Schizophrenie: Negativsymptome und Behandlungsmöglichkeiten

Schizophrenie ist eine psychiatrische Erkrankung, die Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche gleichermaßen betreffen kann - unabhängig von ihrem sozialen oder kulturellen Hintergrund. Entscheidend für die Prognose ist, die Krankheit früh zu erkennen und zu behandeln. Die Schizophrenie zeigt sich vielgestaltig und umfasst verschiedene Störungen. Experten schätzen, dass etwa sieben von 1.000 Personen an Schizophrenie erkranken - und zwar unabhängig vom kulturellen oder sozialen Hintergrund. Schizophrenie kann zudem in jedem Alter auftreten, manifestiert sich jedoch am häufigsten zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr. Menschen, die bei der Geburt als männlich zugewiesen wurden, erkranken in der Regel etwa fünf Jahre früher als weiblich gelesene Personen und weisen auch eine etwas höhere Neuerkrankungsrate auf.

Die Schizophrenie ist gut behandelbar, aber nicht heilbar. Die psychischen Beschwerden beeinflussen vor allem die Denkstruktur, die Sinneswahrnehmung und wie Reize verarbeitet werden. Das beeinträchtigt unter anderem das Hören, Sehen oder Riechen betroffener Personen. Dadurch werden Eindrücke fehlinterpretiert, was sich oft negativ auf die Gefühlswelt der Betroffenen auswirkt. Als Folge fällt es ihnen zunehmend schwer, ihren Alltag und Beruf zu bewältigen. Frühzeitig erkannt und behandelt, lassen sich mögliche Folgen vermeiden oder hinauszögern.

Symptome der Schizophrenie

Schizophrenie zeigt unterschiedliche Arten von Symptomen. Zum einen die bekannten, sogenannten Positivsymptome, wie etwa Wahnideen oder Halluzinationen, die auf eine gesteigerte Dopamin-Ausschüttung zurückzuführen sind. Bei der akuten Phase überwiegen die Positiv-Symptome - das bedeutet, dass eine Wahrnehmung hinzukommt. Dann sind Halluzinationen (z.B. akustische Halluzinationen) und Wahnvorstellungen typisch.

Zum anderen leiden an Schizophrenie Erkrankte neben diesen besser bekannten Symptomen sehr häufig auch an sogenannten Negativsymptomen, die von Antriebslosigkeit, Schwierigkeiten, sozial zu interagieren oder zu kommunizieren gekennzeichnet sind. Negativsymptome zeigen sich häufig in stabileren Phasen. Auch kognitive Beeinträchtigungen wie Konzentrationsstörungen oder ein verlangsamtes Denken sind typisch. In manchen Fällen kommt es zu Bewegungsauffälligkeiten (z. B. Katatonie).

Positivsymptome im Detail

  • Betroffene können nicht mehr zwischen der eigenen Person und der Umwelt unterscheiden. Sie erleben sich selbst und ihre Umwelt als fremd, unwirklich und verändert.
  • Sie sind mitunter davon überzeugt, dass andere Menschen ihre Gedanken lesen können, ihnen neue eingeben oder ihnen Gedanken entziehen. Sie fühlen sich vielfach von außen manipuliert, ferngesteuert oder hypnotisiert.
  • Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme sind typische Symptome einer Schizophrenie.
  • Das Denken ist zusammenhangslos, durcheinander, unlogisch oder nicht nachvollziehbar. Gedankengänge brechen abrupt ab oder wechseln schnell. Häufig kommt es zu Wortneubildungen und einem gestörten Satzbau. Denken und Sprechen können stark verlangsamt oder beschleunigt sein.
  • Betroffene sind nicht mehr in der Lage, die Realität so zu sehen, wie sie ist. Sie sind überzeugt, dass das, was sie erleben, real ist und lassen sich auch durch gutes Zureden nicht vom Gegenteil überzeugen.
  • Häufig fühlen sie sich von einzelnen Menschen, Behörden oder einer höheren Macht beobachtet und verfolgt. Anschuldigungen, man wolle sie vergiften oder gefährlicher Strahlung aussetzen, sind ebenfalls typisch.
  • Halluzinationen sind Wahrnehmungen, die nur der Betroffene wahrnimmt. Besonders häufig treten akustische Halluzinationen auf. Dabei hören die Betroffenen Stimmen, ohne dass jemand spricht. Des Weiteren finden sich dialogische Stimmen (der Erkrankte meint, Unterhaltungen über seine Person mitzuhören), kommentierende Stimmen (beschreiben alle Handlungen des Patienten) und auffordernde Stimmen, die dem Betroffenen Handlungsanweisungen geben.

