Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) tritt gerade bei Kindern und Jugendlichen relativ häufig auf. Aber auch Erwachsene können betroffen sein. Die Symptome sind individuell verschieden. Gemeinsam sind Probleme im Bereich der Aufmerksamkeit sowie das Auftreten von Hyperaktivität und Impulsivität. Bei ADHS besteht eine verminderte Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstkontrolle. Dadurch kommt es zu Beeinträchtigungen der Konzentration und der Aufmerksamkeit sowie zu impulsivem und unüberlegtem Handeln.
ADHS: Was ist das?
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätssyndrom) wird umgangssprachlich auch als „Zappelphilipp- Syndrom“ bezeichnet.
- Es ist ein relativ häufiges psychiatrisches Krankheitsbild bei Kindern und Jugendlichen, die Diagnose sollte mit Bedacht erfolgen.
- ADHS kann auch bei Erwachsenen auftreten; bei ihnen äußert sich die Erkrankung jedoch etwas anders.
- ADHS kann gut behandelt werden!
Wie es zu ADHS kommt, ist noch nicht gänzlich geklärt. Man vermutet unter anderem eine Fehlregulation des Stoffwechsels der Botenstoffe Dopamin, Serotonin und Noradrenalin.
Kernsymptome von ADHS
- Unaufmerksamkeit: Schwierigkeiten, längere Zeit aufmerksam zu sein, Einzelheiten zu beachten; häufige Flüchtigkeitsfehler, zuzuhören und Anweisungen zu befolgen, Aufgaben/Aktivitäten zu beenden bzw. zu organisieren, bei längerer geistiger Anstrengung. Gegenstände werden oftmals verlegt, erhöhte Vergesslichkeit und leichte Ablenkbarkeit durch äußere Reize.
- Hyperaktivität: Ständige Unruhe in Händen und Füßen, Schwierigkeiten, ruhig zu sitzen. Bei Erwachsenen rückt die motorische Hyperaktivität in den Hintergrund, während innere Unruhe, Ruhelosigkeit, das „Gefühl der Getriebenheit“ und Vergesslichkeit zunehmen.
Die Diagnose erfolgt infolge einer ausführlichen Anamnese, einer neurologischen Untersuchung sowie zahlreichen psychologischen Tests und Verhaltensbeobachtungen. Da die Ursache der Erkrankung unklar ist, können nur die Verhaltensauffälligkeiten behandelt werden. Dabei kommen psychosoziale, pädagogische, psychotherapeutische Maßnahmen zum Einsatz.
Wichtig ist, dass das gesamte Behandlungskonzept individuell auf die kindlichen bzw. jugendlichen Betroffenen abgestimmt und das soziale Umfeld (Eltern, andere Verwandte, Lehrer/ Lehrerinnen, Freunde/ Freundinnen etc.) miteinbezogen wird.
Medikamentöse Therapie bei ADHS
Ist eine medikamentöse Therapie erforderlich, ist Methylphenidat das Mittel der ersten Wahl. Die Substanz hemmt die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin, wodurch deren Konzentration in den nachgeordneten Rezeptoren der Hirnzellen erhöht wird. Als Alternative steht der Wirkstoff Atomoxetin zur Verfügung. Dieser hemmt die Wiederaufnahme von Noradrenalin und verbessert dadurch ebenfalls die ADHS-Symptomatik. Es ist Mittel der 1. Wahl, wenn gleichzeitig eine Angsstörung, Tic-Störung oder Suchterkrankung vorliegt.
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Darüber hinaus sind bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS zwei weitere, gut wirksame Substanzen zugelassen: Lisdexamfetamin und Guanfacin. Lisdexamfetamin ist Mittel der 2. Wahl. Die Substanz erhöht die Freisetzung der Neurotransmitter und blockiert vermutlich die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin. So werden bei 75% der Betroffenen die Symptome gelindert. Lisdexamfetamin ist auch für Erwachsene zugelassen und hat keinen Suchtmittelstatus.
