Tilidin bei Angststörungen: Eine umfassende Betrachtung

Tilidin ist ein synthetisch hergestelltes Opioid, das zur Behandlung mittelstarker Schmerzen eingesetzt wird. Die schmerzstillende Wirkung liegt im Vergleich zu Morphium bei ca. 20% und gehört somit, wie z.B. Tramadol, zu den schwächer wirksamen Opioiden.

Viele Menschen konsumieren Medikamente, um negative Gefühle wie Unlust, Angst oder Schmerz zu beeinflussen. Patienten, die unter starken Schmerzen leiden, wünschen sich oft nichts sehnlicher als ein Medikament, das ihnen Linderung verspricht. Tilidin ist ein solches Arzneimittel und gehört zur Gruppe der Opioide, unter denen Morphium wohl das bekannteste ist. Entsprechend risikobehaftet ist die Einnahme des Präparats. Schließlich kann eine körperliche sowie auch eine psychische Abhängigkeit die Folge sein. Hinzu kommen zahlreiche Nebenwirkungen und langfristige gesundheitliche Folgeerscheinungen, die nach dem Gebrauch des Medikaments auftreten können.

Was ist Tilidin?

Tilidin ist ein sogenanntes Analgetikum, also ein Arzneistoff, der über schmerzstillende Eigenschaften verfügt. Das Schmerzmittel wird von der Weltgesundheitsorganisation als Präparat der Stufe 2 eingeordnet. Das bedeutet, dass Tilidin genauso wie Tramadol als schwaches Opioid eingestuft wird. Im Vergleich dazu steht Morphium zusammen mit Oxycodon und Methadon auf der dritten Stufe und ist den starken Opioiden zuzurechnen. Offiziell entspricht die schmerzstillende Wirkung von Tilidin ungefähr einem Fünftel des analgetischen Effekts von Morphium. Seit den 1970er Jahren wird das Medikament in der Bundesrepublik hergestellt und auf Rezept verordnet.

Tilidin ist eine sogenannte Prodrug, deren entscheidender Wirkstoff im Normalzustand für den Körper keinerlei Auswirkungen mit sich bringt. Erst wenn das Präparat verstoffwechselt wird, entsteht ein Abbauprodukt oder auch Metabolit, das die gewünschte schmerzstillende Wirkung mit sich bringt. Das entscheidende Organ für die Verstoffwechselung des Medikaments ist die Leber, denn dort findet die Umwandlung in Nortilidin und später auch in Bisnortilidin statt. Hierbei handelt es sich um die eigentlichen opioiden Wirkstoffe von Tilidin. Diese sorgen dafür, dass körperliche Schmerzen verschwinden bzw. deutlich reduziert werden. Das gelingt, indem sich die Abbaustoffe im Körper an dieselben Rezeptoren binden, an denen normalerweise die schmerzstillenden körpereigenen Endorphine andocken. Auf diese Weise wird die Weiterleitung von Schmerzsignalen gehemmt oder sogar komplett unterdrückt.

Sehr häufig ist die Tilidin-Wirkung nicht nur als analgetisch, sondern auch als stimmungsverändernd zu beschreiben. So berichten viele Patienten nach der Einnahme von einem angstlösenden Effekt, euphorischen Stimmungen, Halluzination sowie dem Gefühl „alles schaffen zu können“.

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Wirkungsweise und Dosierung

Das Schmerzmittel Tilidin wird vom behandelnden Arzt in individueller Dosierung verordnet. Je nachdem, wie viel Milligramm / mg des Arzneistoffs eingenommen werden, setzt der erwünschte Effekt schneller oder langsamer ein. Den schnellsten Wirkungseffekt haben Patienten, die entweder Tilidin-Tropfen einnehmen oder vom Arzt eine Injektion verabreicht bekommen. In der Regel setzt die analgetische Wirkung dann binnen 5 bis 10 Minuten ein. Bei Tilidin-Tabletten müssen Betroffene etwas länger darauf warten, dass sich die Schmerzen auflösen oder in ihrer Intensität abgemildert werden. 15 bis 20 Minuten dauert es bis zum Wirkungseintritt, wobei auch bei Tabletten die Dosierung in Milligramm / mg entscheidend ist. Ob Tropfen, Injektionen oder Tabletten - für gewöhnlich beträgt die Wirkdauer bis zu 6 Stunden.