Weitere Symptome

  • Je nachdem, welche Symptome vorherrschen, können die Körperbewegungen übermäßig oder stark reduziert ausfallen.
  • Viele Betroffene erleben gleichzeitig oder kurz hintereinander widerstreitende Gefühle. Sie empfinden häufig große Angst, fühlen sich niedergeschlagen, innerlich leer und reagieren gleichgültig.
  • Zudem ist der Gesichtsausdruck oft starr, sowie die Gestik und Mimik reduziert.
  • Häufig ziehen sich betroffene Menschen von Familie und Freunden zurück und sind gleichzeitig wenig an dem interessiert, was um sie herum passiert.

Ursachen der Schizophrenie

Die Ursachen der Schizophrenie sind bis heute nicht abschließend geklärt. Eine familiäre Häufung ist bekannt: Je enger ein Mensch mit einer betroffenen Person verwandt ist, desto höher ist sein eigenes Erkrankungsrisiko. Die Nervenzellen des Gehirns stehen durch komplizierte Stoffwechselprozesse miteinander in Verbindung. Reguliert werden diese Stoffwechselprozesse durch Botenstoffe (Neurotransmitter), zu denen auch das Dopamin gehört. Forscher haben herausgefunden, dass das Dopamin-System bei von Schizophrenie Betroffenen überaktiv ist, sodass große Mengen Dopamin freigesetzt werden. Die zur Behandlung eingesetzten Medikamente (Antipsychotika) wirken den Symptomen entgegen, indem sie die Wirkung des Dopamins herunterregeln.

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Auch das Serotonin - ein Botenstoff, der unterem anderem Einfluss auf die Stimmung, die Schmerzwahrnehmung oder den Schlaf-Wach-Rhythmus hat - scheint an der Entstehung der Schizophrenie beteiligt zu sein. Bildgebende Verfahren wie beispielsweise die Kernspintomografie konnten zeigen, dass bei vielen Betroffenen im limbischen System, im präfrontalen Kortex und im Hippocampus strukturelle Veränderungen vorliegen. Diese Areale sind u. a. für die Verarbeitung von Emotionen, die Gedächtnisbildung und die Steuerung von Verhalten zuständig.

Bis heute gibt es keine wissenschaftlichen Belege, wonach belastende Lebensereignisse, Drogenkonsum oder instabile familiäre Strukturen eine Ursache für eine Schizophrenie darstellen, sie können aber eine psychotische Episode auslösen oder Rückfälle begünstigen. Auch ließ sich zeigen, dass die Art der Kommunikation in der Familie den Verlauf der Erkrankung beeinflussen kann.

Diagnose von Schizophrenie

Da die Schizophrenie viele Erscheinungsbilder hat, ist es gerade zu Beginn schwierig, die Erkrankung eindeutig zu diagnostizieren. Es ist sinnvoll Angehörige miteinzubeziehen, da sie aus einem anderen Blickwinkel berichten können. Darüber hinaus ist es wichtig das Beschwerdebild gegenüber anderen möglichen psychiatrischen Störungen abzugrenzen - etwa einer Persönlichkeitsstörung, einer bipolaren Erkrankung, Zwangsstörungen oder Autismus-Spektrum-Störungen.

Neben klinischer Untersuchung und Interview/Exploration können auch spezifische Erhebungsinstrumente zum Einsatz kommen. Um die Differenzialdiagnostik zu vereinfachen, wurde eine 9 Punkte umfassende Skala „Calgary Depression Scale for Schizophrenia“ [5] entwickelt. Die Erfassung von Negativsymptomen im klinischen Alltag kann durch die Verwendung von Screening-Instrumenten optimiert werden, die dafür konzipiert wurden, u. a. die BNSS (Brief Negative Symptom Scale; [6]) sowie die SNS (Selbstbeurteilungsskala von Negativsymptomen; [7]).

Behandlungsmöglichkeiten

Eine Schizophrenie ist gut behandelbar. Auch wenn sie häufig chronisch verläuft, kann bei vielen Betroffenen eine langfristige Stabilisierung ohne akute Episoden erreicht werden. Bei der Behandlung der Schizophrenie kommen vor allem antipsychotisch wirkende Medikamente zum Einsatz. Diese wurden früher auch als Neuroleptika bezeichnet. Antipsychotika dienen dazu, die im Gehirn aus der Balance geratenen Botenstoffe wie Dopamin und Serotonin wieder „ins Lot“ zu bringen. Bis der Patient oder die Pantientin medikamentös gut eingestellt ist, können durchaus mehrere Wochen vergehen. Bleibt der gewünschte Erfolg aus, kann nach dieser Zeit ein Wechsel der Medikation notwendig werden. Schlägt das Präparat an, kann die Dosis mit der Zeit in kleinen Schritten verringert werden. Erst wenn der Patient symptomfrei ist, folgt eine Erhaltungstherapie.