Guanfacin ist Mittel der 3. Wahl. Es aktiviert bestimmte Rezeptoren im Zentralnervensystem (die postsynaptischen Alpha-2A-Adrenorezeptoren) und optimiert dadurch die Signalübertragung. In der Folge verbessern sich Aufmerksamkeit, organisiertes und geplantes Handeln sowie Impulskontrolle.
Pflanzliche Mittel bei ADHS
Safran bzw. sein Inhaltsstoff Crocetin kann depressive Symptome lindern und ist dabei gut verträglich. Das zeigten nicht nur Untersuchungen bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen wurde der Pflanzenstoff bereits erfolgreich eingesetzt. Neben der stimmungsaufhellenden Wirkung wurden auch konzentrationsfördernde und beruhigende Eigenschaften dargestellt.
Einige Studien liefern jedoch Hinweise auf einen positiven Einfluss durch die Zufuhr von ungesättigten Fettsäuren, vor allem Omega- 3-Fettsäuren. Denn diese spielen eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Informationen zwischen den Nervenzellen.
Eltern von Kindern mit ADHS fragen verstärkt nach therapeutischen Ansätzen aus dem Bereich der Komplementär- und Alternativmedizin, vor allem nach Phytopharmaka. Wie wirksam bestimmte Heilpflanzen bei der Therapie von Kindern mit ADHS sind, prüften die Autoren auf der Basis einer Literaturrecherche. Sieben Pflanzen bzw. deren Inhaltsstoffe wurden in den Studien getestet. Für Melisse, Baldrian und Passionsblume ergab sich jeweils eine geringe, für Pinienrindenextrakt und Ginkgo eine limitierte Evidenz, dass sie wirksam sind, so die Autoren. Schwerwiegende Nebenwirkungen unter der Therapie wurden nicht beobachtet.
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Katz et al. hatten bei der Behandlung von 120 Kindern mit ADHS eine Mischung pflanzlicher Zubereitungen (Hauptbestandteil Melissa officinalis) im Vergleich zu Placebo geprüft (2). In der Verumgruppe liessen sich signifikante Verbesserungen des T.O.V.A.® (Test Of Variables of Attention) im Vergleich zur Kontrollgruppe messen.
Verglichen wurde der Einsatz einer Baldrian-Urtinktur mit Placebo bei der Behandlung von 30 ADHS-Kindern (3). Den Therapieerfolg beurteilte man anhand des Children’s Checking Task (CCT), des Conner’s Parent Symptom Questionnaire (PSQ) und der Barkley & DuPaul Teacher Rating Scale. Kinder, die zwei Wochen mit Urtinktur behandelt worden waren, zeigten gegenüber jenen aus der Placebogruppe eine signifikante Verbesserung im PSQ und im CCT (Total Score, Speed Score).
Eine weitere Studie (4) prüfte die Effekte einer Zubereitung der Passionsblume (0,04 mg Passiflora incarnata/kg pro Tag) im Vergleich zur Standardmedikation Methylphenidat (täglich 1 mg/kg KG). 34 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren nahmen teil. Im Untersuchungszeitraum zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der ADHS Rating Scale zwischen den Therapiegruppen. Die klinische Symptomatik besserte sich sowohl durch die Behandlung mit Passionsblume als auch durch Methylphenidat signifikant. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten in keiner der beiden Gruppen auf.
Die Datenlage zu Melisse, Baldrian und Passionsblume reiche zwar nicht für eine konkrete Empfehlung aus, so das Fazit.
Weitere Therapieansätze
Zu den möglichen Therapien zählen vor allem die Aufklärung über die Erkrankung, Elternschulung/Elterncoachings, intensive Zusammenarbeit mit der Schule, Medikamente und Psychotherapie.