Wer die Informationen aus der Packungsbeilage von Tilidin-Tropfen oder -Tabletten näher betrachtet, der stellt fest, dass die meisten Präparate, die in deutschen Apotheken auf Rezept erhältlich sind, neben Tilidin den Wirkstoff Naloxon enthalten. Hinter diesem Arzneistoff steckt ein sogenannter Opioid-Antagonist, der die Effekte, die von Opioiden erzeugt werden, hemmt. Naloxon setzt im Grunde genommen also die Wirkung der Tabletten oder Tropfen außer Kraft. Allerdings geschieht dies erst, wenn eine bestimmte Dosis überschritten wird. Das Ziel der Kombination von Naloxon und Tilidin ist die Verhinderung einer Überdosierung oder eines Missbrauchs. Wer sich beispielsweise eine hohe Dosis des Schmerzmittels injiziert, kann nicht darauf hoffen, dass sich die Wirkung verstärkt, weil das enthaltene Naloxon das Opioid blockiert. Gleichzeitig löst das Naloxon als Nebenwirkung der Überdosierung schwere körperliche Entzugserscheinungen aus. Die Nutzung des Wirkstoffs ausschließlich zu Rauschzwecken ist dementsprechend schwierig, da keine Dosissteigerung möglich ist. Trotzdem fallen schnell freisetzende Darreichungsformen wie Tilidin-Tropfen seit 2013 wieder unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und dürfen vom Apotheker nur nach Aushändigen eines entsprechenden BtM-Rezepts übergeben werden.

Bereits wenige Milligramm / mg als Tagesdosis können einen negativen Effekt auf Körper und Psyche haben, so dass die Dosierung vom Arzt mit Bedacht gewählt werden muss. Die sofort einsetzende und starke schmerzhemmende Wirkung kann eine rasante psychische Abhängigkeit mit sich bringen. Insbesondere Patienten, die das Medikament über längere Zeit hinweg einnehmen, bekommen häufig das Gefühl, dass sie die Schmerzen ohne die Einnahme des Wirkstoffs gar nicht mehr aushalten können. Die Schmerztoleranz sinkt demzufolge ungemein.

Nebenwirkungen von Tilidin

Genauso wie die meisten anderen Opioide bringt auch das Medikament Tilidin eine ganze Reihe unterschiedlicher Nebenwirkungen mit sich. Insbesondere zu Behandlungsbeginn treten bei vielen Patienten, die das Arzneimittel nehmen, Übelkeit und Erbrechen auf, die im Laufe der Behandlung aber abnehmen können. Parallel dazu gehören Schwindel und Müdigkeit sowie Durchfall, Bauch- und Kopfschmerzen, Benommenheit, Nervosität und verstärktes Schwitzen zu den häufigsten Nebenwirkungen. Darüber hinaus können in unbekannter Häufigkeit verschiedene weitere Begleiterscheinungen wie euphorische Stimmungszustände, Halluzinationen, Verwirrtheitszustände und Muskelzuckungen auftreten.

Viele der beschriebenen Nebenwirkungen, die im Bereich des Magen-Darm-Traktes auftreten, werden durch die Kombinationswirkung von Naloxon gehemmt bzw. abgemildert. Bei gleichzeitiger Einnahme von opioiden Schmerzmitteln und Alkohol oder anderen Drogen kann es zu sich gegenseitig unkontrollierbaren Wirkungsverstärkungen kommen. Aufgrund des hohen Abhängigkeitspotentials und der eventuellen Auslösung von Entzugserscheinungen durch Naloxon sollten auch Patienten mit einer individuellen Suchtgeschichte beim Gebrauch des Medikaments vorsichtig sein. Dasselbe gilt bei der zeitgleichen Einnahme von Beruhigungs- sowie anderen Schmerzmitteln. Weiterhin sollte das Medikament nicht im Falle einer eingeschränkten Leberfunktion eingenommen werden, da der Arzneistoff in diesem Fall nicht ausreichend verstoffwechselt werden kann.

