Burnout in der Sozialen Arbeit: Ursachen und Prävention

Burn-out ist keine persönliche Schwäche. Im Gegenteil, völlig gesunde Menschen können unter ungünstigen Arbeitsbedingungen daran erkranken. Burn-out entsteht primär am Arbeitsplatz - auch wenn Betriebe es gerne anders darstellen.

Definition und Dimensionen von Burnout

In der ICD-11-Klassifikation der Krankheiten und Gesundheitsprobleme beschreibt die WHO Burn-out als Syndrom und Folge von chronischem Arbeitsstress, welcher nicht erfolgreich bewältigt wird. Die Fachwelt ist sich nicht ganz einig, was Burnout genau ist. Allerdings orientiert sich diese an bestimmten Beschwerden. Fachleute gehen davon aus, dass Burnout eine Folge einer Überlastung von beruflichen oder privaten Tätigkeiten ist. Burnout ist keine Krankheit im engeren Sinn, sondern ein Syndrom mit verschiedenen Beschwerden.

Anhand unterschiedlicher Dimensionen lässt sich damit messen, wie akut das Ausmaß einer Gefährdung bzw. eines bereits vorhandenen Burn-outs ist. Zu jeder Dimension gibt es Fragen, die mittels Punktevergabe zu einem Wert für eine der drei Burn-out-Dimensionen verrechnet werden:

  • Emotionale Erschöpfung: Zeigt sich in einem Gefühl der Überforderung, Erschöpfung, Frustration sowie Angst vor dem nächsten Arbeitstag.
  • Depersonalisierung: Ist die Reaktion auf emotionale Erschöpfung. Diese zeigt sich im Versuch, sich von Klient:innen und Patient:innen zu distanzieren, Gleichgültigkeit und Zynismus.
  • Reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit: Kann sich in Überforderung, fehlender Motivation, Gereiztheit und der Vorstellung, mit der eigenen Arbeit und dem persönlichen Einsatz nichts bewirken zu können, niederschlagen.

Aus diesen drei Dimensionen wird das gesamte Burn-out-Gefährdungspotenzial errechnet. Das Inventory ist kein Diagnoseinstrument, sondern vielmehr ein Instrument zur Selbsteinschätzung der individuellen Betroffenheit.

Die Dramatische Situation im Gesundheits- und Sozialbereich

Eine Umfrage bei rund 1.300 Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich zeigt, die Situation hat sich seit 2008 verschärft. So ist die „starke Belastung bzw. Gefährdung“ in den letzten 15 Jahren von rund 20 Prozent auf mehr als 36 Prozent stark gestiegen. Andersrum gelesen, ging der Anteil der Kolleg:innen, die nicht oder nur schwach belastet sind, von 54 Prozent auf unter 31 Prozent zurück. Rund 12 Prozent der Befragten waren in allen drei Dimensionen stark gefährdet. Besonders markant ist, dass über die Hälfte der 1.300 Befragten emotional stark erschöpft ist.

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Die Dunkelziffer in gewerkschaftlich nicht organisierten bzw. betriebsratslosen Unternehmen wird noch höher geschätzt. Die Ursachen dafür sind vielseitig. Die Umfrage zeigt, dass arbeitsplatzbezogene Faktoren wie mangelnde Wertschätzung, lange und oft unplanbare Arbeitszeiten und chronischer Personalmangel stark burn-out-gefährdend wirken.

Vergleich zeigt dramatische Situation Wie sich an dieser Grafik aus der aktuellen Studie erkennen lässt, ist die „starke Belastung bzw. Gefährdung“ in den letzten 15 Jahren von rund 20 Prozent auf mehr als 36 Prozent stark gestiegen. Zahlen, die nicht anders als dramatisch bezeichnet werden können.

Tabelle: Entwicklung der Burnout-Gefährdung im Gesundheits- und Sozialbereich

Belastungsgrad 2008 2023/24
Starke Belastung bzw. Gefährdung ca. 20% über 36%
Keine oder schwache Belastung 54% unter 31%

Ursachen von Burnout

Fachleute orientieren sich bei der möglichen Erklärung für die Entstehung von Burnout an mehreren Aspekten. Stress dürfte eine große Rolle spielen. Zudem kann sich eine sogenannte Gratifikationskrise negativ auswirken. Das bedeutet, es kommt zu einem Ungleichgewicht von eigener Leistung und Anerkennung durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber. Fachleute gehen unter anderem auch davon aus, dass die Belastung direkt mit dem Arbeitsplatz bzw. dem Ort und der Art einer Tätigkeit zusammenhängen kann. Zudem vermuten Fachleute unter anderem, dass manche Menschen ein erhöhtes Risiko für ein Burnout haben.

Stadien von Burnout

Die völlige Burnout-Erschöpfung ist nicht plötzlich von einem Tag auf den anderen da. Fachleute beschreiben Burnout unter anderem in zwölf Stadien. Ein Burnout verläuft je nach Person unterschiedlich. Diese Stadien können jedoch der groben Orientierung dienen, wie ein Burnout verlaufen kann. Es ist möglich, Stadien zu „überspringen“ bzw. können sie auch in anderer Reihenfolge auftreten.

  1. Zwang, sich zu beweisen.
  2. Verstärkter Einsatz.
  3. Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse.
  4. Verdrängung von Bedürfnissen und Konflikte.
  5. Umdeutung von Werten.
  6. Verstärkte Verleugnung aufgetretener Probleme.
  7. Sozialer Rückzug.
  8. Verhaltensänderungen.
  9. Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit.
  10. Innere Leere.
  11. Depression.
  12. Völlige Burnout-Erschöpfung.