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Eine wichtige Maßnahme ist die Aufklärung über ADHS von Eltern, Familie und Betreuungspersonen aus dem sozialen Umfeld (etwa Kindergarten oder Schule). Die Aufklärung über die Erkrankung wird Psychoedukation genannt und erfolgt z.B. in Form von Elternschulungen. Bei einer Elternschulung erfahren die Eltern mehr über ADHS (was es ist, wie es auf den Körper wirkt etc.) und den Umgang damit. Zum Beispiel welche Verhaltensweisen man beeinflussen kann, welche das Kind ändern kann und welche nicht. Diese Schulung unterstützt bei der Erziehung und auch bei Problemen mit ADHS im Alltag.
Der Alltag eines Kindes mit ADHS sollte zum Beispiel gut strukturiert sein.
ADHS hat meist Auswirkungen auf den Alltag im Kindergarten oder der Schule. Daher ist eine Zusammenarbeit zwischen Eltern, Kindern, den behandelnden Personen und dem Kindergarten bzw. der Schule hilfreich. So können zum Beispiel Lernbedingungen angepasst werden (z.B. Übungen im Unterricht). Klare Botschaften und Regeln, eine gut geplante Tagesstruktur, das Vermeiden von Überforderung oder immer wieder mal ein gerechtfertigtes Lob sind zudem hilfreich.
Im Vorschulalter stehen dabei meist Erziehungsberatung der Eltern, Einbezug des Kindergartenpersonals und eine Spieltherapie im Vordergrund.
Bei der psychotherapeutischen Behandlung von Schulkindern mit ADHS wird unter anderem mittels verhaltenstherapeutischen Maßnahmen gelernt, die Gefühle besser zu regulieren oder Probleme zu lösen. Das schulische sowie soziale Umfeld wird mit einbezogen. Mittels Psychoedukation soll das Verständnis für die Störung gefördert werden. In einer Gruppentherapie können Jugendliche z.B. auch ihre sozialen Fähigkeiten in Kontakt mit Gleichaltrigen verbessern.
Medikamente kommen bei ADHS ab dem Alter von sechs Jahren zum Einsatz. Das am häufigsten verwendete Medikament bei ADHS ist der Wirkstoff Methylphenidat. Tritt keine erwünschte Wirkung ein, kann auch eine Behandlung mit den Wirkstoffen Atomoxetin, Guanfacin oder Lisdexamfetamin eine Alternative sein.
Die Vor- und Nachteile der Medikamenteneinnahme werden von dem Kind/Jugendlichen, Eltern und Ärztin/Arzt gemeinsam abgewogen.
Medikamente bei ADHS sollten im Zuge einer umfassenden Therapie zum Einsatz kommen. Das bedeutet, dass nicht nur Medikamente eingenommen werden. Begleitend werden soziale, psychotherapeutische und pädagogische Maßnahmen gesetzt. Die Medikamente können die Symptome lindern, solange sie eingenommen werden.
Auch klinisch-psychologische Behandlungstechniken werden eingesetzt. Mithilfe einer Ergotherapeutin/eines Ergotherapeuten werden etwa Fähigkeiten in Bezug auf Bewegung, Ausführung von Alltagstätigkeiten oder sozialem Austausch verbessert, das Selbstbewusstsein wird gestärkt.
Es gibt Hinweise, dass Ausdauersport bei ADHS hilfreich ist. Allerdings ist dies wissenschaftlich noch nicht ausreichend überprüft. Eltern und Kinder empfinden Sport jedoch oft als hilfreich.
Andere immer wieder mit ADHS in Verbindung gebrachte Maßnahmen wie Neurofeedback, Diäten/Ernährungsumstellungen, pflanzliche Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel sind unzureichend erforscht.
Sollten Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind an ADHS leidet, wenden Sie sich an eine Kinderpsychiaterin/einen Kinderpsychiater bzw. eine Kinderärztin/einen Kinderarzt mit Spezialisierung auf Psychosomatik oder eine der spezialisierten ADHS-Ambulanzen. Diese/dieser leitet dann weitere notwendige Untersuchungen bzw. Behandlungen ein.
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