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Alternativen zu Tilidin

Wer unter starken Schmerzen leidet, sollte seinen Arzt deshalb noch lange nicht um ein Rezept für Tilidin bitten. Tatsächlich sind viele Betroffene mit anderen Analgetika deutlich besser beraten. Dies gilt unter anderem für Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren, für die das Präparat nicht vorgesehen ist. Auch in der Schwangerschaft sollte das Medikament nach Möglichkeit nicht eingenommen werden. Sollte eine umfassende Risiko-Nutzen-Analyse eine Anwendung unumgänglich machen, empfiehlt es sich, die Dosierung so niedrig wie möglich zu halten.

Die Wirkung von Nortilidin und Bisnortilidin, die als Stoffwechselprodukte wesentlich auf den Körper einwirken, können Krebs- und Rheumapatienten schnell und effektiv von starken körperlichen Schmerzen befreien. Als medikamentöse Lösung sollte der Einsatz jedoch nur kurzfristig erfolgen und nicht auf Dauer ausgelegt sein, denn mit jedem Tropfen und jeder Tablette erhöht sich das Risiko einer Tilidin-Abhängigkeit. Darüber hinaus sollte der Arzt die Betroffenen unbedingt über die Einnahme-Risiken von Retardtabletten oder Tropfen aufklären. Schließlich kann auch unter kontrollierten Bedingungen, bei denen sich der Patient genau an die vom Arzt verordnete mg-Dosierung hält, eine Tilidin-Abhängigkeit entstehen.

Tilidin-Abhängigkeit und Entzug

Das Missbrauchspotenzial von Tilidin ist nicht zu unterschätzen. Die analgetische Wirkung von Tilidin-Tropfen tritt nach oraler Gabe bereits nach 5 - 10 min ein (bei Tilidin-Tabletten etwas später) und hält ca. 4 - 6 Stunden an (bis zu 12 Stunden bei Retardtabletten).

Eine Tilidin-Abhängigkeit entsteht schleichend. Am Anfang der Einnahme stehen häufig die Behandlung von Schmerzen im Rahmen einer ärztlichen Intervention oder ein missbräuchlicher Konsum von Tilidin. Mit der Zeit passt sich der Organismus an die Dauerzufuhr des Opioids an. Es entsteht eine Opiattoleranz. Die Gewöhnung verlangt nach immer höheren Dosen und erneutem Konsum um den gleichen Effekt zu erhalten. Das Absetzen der Substanz nach einiger Zeit (z.B. zur Überprüfung des Ist-Zustandes chronischer Schmerzen) kann, zumeist auch unerwartet, zu körperlichen und psychischen Entzugssymptomen führen. Mit anfänglich nur leichten, mit Dauer des Ausbleibens aber immer stärkeren Symptomen verlangt der Körper nach erneuter Zufuhr von Tilidin-Präparaten.

Die Einnahme des Schmerzmittels Tilidin führt sowohl bei bestimmungsgemäßem Gebrauch als auch beim missbräuchlichen Konsum als Droge in eine körperliche Abhängigkeit. Das ist auf den reinen Gewöhnungseffekt zurückzuführen: Der Körper bzw. das Gehirn stellt sich auf die Wirkung des Schmerz-Medikaments ein und passt sich dementsprechend an. Insbesondere die Hyperalgesie, also das verstärkte Empfinden von Schmerzen, wird von Patienten, die das Mittel zur Behandlung starker Schmerzen verschrieben bekommen haben, als sehr unangenehm empfunden. Teilweise scheint die Qualität der Schmerzen nach dem Absetzen des Medikaments sogar noch stärker zu sein als vor der Behandlung. Die erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen ist auch für Konsumenten gravierend, die das Analgetikum ursprünglich zu Rauschzwecken genommen haben. Auch sie können während des Entzugs starke Schmerzen, beispielsweise in Rücken, Muskulatur und Gelenken, entwickeln.

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Insbesondere in Kombination mit den körperlichen Absetzerscheinungen können sich die psychischen Tilidin-Entzugssymptome subjektiv verstärken. Betroffene erleben zudem ein starkes Craving, ein scheinbar kaum stillbares Verlangen nach der erneuten Einnahme des Medikaments.

