgemeine wichtige Säule der Therapie ist die sogenannte Psychoedukation. Das ist eine Aufklärung über die Erkrankung und was man dagegen tun kann. Die Psychoedukation kann z.B. im Rahmen eines ärztlichen Gesprächs, einer Psychotherapie oder einer klinisch-psychologischen Behandlung stattfinden. Es ist wichtig, auch die Eltern bzw. erziehungsberechtigten Personen über die Erkrankung und Hilfsmöglichkeiten aufzuklären.
Bei leichten Depressionen helfen oft bereits unterstützende Maßnahmen im Alltag. Dazu zählt zum Beispiel die Stärkung des Selbstwertgefühls oder die verständnisvolle Unterstützung durch die Eltern bzw. nahestehende Personen. Eine klinisch-psychologische bzw. psychotherapeutische Beratung oder Gespräche mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt können ebenfalls unterstützen. Auch Bewegung hilft, die Beschwerden zu bessern - vor allem in Form von Ausdauertraining.
Bei der Behandlung von mittelgradigen und schweren Depressionen sowie bipolaren Störungen kommen vor allem Medikamente und Psychotherapie zum Einsatz. Zudem ist Bewegung auch in diesen Fällen eine mögliche weitere begleitende Maßnahme zur Therapie.
Medikamentöse Behandlung
Sind die Symptome einer Depression stärker ausgeprägt, kann die Ärztin oder der Arzt Medikamente verschreiben. Dabei kommt ab acht Jahren der Wirkstoff Fluoxetin zum Einsatz. Die Ärztin oder der Arzt verschreibt möglicherweise auch für einen kurzen Zeitraum sogenannte Anxiolytika. Das sind angstlösende Medikamente.
Die Behandlung mit Medikamenten spielt bei einer bipolaren Störung eine wesentliche Rolle. Diese soll Stimmung und Antrieb stabilisieren, Psychosen verhindern sowie weiteren Episoden vorbeugen. Die Ärztin oder der Arzt verschreibt bei manischen Episoden vor allem Antipsychotika. Falls notwendig kann auch der Wirkstoff Lithium zur Anwendung kommen. Bei der Behandlung von depressiven Episoden einer bipolaren Störung mit Medikamenten achtet die Ärztin bzw. der Arzt neben der Behandlung der Symptome einer Depression auch besonders auf die nachhaltige Stabilisierung der Stimmung. Dabei kommen Antipsychotika zum Einsatz. Es können auch sogenannte SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) zur Anwendung kommen - allerdings gemeinsam mit einem Antipsychotikum.
Begleitend zur Behandlung mit Medikamenten sollte eine Psychotherapie erfolgen. Die Ärztin bzw. der Arzt achtet darauf, welche Symptome aktuell zu lindern und welche Medikamente für das Alter passend sind.
Psychotherapie
In der Psychotherapie lernen betroffene Kinder und Jugendliche, mit der Erkrankung besser zurechtzukommen. Sie können zudem in vertrauensvollem Rahmen über ihre Probleme sprechen. Bei Kindern und Jugendlichen kommen auch spielerische Elemente bei einer Psychotherapie zum Einsatz. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut stimmt die Arbeitsweise auf das jeweilige Alter ab. Eine Psychotherapie ist auch in der Gruppe möglich.
Für jüngere Kinder kommt eine Spieltherapie infrage: Sicherheit und Selbstbewusstsein werden durch das Spielen in geschützter Umgebung gestärkt und neue Verhaltensmöglichkeiten spielerisch erprobt. Bei älteren Kindern und Jugendlichen eignet sich die Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und Medikamenten ebenso bei schwerer Depression. Jugendliche werden im Rahmen einer Verhaltenstherapie dazu angeregt, den Teufelskreis der Depression zu durchbrechen, neue Denkmuster zu entwickeln und Techniken zum Lösen von Problemen zu entdecken. So sind sie in Zukunft für den Umgang mit Krisen besser gerüstet.
Was können Eltern tun?
Liegt eine Depression vor, kann sich Ihr Kind nicht mehr „zusammenreißen“, sich „doch einmal über etwas freuen“ oder aufhören, „alles nur negativ zu sehen“. Das ist von außen manchmal schwer zu verstehen, weil man nicht wirklich sieht, dass es der anderen Person nicht gut geht, wie es zum Beispiel bei einer Verletzung der Fall wäre. Daher ist es sehr wichtig, das eigene Kind ernst zu nehmen und die Erwartungen zu ändern. Was ist im Moment möglich, was kann man überhaupt gerade erwarten, wie kann man das Kind unterstützen, und wo kann man Hilfe holen?
Bei Jugendlichen können Sie Ihre Tochter oder Ihren Sohn, am besten unter vier Augen, nach ihrer oder seiner Situation, was sie oder ihn belastet und wie sie oder er sich fühlt, fragen. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn sie oder er nicht gleich antworten will. Kommen Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder darauf zurück und überlegen Sie eventuell, ob es eine andere Person gibt, der sich ihr:e Jugendliche leichter anvertrauen könnte.
Reden Sie dabei ruhig auch über Ihre Beobachtungen. Achten Sie aber darauf, es nicht wie einen Vorwurf klingen zu lassen. Machen Sie stattdessen deutlich, dass Sie ihn oder sie verstehen wollen und seine oder ihre Bemühungen um Lösungen anerkennen.
Sprechen Sie aber auch klar an, dass Sie gemeinsam eine:n Ärztin oder Arzt oder eine Beratungsstelle aufsuchen wollen, der Ihr:e Jugendliche:r vertrauen kann.
Suchen Sie sich, wenn nötig, selbst Unterstützung. Ein Gespräch kann entlasten. Denken Sie auch in diesen Fällen daran, dass es sich um eine Depression handeln könnte.
Verlauf und Prognose
Werden die Depressionen bei Kindern und Jugendlichen nicht behandelt, besteht eine hohe Gefahr, dass die Krankheit chronisch verläuft. Gerade bei jungen Menschen ist die Rückfallrate mit circa 70 bis 80 Prozent sehr hoch. Dafür und für die Gefahr der Chronifizierung sind vermutlich zum einen Veränderungen im Gehirn verantwortlich.
Zum anderen gehen Depressionen bei Kindern und Jugendlichen mit Konzentrations- und Lernschwierigkeiten einher, die sich in der schulischen Leistung niederschlagen. Dies trägt zu zunehmendem Stress bei und erschwert ein Ausbrechen aus den negativen Gedanken. Bei rechtzeitiger Behandlung werden etwa 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen nach einer depressiven Phase wieder dauerhaft gesund.
Vorbeugung
Es gibt keine Möglichkeit, das Entstehen einer Depression von Kindern und Jugendlichen sicher zu verhindern. Bekannt ist, dass eine gute Beziehung zu den Eltern, die Rückhalt und Liebe vermitteln, Kinder vor Depressionen möglicherweise schützt. Eltern, die ausreichend Nestwärme und Geborgenheit gewährleisten, leisten damit einen Beitrag, um einer Depression bei ihren Kinder vorzubeugen.
Ebenso wirken ein gutes soziales Netz, Freundschaften und soziale Integration dem Entstehen von Depressionen von Jugendlichen in vielen Fällen entgegen.
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