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Anders verhält es sich, wenn der Schizophrenie-Patient mehrere Rückfälle erleidet. In diesem Fall raten Experten zur Gabe einer so genannten Erhaltungsdosis nach Abklingen der akuten Phase. Ist eine ausreichende Stabilisierung erreicht, helfen psychotherapeutische Angebote wie kognitive Verhaltenstherapie oder Psychoedukation, den Umgang mit der Erkrankung zu verbessern. Ziel ist es, Selbstwirksamkeit zu stärken, Rückfällen vorzubeugen und Alltagskompetenzen zu fördern.

Auch wenn die Symptome der Schizophrenie abgeklungen sind, können kognitive Einschränkungen zurückbleiben, die das Konzentrationsvermögen, die Aufmerksamkeit und die Fähigkeit zu planen betreffen. Um diese Einschränkungen auszugleichen, haben sich computergestützte Trainings und neuropsychologische Therapie bewährt.

Pharmakotherapie mit Antipsychotika

AP sind die Therapie der Wahl in allen unterschiedlichen Stadien schizophrener Störungen. Sowohl AP der ersten Generation („first generation AP“ FGA) als auch AP der zweiten Generation („second generation AP“ SGA) verringern effektiv psychotische Symptome (++). Einige SGA bieten möglicherweise Vorteile bei der Gesamtwirksamkeit und in der Rückfallprophylaxe (+). Wegen des erhöhten Risikos von neurologischen Störungen (EPMS) unter FGA sind bestimmte SGA zu favorisieren (+). Rasche Dosissteigerungen („loading dose“) sollten vermieden werden (+). Die niedrigste effektive Dosis ist anzustreben (+). Bei jeder Auswahl von AP sollten potenzielle Nebenwirkungen und individuelle Risikofaktoren (Geschlecht, Gewicht, RR, Laborbefunde etc.) berücksichtigt werden. Vor dem Wechsel auf ein anderes AP sollte ein kontrollierter Behandlungsversuch unter optimaler Dosierung und Adhärenz für mindestens vier bis maximal acht Wochen erfolgen (+).

Bei etablierter Schizophrenie ist eine dauerhafte Behandlung mit AP im empfohlenen Dosisbereich zu empfehlen (++) wobei einige SGA Vorteile hinsichtlich Negativsymptomatik, Behandlungsdauer und Rückfallsvermeidung bieten (+). Eine intermittierende AP-Therapie („drug holiday“) stellt keine Alternative zu kontinuierlicher Behandlung dar (++). Die Behandlungsdauer sollte individuell geplant werden, bei Patienten mit multiplen Episoden aber mindestens zwei bis fünf Jahre betragen (+). Vor einem Wechsel der AP sollte die laufende Therapie optimiert und über einen adäquaten Zeitraum hinsichtlich Dosis und Adhärenz kontrolliert werden (+). Im Behandlungsplan sollten reversible Rückfallsrisikofaktoren wie komorbider Substanzkonsum, schlechte Therapieadhärenz und psychosoziale Probleme therapeutisch berücksichtigt werden (+).

Weitere Therapieansätze

  • **Soziotherapie:** in der Akutphase frühzeitig „erste Hilfe klinische Sozialarbeit“ zur Abwehr akuter sozialer Gefahren (Wohnen, Arbeit).
  • **Psychologische Verfahren:** Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zu Betroffenen und Angehörigen und intensive Psychoedukation (PE) für Patienten und Angehörige verbessern die Therapieadhärenz (+) und können durch Früherkennung die Rückfallrate reduzieren helfen (+). Kognitive Verhaltenstherapie (kVT) hilft bei der Entwicklung von Coping-Strategien zur Krankheitsbewältigung und Stressreduktion; fakultativ helfen kognitives Training, Ergotherapie und Training sozialer Kompetenzen.

Was können Sie selbst bei Schizophrenie tun?