Wann setzen die Entzugserscheinungen bei Tilidin ein?

Wie schnell Betroffene bei einem Entzug des Opioids mit den ersten Absetz-Nebenwirkungen rechnen müssen, ist individuell verschieden und hängt von mehreren Faktoren ab. So ist davon auszugehen, dass der Entzug bei höherer Dosierung stärkere Nebenwirkungen verursacht und diese auch früher einsetzen. Grundsätzlich kommt es bei Betroffenen mit einer langjährigen Abhängigkeit schon nach kurzer Zeit zu starken Absetzerscheinungen. Typischerweise machen sich erste Anzeichen vier bis sechs Stunden nach der letzten Dosis bemerkbar.

Opiate und Opioide, zu denen das Schmerzmittel Tilidin gehört, führen zu einer physischen Abhängigkeit, die beim Absetzen Entzugserscheinungen auslöst. Besteht ausschließlich eine körperliche Abhängigkeit, lassen die Symptome meist bereits nach wenigen Tagen nach. Führt die Abhängigkeit beim Entzug auch zu psychischen Nebenwirkungen, sind die Folgen meist schwerwiegender. Angst- und Panikattacken sowie Schlafstörungen können deutlich länger - teilweise mehrere Wochen bis Monate andauern. Besonders das Suchtverlangen, das Craving, lässt sich ohne spezielle Therapie meist nicht in den Griff bekommen.

Behandlung der Tilidin-Abhängigkeit

Sollte eine Tilidin-Abhängigkeit bestehen, führt der Weg aus der Medikamentensucht zuallererst über die Einsicht der Erkrankung. Anschließend wird dringend ein Tilidin-Entzug in einer spezialisierten Suchtklinik empfohlen. Der sogenannte kalte Entzug, den viele Tablettensüchtige oft auf eigene Faust zuhause durchführen, kann für den Körper und die Psyche dramatische Folgen haben. Umso wichtiger ist es, dass das im Organismus wirksame Medikament kontrolliert sowie schleichend abgesetzt wird. Auf die körperliche Entgiftung folgt anschließend die langfristige Entwöhnung. Betroffene lernen, auch ohne das Medikament und dessen Wirkung zu leben. Damit dies auch nach der Behandlung in der Klinik gelingt, sind weitere therapeutische Maßnahmen ambulant umzusetzen.

Ein qualifizierter, „warmer“, also schrittweiser Entzug ist die beste Möglichkeit, um sich vor Tilidin-Entzugserscheinungen zu schützen. Das gilt sowohl für Patienten, die durch eine langjährige niedrige Dosis eine physische Abhängigkeit entwickelt haben, als auch für Konsumenten, die das Medikament als Droge missbraucht haben.

In einem qualifizierten Entzug erfolgt das schrittweise Absetzen des Opioids, sodass Nebenwirkungen wie Schmerzen, Unruhe und Co. von vornherein auf ein Minimum reduziert werden. Eine individuell angepasste Medikation kann Entzugssymptome zusätzlich lindern. Neben dem kontrollierten Absetzen erfolgt in einer professionellen Entzugstherapie eine umfangreiche Entwöhnung. Diese ist insbesondere für Tilidin-Konsumenten wichtig, die das Medikament als Rauschmittel missbraucht haben. Sie erlernen neue Strategien im Umgang mit Konsum-Auslösern und erfahren so, wie sie zukünftig ohne Opioide, Opiate und andere Drogen durchs Leben gehen können. Gerade dieser Therapie-Baustein, der bei einem kalten Entzug nicht gegeben ist, erweist sich zur Vermeidung von Rückfällen oder einer Suchtverlagerung als entscheidend.

Als Klinik für Medikamentenentzug bieten wir Ihnen einen sanften und schonenden Entzug aller Medikamente mit Suchtpotenzial, darunter auch Tilidin. Die Behandlung wird individuell auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten und verläuft daher umso erfolgreicher.

Wichtiger Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel dienen nur zu Informationszwecken und ersetzen keine professionelle medizinische Beratung. Bei Verdacht auf eine Medikamentenabhängigkeit oder bei Fragen zur Behandlung von Angststörungen sollten Sie immer einen Arzt oder Apotheker konsultieren.

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