Prävention von Burnout

Da Burnout durch ein Zusammenspiel von vielen Faktoren entsteht, kann man diesem nicht sicher vorbeugen. Angemessene Möglichkeiten einer Karriere bzw. Unterstützung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, z.B. Einrichtung einer Ansprechstelle für Burnout im Betrieb, z.B. Angebot von Schulungen, z.B. Ggf. Vorsorgeuntersuchungen im Betrieb können helfen, Burnout möglichst früh zu erkennen. Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sieht unter anderem die verpflichtende Evaluierung von Arbeitsplätzen vor. Auch die Gefahren durch psychische Belastungen müssen dabei festgestellt werden.

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Erste Schritte für diesen Ausbau der Prävention sind: Eine präzise gesetzliche Definition, was bei der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz zu berücksichtigen ist.

Individuelle Maßnahmen zur Burnout-Prävention

  • Realistische eigene Arbeitsplanung bzw.
  • Eigene Bedürfnisse beachten, z.B. Erlernen von Entspannungstechniken, wie z.B.
  • Auch Coaching kann hilfreich sein, sich mit der eigenen Tätigkeit auseinanderzusetzen.

Was gegen Burnout hilft

Psychisch gesunde Arbeitsbedingungen ermöglichen psychisch gesundes Arbeiten. Daher muss die Arbeit von dem:der Arbeitgeber:in auch psychisch gesund gestaltet werden. Die Realität sieht oft anders aus: eine hohe Arbeitsmenge, kurzfristige Termine, wenig Personal und Ressourcen, Umstrukturierungen uvm. sind an der Tagesordnung.

Bei Problemen am Arbeitsplatz unterstützen Änderungen im betrieblichen Umfeld. Auch Initiativen wie fit to work bieten dabei Hilfe. Darüber hinaus kann Psychotherapie unterstützen, mit der Situation umzugehen und die seelische Belastung zu vermindern. Dabei hat sich etwa der Ansatz der Akzeptanz- und Commitment-Therapie bewährt. Dieser Ansatz kommt aus der Verhaltenstherapie. Dabei lernen Betroffene, achtsam und mit Selbstmitgefühl mit ihren Problemen umzugehen sowie sich neu im Leben zu orientieren. Die Ärztin oder der Arzt kann auch bei Bedarf Medikamente verschreiben, um Symptome zu lindern - zum Beispiel Schlaflosigkeit. Liegt eine Depression vor, erfolgt die Behandlung daran ausgerichtet. Allerdings finden dabei auch besonders Aspekte von Überlastungsreaktionen Berücksichtigung.

Arbeiterkammern und Gewerkschaften fordern daher schon lange die Anerkennung von Burnout als Berufskrankheit - Betroffene benötigen ein Anrecht auf eine umfassende Behandlung durch die Unfallversicherungsanstalt, zeitlich unbefristete medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation oder finanzielle Entschädigungen.

Menschen, die durch ihre Arbeit Schaden erleiden, müssen abgesichert sein - das muss für Burnout ebenso gelten wie für körperliche Schäden.

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Politische und Gesellschaftliche Verantwortung

Abgesehen von den Umfragen der IG Social gibt es in Österreich keinerlei Studie, die gezielt die Burn-out-Situation im Gesundheits- und Sozialbereich untersucht. Um ein möglichst präzises Verständnis des Gefährdungspotenzials in unterschiedlichen Teilbereichen und Berufsgruppen zu erlangen, benötigt es jedoch regelmäßige, von der öffentlichen Hand finanzierte und breit angelegte wissenschaftliche Untersuchungen. Auf deren Basis wiederum müssen gezielt Maßnahmen gesetzt werden, deren Finanzierung aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung zu stellen ist.

Schließlich ist die Burn-out-Gefährdung im Gesundheits- und Sozialbereich ein gesamtgesellschaftliches Problem, da ein funktionierender Gesundheits- und Sozialbereich unerlässlich ist. In Anbetracht des ohnehin massiven Personalmangels in der Branche ist es sowohl volkswirtschaftlich als auch sozialpolitisch inakzeptabel und nicht zielführend, dass viele Kolleg:innen infolge vermeidbarer arbeitsbedingter psychischer Gefahren für oft sehr lange Zeiträume ausfallen.

Entgegen den Wünschen der Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und anderer politischer Kräfte braucht es eine massiv ausgebaute Finanzierung des Gesundheits- und Sozialbereiches statt einer Senkung der sogenannten Lohnnebenkosten. Die zusätzlichen Mittel müssen zuerst in den Ausbau des Personals (auch zur Kompensation des Ausfalls von Kolleg:innen) investiert werden. Darüber hinaus müssen für das bestehende Personal mehr Erholungsmöglichkeiten in Form kürzerer, planbarer Arbeitszeiten und durch mehr Urlaub geschaffen werden.

Es sind aber auch dringend verstärkt präventive Maßnahmen gegen Burn-out auf gesetzlicher Ebene (z. B. im Arbeitnehmer:innenschutzgesetz) und Schutzmaßnahmen in Kollektivverträgen und/oder Betriebsvereinbarungen zu ergreifen. Die breite gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit in der Branche muss sich schlussendlich auch in einer entsprechenden Entlohnung niederschlagen. Nicht zuletzt braucht es eine gesamtgesellschaftliche Enttabuisierung von psychischen Gefahren am Arbeitsplatz und deren Folgen, um Burn-out als soziales Problem ernst zu nehmen.

Psychische Gefahren in der Arbeitswelt nehmen seit vielen Jahren zu. Dadurch steigt das Risiko, im Laufe des Erwerbslebens an Burn-out oder einer anderen psychischen Krankheit zu erkranken. Aus gewerkschaftlicher Perspektive muss daher die Prävention psychisch krankmachender Arbeitsbedingungen ausgebaut und verbessert werden.

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