Sich selbst helfen zu können, setzt die Einsicht voraus, behandlungsbedürftig erkrankt zu sein und frühzeitig professionelle Hilfe anzunehmen. Als hilfreich und stabilisierend hat sich der Besuch einer Selbsthilfegruppe erwiesen, wo man sich mit anderen Betroffenen in einem geschützten Raum austauschen kann.

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Kognitive Defizite und ihre Behandlung

Kognitive Störungen sind ein zentrales Merkmal der Schizophrenie [13‐15]. „Kognitive Defizite bei Schizophrenie sind häufig und stehen in engem Zusammenhang mit beruflichen und funktionellen Beeinträchtigungen. Diese Defizite können folgende Bereiche betreffen: deklaratives Gedächtnis, Arbeitsgedächtnis, Sprachfunktionen und exekutive Funktionen sowie die Verarbeitungsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeit. Diese Beeinträchtigungen bleiben häufig auch dann bestehen, wenn Positivsymptome abgeklungen sind.

Antipsychotika zeigen eine deutliche Wirkung bei den Positivsymptomen der Schizophrenie [26]. Vergleichsweise schwächer sind die Auswirkungen auf Negativsymptome und kognitive Defizite. Im Allgemeinen werden von einem Antipsychotikum folgende Eigenschaften erwartet, um eine bestmögliche kognitive Funktion zu erreichen: ein geringes anticholinerges Potenzial, eine geringe EPS-Inzidenz und ein geringes Sedierungspotenzial.

Einige Studien wiesen auf einige positive kognitive Wirkungen von Antipsychotika der zweiten Generation („second generation antipsychotics“, SGA) im Vergleich zur ersten hin („first generation antipsychotics“, FGA) [29]. In einer Metaanalyse wurde ein Trend zugunsten einiger SGA festgestellt. Es zeigte sich jedoch kein Medikament mit einem einheitlich günstigen kognitiven Profil.

Fallbeispiel: Behandlung mit Cariprazin

Herr Markus D., ein 52-jähriger Patient, Akademiker, befindet sich wegen einer bekannten Schizophrenie in regelmäßiger ambulanter psychiatrisch-fachärztlicher Behandlung. Im Juni 2021 wurde die medikamentöse Therapie auf Cariprazin-Monotherapie, beginnend mit 1,5 mg umgestellt. Unter dieser Medikation kam es zu einer deutlichen Verbesserung der Antriebsstörung und Motivation. Er verbesserte sich auch in der Konzentrationsfähigkeit, sodass er erneut Stellenbewerbungen verfasste und Vorstellungsgespräche absolvierte. Die Planungsfähigkeit nahm zu, er konnte familiäre Verpflichtungen und Alltagsaufgaben besser bewältigen. Die Negativsymptomatik verbesserte sich deutlich. Der Patient äußerte im Rahmen der Kontrolluntersuchung, dass er sich insgesamt motivierter fühle, soziale Kontakte zu haben. Er könne seine Gefühle besser erkennen und zum Ausdruck bringen. Er habe mehr Energie. Er könne seine Alltagsaktivitäten besser bewältigen und freue sich, zu einem Vorstellungsgespräch bezüglich einer beruflichen Tätigkeit eingeladen worden zu sein.

Ergebnisse der Behandlung mit Cariprazin

Die Negativsymptomatik verbesserte sich deutlich (der Gesamtwert liegt nach 6 Monaten Behandlung mit Cariprazin bei 9, der Cut-off-Wert für das Vorliegen einer Negativsymptomatik bei Schizophrenie liegt bei 7). Es kam besonders in den Bereichen Affekt und Avolition zu einer deutlichen positiven Veränderung (Tab. 1).

Im Screeningtest zur Kognition (SCIP-G) fand sich zu Beginn der Behandlung mit Cariprazin ein Gesamtwert von 62 Punkten. Der Gesamtwert für die Kognition lag nach der Therapie bei 76. Es zeigte sich vor allem eine deutliche Besserung in den kognitiven Bereichen Arbeitsgedächtnis (Verbesserung von 17 Punkten auf 23) und verbale Sprachfertigkeit (Verbesserung von 6 Punkten auf 12 Punkte) (Tab. 2).

Tabelle 1: Veränderung der Negativsymptomatik unter Cariprazin
Bereich Veränderung
Affekt Deutliche positive Veränderung
Avolition Deutliche positive Veränderung
Tabelle 2: Veränderung der Kognition unter Cariprazin (SCIP-G)
Bereich Wert zu Beginn Wert nach Therapie
Gesamtwert 62 76
Arbeitsgedächtnis 17 23
Verbale Sprachfertigkeit 6 12

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